{K6} Willkommen im Hotel zum Zahn
Sicht Yukiko
Je tiefer wir dem Pfad folgten, desto dunkler wurde es. Auch die Bäume schienen kahler zu werden. Ihre Äste hiengen tief, krallten sich in unserer Kleidung fest, als wöllen sie uns am weitergehen hindern.
Fluchend kämpften wir uns durch dichtes Gestrüpp. Mehr als einmal hatte ich die Frage auf der Zunge ob wir nicht umdrehen sollen. Aber Julien, der Joon immer wieder anwies den Kompas im Auge zu behalten, trieb uns unermüdlich weiter.
Endlich lichtete sich der Wald. Blätterlose Bäume bildeten eine Alee, die einen Weg durch eine Wiese säumte. Was sich jenseits dieser trüben Graslandschaft befand wurde von dichtem, undurchdringlichen grau verschluckt.
Etwas hob sich aber vom Nebel ab.
Ein grosses Gebäude erhob sich vor uns. Das Hotel zum Zahn. Das Zuhause der Zahnfee.
Die kalten Backsteinmauern wirkte im Nebel der grauen Wolken düster und abweisend. Mit den hohen Dachzinnen und dem runden Turm, welcher wie ein spitzer Pfeil aus dem Gebäude ragte, erinnerte dieses Konstrukt an Dracula's Schloss.
Automatisch stellenten sich bei dem Anblick meine Nackenhaare auf.
Genau so beginnt jeder Gruselfilm...
In so einem Gebäude würde ich bestimmt kein Urlaub machen.
"Au!" hörten wir plötzlich einen Ruf und sahen zu einem verwirrten Joon, der sich an die Stirn fasste.
"Was zum...?" Er tastete in die Luft. Ein gläsernes Geräusch ertönte auf einmal, als seine Hand auf etwas hartes, unsichtbares stieß.
Eine meterhohe Glaswand schien sich vor uns zu befinden. Zumindest dachte ich das, denn Spiegelung war trotz leichter Sonneneinstrahlung keine zu erkennen.
Ratlos sahen wir uns an. Und jetzt?
"Blubblub" Piet schleifte angesträngt etwas längliches zu uns. Ein dicker Ast.
Perfekt!
Ich ging zu ihm und streichelte über seinen flauschigen Kopf "Danke Kleiner" flüsterte ich und nahm ihm das Gewicht ab.
Die Knopfaugen des kleinen Wesens blitzten vor Freude.
Es war schon echt sweet.
"Geht mal zur Seite" Ich drängte mich an den beiden Männern vorbei.
Mit einem lauten "hiiii jaaaaa!" schrei ließ ich den Ast gekonnt durch die Luft wirbeln, umklammerte diesen anschließend fest mit beiden Händen und schlug mit aller Kraft zu.
Der Ast brach!
Ungläubig starrten wir das gesplitterte eine Ende in meiner Hand und das Andere am Boden liegende an.
"Krass!" entfuhr es Joon. Sein Blick hob sich zu mir "Der Move war ja der Hammer!" Verlegen strich ich mir eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr.
"Jahrelanges Training..."
Ich fühlte einen Stich, als ich an Zuhause dachte.
"Ein Schutzschild" murmelte Ju und fuhr mit der Hand an der unsichtbaren Wand entlang.
Ich tat es ihm gleich.
Die Wand fühlte sich glatt und kühl an. Wie eine polierte Glasscheibe. Meine Finger fuhren fasziniert dem Schild entlang.
"What the fuck?!" rief Joon plötzlich aus.
"Was?" Alarmiert drehten Ju und ich uns zu Joon um. Musste er uns immer so erschrecken?
Schnell bemerkten wir jedoch warum er so reagiert hatte.
Die ausgestreckte, nach dem Schild tastende Hand, streckte jetzt viel weiter in der Luft als vorhin.
"Hier auch!" rief ich erschrocken als meine Finger plötzlich von der unsichtbaren Wand ebenfalls verlassen wurden und ins Leere griffen.
Doch wenige Schritte später stiess mein Arm gegen einen harten Wiederstand. Als wäre dort ein Ramen, der mit den Farben der Umgebung unkenntlich angemalt worden war.
