{K7} Dark night (Teil 1)

Sicht Unbekannt

...Mehrere Monde zuvor...

Quälend langsam lief die kalte Flüssigkeit mein Gesicht herunter. Zeichnete einen Fluss, welcher sich durch Berge und Täler der kantigen Kontouren des Schattens, welcher hinter dem Ausdruckslosen Gesicht verborgen lag, schlängelte.
Den Tropfen wegwischen?
Zu gefährlich!

Ebenso das Blatt zur Seite zu schieben, welches unmittelbar vor meinem Auge schwebte. Die ohnehin schon eingeschränkte Sicht noch mehr behinderte.
Und trotzdem war ich um das dichte Efeu froh.

So nah und doch unbemerkt von der Beute, welche nichtsahnend den Rücken gekert hatte.
Ein hungriges Reh, welches so sehr in das saftige Gras vertieft war, dass es die drohende Gefahr des lauerden Wolfes nicht bemerkte.

Als würde er uns mit dieser Geste direkt einladen zuzustechen.

Es war kein Mann mit Rang und Namen. Kein Politiker, König oder Priester, bei dem die ganze Welt aufschreit, wenn dieser ins Krankenhaus eingeliefert werden würde und weltweite Diskussionen entstünden, wer dessen Amt, bei dauerhafter Abwesenheit, übernehme.

Nein, unser Zeil war eine unbedeutende Person. Lediglich in einer kleinen Bubble bekannt. Ein kleiner Kreis jener, die es im Leben zu nichts bedeutendem gebracht hatten.

Es war einer dieser Wichtigtuer: Ein Content Creator.

Wie es für diese Spezies üblich war, hing dieser wie hypnotisiert am Computer.

Er trug ein schwarzen Hoodie, mit irgend einer Figur auf dem Rücken. Das Kapi hatte er verkehrt herum. Die Muscheln der Kopfhörer waren fest auf die Ohren gepresst.
Hoch konzentriert starrte der asiatischstämmige Mann auf den Bildschirm. Flink flogen die Finger über die Tastatur.

Und das schon seit Stunden!

Fröstelnd zog ich die Kapuze noch tiefer ins Gesicht.

Am liebsten wäre ich sofort rein gestürmt und hätte ihn, mit einem der zahlreichen Kabel unterm Schreibtisch, erdrosselt!
So langsam verlor ich die Geduld.

Meine Hand ballte sich zur Faust.

Ich konnte mich noch gut an den feindseligen Blick erinnern, den er mir vor drei Jahren zugeworfen hatte, als er und sein Kumpel meiner Forderung widerwillig nachgekommen waren. Als würde ein gewisses Feuer in diesen unscheinbaren, braunen Augen liegen, welches in diesem Moment das erste mal entfacht wurde.

Pfff, wie Naiv dieser Julien Bam doch gewesen war.
Als würden wir den Architekten verschonen, der die einzige Waffe entwickelt hatte, die uns wirklich gefährlich werden könnte.
Zumindest in den richtigen Händen...

Wie hatte dieser Bastard damals die Explosion überleben können?

Auf alle Fälle war er sehr zäh. Wie ein Stück altes Fleisch. Aber selbst den trockensten Schinken zerteilten die Zähne irgendwann.

Jetzt würde er jedenfalls die Rechnung bekommen...

Das Feuer in den Augen, welches allmählich erlischt... genau wie seine Lebensfreude.

Entgegen meiner Erwartungen hatte der Boss uns untersagt Julien umzulegen. Was ich überhaupt nicht verstand. Er wusste schließlich zu viel!

Warum nicht jetzt?
Niemand würde den Mord bemerken. Das Opfer war ganz alleine im Haus. So wie der in Arbeit versunken war, würde er nicht einmal einen einschlagenden Meteoriten bemerken.

Vor meinem geistigen Auge sah ich mich schon langsam, von hinten, auf ihn zu schleichen. Die Hand zitternd nach seinem Hals ausgestreckt.
Der Rabe darauf fest im Blick, welcher mich mit seinen schwarzen, leblosen Augen anstarrte.
Wie ich den Typen packen würde. Schnell hinterrücks nach hinten reißen würde, mit samt dem Bürostuhl, bevor er reagieren könnte. Hilflos wie eine Schildkröte auf dem Rücken.
Wie sich meine Hände wie ein Schraubstock um den Hals schlangen.
Spürte förmlich den Wiederstand des Kehlkopfes unter meinen Fingern.
Das Geräusch, verzweifelt nach Luft zu ringen, erklänge wie Musik in meinen Ohren.
Wie er sich vermutlich versuchen würde zu wehren, was ihn aber nur wertvolle Energie kosten und dem Tod sehr viel schneller näherbringen würde.
Die Panik, welche sich in den zuckenden, braunen Augen widerspiegelte, bevor sie sich in den Augenhölen nach hinten drehten.
Das letzte was er sehen würde wäre ICH, ein Diener des großen Erlösers.

