Kapitel 85 - Hochzeit 3
Die Tage bis zur Hochzeit verflogen im Nu. Am Donnerstag trafen die ersten Gäste ein. Stefano und Laura, Joana und Juan, zum Glück ohne die kleine Maja, die bei den Großeltern geblieben war. Susannas Tante war auch gekommen, die beiden wollten sich versöhnen. Weit angereiste Verwandte der Vasallen und ihrer zukünftiger Frauen.
Die Brautleute und die in und um Regensburg ansässigen Gäste würden erst nach der standesamtlichen Hochzeit ihre Zimmer beziehen.
Felix zog es fast die Schuhe aus, als er seine Schöne in ihrem Outfit für das Standesamt sah.
Ein asymmetrisch geschnittener halblanger Rock aus Seide, ein fast nichts an Miederoberteil mit Pailletten, das von einem Etwas an Jäckchen entschärft wurde.
Er pfiff bewundernd.
„Wow, Bienchen! Der Hammer!" Er hatte fast keine Stimme mehr.
Aber sie auch nicht! Die Kombination aus dunkler Hose und einem geradegeschnittenen Sakko im Grün seiner Augen stand ihm schon mehr als gut! Das dunkelgrüne Hemd und die passende Krawatte! Ui Ui!
„Gut ausgesucht?" fragte er lächelnd, als er ihre Blicke sah.
„Passt schon!" antwortete sie und er wusste, dass das das größte Lob war! Er fasste in seine Jackentasche und holte zwei Ohrhänger aus einer kleinen Schatulle, wunderbare Saphire an langen Weißgoldfäden, die er ihr ins Ohr steckte.
Sie sauste zum Spiegel. Der Schmuck passte zum Anhänger und zum Ring, sah wunderschön aus, wie sie auch selbst zugeben musste.
„Du hast wirklich einen guten Geschmack!" lobte sie ihn.
„Den besten!" sagte er nur und küsste sie zärtlich.
Dann machten sie sich verliebt und glücklich auf den Weg zum Standesamt.
Der Beamte hatte einen schweren Tag vor sich. Fünf Paare zu trauen, von denen die Frauen so wunderschön waren, war nicht so einfach für den Junggesellen.
Einmal erwische ich auch so ein Prachtexemplar! dachte er neidisch.
Es waren nur die engsten Familienmitglieder mit im Reichssaal, aber trotzdem waren alle Plätze besetzt. Die Stimmung war fröhlich ausgelassen.
Die Männer bewunderten die zukünftigen Frauen der anderen, aber jeder war überzeugt, die Schönste zu bekommen.
Die Damen freuten sich über die Komplimente der mehr als gutaussehenden Herren, jede war überzeugt, den Hübschesten ergattert zu haben.
Maja ließ ihre Blicke extra lang über die Männer schweifen und dachte an diesen Sommertag zurück, als sie beschlossen hatte, dass ihr neues Leben beginnen sollte.
Als Kai sie angelächelt hatte, sich dann mit seinen Freunden zu ihr an den Tisch gesetzt hatte.
Es waren lustige, gutaussehende Typen gewesen, sie hatte sich geschmeichelt gefühlt, dass sie allen zu gefallen schien. Sie hatte schon gemerkt, dass Kai sie von den anderen abschirmen wollte, dass er sehr interessiert an ihr war.
Es hatte ihrem Ego gutgetan, hatte aber die Traurigkeit nicht aus ihrem Herzen vertreiben können.
Dabei war der Grund für diese Traurigkeit nur ein paar Meter von ihr weg gesessen, damals im Biergarten, mit Tränen der Wut und der Sehnsucht in den Augen.
Sie sah Felix an, der sie beobachtet hatte. Er war der Sieger gewesen, damals im Club, und er würde es immer bleiben. Das wusste er genau!
Die Vier waren heute seine besten Freunde, weil sie sie dazu erwählt hatte, weil sie in jenem Sommer schon gespürt hatte, dass sie etwas Besonderes sind. Keine Aufreißer, sondern ernsthafte junge Männer, die es wert sind, Zeit mit ihnen zu verbringen, sich auf sie einzulassen.
Sie hatte gut gewählt, bei ihm und bei den Vieren. Er küsste sie, sein Herz dankte ihr.
Dann begann die Zeremonie. Der Beamte schaffte es, allen das Ehegelübde abzunehmen, ohne auch nur einen Namen zu verwechseln. Das zehnfache „Ja" kam laut, schnell und von Lächeln begleitet.
Als die Frauen zum ersten Mal mit ihren neuen Namen unterschrieben, klatschten die Männer glücklich Beifall, reckten die Daumen in die Höhe.
„Jetzt haben wir sie!" erklärte Benedikt stolz.
