{K8} Dark night (Teil 2)

Sicht Maske

17. April 2022

Ein Schatten betrat den Raum.

"Komm, das musst du dir ansehen!" Mein Herzschlag beruhigte sich wieder.

Widerwillig riß ich mich vom hypnotisierenden roten Blinken los.

Schnell folgte ich dem anderen Kuttenträger. Er steuerte direkt auf den Kamin im Wohnzimmer des großen Hauses zu.
Was war an einem Kamin so interessant?

Mein Blick blieb an einem schwarzen Gerät hängen. Mehrere... Kassetten?!... lagen daneben. Wer zum Henker hört im Jahr 2022 noch Kassetten? CD's waren schon old school.

Märchen-MixTape
Märchen? Realy?
War der Typ jetzt komplett bekloppt?!

"Wir hab keine Zeit für solchen scheiss!" Zischte ich genervt. Wir hatten eine Mission von höchster Priorität! So schnell würden wir nicht mehr die Möglichkeit bekommen an Julien Bam's Daten ranzukommen.

Ich wollte schon wieder zurück ins Aufnahmezimmer gehen, als ich zurückgehalten wurde.
Wenn meinen Blick hätte töten können, wäre mein Gegenüber jetzt an 10 tode gestorben.

Ich hasste es, wenn man mich von der eigentlichen Mission abhielt.
Am liebsten hätte ich meinem Gegner jetzt eine reingehauen.

"Guck mal da!" Geht es vielleicht etwas präziser?
Genervt folgte ich seinem ausgestreckten Finger.

Da entdeckte ich, was er vermutlich gemeint hatte.
Ein handgeschriebener Zettel lag neben dem Abspielgerät.

Viele der aufgelisteten Dinge waren durchgestrichen.

Lediglich die unterste Zeile war umkreist:

Mixtape V - III

Was hatte das zu bedeuten?

Ein Geräusch von draussen riess mich aus den Gedanken. Ein Schlüssel knackte im Schloss. Sofort gefror das Blut in den Adern. Der Hausherr kam zurück!

Während mein Kollege sich bereits panisch an der Terassentür zu schaffen machte, lief mir plötzlich ein eisiger Schauer über den Rücken.

Scheisse der USB Stick!

Das rote Blinken, einem warnenden Alarm gleich, war vom Wohnzimmer und angrenzenden Flur aus deutlich zu sehen.

Schnell rannte ich ins Studio, noch wärend ich das Öffnen der Haustür im Flur hörte.
Adrenalin rauschte durch meinen Adern.

Hecktisch riss ich den Stick aus dem Gehäuse. Schlagartig wurde es dunkel.

Ich musste einfach hoffen, dass das Programm vollständig seinen Weg auf den Computer gefunden hatten, die ID von YouTube selbständig entschlüsseln und die Passwörter knacken konnte.

Mit einer fließenden Bewegung öffnete ich die Terassentür des ehemaligen Wintergartens, schloss diese lautlos und rannte zu der Budda Figur im Garten, um mich dahinter zu verstecken.

Keine Sekunde zu früh!
Schon bog der Social Media Star um die Ecke und betrat, mit einer Tüte in der Hand, den Raum.

Mein Komplize hatte sich hinter dem Steinofen versteckt und hielt ein flaches Gerät dicht an den Mund der Maske gepresst.

Die Strickleiter, mit der wir vom Nachbargrundstück die meterhohen Mauern, die den Garten des deutschlandweit bekannten YouTubers vor unerwünschten Fanblicken schützend umringt und hinter dem unsere unbemerkte Fluchtmöglichkeit unter sehr dichten Blattwerk der Efeuhecke verborgen lag, war so nah und doch so fern.

Ich meine mich zu erinnern beim Herunterklettern hoch oben im Geäst sogar eine goldene Weihnachtskugel entdeckt zu haben. Wie die wohl da hin gekommen ist?

Die Nachbarn beneide ich nicht. Musste die letzten Jahre bestimmt stressig gewesen sein, neben einem verrückten Schausteller zu wohnen.
Bald würde auf diesem Grundstück endlich Ruhe einkehren.

Erst jetzt merkte ich, wie schwer mir das Atmen unter der Gesichtsabdeckung fiel.
Schweiss hatte sich an der Innenseite gesammelt. Der unangenehme Geruch von feuchtem Hartplastik stieg mir in die Nase. Die kühle Luft tat gut.

Jetzt, wo meine Position näher an der Scheibe war, konnte ich beobachten, was am Bildschirm getrieben wurde.
Word wurde geöffnet.
Der geschriebene Text war trotzdem zu klein, um die Worte zu entziffern. Aber es war viel Text... sehr viel Text. Und Seiten.
Ein Skript!

