Kapitel 11

Ein ätzendes Pochen weckte Ariana aus ihrem Tiefschlaf auf und ließ sie stöhnen. Verdammter Alkohol! Wieder einmal musste sich die junge Frau dem quälenden Schmerz, der in ihrem Kopf einen Tango tanzte, beugen. Konnten ihre Synapsen im Moment nicht einfach abschalten, damit sie nichts mehr spürte? Nein, natürlich nicht.

Nur mühsam blinzelte Ariana und schloss gleich darauf wieder die Augen. Blöder Sonnenschein. Konnte er nicht ausnahmsweise ausbleiben, wenn sie einen ausgewachsenen Kater mit sich herumführte. Gott sei Dank war Samstag. Das hieß, sie konnte auf der Couch liegen bleiben und schlafen. Nach dieser Woche brauchte sie das. Vor allem nach dem verkorksten Date und nach dem Kuss von Francesco, von dem sie sogar geträumt hatte.

Nach mehreren Minuten schaffte Ariana es, wenigstens die Decke von sich zu schieben, bevor sie zur Bettkante rollte. Dadurch wurde ihr übel und sie blieb erst einmal sitzen, bevor sie in Zeitlupe aufstand, um ins Bad zu gehen. Gähnend und sich streckend vernahm sie plötzlich einen leckeren Geruch von Kaffee, der sich in ihrer Wohnung verbreitete.

Zu dem Lied Everybody von die Backstreet Boys summend und zwischendurch mitsingend hantelte jemand in der Küche, dessen Stimme sofort wiedererkannt wurde. Manon stand am Herd, hatte ein Pfannenwender in der Hand und sang schrill und laut „Allright!"

Geschockt starrte Ariana sie vom Türrahmen an und zuckte zusammen. Manon war keine geborene Sängerin und verhunzte ab und an Töne. Mit verzogenem Gesicht rieb sich Ariana den Kopf. Manons Erscheinung schockte sie am meisten. „Was machst du denn hier?", fragte sie gequält, schielte jedoch auf den bereits gedeckten Tisch. Hmm, frische Croissants, Baguette und andere leckere Dinge, die bei ihrem Kater helfen würde.

Der Filmriss, den sie seit Francescos Kuss hatte, machte es ihr schwer zu verstehen, weshalb Manon in ihrer Küche stand.

Manon gekleidet in ihren blauen Kleid und Spitzenschürze drehte sich wie eine Ballerina zu ihr um und strahlte sie an. „Guten morgen, mein Sonnenschein", freute Manon sich und winkte ihr mit dem Pfannenwender ihr zu. „Schön, dass du wach bist, ich mache gerade Pfannenkuchen mit doppelte Schokolade, wie du es gerne hast." Dann drehte die Dunkelhaarige sich erneut zum Herd um und hantierte weiter in der Pfanne rum, aus der der duftende Geruch des frischen Pfannenkuchens kam, der schnell fertig war und auf einem Teller draufgepackt wurde, wo schon fünf weitere drauf lagen.

Über Manons morgendlichen Enthusiasmus musste sich Ariana wirklich wundern. Müde rieb sie sich den Kopf und schüttelte ihr Unwohlsein ab. Wenn nur der Schmerz endlich nachlassen würde! Mit schleppenden Schritten ging sie zum Kühlschrank, holte eine kühle Flasche Wasser heraus, die sie sich an die Wange hielt und öffnete den Hängeschrank, in dem sie Kopfschmerztabletten aufbewahrte. „Mein Sonnenschein?", fragte sie misstrauisch. „Hast du irgendwelche Drogen genommen, Manon? Oder liegt es nur an deiner Verabredung heute Abend? Wie kommst du überhaupt hierher?", fragte die Blonde.

Über diesen Morgenmuffel konnte Manon nur den Kopf belustigt schütteln. War ja klar, dass Ariana nicht mehr wusste, warum ihre Freundin hier war.

Den vollen Teller stellte sie auf dem Tisch ab, während sie sagte: „Du weißt, ich habe den Zweitschlüssel zu deiner Wohnung, den du mir mal gegeben hast für Notfälle und du hattest mich doch kurz vor Mitternacht versucht anzurufen und hast mir eine Sprachnachricht hinterlassen, als ich nicht ranging."

Den Pfannenwender zur Seite gelegt griff sie in die Tasche ihrer süßen Schürze und spielte die Nachricht ab, die Ariana in ihren betrunkenen Zustand ihr hinterlassen hatte.

