•24• {[ Der Tod ]}

„Bis bald, kleines Greifenmädchen," flüsterte das Wesen unten am Strand, welches seine Klauen in die schwarzen Klippen geschlagen hatte um ihren Blicken zu entgehen, ehe es sich abwandte und in schwarzen Rauch auflöste, welcher mit dem Wind verwehte.

Sie litt unter den Blicken der anderen, die sie mit Wut und Verachtung musterten.
Sie war zum Gespött der Schule geworden.
Der einzige Faden an den sie sich noch klammern konnte waren ihre Großmutter und Rob, die sie in den Ferien wiedersehen würde.
Es war Mittwoch, bald würde es für sie nach Hause gehen. Zuerst musste sie aber noch die kommenden zwei Tage überstehen.
In den meisten anderen Fächern hatte sie bestanden, von außen herab betrachtet glich sie aber einem wandelndem Wrack, die Albträume, die sie Nacht für Nacht verfolgten, ließen sie einfach nicht ruhig schlafen.
Jeder Tag, den sie hier verbrachte, zerstörte sie immer und immer mehr von innen heraus, denn der Zweifel, den die schaurige Kreatur im Wald in ihr geweckt hatte, begann an ihr zu nagen.
Gehörte sie wirklich nicht hierher?
War sie ein Fehler?
Diese Fragen konnte sie sich selbst nicht beantworten.

Aber auch dieser Tag war wie die letzten irgendwann zu Ende.
Erschöpft ging sie diesen Abend ins Bett, um in einen ausnahmsweise erholsamen Schlaf zu fallen.

Schwarzer Rauch quoll unter der Tür hindurch und verfestigte sich zu einer grausigen Gestalt.
Man hörte nichts. Nicht einen Schrei. Nicht einen einzigen Mucks.
Nach getaner Arbeit löste sich die Gestalt erneut auf und verließ das Zimmer über den Weg, über den sie es betreten hatte.
Zurück ließ sie ein Schaubild, das man so schnell nicht vergessen würde.

Am nächsten Morgen standen die Schüler auf, um sich für den Schultag vorzubereiten.
Evelyn quälte sich aus dem Bett und wankte schlaftrunken und mit noch halb geschlossenen Augen ins Badezimmer. Nach einer knappen Viertelstunde verließ sie es wieder und ein gellender Schrei weckte die restlichen Schüler, die noch im Bett lagen.
Zoey lag auf ihrem Bett, die Körperteile in einem unmenschlichen Winkel von ihr gestreckt, ihr Gesicht war überzogen mit schwarzen Adern und ihre glasigen Augen waren an die Decke gerichtet.
Mr.Miller kam herein gestürmt.
„Was soll der Lärm um diese Uhrzeit?!" keifte er Evelyn an, die nur zitternd auf Zoey zeigte.
Er schien sie erst jetzt zu bemerken.
Ohne Evelyn weiter zu beachten stürzte er zu ihrem Bett, er griff nach Zoey's Hand, aber nachdem er fühlte, wie kalt diese schon war, zuckte er zurück.
„Wann hast du das bemerkt?" fuhr er Evelyn unwirsch an.
„Gerade eben nachdem ich aufgestanden bin!" stotterte sie.
Mr.Miller hörte ihr nicht weiter zu, sondern hatte begonnen, Zoey näher zu untersuchen.
Er kam aber zu keinem anderem Schluss außer einem: Der letzte Greif war diese Nacht gestorben!
Mit der Todesursache würde er sich später noch beschäftigen, nahm er sich vor.

