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Klirr!!
"Verdammt!" Geschockt schaute der kleine Nasenbär auf die nicht-so-schöne Bescherung. Wo eben noch eine Vase auf der Kommode im Wohnzimmer gestanden hatte, stand jetzt keine Vase mehr. Dafür lagen Scherben verschiedenster Formen und Größen auf dem Wohnzimmerteppich.
Was nun? Der kleine Nasenbär kratzte sich etwas überfordert am Kopf. Eigentlich durfte er im Wohnzimmer nicht mit dem Ball spielen, aber draußen war so schlechtes Wetter und das Wohnzimmer war doch so ein großer Raum und Opa Nasenbär war bei Freunden und würde erst später wiederkommen. Da hatte er die Gelegenheit natürlich direkt beim Schopf ergreifen müssen.
Leider war nun Opas Vase seinem Ball zum Opfer gefallen. Und zwar die teure Vase, das uralte Familienerbstück von Großtante Katzenfrette.
Der kleine Nasenbär war in Sorge. Wie Opa wohl reagieren würde? Normalerweise schimpfte Opa ja selten, aber normalerweise hatte der kleine Nasenbär auch kein uraltes Familienerbstück kaputt gemacht.
"Ohje, ohje", jammerte der kleine Nasenbär vor sich hin, "Opa zieht mir das Fell über die Ohren!" Er merkte richtig, wie die Angst-Brille auf seine Nase rutschen wollte. Seine Pfoten waren schon ganz schwitzig und seine Ohren zuckten nervös. Hörte er den Opa da etwa schon kommen?
"Okay, noch ist Opa nicht da", sprach sich der kleine Nasenbär Mut zu. "Noch kann ich es vielleicht irgendwie geradebiegen!"
Endlich kam Bewegung in den kleinen Nasenbär. Wo er bis eben noch stockesteif auf dem Wohnzimmerteppich gestanden und die Scherben angestarrt hatte, lief er nun aufgeregt hin und her und grübelte darüber nach, was er jetzt tun sollte. Eine Lösung musste her!
"Erst mal die Scherben aufsammeln." Gesagt, getan. Nur, wohin jetzt damit? Der kleine Nasenbär kratzte sich hinter den Ohren, zuckte mit den Barthaaren und sein Schwanz peitschte nervös von rechts nach links.
Vielleicht könnte er behaupten, es seien Einbrecher da gewesen und die hätten die Vase geklaut? Und er hätte zwar versucht, die Diebe in die Flucht zu schlagen, aber es wären einfach zu viele gewesen? Natürlich hätte er gekämpft mit allem was er hatte, aber es waren mindestens drei, ach was, mindestens zehn Räuber gewesen, alle mindestens so groß wie ein Eisbär und mindestens genauso gemein ...
Vielleicht könnte er die Scherben auch verstecken? Im Garten vergraben oder ganz unten in der Mülltonne entsorgen? Vielleicht würde der Opa dann gar nicht merken, dass sie weg war? Und er könnte einfach so tun, als wüsste er von nichts, und falls der Opa ihn ansprechen sollte, würde er ganz überrascht tun und fragen: "Vase? Welche Vase? Ich weiß von keiner Vase!" Und dabei würde er den Opa mit ganz großen, unschuldigen Augen anschauen und vielleicht noch ein bisschen die Schultern hochziehen.
Eigentlich war es doch sowieso unfair, dass er sich jetzt so darüber den Kopf zerbrechen musste! Was stellte der alte Nasenbär das gute Familienerbstück auch einfach so ins Wohnzimmer! Das hätte doch viel besser in einen Schrank gehört, ach was, am besten gleich in einen Safe oder in den Tresor einer Bank! Ganz eindeutig war der Opa Nasenbär Schuld an der ganzen Misere! Wenn er nicht so unverantwortlich gehandelt hätte, wäre das alles nicht passiert!
Mittlerweile ganz angespannt vor Wut stampfte der kleine Nasenbär durchs Wohnzimmer. Er würde jetzt jedenfalls seinen Ball nehmen und raus gehen, sollte sich doch der wahre Schuldige um das Problem kümmern!
Padautz!
"Mist, verfluchter!", schimpfte der kleine Nasenbär und hielt sich mal wieder die schmerzende Nase. War er doch glatt über den doofen Wohnzimmerteppich gestolpert. Mit der Wut-Brille auf der Nase musste er echt aufpassen, wo er hinlief.
