Kapitel 73 - 2010 / 1
An Neujahr machten sie eine Tour quer durch die Insel, fielen in einigen Orten ein, ließen eine Riesenportion Glück zurück, wenn sie wieder abfuhren.
Ausgelassen kamen sie wieder an den Villen an. Laura nahm Maja zur Seite, sie musste jetzt unbedingt mit der Deutschen reden, bisher hatte sie keine Gelegenheit gehabt.
„Maja, ich muss mich echt bei dir bedanken! Es tut so gut, wenn jemand sich einmischt, wenn jemand sagt, das geht mich etwas an!"
Sie nahm die Schönheit, die die große Liebe ihres Stefanos gewesen war, in den Arm.
„Weißt du, er kann wieder lieben, nach dir ist ihm das nicht leicht gefallen. Aber er sagt, bei mir kann er es wieder! Und ich hätte es fast zerstört, dieses Gefühl für mich!"
Maja hatte feuchte Augen bekommen. Sie hatte damals wirklich geglaubt, sie könnte ihn lieben! Und wären ihre Eltern nicht mit den Briefen von Felix gekommen, hätte sie ihn wohl geheiratet. Er war da gewesen, als Felix verloren zu sein schien. Aber er war eben nur gut für sie gewesen.
Oft hatte sie darüber nachgedacht, ob dieses „gut" gereicht hätte. Für ein Leben lang gereicht hätte? Ob es ihm gereicht hätte, nur gut für sie zu sein?
So war es für alle Seiten besser, auf alle Fälle!
„Denk immer dran, Laura, dass du ihm vertrauen kannst! Ganz egal, was jemand dir erzählt! Stefano betrügt nie, und er lügt auch nie! Und er darf auch nie betrogen oder belogen werden, versprich mir das!" bat sie leise.
Am 3. Januar flogen sie alle wieder nach Hause. Sie wussten, sie würden wieder kommen, alle!
Kilian telefonierte mit seiner Mutter, erklärte, dass er nicht mehr nach Hause kommen würde, dass er bei seinem Vater bleiben würde. Es gab ein großes Geschrei, Gezeter, Vorwürfe gegen Tim, Beschimpfungen.
Kilian konnte nicht mehr. „Du hörst dich an wie ein Marktweib!" schrie er und legte auf. Er richtete sich in Tims Arbeitszimmer ein. Saskia ließ sich überreden, ihm seine Sachen zu schicken, sein Vater gab ihm Geld für den Transport.
Ein paar Tage später tauchte er in der Firma auf. Felix freute sich sehr, führte ihn herum, stellte ihn den anderen vor.
Muhammed zeigte ihm, woran er gerade arbeitete, Kilian war fasziniert, wich den ganzen Tag nicht mehr von der Seite des Türken, der wegen schwerer Körperverletzung gesessen hatte, Mitglied einer ziemlich brutalen Jugendgang gewesen war und durch die Unterstützung des Docs, wie er seinen Bruder immer nannte, seinen Weg gefunden hatte.
Auf Männer wie ihn hatte Kilian immer herabgesehen, sie waren der Abschaum der Gesellschaft, in der er verkehrte. Er lernte auch viel über Menschlichkeit in den nächsten Tagen.
Felix nahm Kontakt zu seinem Doktorvater auf. „Ich brauchte einen Studienplatz in Informatik, für meinen kleinen Bruder!" erklärte er ohne Umschweife.
„Seit wann hast du denn einen Bruder?" fragte der Professor überrascht. Er hatte Sonja gut gekannt, war auch ein paar Mal mit ihr ausgegangen, doch dann war das Ganze wieder eingeschlafen, sie waren lockere Freunde geblieben.
„Seit 22 Jahren oder ein paar Wochen, wie man es nimmt!" erklärte Felix und erzählte von seinem Vater und dessen Familie.
„Und, ist er so genial wie du?" fragte der Proff.
„Keine Ahnung, aber er ist sehr interessiert!" versicherte Felix. „Er hat bisher sechs Semester Medizin studiert!"
„Okay, kein Bummler! Das ist schon mal gut! Also, ich hätte tatsächlich einen Platz frei, einer ist im November ausgestiegen. Der Numerus Clausus ist schon hart bei uns, ich konnte bisher niemanden neuen finden. Aber ein Mediziner ist wohl unter dem Schnitt! Kommt doch einfach mal vorbei! Ich würde mich auch freuen, dich wieder mal zu sehen!"
Zwei Tage später stand ein sehr nervöser Kilian neben seinem neuen Superhero vor der Türe des Professors.
„Muss ich da einen Test machen oder so?" fragte er aufgeregt.