Aber ein sehr sehr langes Skript. Zu lange für ein einfaches YouTube Video, aber zu kurz für einen Spielfilm.
Die Energie könnte sich der Producer eigentlich sparen.
Ob diese Serie jetzt jemals verwirklicht werden konnte?

Plötzlich ertönte ein lautes Rattern.
Meine Frage wurde soeben beantwortet.

Das Geräusch war, trotz der geschlossenen Scheiben, bis zu mir zu hören. Sichtlich irritiert starrte der Mann des Gehäuse mit den durchdrehenden Lüftern an, ehe er den Taskmanager am Bildschirm öffnete. Sofort wurde das Rattern leiser.

Perfekt, es funktioniert!
Ein riesen Stein viel mir vom Herzen. Das Programm, der Virus, zog sich tatsächlich zurück. Faszinierend!

Der Singapurer biss verwirrt in sein Streuselbrötchen, schloss das zweite Programmfester wieder und widmete sich erneut der geöffneten docs Datei zu.

Kaum hatte er dies getan, fingen die Lüfter erneut an.

Der Lärmpegel wurde immer lauter. Vermischte sich mit dem Helikopter über unseren Köpfen, von dem ein Seile abgeworfen wurde.
Akustisch war kein Unterschied zu hören, ob der Lärm von den Rotorblätter am Himmel oder dem Kühlsystem des Computers stammte.

Der Inhaber des infiltrieren PC's würde mit Schrecken denken, es sei sein Gerät.

Und so war es dann auch.

Die Nase fast am Bildschirm plattdrückend, schien dieser verzweifelt in den Einstellungen des Taskmanagers die Ursache der überbeanspruchten Leistung seines Computers, zu suchen.

Das Klicken der einrastenden Karabiner, am verborgenen Geschirr unter der Robe, wurde von der lauten Geräuschkulisse überdeckt.

Unbemerkt gelangten wir mit der Seilwinde in den Hubschrauber und entfernten uns allmählich vom Haus.

Ein letzter Blick zurück zum Influencer, der offensichtlich keine Ahnung von Computertechnik hatte und sturr, mit geöffnetem Taskmanager, weiter seinem Stuff in Word bearbeitete.

Der Flug verlief ruhig. Er dauerte nicht sonderlich lang. Nach kurzer Zeit erreichten wir die fliegende Insel, welche durch Wolken verdeckt wurde.

Auf der grossen Wiese, vor dem prunkvollen, weissen Anwesen mit der breiten Kuppel in der Mitte des Daches, kam der Hubschrauber zum Stehen.

Ein grosser Holztisch stand auf der Wiese, umringt von zahlreichen Monblumen. Diverse Masken wuselten auf der Wiese herum und kümmerten sich um die zarten Plätzchen. Kein Einziges durfte verwelken! Sie waren unabdingbar!

Unser letzter Versuch, den Herrn aus seinem Gefängnis zu befreien, war leider gescheitert. Für die Bevölkerung war es DAS Naturspektakel 2019 gewesen. Wie ahnungslos die Menschen doch waren. Wie sie sich in scharen auf offenen Feldern versammelt hatten um das Spektakel zu beobachten. Ohne zu ahnen, dass dieser Blutmond am 21. Januar eigentlich ihr Untergang hätte bedeuten sollen. Doch die Energie hatte zu diesem Zeitpunkt nicht ausgereicht.

Weil uns einige wichtige Details entgangen waren.
Ohne Mondstein als Magnet war die Energie unkontrolliert in die Atmosphäre getreten. Dadurch hatten wir auch vom Schutzschild erfahren, welches den Planeten umhüllte. Die Wucht der Energie war viel zu schwach gewesen.

Der Maskenboss saß am Ende des Tisches mit einem Glas Rotwein im der Hand, den er abstellte, als ich auf ihn zukam.

"Ich hoffe, für dich, dass du erfolgreich warst" Die Stimme, mit der er sprach, war gefährlich ruhig. Seine Mimik ausdruckslos, wie jene der Maske, die jeder von uns trug.
Er war der Einzige, der noch ein Gesicht hatte.

Die Ausstrahlung zeugte jedoch von einer skrupellos Kälte und ich mochte mir gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn ich mit schlechten Nachrichten zurückgekehrt wäre.

Oder habt ihr je wieder etwas vom Bademantel Typ aus dem Autro von der letzten Serie des Influencers gehört?
Die Phantasie überlasse ich jetzt mal euch.

Verdient hat er es auf jeden Fall.
Wie konnte man nur so blöd sein und vergessen den galaktischen Pager an sich zu nehmen?