Ungläubig zog ich den Arm zurück und betrachtete das blaue Hämatom, welches sich an der Stelle gebildet hatte wo ich angeschlagen war.
Staunend machten wir ein paar Schritte zurück. Etwas flimmerte leicht in der Luft.
Ich kniff die Augen zusammen.
Etwa 4 oder 5 leicht rötlich pulsierende Risse befanden sich in der durchsichtigen Wand. Sie erinnerten mich an Kratzspuren einer riesigen Katze. Gerade gross genug, damit Personen hindurch gehen konnten.
"Bringt voll viel wenn das Schild so viele Lecks hat!" ein Kichern konnte ich mir nicht verkneifen. Wer auch immer das errichtet hat, war echt doof!
"Naja, also mit den sicheren Survern von..." -
"Alter, wie kannst du ausgerechnet JETZT Werbung machen?" rief Joon empört. Der künstlich aufgesetzte Gesichtsausdruck von Julien verblasste und er ließ das erhobene Handy sinken.
Vorsichtig traten wir durch einen der Risse und schritten auf das Gebäude zu.
Mit jedem Meter schien das Haus bedrohlich grösser zu werden.
Ein aufgeregtes Kribbeln breitete sich in mir auf. Das Herz begann schneller zu schlagen, je näher wir dem grusselig wirkendem Haus kamen. Alles in mir schrie sofort die Beine in die Hand zu nehmen und das Weite zu suchen.
Die Geräusche des Waldes waren unterdessen verstummt. Es war unangenehm still.
Mein Herz begann noch heftig zu klopfen und war vermutlich meilenweit zu hören.
Irgend etwas stimmte nicht. Jede Faser meines Körpers schrie das regelrecht.
Vor dem grossen Eingangstor blieben wir stehen. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass das Haus uns regelrecht anstarrte.
Unschlüssig standen wir da.
"Und jetzt? Einfach Klingeln und reingehen?" Ju wirkte sichtlich nervös. "Was? Nein! Was wenn da n' voll psycho Mörder drinn ist?" flüsterte Joon panisch.
Keiner wollte den ersten Schritt machen.
Ich säufzte.
Wenn die keine Eier in der Hose haben, muss man alles selber machen!
Noch einmal holte ich tief Luft, als sei es das letzte mal.
Dann legte ich vorsichtig die Hand auf das kalte Metall.
Das Scharnier quitschte, als sich das Tor langsam bewegte. Ich stemmte mich mit aller Kraft dagegen. Staub rieselte auf mich herab.
Nach kurzen zöger halfen die beiden Jungs nach.
Gemeinsam drückten wir das schwere Tor auf. Im Innern war es dunkel.
"Hallo?" Der Ruf hallte von den Wänden wieder, als wolle er uns verspotten.
Ich war schon in vielen Häusern gewesen.
Doch in keinem war mir so unwohl gewesen wie jetzt.
Mir war auf einmal so kalt...
Wir erschraken zu Tode als die schwere Eingangstür krachen von selbst ins Schloss viel.
Zitternd klammerte ich mich am nächsten Gegenstand fest: Es war der Arm von Ju.
Peinlich berührt ließ ich ihn wieder los.
Am liebsten hätte ich mich weiter an ihm fest geklammert und nie wieder los gelassen.
Ein Blitz durchzuckte den Raum. Wie erstarrt standen wir da.
Erneut flackerten Lichter auf, ehe der Raum in ein halbwegs warmes Licht getaucht wurden. Es waren keine Blitze gewesen, sondern die altertümlichen Lampen an den Wänden!
"Bewegungssensoren!" stellte Ju sichtlich erleichtert fest.
Der Raum war gross. Hohe, gewölbte Decken erstreckte sich über unseren Köpfen. Die Steine wirkten so, als würden sie nur auf einen guten Moment warten um sich leise von der Wand zu lösen und einen von uns zu erschlagen.
Altertümliche Sessel würden zum verweilen einladen. Mit Betonung auf würde!
Details erspar ich Euch jetzt lieber.
