Kapitel 44

Nach dem Streit mit Manon war Ariana nur noch traurig. Im Hotel hatte sie festgestellt, dass ihre einstige, beste Freundin ihre Sachen gepackt und sich wohl ein eigenes Hotelzimmer genommen hatte. Allerdings hatte sie auf Arianas Versöhnungsversuche nicht reagiert, weshalb sie es aufgegeben hatte.

Gemeinsam mit Francesco hatte sie eine hübsche Puppe gekauft und war am nächsten Tag ins Krankenhaus gefahren, um dem kranken Mädchen diese zu überbringen. Dort hatte man ihnen allerdings mitgeteilt, dass Melina gar nicht mehr da war. Da ihre Lebenszeit nur noch begrenzt war, hatten sich ihre Eltern entschlossen, ihrem Kind noch eine wunderschöne Zeit zu bescheren, indem sie mit ihr irgendwo hin fuhren.

Das hatte Ariana noch trauriger gestimmt. Sie hätte Melina gerne die Puppe selbst gegeben, doch sie bat Francesco, sollte er sie jemals wiedersehen, ihr diese zu geben. Bald war ihr Urlaub vorbei und sie musste zurück nach Marseille.

Aber das war nicht alles, weshalb Ariana am Boden zerstört war. Der Verlust von Manons Freundschaft machte ihr zu schaffen, aber noch mehr, dass die Schwarzhaarige sang und klanglos nach Hause geflogen war. Das hatte Ariana nur aus Zufall mitbekommen. Deshalb hatte Francesco angeboten, mit ihr nach Ravello zu gehen. Den Ursprung ihres einstigen Gemäldes.

Die salzige Meeresluft und die lauwarme Brise spielte mit Arianas Haaren, als sie in Ravello ankamen. „Es ist sogar noch schöner als auf den Bildern", hauchte sie entzückt. Das erste Mal seit Tagen glänzten ihre Augen wieder. Und das nicht wegen Tränen.

Francescos Arm lag um ihre Schultern, als sie beide die friedliche Schönheit betrachteten. „Ja, alles, was man malt oder fotografiert, ist nur halb so schön, wie wenn man es selbst zu sehen kriegt." Er schaute zu ihr und küsste ihr zerzaustes Haar. Seine Finger strichen über ihre Wange. Das Licht der Sonne ließ Arianas Haar wie Gold glänzen. „Siehst du das da?", fragte er und deutete weiter hinten.

Ariana wandte ihren Kopf. „Was denn?", fragte sie überrascht, während sie sich ihr Haar festhielt, um etwas sehen zu können. Es gab einige, die das gute Wetter am Strand nutzen wollten. Die Touristen, aber auch Einheimische, lagen auf Handtüchern oder Sonnenliegen und ließen sich braun werden.

„Weiter hinten sind ein paar benutzbare Klippen", deutete er da drauf und beschrieb ihr, wie tief das Wasser dort war und wie unglaublich es sein musste, von hoch oben ins Wasser zu springen. „Einige Wagemutige machen sowas, ist zwar scheiß gefährlich, aber es ist Adrenalin pur."

Kopfschüttelnd lachte Ariana. „Wohl für die Leute, die Mutproben lieben", bemerkte sie schaudernd. Wer machte so etwas freiwillig? So, wie die Wellen gegen die Klippen rauschten, war das gefährlich. „Sag bloß, das hast du auch schon getan!"

„Paar mal", gab er zu. „Meist mit Andreas." Das Adrenalin, was er dann immer spürte war so überwältigend krass, dass er im Moment nicht die passende Worte fand, um das Ereignis zu beschreiben.

„Ihr seid echt nicht ganz dicht", tadelte Ariana, meinte es aber nicht böse. Solange nichts passierte, war es in Ordnung. Liebevoll schmiegte sie sich an seinen Arm und sah sehnsüchtig zu den Klippen. „Dort würde ich gerne mal stehen und die Sicht genießen. Daraus entsteht sicherlich ein tolles Bild."

„Du kannst mir jetzt glauben, die Ausblick von dort, wenn die Sonne auf oder untergeht ist wunderschön. Du wirst es lieben", versprach er ihr und hob ihr Gesicht sachte an, um sie dann zärtlich zu küssen. Francesco stellte sich gerade vor, wie es wäre mit ihr dort oben nahe der Klippe zu sein, wenn die Sonne unterging. Ein Picknick dort mit ihr zu machen, dann sich unter einer weichen Decke einzukuscheln und sie zärtlich in seinen Armen zu halten, nachdem sie sich geliebt hatten. Ja, genau sowas stellte er sich vor.