Die Trauzeugen setzten ihre Unterschrift auf die Dokumente. Bei Felix und Maja waren es Mischa und Tim, die dieses Amt voll Stolz übernommen hatten.
Dann gab Benedikt seinem Bruder ein Zeichen, der die Saaltüre öffnete.
Herein kam der Sänger der Band, die morgen Abend spielen würde und sang: „Now and forever, I will be your man!" von Richard Marx.
Die Männer hielten ihre Frauen im Arm, bis auf Benedikt auch alle überrascht, sahen sie liebevoll an, und da purzelten dann auch die ersten Tränchen.
Auf dem Platz vor dem Alten Rathaus wartete die nächste Überraschung.
Kilian, Saskia und Patrizia hatten Unmengen an Herzen gebastelt, auf die Fotos von Computern Büchern, Paragraphen, Maschinen, Häusern, Zahlen, Formeln, Tabellen und Schulklassen geklebt waren.
Arbeitskollegen oder Kommilitonen der Brautleute standen damit Spalier. Die Geschwister hatten alles organisiert.
Zahlreiche Touristen blieben stehen, die fünf Paare wurden an diesem Tag mit Sicherheit öfter fotografiert als der Dom.
„Wer ist denn jetzt das Brautpaar?" wurden sie immer wieder gefragt.
„Wir!" antworteten zehn glückliche Stimmen.
Benedikts Vater organisierte Champagner und Gläser aus einem benachbarten Lokal. Fremde und Freunde stießen miteinander auf das Glück der jungen Paare an.
Dann zogen sie los zum Mittagessen. Immer wieder beglückwünschten sie wildfremde Leute, sahen den schönen Paaren nach: Fünf große, kräftige Jungs, die zauberhafte Frauen im Arm hielten, dahinter die fröhliche Gesellschaft. Das alles war ein herzerfrischender Anblick.
Das Essen im Restaurant war hervorragend und die Portionen auch für Felix ausreichend.
„Möchtest du noch Nachtisch?" fragte Maja.
„Hm! Was hättest du denn anzubieten?" fragte er anzüglich. „Maja im Schlafrock?"
Den zärtlichen Knuff nahm er gern in Kauf. Dann entschied er sich doch für einen Rieseneisbecher, denn sie stand ja wohl nicht zur Verfügung.
Nach dem Essen bummelten sie zum Hotel, begrüßten die Gäste, die schon eingetroffen waren, tranken zusammen Kaffee.
Dann beschlossen die Brautpaare unisono, sich ein wenig auszuruhen, schließlich würde der Tag morgen anstrengend werden, und vor allem würden sie die Nacht getrennt verbringen müssen.
Da brauchte es schon ein paar Kuscheleinheiten im Voraus zum Trost.
Zum Abendessen trafen sich alle wieder, die Gäste waren vollzählig angekommen, das Restaurant war gut gefüllt.
Bestens gelaunte Bedienungen freuten sich über die netten Gäste.
Gegen zehn verabschiedeten sich die ersten Gäste.
Um zwölf saßen nur noch die Hauptpersonen an einem Tisch. Sie beäugten sich seltsamer Weise aufmerksam, keiner machte den Anfang zu gehen.
Da fiel bei Maja der Groschen.
„Ihr glaubt wohl, das letzte Paar könnte die Tradition aushebeln? Weil keiner was merkt, wenn ihr doch zusammen bleibt?"
Die Männer grinsten. Das war ja klar gewesen, dass die Geschichtenerzählerin alles durchschauen würde! Weil sie sich solche Dinge immer ausdachte, weil ihrer Vorstellungsgabe nichts Menschliches fremd war!
Also gaben sie auf, begleiteten ihre Mädchen zu den Suiten, verabschiedeten sich kussreich und verzogen sich in die Bräutigamszimmer. Ihr kleines Gepäck und die Hochzeitsanzüge hatten sie schon hingeschafft.
Alle paar Minuten öffnete einer die Türe. Es war nicht klar, ob er sich wegschleichen wollte oder die anderen kontrollieren.
Lachend gaben sie um ein Uhr auf. Na ja! Eine Nacht würden sie schon überleben!
Maja lag alleine in dem riesigen Bett. Sie musste an ihre Eltern denken, wie glücklich sie heute wären. Sie hatten gegen ihre erste Hochzeit ziemlich gewettert, obwohl es sonst nicht ihre Art gewesen war, sich sonderlich in ihr Leben einzumischen.
Aber sie war total verblendet gewesen. Wollte diesen Mann unbedingt heiraten! Mein Gott, wie jung und dumm sie doch gewesen war!
Dann hatten sie sich zum zweiten Mal eingemischt, als sie Stefano heiraten wollte. Was wäre gewesen, wenn sie nicht nach Italien gekommen wären?
