{K21} Ying und Yang
Sicht Joon
Da standen wir nun...
Die Maincharakter Joon und Kiko gegen den big Endgegner:
Julien Bam!
Mit straffen Schultern und erhobenem Kinn stand er vor uns.
Die einst warmen, gütigen und von vielen Fans als liebevolle braune Teddybär-Augen bezeichneten Iris strahlten nun eine düstere, erdrückende Kälte aus.
Eine erschreckende Kälte, die ich von Ju niemals für möglich gehalten hätte, dass er eine solche Seite tief in sich verborgen trug.
Na gut, es war der Mann im Mond, der in ihm steckte. Aber trotzdem fühlte es sich so an, als müsste man gegen seinen besten Freund antreten, der nun nicht mehr dein Freund war!
Als ob es trotzdem einen Teil von Julien war, den ich nur noch gar nicht gekannt hatte.
Und genau das machte mir Angst!
Eine ganz andere Variante von Ju.
Er war nicht mehr der Junge von damals, der mit mir den Nachmittag in Mülltonnen verbracht hatte.
Oder zusammen in der Oberstufe den Lehrer prankten, weil er meinen Gameboy konfisziert hatte.
Nicht der selbstkritische Perfektionist, den heute alle Welt kannte. So war er zumindest bei der Arbeit.
Aber durch unser jahrelang geknüpftes Band hatte ich auch einen sehr nachdenklichen Julien kennengelernt.
Privat war Ju ganz anders drauf. Ruhig, sehr in sich gekehrt.
Er war der erste, der seine Hilfe anbot, wenn jemand seiner Kollegen Rat oder Unterstützung bei etwas benötigte, egal wie viel Stress er gerade selber hatte.
Nie hätte ich für möglich gehalten, dass in so einem herzensguten Menschen eine so dunkle Aura schlummern konnte.
Die mich sogar zu tiefst erschreckte.
Alleine schon diese autoritäre Ausstrahlung. Niemals würde Ju so dastehen, auch nicht, wenn er gerade für einen Kurzfilm eine Figur verkörperte!
Aber das hier war keine Rolle, die er gerade spielte. Dafür wirkte sie zu gestellt, zu marionettenhaft.
"Verpiss dich aus seinem Schädel!" knurrte ich in gefährlichem Ton.
Dieser elende Teufel!
Seit ich am Lagerfeuer, durch Geräusche, gerade im richtigen Moment aufgewacht war, um diese weirde Backstory vom Gesicht des Mann im Mondes heimlich belauschen zu können, benahm sich Ju so komisch.
Leider war ich kurz darauf wieder eingepennt und hatte nicht mitbekommen, worüber die beiden sonst noch gesprochen hatten.
Was auch immer es gewesen war...
Dieser Bastard hatte meinem Buddy völlig den Kopf verdreht!
Warum war diese Hohlbirne nur auf einen Pakt mit dem Bösen eingegangen?
"Gebt mir das, was mir gehört!" sprach Ju mit einer solch ernsthaften, drohenden Stimme, die jeden Kassierer auch ohne Waffe in den Händen sofort dazu veranlasst hätte, ihm freiwillig die Kohle auszuhändigen.
Ein kalter Schauer durchfuhr mich.
Kiko packte entschlossen ihre Tasche und schob sie demonstrativ weiter nach hinten.
"Nur über meine Leiche!" zischte sie.
"Über deine Leiche?" fragte der Mann im Mond mit Julien's Stimme. Es klang fast schon spöttisch.
"Oder seine?"
Bevor ich die Bedeutung überhaupt verstehen konnte, kam plötzlich der evel Osterhase hinter dem Inhaber des Julien Bam YouTube Kanals hervor.
Er packte den Willenlosen und hielt ihm ein Messer an den Hals.
"JU!"
Mein Herz geriet ins Stolpern. Mein Atem setzte kurz aus.
Die Klinge leuchtete gefährlich in einem flammenden Rot.
Was war das für eine verhexte Waffe?
Ju agierte, zu meinem Erstaunen, jedoch ohne Gegenwehr. Blieb einfach still stehen.
Trotz dieser lebensbedrohlichen Situation spiegelte sich keine Furcht oder Überraschung in seinem Gesicht wider. Nicht einmal die Mundwinkel zuckten.
Tränen der Wut und Hilflosigkeit spürte ich aufkommen.
Wir waren direkt in einen Hinterhalt getappt!
Panik stieg langsam in mir auf.
Auf einmal lachte Yukiko "Du bluffst doch!" Rief sie energisch. Trotz der Überheblichkeit schwang ein Hauch Unsicherheit in ihrer Stimme mit. "Als ob du dich selbst richten würdest!"