Zuerst blieb die Blonde ruhig, doch als sie weiterhin ihre lallende Stimme lauschte, wurde sie feuerrot und ließ ihr Glas vor Schock fast fallen. Wie hatte sie nur Manon anrufen und ihr von dem verkorksten Abend berichten können? Was noch schlimmer war, dass sie auch das mit Francesco erwähnt hatte. „Oh mein Gott", brachte sie keuchend hervor und riss Manon das Handy aus der Hand. „Lösch die! Sofort!" Wie peinlich war diese Nachricht bitte?

Schallend lachte Manon auf, als sie Arianas panischen Versuch, die Nachricht zu löschen, mit ansah. Sie musste schon schmunzeln, als die lustigen Töne und Gekicher zuhören waren, doch dann wurde ihr Grinsen noch viel breiter, als Ariana in der Sprachaufnahme sehr detailliert beschrieb, wie der heiße Kuss zwischen ihr und Francesco war.

„Also ich muss schon sagen, Sweetie", lachte sie und setzte sich hin, „Du hattest auf jeden Fall einen interessanten Abend gehabt, wenn ich das mal sagen darf."

Aus dem Lachen kam sie gar nicht mehr raus.

Wütend warf Ariana ihr einen Blick zu und verzog dann ihr Gesicht. Noch waren die Kopfschmerzen heftig und Manons Lachen machten sie nicht besser. „Das ist nicht witzig, Manon!", sagte sie so scharf sie konnte. Als sie es endlich geschafft hatte, die peinliche Nachricht zu eliminieren, schob sie Manon das Handy zurück und nahm einen großen Schluck Kaffee. Ihr Morgengetränk, wenn sie einen ausgewachsenen Kater hatte. „Der Abend war eine reine Katastrophe."

„Nachdem, wie ich es in deiner Nachricht hineininterpretieren konnte, heißt das, Juler hat sich erneut Kacke verhalten richtig?" Sie leistete Ariana Gesellschaft beim Frühstück. Sie nahm sich ein Croissant und einen dieser leckeren Pfannenkuchen, dessen schokoladiger Duft jeden umhauen konnte.

„So, wie du es so gelallt hast, muss er sich wieder so chauvinistisch verhalten haben, richtig? Wie einer aus dem Mittelalter. Milch zu dein Kaffee?", fragte sie dann und zeigte auf beide kleine Packungen. Einmal Vollmilch und einmal mit Vanillegeschmack.

„Ja", antwortete Ariana und zeigte auf die Vollmilchpackung. Milch mit Vanillegeschmack nahm sie gerne zu Müsli, aber nicht in ihrem Kaffee. Davor graute es ihr gewaltig, nachdem sie es einmal ausprobiert hat. „Der Dreckskerl denkt wirklich, ich würde ihn vermissen und ihn mit offenen Armen begrüßen. Er ist ... ein Arschloch", murmelte sie mit vollem Mund, da sie sich eine gehörige Portion von Manons einzigartigem Frühstück gönnte.

Es war irgendwie schön, ihre Freundin hier bei sich zu haben. Mit ihr reden zu können und gleichzeitig zu frühstücken, um den Kater loszuwerden. Das hatten sie früher oft getan und auch heute konnte Ariana glücklich darüber sein, so eine gute Freundin, die immer für sie da war, zu haben.

„Ein Arschloch war er schon immer, das wusste ich von der Sekunde an, als ich sein Telefonat von weiter Ferne gelauscht hatte."

Sie nahm die Vanillemilch, weil sie diesen leicht puddingartigen Geschmack darin sehr mochte und er ein warmer Geschmack war.

Nachdem sie ihr Croissant aufgegessen hatte und nun zu Pfannenkuchen überging, fing Manon erneut an mit dem Thema, was lieber nicht kommen sollte.

„Und ...", fing die Dunkelhaarige an und schmunzelte wieder. „Wann wolltest du mir sagen, dass zwischen Francesco und dir was läuft?" Ihre zart gezupften Augenbrauen wackelten dabei einen Tango, als sie Ariana gespannt ansah.

„Es läuft nichts zwischen uns!", behauptete Ariana steif und fest, aber nuschelnd, weil ihr Mund erneut voll war. Schokolade am Morgen vertrieb Kummer und Sorgen. So ähnlich hieß der Spruch, an den sie sich gerade erinnerte. Später würde sie eine große Runde laufen müssen, um das reichhaltige Frühstück abzutrainieren. Vorausgesetzt, ihr Kater ließ nach. „Mensch, Manon, ich war betrunken und der Kerl hat es schamlos ausgenutzt." Das redete Ariana sich ein, doch sie konnte nicht leugnen, dass es geknistert hatte.