Gerade wollte er leise vor sich hin grummelnd seinen Ball aufheben, als er direkt daneben noch etwas anderes sah. Huch, war das etwa noch eine Brille? Die kannte er ja gar nicht. Sah irgendwie komisch aus, mit ganz verschiedenen Farben, als würde sie sich ständig ändern und gar nicht richtig entscheiden können, wie sie denn jetzt genau aussehen wollte.
"Ich war's nicht-Brille", las der Nasenbär leise murmelnd den Namen der Brille ab. Ich war's nicht-Brille? Kamen daher seine ganzen Ideen? Das Räubergeschichtenerzählen, das Unschuldsengelspielen oder auch das Schuld-auf-andere-schieben? "Stimmt schon, Hauptsache, ich bin nicht schuld! Schuld sein ist doof und fühlt sich blöd an. Und Ärger kriegt man auch noch!"
Dem kleinen Nasenbär wurde schon wieder ganz komisch vor Sorge. Jetzt wo die Ich war's nicht-Brille von seiner Nase unten war, schlich sich schon wieder die Angst-Brille an. Gegen die Angst hatte die Ich war's nicht-Brille tatsächlich gut geholfen. Nur war sie eine gute Lösung für das Problem mit der Vase? Und wenn ja, welche der drei Ideen?
Wenn er doch nur einen Weg hätte, in Ruhe nachzudenken und auf möglichst gute Lösungen zu kommen, einfach clever zu sein ... "Ich habs!", rief der Nasenbär und schnippste dabei mit den Pfoten. Schnell setzte er sich hin und kramte dann seine Clever-Brille aus dem Köfferchen.
Mit der Clever-Brille auf der Nase holte er erstmal tief Luft und machte dann Wackelpuddingarme, um die restliche Angst loszuwerden. Denn mit Angst im Kopf kann man nicht denken, so viel hatte der kleine Nasenbär schon gelernt. Dann schaute er sich die Scherben genau an und überlegte, was er tun sollte.
Räubergeschichten? Am Ende würde der Opa noch die Bärenpolizei rufen und die würde ihn dann zu den Einbrechern befragen. Ohje, das würde wirklich eine Menge Ärger geben, wenn seine Lügerei rauskommen würde.
Unschuldsengel? Der kleine Nasenbär war sich nicht sicher, ob er so gut schauspielern konnte. Außerdem wüsste er selbst ja schon, was mit der Vase passiert war, auch wenn der Opa nichts merkte. Bestimmt hätte er ein schlechtes Gewissen, und dann immer die Sorge, dass der Opa doch noch dahinterkommen könnte. Klang auch nicht wirklich prickelnd.
Die Schuld auf andere schieben? Da würde der Opa bestimmt ziemlich sauer werden, wenn er ihn zur kaputten Vase zusätzlich auch noch beschuldigen würde. Zumal es schon ein bisschen weit hergeholt war, ausgerechnet dem Opa die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Angestrengt kaute der kleine Nasenbär auf seiner Lippe herum. Irgendwie waren das alles keine wirklich guten Lösungen. Nur, was sollte er denn dann machen?
Auf alle Fälle müsste er dem Opa erzählen, was passiert war. Wenn er ehrlich war und sich entschuldigte, würde er doch bestimmt nicht sooo viel Ärger bekommen. Vielleicht schon ein bisschen, aber die Welt würde davon nicht untergehen und sein Fell würde ihm bestimmt auch nicht abgezogen werden. Und so wäre es zumindest bald vorbei und er müsste sich nicht mehr ewig Sorgen machen, was alles passieren könnte.
Ja, der Plan gefiel ihm. Sobald sein Opa nach Hause kam, würde er ihn begrüßen und sagen: "Opa, ich muss dir was gestehen. Ich hab mit dem Ball gespielt und dabei ist mir die Vase runtergefallen, die von Großtante Katzenfrette. Tut mir wirklich leid, ich wollte das nicht." Der kleine Nasenbär nickte sich selbst zu. Genau so würde er das machen.
Sein Blick fiel wieder auf die Scherben. Eigentlich würde er den Schaden gerne wiedergutmachen. Zumindest so weit, wie das ging. Dann wäre der Opa vielleicht auch nicht so traurig über die kaputte Vase.
Entschlossen lief der kleine Nasenbär zum Tisch und legte alle Scherben darauf. Irgendwo gab es bestimmt auch noch Sekundenkleber.
Und mit der Clever-Brille auf der Nase und der Zunge vor Konzentration zwischen den Zähnen, machte sich der kleine Nasenbär daran, die Vase möglichst sorgfältig zu reparieren.
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