Der Mann im Mond zeigte keine Unsicherheit.
Nicht einen Funken, ob er ertappt worden war, ließ er durchsickern.
Hielt seine starre Fassade mit einer beneidenswerten Perfektion aufrecht.
"Ich hatte 500 Jahre Zeit, diverse Pläne und Strategien auszuarbeiten. Glaubt ihr ernsthaft, das alles passiere aus Zufall?" Der Bedrohte lachte verächtlich.
Mein Magen verkrampfte sich. Alles war geplant gewesen.
Den Paketempfänger bis zur Erschöpfung zu jagen. Im besten Fall zu sich zu locken.
Doch jetzt, wo Ju das Gesicht gar nicht mehr hatte, sondern wir, nutzte der Mann im Mond ihn gnadenlos als Druckmittel aus!
Dieser Typ widerte mich von Sekunde zu Sekunde mehr an!
"Der Körper von diesem Julien dient nur als Hülle. Ich selber werde keinen Schaden erleiden" sprach Ju als Mann im Mond und fixierte plötzlich Kiko. "Genau so wenig wie der mächtige Geist des Lichts und des Friedens..."
Die Angesprochene schnappte erschrocken nach Luft und riß die Augen auf. "Raava" stotterte sie.
"Wer?" Verwirrt löste ich den Blick von meinem besessenen Freund.
"Lüge kann eine schwere Last sein..." sprach Ju. "Man fast davon erdrückt wird, so eng wie der Strick die Wahrheit zuschnürt. Wäre es nicht angenehmer, sich von ihnen zu lösen?"
Für ein paar Sekunden wirkte es so, als sei er wieder ganz der alte. Der Ju, welcher früher seinen Zuschauern am Ende die Moral des Videos oder eine lehrreiche Weisheit auf den Weg gegeben hatte.
Jedoch wurde ich gleich wieder daran erinnert, dass das hier nicht mein Ju war, als der Bedrohte den Kopf leich schief legte, sodass das Kinn des Hypnotisierten der scharfen Kannte das Messers gefährlich nahe kam.
"Glabst du nicht, der Junge hätte die Wahrheit langsam verdient?" Ju's Stimme machte eine theatralische Pause.
"Oder willst du auf ewig in Schweigen gehüllt sein, bis sie dir ins Grab folgt?"
Die Augen des ex YouTubers durchbohrten Kiko. Als wisse er genau, was sie die ganze Zeit in sich gefangen hielt. Ein gehütetes Geheimnis, welches hinter einem dicken Save verschlossen war und er unbedingt herausholen wollte.
Irritiert schaute ich zu ihr.
Was für eine Wahrheit?
Minuten verstrichen, während Kiko von einem Bein aufs andere trat, als bestünde der Boden aus heißer Kohle.
"Ich bin der Avatar." Sprudelte es plötzlich unvermittelt aus der Chinesen heraus.
"Herrscherin über die vier Elemente und Vermittlerin zwischen Menschen und Geister. Ich bin durch den Geist des Lichts auserwählt, die Welt auf den Pfad des Friedens zu führen. Raava schenkt mir dafür ihre Macht und die Gabe die Elemente Wasser, Erde, Feuer und Luft zu kontrollieren."
What? Wollte sie etwa sagen, dass sie sowas wie der Gott der Natur war oder so?
Das klang wie der größte Bulshit.
"Sie ist quasi meine zweite Seele. Wir sind eng miteinander verbunden. Alles, was mit dem Geist geschieht, passiert auch mir..." sie brach ab und schluckte.
"Wait, warte, warte, warte! Also wenn er diesen Geist zum Beispiel schlägt, spürst du es genauso?" versuchte ich herzuleiten. Yukiko nickte.
Ihre Stimme zitterte, als sie sagte "Und wenn Raava vernichtet wird, sterbe auch ich"
Bestürztes Schweigen legte sich über uns.
Das Mädchen senkte den Kopf. Wagte es kaum, mich anzusehen. Erstickte fast an den Worten, die in ihrem Hals festzustecken schienen.
"Ich hatte keine andere Wahl, als das zu tun, was er von mir verlangt hat! Der Mann im Mond konnte telepathisch mit mir reden, Joon! Ich wusste nicht, wie viel er von meinen Gedanken heimlich mithören konnte."
Wütend verengten sich meine Brauen. Dieser elende Wichser hatte uns tatsächlich ausspioniert!
Hatte die junge Frau als Wanze missbraucht. Ein verstecktes Mikrofon, um als drittes Ohr zuzuhören.
Mein Gefühl am Anfang hatte mich also doch nicht getäuscht!