„Das wäre ... romantisch", schwärmte Ariana. „Du? Ich muss dir noch etwas erzählen ...", begann sie jedoch ernst und ärgerte sich, dass sie nicht mehr daran gedacht hatte.

Er konnte es an ihren Blut riechen. Etwas hatte sie. „Was ist los, Chérie?", fragte er sie vorsichtig.

„Vor ein paar Tagen ... als ich mit Manon noch shoppen war, hat mich ein Mann angesprochen und etwas von einem Elias gesprochen und dass wir in Gefahr sind", sagte sie langsam. „Ich wusste nicht, wen er meinte, aber irgendwie kam ich bei der Beschreibung auf Arthur."

Er glaubte, das Blut kochen zu spüren. Irgendein Fremder, der Elias scheinbar kannte, suchte seine Liebste auf und machte ihr Angst, indem er eine Beschreibung von diesem Elias machte und sagte, dass ihre beste Freundin in Gefahr sei. Seine Wut musste Francesco gerade aufs heftigste unterdrücken, da er spürte, wie der alte Hass neu entflammte und ihm klar wurde, dass er nie aufgehört hatte.

„Wie genau sah er aus?", fragte er sie halb knurrend.

„Er hatte dunkle, längere Haare und seine linke Gesichtshälfte war durch eine Narbe entstellt. Und er war ziemlich groß", erinnerte sich Ariana.

Vincenzo!

Nein, das konnte er nicht sein. Niemals!

Er würde sich nie zeigen, nicht in Gegenwart der Freundinnen oder vor Francesco. Das musste wohl ein Scherz sein?

„Bist du dir sicher?", wollte er wissen. Er musste sichergehen

Ariana nickte. „Ja. Er war charmant, als er mich angesprochen hat. Seine dunklen Augen, aber die Narbe hat sich in mein Gedächtnis gebrannt."

Ein Knurren konnte Francesco sich dann doch nicht mehr unterdrücken. Er war also doch hier und brachte Unruhe. Andreas musste das sofort wissen und wie auf Stichpunkt meldete sich sein Handy. Francesco holte es raus und tippte schnell die Antwort drauf, bevor er es wieder in die Hosentasche steckte.

„Was war das?", fragte Ariana vorsichtig. Ihr Unwohlsein, das sie seit der Begegnung verspürte, war nicht wegzubekommen. Und sie machte sich auch Sorgen um Manon, die nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte.

„Es war eben ein guter Freund von mir und Andreas gewesen. Samuel. Ich habe ihm eben geschrieben, dass unser guter alter Freund Vincenzo wieder in Rom ist." Francesco sah Ariana mit Ernst und Sorge in den Augen an. „Versprich mir eines: Wenn dir Vincenzo begegnen soll, halte dich von ihm fern oder ruf mich sofort an. Verstanden?"

Vincenzo. Jetzt hatte er wenigstens einen Namen. „Francesco", flüsterte Ariana niedergeschlagen. „Ich weiß nicht mal, ob er mich das tun lässt." Vielleicht würde er es verhindern.

„Wenn du das Gefühl bekommst, dass er in der Nähe ist, mach es ohne zu zögern. Ist das klar?", bat er sie nun eisern drum, damit er zumindest ihre Sicherheit wissen konnte. Wenn sie in Schwierigkeiten steckte, würde er ohne zu zögern wiederkehren und mit allem Mitteln beschützen, die ihm zur Verfügung standen.

Francesco würde umkommen vor Sorge, wenn ihr was geschehen würde.

„Nein! Angelina, nein!"

Kopfschmerzen überfielen ihn auf einmal. Schon wieder dieser Name! Wer war sie?

Anhand seines verzogenes Gesichts wurde Ariana sofort besorgt. „Francesco?", fragte sie vorsichtig und nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände. „Ist alles in Ordnung?"

Was sollte Francesco ihr sagen? Was würde sie hören wollen? Etwa, dass er dauernd von einer jungen Frau träumte oder dass sie ihn heimsuchte, die sogar ausgerechnet Ariana zum verwechseln ähnlich sah?

Nein, das konnte er ihr nicht erzählen.

„Es geht, hab nur ein wenig Kopfschmerzen", sagte er und verbannte diese Angelina oder wer das sein sollte aus seinem Kopf.

„Bist du sicher?", fragte sie erneut, küsste ihn aber zärtlich.

„Ja, alles gut", versicherte er ihr und schlang seine Arme um sie. „Du bist ja bei mir." Seine Wange auf ihr Haar gelegt genoss er die Wärme ihres kleinen Körper und es war, als würde seine Liebe zu ihr um einiges wachsen.

Genüsslich schmiegte sich Ariana an ihn und unterbrach dann den Moment. „Lass uns ein wenig spazieren gehen, ja? Dann kannst du mir ein wenig von diese, Vincenzo erzählen. Er war zwar merkwürdig, hat mich aber nicht bedrängt", schlug sie vor, wobei sie ihn auffordernd am Arm zog.