„Hmm", machte Manon und kaute weiterhin ihren Bissen Pfannenkuchen durch, ehe sie runterschluckte. „Auf mich machte er den Eindruck, als wäre er ein Gentleman, anders als dein Ex. Er würde ganz sicher niemals den angetrunkenen Zustand einer Frau ausnutzen, um sie ins Bett zu befördern oder gar zu küssen." Sie nahm ihre Tasse in der Hand und wollte daraus trinken, doch zuvor fügte sie noch hinzu: „Und so, wie wir beide eben deine Sprachnachricht vernommen haben, heißt es, du hättest ihn als erster geküsst."

„Ja, dank dem betrunkenen Zustand! Damals hat er mich in der Gasse zuerst geküsst", seufzte Ariana und rieb sich die Schläfen. In Gedanken verwünschte sie den Alkohol, der sie in Schwierigkeiten gebracht hatte. Um geschickt das Thema zu wechseln, weil sie keine Lust mehr hatte, noch mehr Gedanken um den Abend zu machen, wollte sie von Manon wissen, wann sie heute ausgehen würde. Schon seit Tagen lag sie Ariana mit dem Date in den Ohren und sie freute sich wahnsinnig für ihre Freundin.

Doch Manon ging nicht drauf ein, weil sie Ariana mit großen Glubschaugen anglotzte. „Du würdest schon mal geküsst. Von ihm?", fragte sie das ihre Freundin erstaunt. „Wann war das? Warum erzähltest du mir das nicht schon früher? Wieso hast du mir das verschwiegen? Warum?"

„Manon, bitte", seufzte sie gequält. Bisher hatte Ariana den Moment sehr gut verdrängt, doch nach dem zweiten Kuss konnte sie es nicht mehr. „Es war nach unserer Verabredung im Café. Er hat mir aufgelauert, da bin ich mir sicher. Was sonst sollte er urplötzlich und vor mir in der Gasse machen, wenn ich die als Abkürzung nehme?"

„Erinnerst du dich noch, als wir im Café bemerkt haben, dass er weg sei und du vermutet hast, er wäre nur pissen?", fragte Manon sie das.

„Ja, daran erinnere ich mich", antwortete Ariana und lehnte sich mit ihrer Kaffeetasse zurück. „Es kann kein Zufall sein, Manon. Er stand ganz lässig an der Wand gelehnt und hat mich abgefangen. An den Moment wollte ich mich nicht erinnern."

„Okay, das hört sich interessant an, Liebes, aber ich meinte eigentlich, hast du mal auf dem Tisch, an dem er gesessen hat, geschaut, kurz nachdem er das Café verlassen hat? Da stand seine halbvolle Tasse Kaffee noch da und ein dickes Trinkgeld lag daneben."

Manon sah ihre Freundin mit einem Stirnrunzeln an. War es Ariana nicht aufgefallen, als sie dort hingeschaut hatte?

Nachdenklich sah die Blonde an die Decke ihres Apartments und seufzte. „Das mag sein, aber woher will er bitte wissen, wo ich entlang gehe?", fragte sie, fischte nach einem weiteren Pfannkuchen und schnitt sich ein Stück ab, das sie daraufhin in den Mund schob. „Ich gehe die Gasse nur entlang, wenn ich es wirklich eilig habe."

Darauf wusste die Dunkelhaarige auch keine Antwort. „Vielleicht hatte er es mal zufällig gesehen und wollte dich empfangen, bevor du auf die Idee kommen könntest, ihm aus dem Weg zugehen?", vermutete sie und trank noch einen Schluck Kaffee.

„Natürlich gehe ich ihm aus dem Weg", erklärte Ariana ernst. Sie meinte, dass sie keinen Mann in ihrem Leben gebrauchen konnte. Erst recht nicht jetzt.

Plötzlich sprang sie auf. „Hey, das wollte ich dir auch noch zeigen!", rief sie und nahm Manon am Arm, um sie mit sich ins Wohnzimmer zu ziehen. „Schau mal, ich habe ein Paket von einem Unbekannten bekommen und rate mal, was darin war!" Raten musste ihre Freundin nicht mehr, denn die Staffelei stand in der Nähe des Fensters und war so ausgerichtet, dass man beim Malen nach draußen sehen konnte.

„Wow!", staunte Manon nicht schlecht. „Von wem mag das wohl sein?", fragte sie sich das selbst und betrachtete alles ,was sie in die Finger bekommen konnte. Sie kannte sowas von einem ihrer Schülern, der auch so etwas besaß, doch das von Ariana war mit wirklich allem ausgestattet und sah auch sehr teuer aus. Sie sah zu Ariana. „Na du musst ein Verehrer haben, der eindeutig Geld und Geschmack hat."

„Irgendwie", meinte sie schulterzuckend und zeigte Manon ihr erstes Bild, das sie zuhause auf Leinwand gemalt hatte. Manon hatte auch einige in ihrem Atelier, sodass Ariana eine gewisse Übung darin hatte.