Sie vergrub die Hände im Gesicht. "Du hattest von Anfang an Recht damit, dass man mir nicht trauen konnte. Ich hatte solche Angst, euch etwas zu erzählen. Ich hatte Angst, mir überhaupt einen Plan auszudenken, um Raava anderweitig zu befreien." schluchzte sie.
Sie hatte aus Todesangst gehandelt und blind gehorcht.
Hatte Ju nicht verraten und opfern wollen, sondern hatte dies nur getan, weil sie erpresst worden war.
Deswegen stand sie, trotz dieser bösen Tat, noch auf Santas Liste der artigen Menschen!
"Ihr Sterblichen seid so leicht zu beeinflussen." Der Mondmann ließ den Kopf des Kontrollierenden schütteln.
"Was hast du ihm gesagt?" Zischte ich wie ein knurrender Löwe.
Irgendein Floh musste der Mann im Mond Ju ins Ohr gesetzt haben!
Mir war schon im Transporter von Rainer aufgefallen, wie oft er verstohlen zur Tasche geschaut hatte.
Ja, Julien war manchmal echt verrückt mit seinen Ideen. Aber er war nicht so dumm, mit zwielichtigen Leuten abzuhängen.
"Nicht ich, sondern ER selber hat von seinen Sorgen berichtet..."
WAS?!
Julien Bam, erzählte einer wildfremden Person von seinen Gefühlen?
Derjenige, der Interviews als so unangenehm empfand.
Wie ein ängstlicher Hund vor den riesigen Augen der Kamera und dem gigantischen Köck am Mund, am liebsten hätte davonlaufen wollen, wenn ihn die unsichtbare Leine nicht davon abgehalten hätte.
Sich seine Worte immer dreimal überlegte, bevor er den Mund aufmachte.
Weil er keine Kontrolle darüber hatte, was die Reporter aus seinen Sätzen machten. Er mir gegenüber und dem Rest des Teams die Besorgnis schon geäußert hatte, seine Antworten könnten zerstückelt aus dem Kontext gerissen werden. Ihm von der Boulevardpresse Sachen in den Mund gelegt werden könnten, die er nie gesagt hatte.
Der Mann im Mond fixierte Yukiko. "Sag es ihm!" Forderte er sie auf.
Verwirrt sah ich meine Begleiterin an.
Unruhig trat sie auf der Stelle.
Was auch immer es war, schien sie fast von innen zerfressen zu wollen.
Sie schien die Steine der Last mit aller Kraft stemmen zu wollen.
Der fordernde Blick von Ju schien sie noch mehr unter Druck zu setzen.
"Ju hatte eine Vision..." begann sie schließlich.
Ich verdrehte die Augen.
Natürlich!
Ein kosmischer Schlaganfall!
Hätte es mir denken können.
Es war jedes Mal so creepy, dabei zuzusehen. Fast schon verstörend. Jagte mir stets einen riesigen Schrecken ein.
Wie seine Muskeln sich verkrampfen und sein ganzer Körper zuckt.
Fast wie Epilepsie.
War ja klar, dass sein Hirn davon langsam frittiert wurde.
Yukiko holte tief Luft, als würde die Wahrheit sie langsam erdrosseln.
"Er hat gesehen, wie du nochmals stirbst..."
Ich taumelte einige Schritte zurück, als die Worte mich mit voller Wucht trafen.
Der Boden schien sich zu drehen. Hatte das Gefühl, in einen Strudel unter Wasser gedrückt zu werden.
"Julien wollte eine Garantie für dein Überleben" hörte ich die Stimme des Bösen aus Ju's Mund. Dumpf, wie in Watte gepackt.
Langsam sah ich auf. Blickte in das ausdruckslose Gesicht, während der Hase das Messer vor seinem Adamsapfel hielt.
"Warum?" flüsterte ich tonlos. Die Frage war eigentlich an Ju selber gerichtet. Ich wollte die Frage von ihm selber beantwortet haben. "Warum gehst du nur so weit, Ju?"
Betete, dass das Geschehen trotzdem irgendwie zu ihm durch drang. Sein Wille stärker war als das Monster, welches ihn kontrollierte.
"Weil er überwältigt von der Sorge war" Es war nicht der Inhaber des Körpers, der mir diese Frage beantwortete.
Und genau das versetzte mir einen Stich.
Hatte Ju etwa so sehr darunter gelitten, dass ich gestorben war?
Hätte er sich nicht einfach auf die Mission konzentrieren können, anstatt einen auf voll depri zu machen!
Wir mussten alles daran setzten, Ju aus den Fängen dieses Ungeheuers zu befreien!
Hastig nahm ich den kleinen Beutel in die Hand und öffnete ihn.
