Kapitel 2

Sterblichkeit.

Sterblichkeit ist ein Fremdwort für Francesco geworden, kaum dass das neue Leben in ihn begann vor mehrere Hundert Jahre. Als er, soweit er sich noch dran erinnern konnte, von einen der Abtrünnigen angegriffen und verwandelt wurde.

Was Sterblichkeit für ihn nun bedeutete, wusste er nicht mehr, denn er erinnerte sich nicht mehr an sein früheres Leben von einst.

Aber er sieht sie, die Verdammnis aller, was er selbst einst war, er sah die Menschen, die in der Stadt umhertollten, redeten, lachten, shoppten und sich zwischenzeitlich gegenseitig mal anpöbelten, weil irgendwer ihnen auf die Nerven ging.

Er roch den süßen Duft von Backwaren, Blumen, edlen Wein und dachte an Rom zurück; an seiner Heimatstadt und sein Geburtsort. Dort lebte er immer noch, aber nur für eine gewissen Weile, denn alle zehn Jahre mussten er und sein Bruder Andreas fortziehen für mehrere Jahrzehnt, bis sie sich wieder hier blicken lassen konnten. Er liebte Italien, doch für immer bleiben konnte keiner von ihnen.

Gerade eben wollte er, da es kurz vor Sonnenuntergang war, nach Nahrung suchen für die gleich kommende Nacht, da er unbedingt wieder jagen musste, doch kaum, dass er an der Küste Marseilles ankam, um nach leichte Beute zu suchen, da meldete sich sein Handy, was er sofort aus der teuren Hosentasche zog und nachschaute.

Ein Name tauchte auf dem Display auf: Andreas. Sein Bruder, der ihm durch die schwere Zeit geholfen hatte. Er war einer, auf den man sich immer verlassen konnte.

Sobald Francesco abhob, meldete sich die ruhige, leicht raue Stimme von Andreas. „Hey, Francesco! Wo bist du gerade?", erklang es aus dem Handy.

„Gerade befinde ich mich an der Küste Marseilles", beantwortete Francesco die Frage seines Bruders. „Befindest du dich noch in Italien? Weshalb rufst du mich an? Du willst ganz sicher nicht Smalltalk führen", scherzte er mit stumpfen Humor. Wenn Andreas ihn immer anrief und fragte, wo er sich zurzeit befand, dann hieß es meistens, es war was ernstes.

Francesco hörte, wie Andreas Luft holte und diese kurz anhielt. „Unser spezieller Freund befindet sich zurzeit in Europa, Francesco", erklang die ernste Stimme seines Bruders. „Nach meinen Informationen in Polen."

Spezieller Freund, dachte Francesco mit aufkeimender Wut. Er kannte nur einen, für den Andreas diesen Spitznamen hatte.

Vincenzo.

Er war der Boss der abtrünnigen Vampire, die ihn zu den machten, was er nun war. Ein verdammter Dämon, in der modernen Welt Vampir genannt.

Francesco kannte Vincenzo nur zu gut, denn den hatte er einst aufgesucht, weil er wegen etwas Rache nehmen wollte. Ihm hatte er eine Lektion erteilt, doch nun sann er nach Vergeltung für das, was Francesco ihm antat.

„Und du bist dir wirklich sicher, dass er es ist?", knurrte er, die freie Hand zu einer Faust geballt.

Andreas am anderen Ende der Leitung bejahte. Er hatte seine Informanten und dieser Freund würde überall erkannt werden. „Wir sollten aufpassen, was er als Nächstes vorhat, Francesco", seufzte Andreas und murmelte etwas, was sich für Francesco so anhörte, als wäre eine Frau in der Nähe.

„Ich werde ganz sicher aufpassen, Bruder, solange du es auch tust", drückte er sich klar aus. Auch wenn er noch aufkeimende Wut in sich trug für Vincenzo, so musste er ein wenig schmunzeln, als er die weibliche Stimme wahrnahm. „Wieder eine Bettbekanntschaft im Haus, während meine Abwesenheit dir herzlich willkommen ist? Oder ist das diesmal ein weiblicher Informant?"

„Bettbekannschaft", erklärte Andreas trocken und lachte. Er nahm Francescos Worte nicht übel. Für seinen Ruf als Frauenheld war er bekannt und sogar stolz darauf. „Ist bereits die dritte Nacht hintereinander", informierte er überflüssigerweise und Francesco hörte, wie Andreas der Frau einen Kuss gab.

Ein kleines Glucksen konnte Francesco sich nicht unterdrücken. Er wusste, dass er und Andreas sehr gut bei den Frauen ankamen, doch Andreas war jemand, der es einfach in sich hatte, er war die moderne Version von einem Traummann diesen Jahrtausends, was er gerne ausnutze, um vielerlei Schönheiten kennenzulernen und mit zu sich nach Hause zunehmen.

