XIX
“Die Zeit ist bald da“, brummte Baumbart langsam vor sich hin und sah die Gefährten, die vor ihm standen, an. “Ihr müsst vor dieser Bedrohung fliehen, wenn ihre eure Mission zu Ende führen wollt.“
“Was geschieht dann mit euch?“, fragte Thranduil betrübt.
“Oh, seid unbesorgt, junger Elb“, antwortete Baumbart und lachte kurz und tief auf. “Wir werden zu unseren Verwandten in den Westen ziehen und in Ruhe weiterleben. Dieser Wald wird dann zwar verloren sein, doch die Ents werden weiterleben.“
Auch seine Stimme hatte einen traurigen Unterton angenommen, offenbar trauerte Baumbart bereits um die Freude, die er bald verlieren würde.
“Kann man denn gar nichts gegen diese Dinger tun?“, fragte Durin trotzig und schielte auf seine Axt.
“Ich fürchte nein, Herr Zwerg“, antwortete der Ent und schüttelte nachdenklich den Kopf. “Ich kannte einst einen, euch in Gestalt ähnlich, der es mit diesen Kreaturen aufnehmen konnte, doch für euch sind sie zu mächtig.“
“Was sind das für Kreaturen, Baumbart?“, fragte Théoden interessiert.
“Ihr nennt sie Valaraukar oder Balrogs und sie sind die wohl mächtigsten Untergebenen Morgoths“, erklärte Baumbart schnaufend. “Sie sind Maiar, Engel aus dem Westen, die sich ganz der Dunkelheit unterworfen haben. Sie hüllen sich in Feuer und sind nahezu unbezwingbar.“
“Tolle Aussichten“, zischte Durin durch die Zähne.
“Dann wäre es wohl wirklich besser, brächen wir nun auf“, sagte Celeborn und schnallte sich seine Lanze auf den Rücken.
Alassen nickte nur kurz, dann wandte er sich wieder Baumbart zu. “Wir danken euch für eure Gastfreundschaft, Baumbart.“
Er verbeugte sich kurz, dann hob er die Hand zum Gruß. “Bis zu dem Tag, an dem wir uns wiedersehen.“
“Es freut uns, dass wir euch helfen konnten“, sprach Baumbart.
Ein kurzes Dankeschön später schritten die sieben Gefährten schweigend durch die nordwestlichen Ausläufer des Wachtwaldes, wo Baumbart sie verlassen hatte. Die zweitägige Ruhepause hatte ihnen gutgetan, nun waren sie bereit für die nächste lange Etappe im Schatten des Nebelgebirges. Trotzdem war die Stimmung gedrückt, wussten sie doch ganz genau, was diesen Wald in wenigen Stunden erwarten würde. Offenbar machte Morgoth vor nichts und niemandem halt, um seine Ziele zu erreichen. Tingilya hatte inzwischen eine recht genaue Vorstellung davon, was diesen Angriff verursacht hatte. Die Ents hatten ihr von den Orkpatrouillen erzählt, die die Wälder um Isengard durchstreift hatten. Die Ents hatten kaum einen von ihnen am Leben gelassen und Morgoth wollte offenbar jeglichen Widerstand im Keim ersticken. Wenn hier morgen Abend die Sonne hinter den dichten grauen Wolken unterging, würde der Orthanc allein in die Höhe ragen, glänzend im Schein des alles verzehrenden Feuers. So hing Tingilya ihren düsteren Gedanken nach, bis Alassen neben sie trat. Einen Moment lang betrachtete sie ihren Mann. Es war erstaunlich zu sehen, welche Entwicklung er genommen hatte. Wie ihre spitzen Elbenohren zufällig aufgeschnappt hatten, hatte Alassens Vater sich noch vor einem halben Jahr darüber Sorgen gemacht, ob sein Sohn dieses Reich jemals als König würde regieren können. Nun ging er hier neben ihr, gab ganz selbstverständlich Anweisungen und strahlte eine Macht und Würde aus, die ganz der seines Vaters glich. Auch die in sich gekehrte Traurigkeit war verschwunden, Alassen trug nun immer öfter ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen, so wie jetzt, als er nach vorne sah, auf den Weg, der vor ihnen lag. Tingilya konnte gar nicht anders, als ihm im Laufen einen sanften Kuss auf die Wange zu drücken.
“Wofür war das denn?“, fragte Alassen überrascht, aber sein Lächeln war nur noch wärmer geworden.
“Einfach so“, antwortete Tingilya und grinste ihn an.
Lächelnd schüttelte Alassen den Kopf, dann zeigte er nach vorne. “Das ist der Waldrand, wir sind gleich draußen."