Bestürzt schaute ich in den Sack hinein, als sich mir nicht das Bild bot, welches ich erwartet hatte.
Nur noch ganz wenige Bohnen waren darin enthalten.
Vier gleichfarbige und je eine in grün und rot.
Hatten wir echt so viel verbraucht?
Oh fuck, jetzt wird's verdammt knapp!
Bestimmt brauchten wir noch für den finalen Fight.
Trotzdem fischte ich die zwei bunte heraus.
Jason Paige und Ron Wasserman
Eine davon reichte zu Kiko.
Verständnislos schaute sie mich an. "Joon... Ich... Ich kann nicht!" - "Doch du kannst!"
Wenn die jetzt einen auf Dramaqueen macht...
"Aber ich hab..."
Genervt entfuhr meiner Kehle ein tiefes Knurren.
"Nimm jetzt das verdammte Ding!" Langsam verlor ich die Geduld. "Tu es nicht für mich, sondern für Ju!"
Ich war kurz davor, ihr die Bohne anderweitig zu verabreichen, als mir diese plötzlich regelrecht aus der Hand gerissen wurde.
Yukiko nickte "Für Ju!" sagte sie entschlossen, als wolle sie sich selber Mut zusprechen.
Mein ganzer Körper kribbelte, als sich die Macht der Bohne in jede Faser meines Körpers verteilte.
Strophe Pokemon (Kiko)
Wir Streifen durch den ganzen Wald.
Wo niemanden vor uns war.
Zusammen sind wir vereint.
Erkennen die Gefahr!
Ohne Bro werden wir nicht gehn.
Lassen keinen im Regen stehn.
Bleibst nicht allein.
Aus Sturm wird Sonnenschein!
Hook PowerRanger (Joon)
Mo, Mo, Mondgesicht
Mo, Mo, Mondgesicht
Wirst uns den Tag nicht vermiesen!
Kraft der Freundschaft wird Siegen!
Wir werden dich gemeinsam besiegen!
Während des Songs war Kiko immer näher an den Mann im Mond herangetreten, der in Ju steckte.
Ihre Hand schnellte vor und umschloss dessen Unterarm. Ein schwaches Leuchten quoll aus der untätowierten Haut.
Ich erkannte, wie die Augen des Mädchens flackerten. Als würde eine Lampe bei nicht vollständig geschlossenem Stromkreis um jeden Funken Energie kämpfen.
Der Blick konzentriert auf den Mann ihr gegenüber gerichtet.
Was auch immer die junge Chinesin da tat, schien zu funktionieren.
Der Schein ihrer Augen verstärkte sich, bis sie so hell wie eine Halogenlampe leuchteten.
Ich musste meine Augen mit der Hand abschirmen, um überhaupt etwas erkennen zu können.
Mit der flachen Hand stieß sie kräftig gegen die Brust des Hypnotisierten.
Ju's Körper kippte einem Bügelbrett gleich nach hinten. Stürzte steif wie ein Brett zu Boden.
Reglos blieb er liegen.
An seiner Stelle stand nun ein glatzköpfiger Mann mit zahlreichen blau schimmernden Linien und flackerndem Gesicht.
Der Mann im Mond
Ich erkannte den überraschten Blick von Kiko, als sie ihn ansah. Das Licht in ihren Augen war verblasst.
"Das wirst du bereuen, Weib!" Das kalte Schimmern der Linien spiegelte sich im entsetzten Gesicht des Mädchens wider, als der Bodybuilder drohend seine freie Hand nach ihr ausstreckte.
Violett-blaue Energiepartikel sammelten sich um seine Finger. Bereit, seiner Widersacherin den Kopf wegzupusten.
"Kiko!" Meine Stimme überschlug sich fast.
Sie quiekte panisch, als der Schein der Magie ihren Blick beleuchtete.
Blitzschnell schossen weiße, schlangenartige Tentakel vor und umschlangen den zum Feuern bereiten Arm.
Riss diesen in letzter Sekunde herum, sodass der abgefeuerte Schuss über Kiko's Schulter hinweg fegte.
Es krachte, als das Geschoss hinter ihr im Boden einschlug. Grashalme, Wurzeln und Dreck spritzten in alle Richtungen. Ich erkannte die aufgewühlte Erde an der Stelle, wo der Energieball eingeschlagen war.
Irritiert sahen wir alle zu dem Wesen, dessen machtvolle Erscheinung die Dunkelheit zu erhellen schien.
"Raava?!" rief Kiko erleichtert.
Mit einem Ruck riss sich der Mann im Mond los und formte einen weiteren Energieball in den Händen.