Jeder hatte seine Schande live im Internet gesehen.

Wir Anderen hatten unser wahres Gesicht, unsere Identität des alten unbedeutenden Lebens, schon längst verloren und hinter uns gelassen.
Jenes Leben, welches vom Geld, Macht, Ausbeutung und Gier bestimmt war.

Hier hatten wir nichts von all dem. Im Gegensatz zu anderen Religionen wussten wir, dass unser Herrn tatsächlich existierte. Die Monblumen erzählten seine Geschichte. Von den Wächtern, den eigenen Brüdern, verraten und verbannt worden. An einen trübsehligen Ort wo es nichts gab ausser Stein. Dazu verdammt, der Plage auf der Welt nur hilflos zusehen zu können. Die Menschheit waren wie Schnecken. Ungeziefer, die den frischen Salat im Garten frassen, bevor dieser geerntet werden konnte.
Der Herr würde der Ungerechtigkeit auf der Welt endlich ein Ende bereiten.

Ich reichte mein Smartphone, auf dem ich den Hauptkanal von Julien Bam aufgerufen hatte.

Zumindest, der es mal gewesen war...

Das ursprüngliche Banner und Profilbild des Künstlers war verschwunden. Ebenso alle hochgeladenen Videos.

Ein einziger Clip war in Dauerschleife zu sehen. KI Generiert. Genau wie bei den Anderen beiden Kanälen.
Die Videobeschreibung voller scarry Links.

Ein breites Grinsen bildete sich hinter meiner ausdruckslosen Maske. Euphorie strömte durch die Adern.

Um 4 Uhr morgens schon Platz 1 in den Trends!
Den erfolgreichsten YouTube Kanal Deutschlands zu hacken, war eine sehr kluge Idee gewesen.

Je mehr draufklicken, umso mehr Money für uns.
Man konnte nie genug Geld haben!
Ein netter kleiner Nebeneffekt. Noch fix Cache machen, ehe das System von YouTube die Kanäle, zum Schutz der Appnutzer aufgrund der dubiosen Links, automatisch löschen und aus dem System eliminieren wird.
Aber es würde reichen...

Jetzt, wo es langsam dem Ende der Welt zu ging, mussten die Villa und der Garten auf Vordermann gebracht werden.
Der Herr soll sein altes Zuhause nicht wie eine versiffte Wohnung vorfinden.

Die Mundwinkel von Oskar zuckten "Saubere Arbeit"
Diese Worte gingen runter wie eine süße Tafel geschmolzene Schokolade.
Es kam nicht oft vor, dass ein Lob ausgesprochen wurde.

Der Maskenboss zog etwas aus seinem langen, kunstvoll verzierten Umhang: Ein Dolch. Er ließ einige rote Blütenblätter darüber rieseln. Sofort reagierte die Schneide mit den zarten Blättern und schien in Flammen zu stehen.

Die einzige Waffe, die einem unsterblichen Wächter Schaden zufügen konnte!

"Für deine guten Dienste..." Oskar hielt die rote Schneide seinem Körper zugerichtet und hielt mir den silbernen Griff hin.
Mit zittrigen Händen nahm ich sie ungläubig entgegen.

Fasziniert betrachtete ich die rot leuchtende Klinge.

Schwungvoll wurde die Tür des Anwesens geöffnet. Drei Masken kamen heraus.

Die Kutten zerrisse.

"Wo seit ihr die letzten 6 Monate gewesen?" Die Augen des Maskenboses verengten sich zu schlitzen.

Langsam schlurpften sie in unsere Richtung. Eine Blutspur hinter sich herziehend.

Bestand diese Gruppe nicht ursprünglich aus 7 Leuten?

Eine Maske brach vor der Treppe zusammen. Achtlos wurden sie liegen gelassen. Die Zweite kämpfte sich stöhnend und sichtlich unter schmerzen die Stufen hinunter.

Der einzige, der körperlich noch in einigermaßen guter Verfassung war, wiegte etwas auf dem Arm.

Fassungslos starrte ich das schwarze Tuch an. Konnte es tatsächlich sein?

Zitternd kam er beim Tisch zum Stehen.
Der Atem ging röchelnd und stossweise. Als müsste die Person um jeden Atemzug kämpfen.

"Der Fisch hat den Köder perfekt geschluckt." flüsterte dieser mit kaum hörbarer Stimme.
Oskar erhob sich und riss ihm das Tuch mit dem eingewickelten Inhalt aus den Fingern.
Erschrocken zuckte die Person zusammen.

"Wer hätte gedacht, dass der einzige Wächter, der seit Jahrhunderten die Kinder jede Nacht persönlich besucht, auf so einen simplen Trick reinfällt..."

