XXIV

Morgoth versuchte den Schmerz des Brandes, der immer noch in seinen Händen schwelte, zu unterdrücken, als er einen weiteren Schritt auf die Istari zutrat.
“Ich habe euch dieses Angebot bereits einmal gemacht und ihr habt, töricht wie ihr seid, abgelehnt“, begann er mit seiner dröhnenden Stimme zu sprechen. “Trotzdem möchte ich euch noch einmal die Möglichkeit geben niederzuknien und mir als Hauptmänner meiner Armee zu dienen.“
Er sah der Reihe nach in die Gesichter der Istari, die dort vor ihm standen. Ihnen allen waren die Strapazen der Gefangenschaft und der langen Reise anzusehen, ihre Rücken waren gebeugt und ihre Gesichter eingefallen. Dennoch strahlten ihre Augen immer noch Entschlossenheit aus und das Feuer, das in ihnen brannte, loderte weiterhin. Er kam nicht umhin, den drei Maiar insgeheim seinen Respekt für ihre Standhaftigkeit auszusprechen, die er seit den Tagen Húrins nicht mehr gesehen hatte. Auch wenn er keine Antwort erhielt, wusste er, welche Entscheidung die drei Istari getroffen hatten.
“Nun denn, ich sehe, dass ihr nicht gewillt seid, euren lächerlichen Widerstand aufzugeben“, sagte er deshalb. “Darum fürchte ich, dass ihr mir auch keine Auskunft über die Reise eurer sieben Freunde geben werdet.“
“Wir werden keinen von ihnen verraten“, antwortete Alatar mit fester Stimme, die Morgoth ein spöttisches Lächeln entlockte. Diese drei Maiar schienen immer noch darauf bedacht, den Schein der unbeugsamen Verteidiger Mittelerdes zu wahren.
“Oh, ich werde meine Antworten erhalten, seid euch dessen gewiss“, antwortete Morgoth, ohne sein Grinsen abzulegen. “Die einzige Frage, die sich stellt, ist, wie viel ihr leiden müsst, um mir diese Antworten zu liefern.“
Gelassen trat er zurück und sah sich im Raum um. “Erinnert ihr euch an die Geschichte dieses Menschen, Húrin? Auch ihn habe ich damals gefangen genommen und ich habe erhalten, was ich von ihm wollte, doch er verließ meine Lande als gebrochener Mann“, erzählte er. Dann sah er die drei Istari wieder an. “Wisst ihr nicht, dass ihr dem mächtigsten und ersten aller Valar gegenübersteht?“
“Gegen die Macht von Valinor seid ihr ohne Kraft, Melkor“, erhob Pallando seine etwas dünne Stimme. “Auch ihr wisst, was passieren kann, wenn die Valar den Ruf nach Hilfe vernehmen, ihr habt es bereits einmal erlebt. Die Valar werden Mittelerde nicht im Stich lassen.“
Morgoth war das Grinsen entglitten. Die Erinnerung an seine zweite und schwerste Niederlage samt der anschließenden Gefangenschaft ließ die Wut in sein Gesicht zurückkehren.
“Ich werde ihre Macht ein für allemal auslöschen!“, rief er aufgebracht und die Flammen in seinen Augen schienen hervorzubrechen. “Doch zuerst werde ich allen, die mir im Weg stehen, ewiges Leiden zufügen.“
Er drehte sich in die Schwärze des Raumes und lächelte in sich hinein. “Hört auf meine Worte, ihr Menschen, Elben, Zwerge, ihr Wesen, die ihr euch gegen mich stellt: Ich verfluche euch und all eure Nachkommen mit dem Fluch des Ewigen, Melko. Die Furcht vor mir wird über euren Köpfen hängen wie ein eisernes Schwert, die Dunkelheit in euren Herzen wird niemals verlöschen. Ständig lebt ihr in Misstrauen gegen eure Nachbarn, in Argwohn vor denen, die euch die Hand reichen. Der Kampf unter euch wird kein Ende nehmen, bis mein Name von Arda getilgt ist.“
Hämisch lächelnd drehte er sich zu den drei Istari um. Radagast hatte den Kopf gesenkt, in Alatars und Pallandos Gesicht spiegelte sich tiefe Trauer wieder.
“Ihr wisst nicht, was ihr getan habt“, sagte Alatar mit blecherner Stimme. “Niemals wieder wird Arda in Harmonie und Eintracht sein.“
“Arda ist mein und es interessiert mich nicht, was mit seinen Bewohnern passiert“, entgegnete Morgoth und schnaubte. “Meine Macht wird ungebrochen sein und schon bald wird sich niemand mehr an euren lächerlichen Widerstand erinnern.“
“Ihr werd-“, begann Radagast, doch Morgoth schnitt ihm das Wort ab.