Langsam zupfte ich das Blatt von der Efeuranke vor meinem Gesicht und sah dabei zu, wie dessen Fasern von den ruckartigen Bewegungen der Finger zerrissen wurden.
Nein, ich musste mich zurückhalten!

Alle anderen Personen im Gebäude waren zwischen 21 und 22 Uhr gegangen. Aber dieser Workaholic saß jetzt tatsächlich bis weit nach Mitternacht noch vor dem Rechner!

Genervt verdrehte ich die Augen.

Was genau am Bildschirm passierte war durch die reflektierenden Scheiben der Terassentür nicht zu erkennen. Es war sowieso nicht von belangen.

Ich wagte einen Blick zu meinem Kameraden, der ebenfalls dicht an die Mauer gedrückt regungslos verharte.

Warnend schien uns das Gebäude anzustarren. Aber es konnte uns nichts tun. Es war schließlich nur ein Haus!

Zur Sicherheit klopfte ich mit dem Fuss die Erde zu meinen Füßen nochmals fest. Das zierliche Pflänzchen streckte seine roten Blütenblätter in den Himmel.

Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Schon sehr bald...

Heute Nacht würde uns niemand stören. Die Wächter waren alle beschäftigt. Einer der wenigen Tage wo wirklich alle am Arbeiten waren.
Nun gut, alle ausser einen, aber der dicke Opa bekam am Arsch der Welt sowieso nichts mit... oder wo auch immer er sich befand.

Ich musste fast lachen bei dem Gedanken wie ein Hase durch die Gärten hüpft, Eier verteilt, während Sandboy den dreifachen Stress hatte, die Kinder tief schlafen zu lassen, da ja zeitgleich diese Zahnfee auch wie jede Nacht unterwegs war.
Aus wessen blühender Phantasie sie wohl entstanden sind?

Etwas regte sich im Haus. Der Mann war aufgestanden.
Endlich!

Zum Glück war die untere Etage des Hauses durchgängig mit Scheiben versehen. So konnten wir genau beobachten, was im Inneren passierte.
Das Licht wurde im Gebäude gelöscht und die Haustür fiel ins Schloss.
Still und verlassen.

Lets Go!

Wie Schatten in der Nacht huschte wir lautlos aus unserem Versteck.
Schlichen die Treppe zum Pool hoch.

Anhand der reinen und unberührten Fliesen schien dieser und die Pool-Landschaft gerade erst fertig gebaut worden zu sein.
Bestimmt wurde der ganze Bauprozess in langweiligen Vlogs festgehalten, nur um zu flexen und mehr Clickbaiting zu generieren.
Ich verdrehte die Augen.
So ein Angeber!

Flink kletterten wir auf die Sitzecke und hangelten uns an den Holzbalken der Pergola entlang. Mit einem unterdrückten Ächzen zog ich mich den Balken hoch. Die Abstände der Balken war weit, aber für grosse Menschen, wie wir sie waren, sah es eher aus wie Treppensteigen.

Hastig entrigelten wir das gekippte Fenster im oberen Stock und kletterten hinein. Wir befanden uns in einem Büro. Warum überraschte mich das jetzt nicht?

Ich drehte mich zu meinem Komplizen um. Sein ausdrucksloses Gesicht schaute mich an. "Denk daran. Nichts verändern!" sprach ich warnend. Nichts durfte auf einen Einbruch hinweisen!

Wir schlichen durch den Flur und fanden uns auf einer Galerie wieder, von der eine Wendeltreppe hinunter ins Erdgeschoss führte.

Von hier oben hatte man einen guten Überblick über den gesamten unteren Bereich. Der Herr spendete uns von draussen etwas Licht, wofür ich ihm sehr dankbar war. Die weißen Fliesen reflektierten es und verstreuten den Schein im grossen Raum.

Wir stiegen die Treppe hinunter.