„Also, von Vincenzo möchte ich nicht reden, aber ein Spaziergang kann uns auf andere Gedanken bringen", fand er und ging mit ihr Arm in Arm ein wenig spazieren. „Wie wäre es, wenn ich dir ein Eis spendiere?"

Gegen ein Eis hatte sie bei den Temperaturen gewiss nichts, weshalb sie strahlte. „Eine gute Idee", erwiderte Ariana, die seinen Themenwechsel akzeptierte. Vielleicht würde sie es noch eines Tages herausfinden.

Bei den viel Eisdielen und Eisstände, die es hier in Rom gibt, wusste man einfach nicht, wo man eines essen sollte, weil das alles richtig italienisches Eis war. Aber Francesco führte sie zu einem blau-weiß geschirmten Eisstand, wo es richtig voll aussah. „Dort gibt es richtig gutes Eis und jeden Monat immer eine neue Sorte das Monats. Diesen Monat ist es Mandeleis mit winzigen Marzipanstreuseln."

Verzückt quietschte Ariana und konnte es nicht erwarten, diese Sorte zu kosten.

Als sie jedoch ein junges Mädchen entdeckte, stutzte sie. „Ist das nicht Nina?", fragte sie Francesco flüsternd.

Er erspähte das Mädchen auch, kaum dass sie näher kamen. „Ja, das ist sie", sagte er und war selber erstaunt sie hier vorzufinden.

Sogar der Großvater war dabei, aber nicht nur er. Als sie in der Schlange näher rückten, erkannten sie ein Mädchen im Rollstuhl. Gehörte sie zur Familie?

„Sollen wir zu ihnen?", fragte Francesco sie, da er den Blumenverkäufer wiedererkannte hatte und das Mädchen auf dem Rollstuhl.

Begeistert nickte Ariana. Dass sie Nina so schnell wiedersehen würde, überraschte sie, doch dann konnte sie ihr wenigstens erzählen, dass sie eine Puppe gekauft hatte. Sollte Nina noch eine Weile in Ravello verweilen, würde sie diese ihr geben.

„Buon giorno, Signor! Buon giorno, Nina!", rief Francesco sie beide von hinten. Der alte Gärtner und Nina reagierten auf seinen Ruf und die Enkelin winkte enthusiastisch zurück.

„Boun giorno, Signor Morel! Signorina!"

„Nina!", rief Ariana aufgeregt. Leider standen sie ziemlich weit am Ende der Schlange und ein Vordrängeln gab es bei Ariana nicht, weshalb sie warten und hoffen musste, dass sie noch eine Chance bekamen, mit ihnen zu reden.

Das Mädchen im Rollstuhl drehte sich langsam zu ihnen um und lächelte zaghaft, aber bezaubernd.

„Komm mit", sagte Francesco, griff nach Arianas Hand und zog sie weiter nach vorne.

„Aber du kannst doch nicht ...", protestierte sie und gab es auf. Und ob er es konnte!

Nur wenige Sekunden später standen sie bei Nina, die von Ariana nun mehr begrüßt wurde, aber auch ihr Großvater.

„Ich hatte nie damit gerechnet, dass wir uns hier in Ravello wiedersehen werden", gestand Nina und redete davon, dass sie statt der Puppe wie ursprünglich geplant ein schönes Buch gekauft hatte. „Sie liebt Elsa einfach und hatte sich ein Bilderbuch von ihr gewünscht."

So wie viele andere Kinder auch. Das brachte Ariana zum Lächeln. „Ja? Wir wollten sie besuchen, aber sie war nicht mehr im Krankenhaus", erzählte sie niedergeschlagen.

Im Hintergrund sprach Francesco mit den netten Blumenverkäufer etwas auf Italienisch, was Ariana nicht verstand, bis er sich zu ihr umwandte.

„Ja, weil sie jetzt hier bei uns ist", sagte Nina und deutete auf das Mädchen im Rollstuhl.

Nun, da sie näher waren, konnte man sie genauer betrachten. Ihr kleiner Körper war dünn und sie hatte Schatten unter die Augen, aber sie hatte dieses wunderhübsche Lächeln, was wie eine Blume blühte, obwohl ihr hübsches Gesicht jetzt blass und nicht mehr rosig war. Doch in ihren blauen Augen standen Wissen, Akzeptanz und unschuldige Kindlichkeit darin, so als würde sie wie ein normales Kind leben.