„Danke, Mama! Danke, Papa!" flüsterte sie. „Aber dieses Mal habt ihr nichts dagegen, oder?"
Nein, mit Sicherheit nicht! Felix hatten sie von Anfang an in ihr Herz geschlossen. Sie wussten, dass er der Richtige war.
Felix! Felix! Wie konnte man so lieben? Noch jeden Tag sah sie ihn gern an, freute sich an seinem hübschen Gesicht, seiner Wahnsinnsfigur, seinem wunderbaren Lächeln, seinen blitzenden grünen Augen, seinem dichten, dunklen Haarschopf, seinem verschmitzten Gesichtsausdruck, wenn er sie aufzog, seinem Dackelblick, wenn er etwas wollte von ihr.
Sie liebte seine dunkle Stimme, sein herzhaftes Lachen, seine schönen Hände, o ja, seine Hände und was sie alles anstellen konnten mit ihr. Seine weichen, vollen Lippen, und wie sie küssen konnten!
Sie dachte an die erste Nacht, als sie all die Wunder zum ersten Mal erleben durfte! Und es war noch immer besser geworden, seit sie ihre Scheu verloren hatte, seit sie nicht nur annahm, sondern auch gab. Sie waren so offen und frei miteinander, genossen sich so sehr, noch immer, jedes Mal.
Und immer stand sie an erster Stelle bei ihm, immer war es ihm das Wichtigste, dass sie Lust und Befriedigung erlebte. Nie gab es eine lieblose Berührung, einen nichtssagenden Kuss. Immer legte er alle Zärtlichkeit hinein, die er empfand.
Wenn sie sprach, hörte er aufmerksam zu, wenn er Rat brauchte, kam er zu ihr.
Er las jede Zeile, die sie schrieb, fand alles aus Überzeugung wundervoll.
Jedes neue Programm führte er ihr vor, auch wenn sie nichts davon verstand, er musste jeden Erfolg mit ihr teilen.
Ja, er war der Richtige, denn richtiger konnte kein Leben sein als das mit ihm.
„Schlaf gut!" flüsterte sie zur Decke, hoffte er schliefe im Zimmer über ihr, dann bräuchten die Luftküsse, die sie ihm schickte, nur durch die Decke. Sie nahm sein Kissen in den Arm, das leicht nach ihm duftete und schlief ein.
Felix lag in seinem Verbannungsbett, drehte sich hundert Mal um, seine Hände suchten Maja, obwohl er genau wusste, dass er alleine war.
Aber er war so daran gewöhnt, irgendetwas von ihr zu berühren, dass seine Hände vollkommen heimatlos waren.
Er dachte an seine Mutter, die heute sehr glücklich gewesen wäre. Sie hatte Maja so geliebt wie eine Tochter. Die beiden hatten sich so gut verstanden, waren sich ebenbürtig vom Humor und von der Schlagfertigkeit her. Wie oft hatte er gelacht, wenn die beiden sich Wortgefechte lieferten.
Er dachte an seine Mutter und Tim, wie verliebt sie wohl gewesen waren, in diesem Zelt auf dem Festival. Was wäre geschehen, wenn sein Großvater angehalten hätte, damit Sonja sich von Tim hätte verabschieden können? Hätten sie sich wieder getroffen, wären sie zusammengeblieben?
Wäre er dann mit Vater und Mutter aufgewachsen? Wäre er der Gleiche, wie er heute war? Hätte er Maja getroffen? Irgendwo, in einem Club? Wäre er noch frei für sie gewesen?
Hätte er tauschen wollen, einen Vater von Anfang an gegen die Liebe seines Lebens? Nein, niemals!
Sein Lebensweg war schon seltsam gewesen, aber er hatte ihn an diesem Samstag an die Türe dieses riesigen Bungalows geführt, in dem die schönste Frau der Welt so einsam gewesen war, dass sie einen Call Boy zum Reden buchte.
Und sie hatte ihn behalten, mit einigen Unterbrechungen, aber die gehörten der Vergangenheit an.
Die Zukunft würde wunderbar werden zusammen mit dieser Frau, die alle seine Wünsche erfüllte, immer und überall!
Er dachte an ihr Lachen, ihr Lächeln, ihre Lippen! Ihre Augen, ihren Körper, ihren Humor, ihre Intelligenz, ihr Talent zum Geschichtenerzählen, das sie so erfolgreich machte.
Maja! Für ihn geboren, für ihn vom Himmel gefallen!
Maja Steiner, seit heute vor den Menschen seine Frau, ab morgen vor Gott.
Er liebte sie, wie er nie gedacht hatte, dass ein Mensch lieben konnte!
Er sandte ihr ein paar Luftküsse, hoffte sie würde im Zimmer unter ihm schlafen, dann müssten sie nur durch den Boden, um zu ihr zu kommen. Schließlich schlief er ein.
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