Der Geist bäumte sich auf. Das Muster an ihrer Vorderseite leuchtete hell. Ein gewaltiger blauer Laserstrahl schoss aus dem Wesen. Prallte gegen die Energiepartikel vom Mann im Mond. Er stemmte sich mit aller Kraft dagegen. Seine Füße rutschten über den Boden.
Doch keiner schaffte es, die Macht des anderen zu bekämpfen.
Fast wie beim Tauziehen, wenn beide Teams gleich stark waren.
Beide Parteien waren ebenbürtig.
"Wir müssen etwas tun!" Schrie ich über den Krach hinweg.
Kiko griff einen der rot-weißen Bälle, welche am Gürtel ihres Kostüms befestigt waren.
"Los Pikachu, Glurak oder was auch immer da drin schläft!" rief sie wie eine richtige Pokémon-Trainerin. "Jetzt bist du dran!"
Schwungvoll flog der Ball durch die Luft.
Drehte sich mehrfach um die eigene Achse.
Dumpf schlug er auf dem Boden auf. Hüpfte wie ein Flummi über die Erde.
Dann sprang der Pokéball auf.
Er war leer.
Das Ding war nutzlos.
Ein einfaches Spielzeug aus Plastik!
"Scheiße, nur Requisiten" fluchte ich laut.
Das durfte doch nicht wahr sein!
Auf einmal stieß das Geisterwesen einen lauten Schmerzensschrei aus. Fast zeitgleich stöhnte auch Yukiko und hielt sich den Arm.
Ich wirbelte herum und erkannte gerade noch, wie der böse Osterhase den rotglühenden Dolch sinken ließ.
Der verletzte Tentakel des Geistes wuchs nach, als sei er der abgetrennte Schwanz einer Eidechse.
Sie packten den Hasen und schleuderten ihn fort.
Plötzlich verharrte Kiko neben mir mitten in ihrer Bewegung. Ebenso der Geist. Es war, als hätte jemand auf Pause gedrückt.
Was taten sie da?
Jetzt war keine Zeit für die Mannequin-Challenge!
Also, ich konnte mich noch problemlos bewegen.
Bei genauerer Betrachtung fiel mir allerdings ein leichter Schimmer um die beiden auf.
Diesen Moment der Unaufmerksamkeit hatte der Mann im Mond scheinbar sofort genutzt.
Er hatte die beiden gefreezt und somit außer Gefecht gesetzt!
Fuck!
Dünne, blaue Fäden begannen, sich um die Arme, Beine und den Oberkörper des Bewusstlosen zu wickeln.
"Ju!"
Fest schnürten sich die magischen Seile um die Gelenke des Körpers.
Langsam zogen sie ihn hinauf in den Himmel.
Viel zu schnell war er außerhalb meiner Reichweite, als ich am Ort des Geschehens ankam und verzweifelt in die Luft sprang.
Hasserfüllt starrte ich den Mann im Mond an.
Was hatte dieses Drecksschwein jetzt nur vor mit ihm?
"Ihr lasst mir keine andere Wahl. Gib mir JETZT das Gesicht!"
Geistesgegenwärtig sprang ich bei diesem Satz auf die Tasche von Kiko, welche sie für den Song abgelegt hatte. Stürzte mich schützend auf sie drauf, wie ein Footballspieler.
"Es liegt an dir, ob das töten dieses Menschen dazugehört!"
Ein ganzer Kübel voll Eiswürfel rutschte mir den Rücken hinunter. Mein ganzer Körper versteifte sich.
Hell schien die Sichel des Mondes über unseren Köpfen. Es sah aus meiner Perspektive so aus, als würden die Schnüre von diesem Planeten selber kommen.
Kraftlos hing der leblosen Körper in den Seilen. Wie eine Puppe ohne Körperspannung.
Ungeschützt kippte sein Kopf in den Nacken. Arme und Beine durch die Fäden leicht angehoben.
Ein Sturz aus dieser Höhe konnte kein Mensch überleben!
Würde wie die Titanic einfach zerschellen.
Direkt Matsch sein, wie ein aufgeplatztes Spiegelei.
Oder zumindest sämtliche Knochen gebrochen haben.
Selbst wenn ich den Fallenden hätte auffangen können, würde mich die Wucht des Aufpralls genauso hart treffen.
"Hör mir zu Joon!" rief der Mann im Mond. Widerwillig löste ich mich von Ju und starrte ihn an. Mein Hass auf dieses Monster stieg von Minute zu Minute mehr.
"Es muss nicht so enden!" Diese Aussage überraschte mich. Für ein paar Sekunden zeigte sich Erstaunen, bis das ernste Gesicht wieder die Kontrolle über meine Züge übernahm.