“Wie geht es jetzt weiter, Alassen?“, fragte Tingilya und sah starr geradeaus. Die Länder, in die wir gelangen, werden immer gefährlicher, immer unbekannter.
“Da hast du recht, Tingilya und doch bin ich mir sicher, dass wir das alle gemeinsam schaffen werden“, meinte Alassen sanft und blickte sie aufmunternd an. “Bisher haben wir es doch auch hinbekommen.“
Aiya trat neben sie. “Trotzdem hat Tingilya recht. Unser Weg wird nicht leichter. Nun wartet das Nebelgebirge auf uns.“
Alassen nickte, dann zog er einen goldenen, mit einem roten Rubin besetzten Ring hervor. “Erinnert ihr euch noch, was mein Vater sagte, als er mit diesen Ring übergab? Er meinte, dass dieser Ring die Kraft hätte, die Herzen anderer zu stärken und den Hoffnungslosen neue Kraft zu geben.“
Tingilya lächelte leicht. “Diese Kraft werden wir benötigen können.“
“Und hoffentlich wird sie niemals verlöschen“, antwortete Alassen, dann traten sie aus dem Dickicht des Waldes hervor.
Nirànhs Blick wanderte langsam und zielgerichtet umher. Er musterte die Orks, die sich in einem Halbkreis vor ihm aufgebaut hatten. Alle hatten sie ihre Schwerter gezogen, in ihren Augen glänzte die Sicherheit, dass ihr Sieg eigentlich bereits feststand. Diese Selbstsicherheit war für ihn und seine Männer wahrscheinlich eine größere Waffe als die Waffen, die sie in ihren Händen hielten. Nun hieß es schnell reagieren. Sie konnten diese Situation nur überleben, wenn alles exakt nach Plan verlief. Der Anführer der Orks stand ihm gegenüber und wartete darauf, dass er selbst sein Schwert zog. Vorsichtig legte Nirành seine Hand an den Knauf seines Schwertes, die andere spannte er vorsichtig an. Dann ging alles ganz schnell. Nirành ballte seine Hand zur Faust und ein Pfeil verließ die zugehörige Sehne, der hauchzart über Nirànhs Schulter flog und sich knapp über dem rechten Auge des Ork-Anführers in den Schädel des Orks bohrte. Noch bevor die ersten Orks realisiert hatten, was hier geschah, war der Großteil der Menschen bereits durch den Hinterausgang nach draußen geflohen. Ein paar Bogenschützen hatten sich mit Schildträgern zusammengetan, die ihnen Deckung gaben, während sie sich die Schützen der Orks auf der Mauer vornahmen. Auch bei Nirành stand ein Schildträger und nun, da die Orks den Angriff starteten, wichen sie vorsichtig zurück. All das war in nur wenigen Sekunden geschehen, sodass der Großteil der menschlichen Soldaten bereits in Sicherheit war, als die Orks zum Gegenangriff übergingen. Die etwa vierzig Orks waren inzwischen schon stark dezimiert worden und die letzten Menschen zogen sich immer weiter zum Hinterausgang zurück. Die Angreifer wurden mit Lanzen auf Abstand gehalten und die Bogenschützen hielten die Schützen der Orks in Schach.
"Kommt!", rief ein Mensch ihnen von hinten zu und als Nirành einen kurzen Blick über die Schulter warf, sah er, dass sie den Ausgang quasi bereits erreicht hatten. Mit schnellen Handbewegungen scheuchte er die verbliebenen Soldaten zurück durch den Ausgang, zwei weitere Soldaten lagen regungslos auf dem Boden. Auf Seiten der Orks war mindestens ein Dutzend gefallen, der Großteil davon von den Schützen auf der Mauer, die inzwischen nicht mehr besetzt war. Als Nirành dann rückwärts durch den Ausgang trat, grinste er leicht. Sein Plan hatte funktioniert, doch entkommen waren sie den Orks noch nicht. Geschickt sprang er auf den Boden der Stadt, dann begann er, Anweisungen zu geben.
"Wir laufen in mehreren Gruppen, um die Orks zu verwirren und aufzuteilen", erklärte er flüsternd. "Denkt daran, die Nacht ist das Revier der Orks. Seid vorsichtig, leise und schnell. Wir treffen uns im Südwesten der Stadt am Fluss."
Kaum hatte er zu Ende gesprochen, rannten die ersten Soldaten bereits los. Nirành warf noch einen kurzen Blick nach hinten und konnte im schwachen Fackellicht erkennen, dass die Orks das Gebäude verließen und ihnen bereits nachjagten. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit. Er atmete einmal tief durch, dann rannte er los.
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