Kapitel 12
Zwitschernde Vögeln sangen während des Flugs, flogen an Francesco vorbei und ließen ihn mit seine Gedanken allein.
Alleine umgeben von der Stadt, den Dächern um ihn herum und vom orangeroten Himmel der aufgehenden Sonne, lag er da auf dem Dach des Hotels, wo er derweilen nachtete und dachte an Rom, an sein Restaurant und an die Zeit, wo er noch ein Mensch war, obwohl er sich nicht mehr daran erinnerte. Am meisten aber dachte er an Ariana und an den magischen Kuss zurück, den sie angefangen und den sie noch rechtzeitig abgebrochen hatte. Wenn sie weitergegangen wären, dann hätte Ariana das möglicherweise nicht überlebt. Sein Hunger nach ihrem Blut war zu stark und sein Hunger nach was anderen, seinen anatomischen Teil, er erwachte aufs Neue zum Leben. Wie sollte er das nur überstehen, ihr Körper war so anschmiegsam, willig und das erste so ehrlich.
Verdammt, dachte er grimmig, kniff kurz die Augen zusammen und richtete sich zu einer sitzenden Position auf. „Ich muss aufhören, an sie zu denken oder ihr gar immer wieder zu begegnen."
Sein Handy klingelte und er griff in seiner Hosentasche, um nachzuschauen, wer ihn anrief.
Andreas. Wieder einmal. Den Ton, den er für seinen Freund eingespeichert hatte, war unverkennlich. Sogar sein lächelndes Foto prangte auf dem Bildschirm.
Sobald er abnahm, hörte er Andreas ernste Stimme, aber auch ein Rauschen, dass sich wie das Meer anhörte. „Francesco? Er ist in Marseille." Eine Meldung, die überraschend kam, hatte Andreas selbst erst vor wenigen Minuten erreicht, weshalb er sich beeilt hatte, Francesco anzurufen.
Francesco lauschte auf und wurde auf einem Schlag wieder wach und in die Gegenwart zurück katapultiert. „Wovon redest du, Andreas? Wer soll in Marseille sein?"
Verona kam jedenfalls nicht infrage, denn dort befand sie sich mittlerweile.
Mann, diese besitzergreifende Frau, wieso nur hatte er was mit ihr anfangen müssen vor vielen Jahrhunderten? Er bereute es zutiefst.
„Redest du von Vincenzo?" Oh, er wünschte sich, er wäre hier, dann würde er ihn ein für alle Mal vernichten.
„Nein, vom Abtrünnigen. Sein Deckname ist James Damon", erklärte sein Freund und hörte sich an, als wäre er gestresst. „Er hält sich in Marseille auf."
Seinen Bericht lauschend sah Francesco geradeaus zur aufgehenden Sonne, die bald vollständig zusehen war und ihn blendete und verspottete mit seinem goldweißen Scheinen.
„Hat dieser Kerl, der mein ganzes Leben ruiniert hat, etwas vor? Sucht er nach mir? Wenn ja, dann darf er nichts und ich wiederhole nichts, von meiner derzeitigen Existenz als Restaurantbesitzer erfahren."
Und er durfte auch nichts von Ariana erfahren.
Zuerst war es am Ende der Leitung still, dann hörte Francesco ein Knacken. „Meinen Informationen nach ist er auf der Suche, sich wieder unschuldige Menschenleben zu nehmen, um sich wieder zu stärken und jung zu bleiben", sagte Andreas, gab aber zu, dass er nicht wusste, ob er auch nach ihm suchte.
Aber Francesco wusste nun sofort, wer der Abtrünnige war, der hier war.
Elias.
Er war eitel, gutaussehend und er war selbstsüchtig und gefährlich, der sich immer schöne Opfer suchte, nur um selbst jung und schön zu bleiben. Er mochte zwar den Decknamen James Damon angenommen haben, aber Francesco würde ihn dennoch erkennen.
„Elias ist es, der hier ist", knurrte er zwischen zusammengebissenen Zähne und seine alte Wut und Hass kehrte aufs Neue zurück und brodelte heißer denn je, denn ihm wurde nun klar, wer alles in Gefahr war und wer ganz besonders.
Ariana und ihre Freundin. Sie mussten in Sicherheit gebracht werden, nur wie, ohne seine wahre Identität zu verraten?
„Was weißt du sonst noch alles, Andreas? Sogar die unwichtigsten Kleinigkeiten könnten mir weitehelfen!"
Nur so könne er sie beschützen.
„Scheinbar hat er schon sein Opfer gefunden. Eine junge Frau mit dem Namen Manon Dupont. Eine Künstlerin", informierte Andreas ihn sachlich und wollte wissen, ob er kommen sollte. Es war klar, dass er Francesco nicht allein lassen würde. Sein Blutsbruder, mit dem er so viel verband.
Manon Dupont!