Der Maskenboss strich über das schwarze Tuch. Mit einer fließenden Bewegungen ließ er es auf den Boden gleiten.

Ich konnte meinen Augen nicht trauen!
Wir hatten es geschafft! Es war wirklich in unseren Händen!

Das Zepter der Zahnfee!

"Jetzt fehlt nur noch der Mondstein... aber den werden wir auch sehr bald bekommen!"

Einer der umliegenden Masken räusperte sich. "Aber wie? Wir wissen nicht, welcher Wächter ihn hat."

Ein leichtes, kaum erkennbares Grinsen bildete sich auf den Lippen des Anführers. "Erinnert ihr euch an den Verräter?"
Seine Augen blitzten.

Anspannung knisterte in der Luft.
Auf was wollte er hinaus?

"Nun, seine verdeckten Operationen waren nicht so verschleiert, wie er dachte..." Der Anführer der Masken machte eine theatralische Pause, ehe er mit erhobener Stimme weitersprach. "Der Kompass!"

Aufgeregtes Murmeln ging durch die Menge. Wie konnte das möglich sein? Niemand war so lebensmüde, sich das Gift der katalanischen Mauereidechsen unter die Haut stechen zu lassen!

Mit Schauer dachte ich an die toten Leichen, die aus dem Labor von diesem blauen Schlumpf geschoben wurden, bevor er den Maskenbos regelrecht angefleht hatte, mit den Experimenten aufzuhören.

"Der Träger wird von den Bohnen angezogen werden. Die Macht des Kampass zwingt ihn dazu..."

WAS! Dann hatte ich die ganze scheiss Arbeit für nichts gemacht?!
Wütend funkelte ich Oskar an.

Nur mit Mühe verbarg ich dem Zorrn in meiner Stimme "Aber Julien Bam..." Die erhobene Hand von Oskar brachte mich unmissverständlich zum Schweigen.

"Unser Hackingangriff wird und sollte ihn nicht lange aufhalten" wurde meine unausgesprochene Frage beantwortet. "Er ist viel zu ergeizig und verbissen um seine YouToube Karriere aufzugeben. Erst recht jetzt, wo der zweite Teil der letzten Hauptvideoreihe ganz kurz vor der Veröffentlichung steht. Unsere Aktion wird seine geplanten Tätigkeiten lediglich etwas nach hinten schieben. Besser für uns, damit wir für die letzten Vorbereitungen genügend Zeit haben."

Jetzt wurde mir alles klar. Der Maskenboss wollte für das Ritual Zeit schinden! Den Produzent ausbremsen. Damit die Story nicht zu früh weitergedreht wurde.
Der letzte Gegenstand, um den Herrn aus seinem Gefängnis zu befreien, fehlte noch.

"Der Auserwählte ist geradezu besessen. Völlig verblendet. Getrieben von der Gier die 2019 verlorenen Millionen schnell und unkompliziert wieder einzufahren. Sieht nur das Projekt vor Augen und verspürt den Druck den Erwartung gerecht zu werden um seine Anhänger nicht zu enttäuschen. Vollkommen Blind für das Geschehen um ihn herum. Der letzte Song aus der Bohne wurde noch nicht gespielt! Aber bald..."

Schlagartig wurde mir heiß und kalt. Der Zettel!
Hatte der Social Media Star etwa die letzten 3 Jahre seiner YouTube Hauptkanal Abstinenz damit verbracht, die letzten existierenden magischen Bohnen zu finden?

Die Mixtapes!
Waren diese asozialen Märchen etwa der Schlüssel gewesen?

"Ich werde meinen besten Spion auf den Finder der Bohnen aussetzten, der ihn Tag und Nacht auf Schritt und Tritt verfolgen wird." Meussieur Piet, das kleine Känguru ähnliche Wesen, kam unter dem Tisch hervor und schaute Oskar mit seinen schwarzen Knopfaugen entschlossen an.

"Es ist nur eine Frage der Zeit bis die Bohnen und der magische Kompass aufeinandertreffen werden. Es ist ihre Bestimmung!" Oskar hob sein Weinglas triumphierend in die Luft.

"Und dank Julien Bam werden wir ein leichtes Spiel haben. Sobald der Kompass aktiv wird, hat der Träger keine andere Wahl, als den Stein zu suchen und für uns zu finden." Die letzten Worte waren ein gieriges Zischen.

"Macht euch bereit!" rief Oskar laut und legte seine kunstvoll verzierte goldene Maske auf. "Am 28. Mai muss alles vorbereitet sein!"

"Für den Mann im Mond!"

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