“Verschont mich mit eurem Gewinsel!“, rief er. “Das einzige, das ich von euch hören will, sind eure Antworten auf meine Fragen.“
Er sah die drei Istari erneut an, doch er erkannte, dass er sie nicht zum Reden bringen würde. “Nun denn, ihr lasst mir keine andere Wahl.“
Er winkte seinen Leibwächter heran und ließ ihn die Istari hinter sich her führen. Er selbst ging voraus, um seinen Thron herum und gelangte schließlich ans Ende des Saales. In die schwarze Wand war ein Durchgang gehauen, der so niedrig war, dass Morgoth sich leicht bücken musste, um nicht an der Decke anzustoßen. Dahinter lag ein kleiner Raum, etwa sieben Meter lang und breit, der abgesehen von fünf hohen Stühlen in der Mitte komplett leer war. Die Schwärze des Raumes wurde von einigen Feuerpfannen, die an der Wand hingen, erleuchtet, ansonsten war es vollkommen dunkel und still. Morgoth trat in den Raum vor die Stühle hin und beobachtete, wie die Istari gefolgt von seinem Leibwächter den Raum betraten. Morgoth gab ein kurzes Zeichen und zwei Minuten später saßen alle drei Istari auf den drei mittleren Stühlen. Ihre Hände und Füße waren an den schwarzen Stein des Stuhles gekettet, keiner von ihnen hatte Widerstand geleistet.
“Ich sehe, dass ich durch Überredung und Gewalt keine Antworten von euch erhalte“, begann Morgoth noch tiefer als sonst. “Deshalb wird nun euer Geist Opfer meines Zorns werden. Ihr werdet unvorstellbare Qualen erleiden, solange, bis ihr mir Antwort auf meine Fragen gebt oder euer Geist gebrochen ist.“
Die drei Istari sahen ihn aus großen Augen an, offenbar hatte keiner von ihnen eine solche Folter erwartet.
“Ihr werdet mit meinen Augen sehen, von welcher Gestalt Arda sein wird, wenn ich mein Werk vollendet habe“, sprach Morgoth weiter. “Ihr werdet sehen, was passiert, wenn der Weg der Dunkelheit abgeschlossen und alles Schöne in Mittelerde vernichtet ist. Glaubt ihr wirklich, ihr könnt der Macht des ersten aller Valar widerstehen?“
Hämisch lächelnd wandte sich Morgoth Radagast zu, der ganz links saß. Er trat einen Schritt auf den Istari zu, sodass er direkt vor ihm stand. Dann nahm er seine Hand und drückte seinen Daumen und seinen Ringfinger in die Schläfen des Istari. Sofort schlossen sich seine Augen und sein Kopf fiel in den Nacken. Stumme Schmerzensschreie verließen den weit geöffneten Mund Radagasts und sein ganzer Körper begann zu beben. Morgoth trat zurück und betrachtete sein Werk. Er konnte die Schmerzen des Maiar förmlich spüren, was ihm ein Lächeln aufs Gesicht trieb. Er trat nach rechts, direkt vor Alatar hin und wiederholte die Prozedur. Auch er schien willenlos, leistete keinen Widerstand und sein Kopf begann nach der Berührung mit Morgoths verbranntem Fleisch wild zu zucken. Schließlich trat Morgoth vor Pallando hin.
“Die Sieben. Erzähl mir, was du über sie weißt“, fragte er hart, doch Pallando zeigte keinerlei Reaktion. Langsam beugte sich der Valar nach unten. “Wo sind sie? Was ist ihr Plan?“
Auch jetzt erhielt er keinerlei Antwort, sodass er auch Pallando die Finger auf die Schläfen legte.
“Gib mir, was ich haben will“, flüsterte er aggressiv, dann verstärkte er den Druck. Pallandos Augen waren weit aufgerissen, jedes Leben hatte sie verlassen. Vor Schmerz und Schock verzerrte sich sein ganzes Gesicht.
“Antworte mir!“, schrie der dunkle Herrscher schon fast und verstärkte den Druck weiter. Pallandos Mund öffnete sich, doch kein Laut kam über seine Lippen. “Antworte mir!“
Der Körper des Maiar fing an zu zucken, dann sackte er in sich zusammen. Morgoth packte ihn am Kopf, riss ihn von seinen Fesseln los und warf ihn mit einem wutentbrannten Schrei gegen die Wand. Leblos sank der Körper auf den Boden, Pallando war tot.
“Schaff ihn weg“, sagte Morgoth zu seinem Leibwächter. Mit einem Rest an Wut sah er auf die verbliebenen Istari, die immer noch unter seiner Folter litten. Eines hatte er von diesem Vorfall gelernt: Er würde einiges an Geduld brauchen, wollte er Antworten auf seine Fragen enthalten. Geduld, die er nicht haben konnte, Geduld, die er nicht haben wollte. Er warf einen letzten Blick auf die beiden Maiar, dann verließ er schnaubend den Raum.

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