Das schmierige Grinsen eines Muskelpakets empfing mich auf der gegenüberliegenden Seite des offenen Raumes.
Alles hier stank es nach dem Ego des Superstars.

Schnell drehte ich mich nach rechts. Lief dem Schein des Mondes entgegen, der durch die Terassentür oben am Himmel deutlich zu sehen war.

Mein Blick schweifte durch den Raum.
Direkt links von mir, neben einer Glasvitriene war ein altertümlicher Steinbrunner.

Ein Brunnen IM Gebäude?

In der Ecke neben der Glastür mit dem überdimensionalen Bodybuilder lag allerhand Gerümpel. Stative und Lampen stapelten sich neben diversen Koffer und Kisten mit unkentlichem Inhalt.

Ein metallener Raumtrenner teilte den Flur vom Wohnzimmer. Links und rechts gab es einen Durchgang. Ich schritt auf einen der beiden zu.

Fast wäre ich in das breite Loch im Boden gefallen. Schnell hielt ich mich am Geländer fest. Was sich dort unten befand wurde von undurchdringlicher Finsternis verborgen.

Welcher Vollidiot von Architekt baut den bitteschön den Zugang zum Keller, oder was auch immer da unten war, mitten ins Zimmer, wo jeder hinunterfallen konnte?

Zuerst ein altertümlicher, ausgedienter Ziehbrunnen im inneren eines Hauses zu errichten und dann auchnoch nach unten führende Treppen mitten in den Flur zu bauen?

Die Aachener Stadtplaner waren echt die größten Deppen auf dem Planeten!

Kopfschüttelnd lief ich daran vorbei und folgte dem Schein des Mondes, der genau zu wissen schien, wo ich eigentlich hin wollte.

Etwas krachte. Vor Schreck stolperte ich über die drei schwarzen Treppenstufen, welche außerhalb des Mondlichts im Schatten lagen und fand mich strauchelnd im großen Wohnzimmer wieder.

Mein Kopf schnellte herum.

Erschrocken verharrte mein Begleiter, wie eine Statue, mit ausgestreckten Armen auf der letzten Stufe der Wendeltreppe.

Etwas lag auf dem Boden.
Mein Blick wanderte etwas höher zu einer Glasvitrine direkt daneben, auf welcher diverse Auszeichnungen und Awards fein säuberlich aufgereiht standen.

"Du Idiot!" fauchte ich wütend.

Ich hob das orange unförmige Ding auf. Zum Glück trug ich Handschuhe.
Lieblings Big Kid war darauf eingraviert.
Kopfschüttelnd stellte ich die Rakete, oder was auch immer es darstellen sollte, zurück auf die Glasvitrine zu den anderen Preisen.

Musste ich immer mit solchen Trotteln eingeteilt werden?

Säufzend drehte ich mich um und setzte knurrend meinen Weg fort.

Mein Ziel befand sich aber hinter einer unscheinbaren Tür neben der Terassentür zum Garten: Der Wintergarten, der ebenfalls in ein Büro-Studio umfunktioniert worden war.

Der Ort, in welchem dieser Bürogummi bis vor Kurzem noch unermüdlich gearbeitet hatte.

Mit Handzeichen gab ich meinem Komplizen zu verstehen, Wache zu halten.
Hoffentlich bekam er wenigstens das hin!

Die Zunge wanderte gierig über die Lippen als ich den leistungsstarken Rechner erblickte. Dessen Wert ließ sich nur erahnen.
Der riesige, gebogene Bildschirm auf dem Tisch und die Monitore an den Wänden übten eine gewisse Faszination in mir aus.

Ich kramte den flachen Stick aus der Jackentasche.

Nachdenklich betrachtete ich den unscheinbaren Stick, welcher jedoch weitaus gefährlich war, als auf den ersten Blick zu erwarten.

Die silberne Oberflächlichkeit reflektierte das Mondlicht. Blitzte wie ein Dolch.
Ein Dolch, der mitten in das Herz von Ju, wie ihn seine Fangirls liebevoll nannten, stechen würde. Würg, wie konnten die alle einen derartigen Crush auf diesen Typen haben?

Wenn der Nindo-Gründer gewusst hätte, dass seine Kreation die Karriere seines engen Berufskollegen zerstören würde.
Hach, wenn er das jetzt sehen könnte...

Aber dieser elende Feigling versteckte sich irgendwo.