Das Bild stellte einen romantischen Sonnenuntergang am Strand von Marseille dar. Rosarote und orangefarbene Wolken zierten den sich färbenden Himmel und die Sonne war nur noch ein kleines bisschen zu sehen. Zweifelsohne ein wunderschönes Kunstwerk, denn die Wellen sahen so aus, als würden sie echt sein.

„Es ist echt unglaublich, was du so alles mit nur einigen Pinselstriche erschaffen kannst", staunte die Freundin und betrachtete dieses Meisterwerk mit einem Funkeln in ihren Augen. Dann blickte sie Ariana wieder an. „Wirklich, Ariana, wieso willst du die Bilder nicht ausstellen? Du hast so eine Begabung und das muss unbedingt gezeigt werden."

„Das weißt du doch", erwiderte Ariana und zog sich in die Küche zurück, um noch einmal Kaffee nachzuschenken. Dass sie nur in kurzen Pyjamas herumlief, interessierte sie nicht. Manon hatte schon viel mehr von ihrem Körper gesehen, weshalb es sie nicht störte. Außerdem war es ziemlich warm in der Wohnung. „So gut wie du bin ich lange nicht und ich male gerne, um den Kopf freizubekommen. Es macht mir einfach Spaß", rief sie von der Küche aus.

Seufzend, weil wieder dieselbe Leier kam, folgte sie ihre Freundin wieder zurück in die Küche und sagte: „Das weiß ich doch, aber manchmal denke ich, du bist zu ..."

„Zu was? Verklemmt?", fragte Ariana mit einem leichten Lächeln auffordernd. Das Wort benutzte Manon gerne, aber sie nahm es ihr nicht krumm. Es war einfach Manon. „Ich brauche keine Aufmerksamkeit oder Berühmtheit. Einfach Spaß haben und mit dir zusammen sein, reicht mir. Aber jetzt zurück zum anderen Thema!", sagte sie mit einem befehlerischen Ton und stützte ihren Kopf auf den Händen ab, um sie erwartungsvoll anzusehen. „Hast du schon ein Outfit für heute Abend?", fragte sie mit strahlenden Augen.

Oh man, dachte Manon innerlich lachend. Typisch ihre Freundin, will immer alles wissen.

Aber hey, wenn sie es unbedingt wissen wollte. „Also, Arthur hat mir nicht viel gesagt, nur dass er mich abholen würde und ..."

Ausgerechnet in diesen Moment musste ihr Handy klingeln.

Stöhnend griff sie danach und schaute nach, was los war.

„Verdammt!", knurrte sie und stand auf, um sich schnell die Schürze abzulegen.

Besorgt sah Ariana sie an und stellte ihre Tasse ab, um ebenfalls aufzustehen. „Was ist los? Ist etwas Schlimmes passiert?", fragte sie vorsichtig, weil Manon fast nie aus der Ruhe zu bringen war. Alles andere war im Moment erst einmal vergessen. Darunter auch die Kopfschmerzen.

„Ich muss los, Monsieur Laurent hat mir eben geschrieben, dass einer der Sponsoren nicht kommen wird und das ist eine Katastrophe. Ich muss schnell in mein Atelier, um alles wieder geradezubiegen."

Sie griff sich noch schnell einen Pfannkuchen, rollte ihn zusammen und eilte hinaus auf den Flur, wo ihre Tasche und ihre Jacke hingen.

„Pass auf dich auf, Manon", bat Ariana, die ihr hinterher lief und fest in den Arm nahm. „Und danke für dein Kommen und dein Katerfrühstück. Ich lege mich noch eine Weile hin und gehe dann joggen. Viel Spaß bei deinem Date!", sagte sie und drückte Manon fest. „Ich hoffe doch, du wirst mir davon erzählen?" Sie wusste, dass es ihrer Freundin gegenüber nicht unbedingt fair gewesen war, nichts zu erzählen, aber sie hatte versucht, alles zu verdrängen.

Lachend meinte Manon, sie würde ganz sicher viel zu erzählen haben, wenn sie sich am nächsten tag beim Kurs sehen.

„So, ich muss jetzt aber los. Schlaf deinen Kater aus und träume noch ein bisschen von deinen Francesco!"

Verschmitzt grinste sie ihrer Freundin noch zu, die zu protestieren anfangen wollte, doch da war Manon schon raus zur Tür und zog sie hinter sich zu.

Fassungslos blieb Ariana zurück und starrte auf das helle Holz, das unbeweglich vor ihrer Nase war. Manon kam wirklich auf seltsame Gedanken. Nur, weil Ariana Francesco betrunken geküsst hatte, hieß das noch lange nichts. 

Was sie jedoch nicht leugnen konnte war, dass ihr Körper zu kribbeln anfing, wenn sie nur an den Kuss dachte.

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