Ich wante mich lieber dem großen Tresen zu, der vor uns stand. Am linken und rechten Tischende standen zwei weiße Schirmlampen. Sie flackerten leicht, als würde die Birne jeden Moment den Geist aufgeben. Dahinter ein hölzernes Regal. Reception stand auf der Theke geschrieben.
Der Holzboden ächzte und knarrte bei jedem Schritt, als wir langsam darauf zu gingen. Hoffentlich hält das Holz unser Gewicht aus. Bei mir und Ju machte ich mir da keine Sorgen, aber bei Joon...
"H... Hallo?" rief Joon mit zitternder Stimme. Es blieb still.
Wir warteten einige Minuten, doch niemand kam.
Die Rezeption war verlassen.
Das gesammte Hotel schien schon vor einiger Zeit stillgelegt worden zu sein.
Der einzige Hinweis, dass hier jemand mal gewesen war, lag auf dem Tisch. Ein grosses Buch.
Neugierig beugte ich mich über den Tresen zur geöffneten Seite. Der letzte Eintrag war von 15. Dezember 2018.
Etwas knackte.
Erschrocken wirbelte ich herum.
Die knochigen Finger vom Zepter in Joons Hand waren auf einmal lebendig geworden.
Sie bewegten sich!
"Heilige scheisse ist das creepy!" Ich erschauderte.
Die nichtmehr tote Skelethand deutete zu den Stufen, die hinter der Reception ins dunkle führten.
Och ne...
Die beiden Männer gingen bereits auf die Treppe zu. "Kommst du?" fragte Julien, als er bemerkte, wie ich wie angewurzelt an Ort und Stelle stand.
Alles in mir sträubt sich diesem grusseligen Ding zu vertrauen.
Aber alleine gelassen werden wollte ich in diesem Spukhaus auch nicht. Was wenn eine Horde Zombis plötzlich um die Ecke kamen? Zwei drei könnte ich noch besiegen. Aber was wenn es 20 oder mehr waren? Gegen eine ganze Gruppe untoter hätte ich im Kampf keine Chance!
Widerwillig lief ich den beiden Männern schnell hinterher.
Wir folgten der spiralförmigen Treppe nach oben.
Die Stufen knarten bei jedem Schritt. Zitternd hielt ich mich am verstaubten Geländer fest.
Oben erstreckte sich ein langer Gang. Bilder von Engeln und anderen dubiosen Gestallten hingen links und rechts an den Wänden.
Ein verstaubter roter Teppich spendete dem schwarzen Marmorboden zumindest ein bisschen Farbe.
Die Figuren in den Bildern an den Wänden schienen sich zu bewegen. Ich glaubte bei einigen Portrais die Augen hin und her rollen zu sehen. Oder bildete ich mir das nur ein?
Der plötzliche Horrorgedanke schoss mir in den Kopf, eines der Bilder könnte Face sein. Was wenn eine Figur ohne Vorwarnung lebendig werden würde, mich packen und in das durch den goldenen Rahmen getarnte Loch in der Wand zerren könnte?
Argwöhnisch starrte ich jedes Bild an und war froh, wenn ich eines lebend passiert hatte.
Grusselig was einem das Gehirn in solchen Situationen für Streiche spielt.
Ich konnte spüren, dass auch Monsieur Piet, auf meiner Schulter, zitterte. Seine schwarzen Knopfaugen waren grösser als sonst. Ich kraulte ihn leicht in der Hoffnung ihn, und auch mich selber, etwas zu beruhigen.
Das grusselige Zepter zeigts weiterhin sturr geradeaus. War ich froh musste ich es nicht festhalten.
Plötzlich änderten die Finger die Richtung. Sie deutete auf eine unscheinbare Tür.
Kühler Wind empfing uns, als wir sie öffneten.
Wir fanden uns in einem grossen Park wieder. Hohe Bäume, mit Efeu bewachsenen Bogentore und Hecken säumten das Areal. Vereinzelte Steinplatten ragten aus dem Boden.
Es erinnerte stark an einen Friedhof.
"Und wo lang jetzt?"
Doch das Zepter regte sich nicht.