"Ist es ein Verbrechen, zu lieben? Ein verwundetes Herz zu heilen?" Der Mann im Mond senkte den Kopf. Ich sah, wie sich seine Bauchmuskeln hob und senkte, als er tief ein- und wieder ausatmete.
"Das einzige, was ich möchte, ist, meine Geliebte wieder in den Armen zu halten. Deine Furcht und Bedenken, dass diesem Planeten etwas geschieht, sind unbegründet. Als ich dich zurückholte, ist nichts dergleichen geschehen.
Wenn es vollbracht ist, werde ich gemeinsam mit Iris verschwinden. Ihr werdet nie wieder etwas von uns hören. Ich bin glücklich und ihr könnt normal weiterleben, als sei das alles hier nie geschehen."
Das klang viel zu gut, um wahr zu sein.
Wenn man nicht den ganzen Kontext der Story kannte, könnte einem dieser gebrochene Mann echt leid tun.
Fast!
Aber ich war weder blind, noch verblendet.
Mich konnte er nicht täuschen!
Wenn er wirklich bereit war, für seine Liebe über Leichen zu gehen, würde er vor nichts zurückschrecken.
Auch nicht die Menschheit zu vernichten, wenn es nötig war.
Kein Wort glaubte ich ihm!
Meine Hände ballten sich zur Faust.
Ich musste Ju retten!
Egal wie!
Er hat das Selbe schon mal für mich getan!
... was aber leider anscheinend misslungen war.
Das durfte auf keinen Fall nochmals passieren!
Entschlossen griff ich über meine Schulter.
Erstickte mit meiner Hand den erklingenden Ton. Packte den Hals fest, sodass die Saiten schmerzhaft in den Handballen drückten.
Langsam stand ich auf.
Hielt das Instrument wie einen Baseballschläger bereit.
Wild entschlossen, diesen Wichser auszunocken!
Für meinen eternal Bro würde ich sogar das Geschenk von Julia opfern.
In diesem Augenblick zuckte der Mann im Mond zusammen. Verzog schmerzverzerrt das Gesicht. Umklammerte seinen rechten Unterarm.
In derselben Sekunde geschah das Unvorstellbare...
Die Magiefäden reißen!
Als sei eine unsichtbare Schere durch die Schnüre hindurch gefegt. Lösten sich im Nichts auf.
Mein entsetzer Schrei blieb auf halbem Weg im Hals stecken. Alle Muskeln versagten ihren Dienst.
Das einzige, was ich hörte, war mein wild pochendes Herz, als meine Augen an das Bild geklebt worden waren.
Alles geschah in Zeitraffer.
Rasend schnell stürzte Ju auf den Boden zu!
Die Augen noch immer geschlossen. Der Gesichtsausdruck entspannt, als würde er schlafen.
Seine Haare und Kleidung flatterten im Flugwind.
Er würde direkt mit dem Kopf auf den Boden knallen!
Der Schädel auf den Steinen zerbrechen!
Dieser verrückte Kopf, der zu dem kreativsten Menschen gehörte, den ich je in meinem Leben kennenlernen durfte.
Alle coolen Ideen für weitere Projekte, welche noch unausgesprochen in seinem Innern schlummerten, würden mit ihm gemeinsam sterben...
Ich wollte meine Augen schließen. Mir die Ohren zuhalten, um die knackenden, zerberstenden Geräusche abzuschirmen.
Diese würden mich bestimmt mein Leben lang heimsuchen.
Doch ich konnte nicht!
Instinktiv streckte ich eine Hand nach meinem in den sicheren Tod stürzenden Freund aus, als könne er irgendetwas bewirken.
In allerletzter Sekunde packten ihn die Fäden des Mondes und zogen den Körper wieder hinauf.
Mein anfänglicher erleichterter und dankbarer Blick, verwandelte sich zu einem hämisches Grinsen.
Diese Linien über den Körper des Mondmannes verteilt...
Das waren keine Tätowierungen, sondern Verletzungen!
Sie fraßen ihn langsam auf!
Zumindest wenn er Magie anwandte, ohne dass ihn ein zusätzlicher Körper oder eine anderweitige Energiequelle, wie das Zepter von Zahnfee zum Beispiel, zusammenhielt.
Vielleicht konnte ich ja einfach warten, bis diese Male das Ungeheuer vollständig zerfressen hatten?
"Wenn ich falle, fällt auch er!" Schien dieser Bastard meine Gedanken zu erraten.
Kraftlos ließ ich den bereits wurfbereiten Arm wieder sinken.
In Zeitlupe schien die Ukulele zu Boden zu fallen.
Es war aussichtslos.