„Da ist wer aber fleißig während meiner Abwesenheit", scherzte er und machte sich spaßhalber über ihn lustig.

"Immer", bemerkte sein Freund nüchtern. "Was soll ich denn die ganze Zeit ohne dich machen?", konterte er geschickt. Ihm war anzuhören, dass er sich amüsierte. "Wie läuft es in Marseille?"

„Ganz gut, wenn ich ehrlich bin", gestand er und dachte an die vergangenen paar Stunden zurück. Wo er im Café einen seltsamen Duft wahrnahm, was so ungewöhnlich und doch so verführerisch war, sodass er es nicht vergessen konnte. Und dann musste diejenige, die diesen herrlichen Duft verströmte, ausgerechnet noch ihr Skizzenblock vergessen. Wenn er sie nicht aufgehalten hätte ...

„War nur einen kurzen Moment abgelenkt heute."

Sich das einzugestehen hasste er, aber was sollte er denn sonst tun?

„So? Von wem denn?", erkundigte sich Andreas neckend. Es kam selten vor, wenn Francesco sich ablenken ließ, da er stets aufmerksam und fokussiert war.

Verdammt, dachte Francesco angefressen, was sollte er denn Andreas sagen?

Ihn fällt ihn nichts ein und er kann ihm doch nicht sagen, dass ein unglaublicher Blutduft ihn abgelenkt hatte.

Er musste was sagen, was teils gelogen war und teils die Wahrheit entsprach.

„Ich hatte einer Frau ihr Skizzenblock zurückgegeben, den sie versehentlich im Café liegengelassen hat."

Schweigen am anderen Ende der Leitung. Außer der weiblichen Stimme hörte Francesco nichts, doch dann räusperte sich Andreas. „Sehr interessant", kommentierte er mit einer Stimme, die verriet, dass er aus den Worten mehr zog, als Francesco hoffte.

„Das bedeutet nichts, ich war einfach nur aufmerksam und höflich, sonst nichts."

Ja klar, rede dir das ruhig ein, sprach Francesco im Stille zu sich selbst und schien verärgert, dass er überhaupt den Mund geöffnet und etwas gesagt hatte, was vielleicht in etwas hineininterpretiert werde, was nicht stimmte.

„Aha", neckte Andreas ihn weiter, beruhigte sich dann jedoch wieder. Es gab wichtigeres, als Francesco zu ärgern. „Ich werde mich bei dir melden, sobald ich mehr Informationen habe. Wir hören uns." Sprachs, und legte auf. Das gleichmäßige Piepen am Ende der Leitung war das Zeichen dafür.

Francesco lag ebenfalls auf, steckte sein Handy wieder in die Hosentasche zurück und ging weiter.

Die letzten Strahlen der Sonne bedeckten die Stadt mit goldenen feurigen Licht, das letzte bisschen, bevor die dunkle Nacht auftauchte und alles mit Dunkelheit umhüllte und bedeckte. Die einzigen Leuchten waren die der Laternen, Straßenbeleuchtung und Ampeln.

Restaurants waren voll belegt mit Geschäftsleute, Pärchen und ältere verheiratete Senioren, die ihren Hochzeitstag feierten und was besonderes daraus machen wollten.

Heute war Marseille viel lebendiger für ihn, da er wusste, dass an diesem Abend die Opfer, die voller Energie geladen und bedürftig waren, diese im Bett entladen würden.

Sein Zahnfleisch prickelte vor Lust darauf, die schlanke Kehle einer schönen Frau zu durchbohren und deren nährenden Blut zu trinken.

Aber gerade, wo er auf dem Markt ankam und nach dem geeignete Opfer suchte, nahmen seine Nasenflügel einen Duft wahr, den er vor Stunden zuvor gerochen hatte und nicht vergessen konnte.

Dort stand sie. Die blonde Frau, die ihn von unten her irgendwie verführerisch angesehen hatte, ohne es zu merken.

An einem Stand, der frische Meeresfrüchte anbot. Scheinbar hatte sie Lust auf ein mediterranisches Gericht.

Francesco sah, wie sie mit dem Verkäufer sprach und lachte, als würden sie sich schon lange kennen. Ihr heiteres, offenes Lachen drang trotz der anderen Geräusche an seine Ohren.

Es klang so hell, weich und wie goldene Glocken. Es hörte sich bezaubernd an.

Und ihr Duft erst, wie es ihn von weiter hinten schon berauschte und ihn anzog wie ein Magnet.

Weshalb er nicht mitbekam, dass er sich geradewegs auf sie bewegte und er nicht wusste, warum er es überhaupt tat. Doch eines wusste sein Körper auf jedenfall.

Er wollte sie näher kennenlernen.

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