Erstaunt sah Ariana zu dem kleinen Mädchen und ging in die Hocke, um mit ihr gleichauf zu sein. „Du bist also das tapfere Kind, von dem ich schon so viel gehört habe?", fragte sie leise, wobei sie hoffte, dass Nina übersetzen würde. Wahrscheinlich sprach das Kind kein Englisch.

„Ja, bin ich", sprach sie in perfekten Englisch und lachte leise, als sie Arianas erstaunten Gesichtsausdruck sah. Dann streckte sie ihre kleine Hand aus. „Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich heiße Melina."

Zärtlich drückte sie ihre Hand. „Ich bin Ariana und komme aus Marseille. Ich freue mich, dich kennenzulernen, Melina. Woher kannst du so gut Englisch?", fragte sie freundlich.

„Meine Mama war aus England, deshalb spreche ich ...", sie hustete leise, „... es fließend. Kommst du wirklich aus Frankreich?"

Ariana nickte. „Ja, aus Marseille. Wir haben auch Strände", erklärte sie und lächelte. „Ich habe eine hübsche Puppe für dich gekauft und würde sie dir gerne geben."

Melinas Augen strahlten vor kindlicher Vorfreude. „Wirklich?", fragte sie.

„Ja. Ich bin nicht mehr lange da, weshalb ich sie dir gerne geben würde", gestand Ariana verlegen. Das Mädchen war einfach putzig und niedlich. Ihre müden Augen strahlten, sodass es Ariana warm ums Herz wurde.

„Und hier ist sie auch schon", kam es hinter Melina und Francesco offenbarte ihr eine süße eisblaue Giraffe mit glitzernden Augen. Melinas Augen funkelten umso mehr und ihre kleinen Hände griffen sofort nach dem Kuscheltier, was sie sofort an ihren dünnen Körper drückte.

„Gracias!", bedankte sie sich überschwänglich, was bei Ariana eine Gänsehaut auslöste. Das kleine, tapfere Mädchen, dass sich über solche Geschenke freute! Es war traurig, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte.

„Und, geht es dir etwas besser?", fragte Francesco das kleine kranke Mädchen und streichelte ihr unendlich zärtlich übers Haar, doch an seinen Berührungen war sofort auffallend, wie vorsichtig er war und dann erst wurde es ein wenig sichtbar. Melina trug eine Blondhaarperücke aus Echthaar.

„Im Moment geht es mir gut. Mama und Papa zeigen mir einige Städte, in denen ich noch nicht gewesen bin", erzählte sie, während ihr Vater ihr ein Eis reichte, an dem sie fleißig zu schlecken begann.

„Es ist schön zu hören, dass du alles machen darfst, was du dir wünschst", lobte Francesco sie, strich ihr noch ein bisschen das Haar, bevor er sich aufrichtete und an Ariana wandte. „Auch dieselbe Sorte?", fragte er sie und deutete auf Melinas Eis, was genau das war, was er ihr berichtet hatte. Der mit Marzipanstückchen.

"Sehr gerne", lächelte sie ihm dankbar zu. Das Eis sah appetitlich aus und ihr war aufgefallen, dass andere dieses auch aßen.

Schnell bestellte er eine Kugel für sie und nur wenig später reichte er ihr das lecker aussehende Eis. Hellbraun, fast weiß mit reichlich Marzipan drinnen. „Mademoiselle."

„Danke", grinste sie und ließ ihre Zunge über die kalte Süßspeise gleiten. Um Himmels willen, war das Eis lecker! Noch nie hatte sie so ein gutes gegessen. Genussvoll schleckte sie noch einmal und hielt es Francesco hin, damit er auch kosten konnte.

Nur zu gerne kostete er. Langsam, sinnlich, um Ariana in den Wahnsinn zu treiben und so, dass Melina oder wer anderes es nicht sah. Seine Zunge tanzte ne kurzen Moment, ehe er sich zu ihren Ohr runterbeugte und ihr was zuflüsterte, was nur sie hören konnte. „Ganz köstlich, aber du schmeckst viel besser."

Ein breites Grinsen zog sich bei ihr von einem Ohr zum anderen. „Das kann ich nur zurückgeben", flüsterte sie ihm heiser zu. „Wollen wir schnell zurück, um die Puppe zu holen?", fragte sie leise, wobei sie hoffte, dass Melina solange noch da war.

„Um die Puppe zu holen oder meintest du was anderes?", fragte Francesco sie mit rauchiger Stimme

Amüsiert lachte Ariana, wobei sie ihren Kopf in den Nacken warf. „Puppe. Den Rest heben wir uns für später auf", versicherte sie, ohne zu ahnen, dass bald alles auf den Kopf gestellt werden würde.


Und, wie fandet ihr es diesmal?

Wie gefallen euch die Charaktere? Was haltet ihr von Vincenzo?

Und die kleine aber tapfere Melina?

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