Steif waren die Hand und dessen Finger wieder in der ursprünglichen Position. Als wäre es nie zum Leben erwacht.
"Ernstaft jetzt?!" fuhr Joon das Zepter an und schüttelte es. "Kurz vor dem Ziel!" Plötzlich holten die Knochenhand aus und scheuerte ihm eine. Verdutzt starrte er den Stab an. Ju und ich machten einen Schritt zurück, um nicht ebenfalls Opfer der Creepy Skelethand zu werden.
Das Gelände war gigantisch gross "Okay, wir treilen uns auf!" beschlossen Julien.
Was? Nein! Spinnt der?!
Hatte er noch nie einen Horrorfilm gesehen? Immer wenn sich die Gruppe aufteile, verschwand jemand spurlos! Und der Albtraum des Horrors begann...
"Was wenn etwas passiert?" Die anderen Bedenken verschwieg ich lieber. Wollte nicht als voll Memme und Weichei abgestempelt werden. War ich normalerweise nicht so, aber in Anbetracht der aktuellen Situation oder der Backstory der Jungs
fühlte ich mich so schutzlos. So verletzlich. Gegen Geister und Dämonen zu kämpfen war eine ganz andere Liga als gegen einen dummen Wolf.
Joon holte aus seiner Jackentasche ein kleines Säckchen hervor und griff hinein "Hier, eine magische Bohne. Nimm sie wenn du in der Scheisse sitzt!"
Skeptisch beäugt ich die kleine violette Bohne. Obwohl ich sie schon in Aktion erlebt hatte, konnte ich es noch immer nicht richtig glauben was ich da für eine Verwandlung durchlebt hatte.
Trotzdem war es seltsam.
Dass noch nie jemand ihre Macht mißbraucht hatte? Oder hatte es bloß vielleicht keiner mitbekommen?
Was für eine grosse Macht in so einem kleinen Ding steckt...
Nachdenklich steckte ich sie ein.
Wir gingen in unterschiedliche Richtungen los.
Nebelschwaden zogen über die Wiese.
Schatten stellten sich im ersten Momemt des Schrecks als doch harmlose Hecken heraus.
Die Stille hier war so unerträglich laut.
Ich meine schon Stimmen zu hören.
Oder war es das flüstern des Windes?
Hecktisch huschte meine Augen umher.
Wonach suchten wir überhaupt?
Plötzlich knackte es neben mir. Ich bekam einen halben Herzinfarkt.
Erschrocken wirbelte ich herum.
Etwas raschelte im Gestrüpp!
"Ey, darf man nicht mal im Ruhe shiten?" blaffte es hinter den Blättern hervor.
Peinlich berührt verdeckte ich hastig meine Augen mit den Händen und drehte mich schnell um.
Oh Gott, das war ja noch peinlicher als vorhin, wo ich mich an Julien's Hand geklammert hatte!
Am Liebsten wäre ich vor Scham auf der Stelle im Boden versunken.
Der Verschluss von einem Reißverschluss ertönte. Langsam ließ ich die Luft aus meiner Lunge entweichen. Die Hände nach wie vor auf die Augen gedrückt.
Ich wollte mich nicht umdrehen.
"Joon, Kiko, kommt mal her!" hörten wir Julien's Stimme aus der Ferne rufen. Erleichtert aus dieser peinlichen Situation gerissen zu werden machte ich mich schweigend mit Joon auf dem Weg.
Eilig liefen wir in die Richtung aus der die Stimme gekommen war. Schon von weiten sahen wir Ju's gelbe Jacke leuchten. Er schien auf etwas am Boden zu starren.
"Was ist?" fragte Joon, doch der Angesprochene antwortete nicht. Wie gebannt starrte er die Stelle weiter an.
Halb unter einer vertrockneten Hecke lag etwas. Eine tintenschwarze Träne hob sich deutlich von der blassen Wange ab.
Das ausdruckslose Auge starrten in den nebelverhangenen Himmel.
"Die Masken..." murmelte Ju.
Ich ging in die Hocke und wollte das Theaterutensiel genauer unter die Lupe nehmen, als plötzlich eine schneidende Stimme ertönte, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
"Nicht anfassen!"
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