Der Mann im Mond hatte mich komplett in der Hand. Er hatte die Kontrolle über das weitere Geschehen übernommen, ohne meinen Körper zu beherrschen.
Es war an seinem Gesichtsausdruck unverkennbar, dass er sich konzentrieren musste, um sein Opfer in der Luft zu halten.
Wenn ich ihn jetzt angreifen sollte, würde diese gestört werden und Ju erneut in Richtung Erdboden stürzen.
Und ob er es erneut schaffte, ihn aufzufangen, nachdem ich ihm eines übergezogen hatte, ist fraglich.
Weglaufen kam nicht in Frage!
Das wäre Verrat!
Ju wäre erneut in seiner Gewalt und der Mann im Mond würde was auch immer mit ihm anstellen.
Alleine schon bei diesem Gedanken wurde mir schlecht.
Keinesfalls durfte ich riskieren, dass dieser elende Psychopath seine Drohung wahrmachte!
Die Waage pendelte hin und her, aber balancierte sich nicht aus.
Bei jeder der Optionen schien die Wahrscheinlichkeit, dass etwas schiefging, etwa gleich hoch.
Diese Entscheidung zu Fällen, zerriss mich fast.
Wie würdet Ihr euch in meiner Situation entscheiden?
Was tun?
Meine Hand zitterte, als ich die Maske umschloss. Das wahre Gesicht vom Mann im Mond schimmerte in einem tiefen Hellblau. Als stecke der Kosmos mit all seinen Partikeln höchstselbst darin.
Ich spürte das leichte Kribbeln der Elektrostöße in den Fingerspitzen, als ich die glatte Oberfläche fester umschloss. Hunderte kleine Blitze zuckten darüber.
Nie hätte ich gedacht, dass die ganze Sache rund um "Ein Sturm zieht auf" und "Der Mond schaut nicht mehr lange nur zu" Wirklichkeit werden würde.
Es war ein random Traum vom Kanalgründer gewesen. Eine crazy Idee, wie so vieles andere auch.
Ich erinnerte mich daran, wie Ju eines Tages aufgeregt ins Office gekommen war. Passi und erst recht Marius waren sofort Feuer und Flamme gewesen und hatten eifrig mit den Vorbereitungen angefangen.
Ursprünglich eigentlich nur als Joke gedacht, war die ganze Sache immer größer und verzwickter geworden.
ZU groß und ZU sehr verzwickt.
Schon längst hatte ich den Faden der Zusammenhänge verloren.
Wünschte mich in die Vergangenheit, in einen Moment, wo alles noch gut war.
Zurück in eine Zeit, bevor dieser Abfuck hier begann.
Ich hoffte, jeden Moment Shawn's Regieanweisung mit den Worten "Cut!" aus dem Off zu hören.
Dass Josh mit der Shotliste in der Hand ins Bild kam, um die nächsten Einstellungen zu verkünden.
Mich daran erinnerte, was als Nächstes gedreht werden würde. Ju grinsend aus der Rolle fiel und Grimassen schnitt.
Oder jede Sekunde das Bild schwarz werden würde und To be continued... das Ende der Folge erklärte.
Jetzt wäre doch der perfekte Moment für einen Hardcore-Cliffhanger!
Doch nichts dergleichen geschah.
Ich wurde nicht aus der Situation herausgerissen.
Hin und her gerissen schaute ich von dem blauen Maskengesicht in meinen Händen zu meinem Bro, der regungslos am Himmel, weit oberhalb der Baumgrenze, hing.
Gehalten einzig und allein durch die hauchdünnen Fäden des Mondes.
Was soll ich tun?
So sehr sich alles in mir dagegen sträubte...
Ich hatte keine andere Wahl!
Ju hatte sich ebenfalls für unsere Freundschaft entschieden.
Hätte die ganze Welt für mich hergegeben!
Nun lag es an mir, meinen Teil einzulösen.
"Schwör, dass du ihm nichts antust und ihn sofort freilässt!" Knurrte ich feindselig. Ließ den Feind keine Sekunde aus den Augen.
"Ich gebe dir mein Wort!" sprach der Mann im Mond mit ernster Stimme.
Ein letztes mal sah ich auf das Gesicht in meinen Händen.
Mir blieb nichts anderes übrig, als auf die Forderung einzugehen.
Mit weichen Knien machte ich einige Schritte auf den Erpresser zu.
Die zitternden Hände legten das Gesicht zwischen uns auf den Boden ab, ehe ich mich wieder entfernte.
Es fühlte sich so verdammt falsch und zugleich richtig an.