Zoey spürte keinen Schmerz.
Nur die große Leere, die sie umgab und in der sie schwebte. Alles war ihr vollkommen gleichgültig, nichts interessierte sie, denn es gab nichts, für das sie sich interessieren konnte.
Nur die große Leere und sonst ein allumfassendes Nichts.
Doch plötzlich erschien inmitten des Nichts ein kleines Licht, das begann sich auszuweiten und dann an Gestalt zunahm.
Immer noch vollkommen gleichgültig bekam Zoey mit, wie sich ein Boden unter ihren Füßen bildete.
Das Licht begann sich weiter auszubreiten und Gebäude, die Bäumen ähnelten, sowie ein großer Platz wurden sichtbar.
Mehrere Leute traten aus den Häusern heraus und kamen auf Zoey zu.
„Willkommen Zoey, Aryas Tochter, wir grüßen dich." Mit diesen Worten kamen die Erinnerungen wieder hoch und Zoey überkam es wie ein Donnerschlag.
„Wo bin ich?" fragte sie die Menschen um sich herum, die alle aus verschiedenen Zeitaltern zu kommen schienen.
„Du bist gestorben, meine Liebe," beantwortete eine Frau hinter ihr die Frage.
„Durch den Stich eines Mantrax," fügte ein Mann hinzu.
„Was ist ein Mantrax?" quetschte Zoey heraus. Zu viele Eindrücke und Erinnerungen prasselten auf einmal auf sie ein.
„Du bist doch selber schon einem begegnet, meine Liebe," beantwortete die Frau hinter ihr auch diese Frage.
„Das Wesen im Wald!" flüsterte Zoey leise zu sich selbst.
„Genau," brummte ein alt wirkender Mann mit Spitzbart vom anderen Ende des Kreises, den die Leute um sie gebildet hatten.
„Und wer seid ihr?" fragte Zoey. Die anderen Sachen konnte sie sich zusammen reimen.
„Wir sind die, die vor dir kamen, wir sind die ursprünglichen Hüter des Liedes."
„A-a-aber warum bin ich dann hier?" stotterte Zoey.
„Weil du die Entscheidung bringen wirst. Und wir können nicht zulassen, dass die Welt, die wir lieben, zerstört wird wegen eines dahergelaufenen Magiers, der sich anmaßt, über das Lied zu herrschen. Normalerweise wärst du gestorben, aber wir haben deinen Geist aufgefangen bevor er sich von deinem Körper lösen konnte und ihn hierher gebracht. Wir werden dich lehren und ausbilden, deinen Ansprüchen entsprechend. Und wenn die Zeit soweit ist werden wir dich zurückschicken."
„Aber meine Großmutter und meine Freunde!? Was sollen sie nur denken?"
„Sie werden das denken, was dein Schulleiter ihnen erzählt hat. Dass du am Strand auf eine Muschel getreten bist und kurz darauf durch die Blutvergiftung im Krankenhaus verstorben bist," teilte ihr ein weiterer Mann mit kalter Stimme mit.
Zoey wischte sich kurz die Tränen ab, was sollte Grey nur ohne sie tun?
„Dein Ausbildung wird morgen früh beginnen!" teilte ihr der Mann von vorhin mit.
Zoey blickte sich um, sie konnte keine Sonne oder Mond entdecken, nach denen sie sich richten könnte. Das Licht schien von den Gebäuden selbst zu kommen.
„Ab..."
„Wir werden dich wecken," teilte ihr die Frau mit, die zuerst gesprochen hatte.
Zoey nickte.

Der Mantrax verfestigte sich vor der Höhle.
„Sie ist tot, mein Herr," krächzte er. „Die Hüter haben sie zu sich aufgenommen."
„Alles verläuft nach Plan," erscholl es aus den Schatten. „Nun müssen wir uns auf ihre Rückkehr vorbereiten."
„Jawohl Sir, ich werde dafür sorgen," sagte der Mantrax ehe er sich abwandte.

Derweil wartete Oma Grey auf den wöchentlichen Anruf von Zoey, den sie sonst immer um diese Uhrzeit erhalten hatte.
Sie wartete.
Aber auch zwei Stunden später hatte sie noch keinen Anruf von ihrer Enkelin erhalten.

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1025 Wörter

Dieses Mal keine großen Abschlussworte.

Bis zum nächsten Mal

Ciao und Peace out

Melodie

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