Immerhin hatte er für uns einige sehr hartnäckige Trojaner entwickelt. Sie waren so programmiert, dass sie sich schnell und effizient verteilen würden.
Sie würden merken, wenn der User Verdacht schöpfte.
Ich musste schon zugeben, dass der Schlumpf einen guten Job gemacht hatte.

Schade hatte dieser sich als Maulwurf herausgestellt.

Mein Kiefer knackte bei dem Gedanken.

Wie gerne würde ich sehen, wie sich die blauen Haare von diesem Verräter rot färben.
Sein winseln hören...

Ich konnte mich noch zu gut daran erinnern, wie der sonst so gefährlich ruhige Maskenboss ausgetickt war, als er von dem Spoin in den eigenen Reihen erfahren hatte.
Jedes Mitglied war einem Verhör unterzogen worden, welches selbst jene skrupellosen Methoden der Mafia in den Schatten stellte.
Er hatte es "Reinigung" genannt. Es war die Hölle gewesen...

Die kleine Lampe am Ende des USB-Sticks begann zu blinken. Hecktisch flackerte das rote Licht und erfüllte die Dunkelheit. "Macht es euch in den Grafikkarten schön gemütlich, meine Kleinen"
Ein böses Lächeln umspielte meine Lippen. "Und vergesst die anderen Kanäle nicht!"

Mit Genugtuung dachte ich daran, wie geschockt der Inhaber morgen früh sein wird.
Das würde ihn erstmal eine Weile beschäftigen.

Eigentlich tun wir ihm sogar einen guten Dienst. Schließlich wollte er Ende 2019 sowiso aufhören. Die genannte Zahl von 3 letzten Videos auf dem Hauptkanal war jetzt sowieso erreicht worden.
Die Storyline der Trilogie sei viel zu big geworden als ursprünglich geplant, sodass sie mehrfach gesplittet werden musste.
Pff...
Wenn Julien nicht mit dem Drehen von Videos und Kurzfilmen aufhören konnte, wie er es diesen knapp 6 Millionen Zuschauern eigentlich versprochen hatte, helfen wir ihm eben ein bisschen nach...

Den Rest würde der Algorithmus von YouTube selber erledigen.
Ein Influencer weniger.

Wie leicht es doch war über 10 Jahre Arbeit des wohl erfolgreichsten YouTubers im deutschsprachigem Raum innerhalb weniger Minuten zu vernichten.

Es erfüllte mich mit Stolz.

Selbst wenn der Influencer über Social Media einen Hilfeschrei absenden sollte, würde ihn an einem Feiertag so schnell niemand seitens YouTube oder irgend eines anderen Amtes helfen können.

Bald würde er von der Bildfläche verschwunden sein.

Der Boss hatte recht. Diese Art und Weise der Vernichtung war effizienter, jemanden zum Schweigen zu bringen und gleichzeitig leiden zu lassen. Ein Mord war schnell vollzogen. Egal wie sehr das Opfer gefoltert und gequält wurde, spätestens wenn er verstarb war das Leid für immer vorbei.
Aber psychisch dauerten eine Wunden immer länger, bis sie verheilte. Sehr viel länger...
Der Geist konnte ein fast noch grausamerer und starker Gegner sein.

Wie sehr ich mich darauf freute Julien Bam am Boden kriechen zu sehen.
Wenn er begreift, dass alles um ihn herum zusammenbricht, was er sich die letzten Jahre mühsam aufgebaut hatte.
Die ganzen Videos, sein Vermächtnis, für die Ewigkeit verschollen.

Ebenso seine Pläne für die Zukunft...

Jetzt zeigte sich, ob seine ach so grosse Fangemeinde wirklich zu ihrem Star hält. Ich glaubte ja nicht wirklich daran.
Nach ein paar Monaten würde ihn jeder vergessen haben.
So waren nun mal Teenager...

Dieser heutige Tag wird in die Social Media Geschichte eingehen:
Ostermontag 2022
Der Tag, an dem der grösste und erfolgreichste deutsche YouTuber alle Kanäle, Videos und Abos verlor!

Und niemand würde darauf kommen, dass wir das gewesen waren:

Die Masken!

Die erhabenen Diener vom Mann im Mond.

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Das untenstehende Video diente als Inspiration und Quelle für dieses und das nächste Kapitel.

(Quelle: Drittkanal JUcktmichnicht von Ju)

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