"Warum nicht gleich?! So viele Sünden... so viele Lügen. Muss stets ein Opfer zu beklagen sein, wenn es doch von Anfang an ohne hätte gehen können?" sprach der Mann im Mond tadelnd und schüttelte den Kopf, bevor er den Arm in Richtung des am Himmel Gefesselten hob.
Mein Herz schlug bis zum Hals.
Zu meinem großen Erstaunen war der Bad Guy nicht so assi drauf, wie ich gedacht hatte.
Tatsächlich griff er sich nicht zuerst das Objekt der Begierde, sondern hielt tatsächlich sein Versprechen.
Langsam senken sich die Seile mit Ju zu Boden. Betteten ihn sanft ins Gras, bis sie sich von seinem Körper lösten und auflösten.
"Ju!" Ich stürzte zu ihm.
Stolperte förmlich über meine eigenen Beine, die nicht schnell genug arbeiteten.
Ächzend richtete ich den Bewusstlosen auf.
Sein Körper war eiskalt!
"Diggi, wach auf!" Verzweifelt rüttelte ich an ihm. Versuchte ihn irgendwie aufzuwecken. "Pennen kannst du später!"
Dachte, ich sei derjenige mit Schlafstörungen.
"500 Jahre voller Leere und Schmerz enden heute. Bald bist du wieder bei mir, geliebte Iris." hörte ich den Mann im Mond sagen, während er seine abgetrennte Gesichtshälfte fasziniert in den Händen betrachtete.
Die magische Verletzung an seinem Arm verheilte. Auch die leuchtenden Linien am gesamten Körper schienen allmählich zu verblassen.
Mein Puls beschleunigte sich noch mehr.
Fuck, es beginnt!
Instinktiv drückte ich den wehrlosen Körper meines besten Freundes schützend noch fester gegen meinen. Er wirkte so zart und verletzlich. Als bestünde er aus Zucker.
Weg! Alle mussten weg!
Ju musste weg!
Ich packte den Verletzten und schleifte seinen Körper angestrengt über den Boden.
Gehetzt warf ich einen Blick zurück, als meine Füße über einen Stein oder Ast stolperten.
Das brachte nichts.
Der Singapurer war zu groß, zu schwer.
Ich konnte ihn nicht aus der Gefahrenzone tragen!
Irgendwie musste ich die Schlafmütze doch wach bekommen.
Ich kitzelte ihn mit einem Grashalm an der Nase, in der Hoffnung, den Weggetretenen so wach zu bekommen.
"Com on!" Meine Stimme war schrill vor lauter Panik.
Ich war kurz davor, ihm eine zu scheuern. Im Film klappte das schließlich auch immer.
Geblendet durch ein grelles Licht schaute ich auf.
In dieser Sekunde, als der Mann im Mond die Maske auf sein Gesicht legte und es allmählich mit der Haut verschmolz, schlug ein gewaltiger Blitz ein.
Die Wucht der gewaltigen Druckwelle schleuderte mich mehrere Meter nach hinten.
Hustend rang ich nach Luft.
Meine Schulter schmerzte.
Benommen blieb ich orientierungslos liegen. Alles drehte sich. Wusste nicht, wo oben und unten war.
Spürte die Vibration der Luft und des Bodens, als würde sich der Planet für das baldige Unglück wappnen.
Das grüne Gras war verschwunden. Übrig blieb tote, staubige Erde.
Als hätte der Mann im Mond mit dem Aufsetzen des Gesichts der Natur sämtliche Lebensenergie geraubt.
Ich schluckte.
Ob das ein schlechtes Omen war?
Sofort bereute ich meine vorherige Entscheidung.
Ein Schatten huschte an mir vorbei.
Kiko stürzte neben den auf dem Boden liegenden Ju auf die Knie, welcher ebenfalls durch die Wucht der sich entladenden Energie durch die Luft geschleudert worden war.
Kiko war gerade dabei, ihn auf den Rücken zu drehen.
"Endlich!"
Die Aufmerksamkeit schwang hinüber zum Mann im Mond.
Die blauen Bemalungen an seinem Körper waren verschwunden.
Ungläubig betrachtete er seine Arme. Als könne er selber nicht fassen, dass er es tatsächlich geschafft hatte.
Es war wirklich geschehen!
Das Unausweichliche, was jeder, der diese Geschichte liest, erhofft und doch gefürchtet hat!
Angst kroch in mir hoch.
Was würde als Nächstes passieren?
Schlimmer konnte es echt nicht mehr werden...
Yukiko's panischer Schrei riss mich aus den Gedanken.
Sie hob den Kopf, welcher auf Ju's Oberkörper geruht hatte, und blickte mich mit blankem Entsetzen an.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
"Er atmet nicht!"
To be continued...
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