Das erschrak Francesco sichtlich, seine Augen weiteten sich. Er kannte diese Frau. Sie war die Freundin von Ariana.
Oh nein, dachte er und bekam eine schlimme Befürchtung. Wenn dieser Elias nahe an Manon kam, desto näher kam er Ariana und dann schwebte sie in Gefahr.
Ihm gefror alles in seinem Inneren. Er musste näheres herausfinden, um sie in Sicherheit zu wissen.
„Andreas, ich bin für jede Unterstützung, die du mir gibst, dankbar", sagte er zu seinen Bruder, „Und ich glaube, es wäre eine gute Idee, wenn du hierherkommst, um zu helfen."
„Ich bin schon auf dem Weg", antwortete er Francesco. Tatsächlich hörte es sich an, als würde er rennen und springen. Ab und an gab es ein dumpfes Geräusch, dann wieder ein Rascheln. Alles Anzeichen, dass Andreas nicht untätig herumsaß. „Vor Mittag sollte ich da sein."
„Alles klar, Bruder", meinte Francesco und wollte schon auflegen, als ihn dann noch was einfiel. „Andreas, könnte ich dich noch um einen kleinen Gefallen bitten?"
Ein kurzes Schnauben erklang, als es im Hintergrund durch einen Zug laut wurde. Dann meinte Andreas, dass er Francesco immer helfen würde. „Um was geht es?", fragte er.
Mit kurzen Worten erzählte er seinem Bruder, dass er diese Künstlerin vom Sehen her kenne und er bat ihn darum, zu recherchieren, ob sie derweilen was vorhabe oder was veranstalten würde in kommender Zeit.
„Das wär's auch eigentlich."
„So viel ich weiß, steht nächste Woche eine Gala für Kunst an. Dort ist sie vertreten", sagte Andreas nachdenklich. Viele Künstler aus aller Welt würden dort anzutreffen sein. Es war nur eine kleinere Gala im Gegensatz zu anderen, doch die meisten wussten diese wertzuschätzen. Vor allem, da Manons Eltern sehr einflussreich und selbst Künstler waren. Niemand ließ sich die Chance nehmen, dort aufzukreuzen, um Eindruck zu schinden. Auch nicht die Käufer, die manchmal Unmengen an Summen ausgeben, um begehrte Sammlerstücke zu ergattern.
„Hmhm", machte der Italiener nur und sprang vom Dach des Hotels, kaum, dass er aufgestanden war. Und da glücklicherweise keine Menschen unterwegs waren zu dieser Uhrzeit, konnte er unentdeckt landen wie eine Katze.
Er richtete sich zu einer aufrechten Haltung auf, bevor er weitersprach. „Gut, und dort werden wir sein, in der Hoffnung, die Mädchen sind sicher vor ihm."
„Mädchen? Von wem sprichst du?", erklang die erstaunte Frage von Andreas, der nichts von Ariana wusste. „Alle Frauen, die dort sein werden?"
Verdammt, fluchte er im Stillen, wieso nur hatte er zu viel gesagt?
„Nicht wichtig", erwiderte er knurrend und versuchte, nicht zu viel zu verraten. Das käme ja noch, wenn Andres sich da was zusammenreimen würde.
Einige Sekunden lang kam ein regelmäßiges Keuchen als Antwort, bis es stiller wurde. „Francesco", sagte Andreas sanft, wie er es immer tat, wenn er etwas bemerkt hatte, über dass sein Freund nicht reden wollte. „Seit wann verschweigst du mir etwas?", wollte er wissen.
„Nichts verschweige ich", widersprach Francesco ihn, doch das war vergebens, sein Bruder kannte ihn einfach zu gut, um zu wissen, dass ihm was durch den Kopf ging. „Am besten wir reden weiter, wenn du angekommen bist."
„Gut, ich beeile mich", sagte Andreas und es klang, als würde er lächeln. Francesco wieder zu sehen, war immer toll. Es gab stets einiges zu erzählen und dieses Mal hatte Andreas das Gefühl, dass es mehr als sonst war. Ohne ihn zu fragen, wo er ihn vorfinden würde, legte er mit einem kurzen Gruß auf. Sobald er nahe genug war, würde er Francesco anhand seines Geruchs lokalisieren und finden können.
Das Handy wieder in die Hosentasche gesteckt schaute er sich ein bisschen um. Vollkommen leer war dieser Teil der Stadt, obwohl er sich in der Innenstadt befand und es dort so vor Leben sprühen sollte. Doch da es erst 5:00 morgens war, so war das nicht verwunderlich, dass noch keiner wach war und arbeitete; außer natürlich das Personal im Hotel.
Gemächlich schritt er elegant wie eine Raubkatze ins Hotel, um dort in sein Zimmer zu überlegen, wie er vorgehen soll, um Ariana, ohne, dass sie in Schusslinie geraten würde, zu beschützen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top