„Nein, ich glaube nicht. Er will dich halt mal kennenlernen, die Plätze sind begehrt. Er sucht alle Studenten selber aus. Mich hat er auch erst auf Herz und Nieren geprüft, bevor er sein O.K. gegeben hat."
Das beruhigte Kilian jetzt nicht wirklich. Aber als der Proff sie herzlich begrüßte, mit Felix, den er offensichtlich sehr schätzte, zu fachsimpeln begann, wurde er langsam ruhiger.
Dann wandte sich der Dozent ihm zu.
„Und dieser junge Mann ist also der Bruder von meinem Superstar!" Er lächelte ihn aufmunternd an. „Gut, das ist ja dann schon mal die halbe Miete."
Er fragte ihn belangloses Zeug, aber immer wieder dazwischen gestreut holte er die Informationen ein, die er brauchte.
Nach dem Gespräch bat er Kilian, im Vorzimmer zu warten.
„Natürlich nehme ich ihn!" beruhigte er den nun auch etwas nervösen Felix. „Ich wäre ja blöd, wenn ich einen Bruder meines erfolgreichsten Studenten aller Zeiten nicht nehmen würde. Und sein Medizinstudium wird ihm auch nicht gerade schaden. Er könnte ja viel Erfahrung auf diesem Sektor einbringen! Ich werde auf alle Fälle ein Auge auf ihn haben, versprochen!"
Dann holten sie Kilian wieder herein, füllten gleich alle Papiere aus, der Professor telefonierte mit der Uni München, dort versprach man, alle Unterlagen zu schicken.
Ein stolzer älterer Bruder und ein vollkommen aufgedrehter jüngerer zogen albernd über den Campus.
Dann riefen sie Tim und Maja an, alle trafen sich in der Pizzeria zum Mittagessen.
Felix musste plötzlich an den Tag denken, als Larissa ihm das Angebot gemacht hatte.
Viel war dadurch ins Rollen gekommen, Gutes und verdammt Schlechtes. Hätte er damals anders reagiert, wenn er in die Zukunft hätte sehen können? Hätte er abgelehnt, mit ihr gegen Bezahlung zu schlafen, um dafür sein Bienchen, seinen Vater und auch seinen Bruder nicht kennenzulernen, aber seine Mutter zu behalten? Gut, dass er diese Frage nicht beantworten musste!
Maja bemerkte seinen grüblerischen Blick. Sie vermutete schon, dass es dieses Lokal gewesen war, in dem seine Call-Boy-Tätigkeit ihren Anfang genommen hatte.
Sanft nahm sie ihn in den Arm. „Es ist gut, dass man die Zeit nicht zurückdrehen kann, dass man nicht entscheiden muss, einen anderen Weg zu gehen!" flüsterte sie ihm zu.
Er sah sie verblüfft an. Wieder einmal hatte sie direkt in sein Herz gesehen, hatte seine geheimen Gedanken gelesen. Er musste dieses Zauberwesen jetzt aber dringend küssen. Zum Glück waren sie in einem Studentenlokal, da war Schmusen nicht so ungewöhnlich!
Kilian, der immer noch vollkommen neben sich stand vor Glück, unterbrach die beiden ungeduldig.
„Warum hat der Professor dich Superstar genannt?" wollte er wissen.
Felix wurde ein wenig verlegen. „Na, ja! Ich war nicht so schlecht!"
„Nicht schlecht sind andere auch! Da muss mehr gewesen sein!" bohrte der jüngere Bruder.
Felix mochte es nicht, so im Mittelpunkt zu stehen, aber andererseits brauchte er ja auch nichts zu verbergen.
„Ich hab ein paar Programme für die Uni geschrieben, während des Studiums, die haben ihnen ganz schön Kohle gebracht. Und ich habe einen ganz guten Abschluss gemacht."
Das musste genügen! Dass er Deutschlands bester und erfolgreichster Absolvent war, musste jetzt hier niemand wissen.
Auch nicht, dass seine Doktorarbeit mittlerweile als Standardwerk der Informatik galt.
Tims Blick lag voller Stolz auf seinem Großen. Er ahnte schon, dass sein Abschluss mehr war als ganz gut, und Majas Ahnungen gingen in dieselbe Richtung.
Felix stand auf und streckte sich.
„So, Junior, an die Arbeit! Du fährst jetzt mit dem Bus in die Firma. Bob soll sich um dich kümmern, damit du die paar Wochen aufholst, die die anderen dir voraushaben. Er hat zur Zeit nichts Dringendes zu tun. Sag, ich komme im Lauf des Nachmittags. Ich hab noch was mit meinem Bienchen zu besprechen."
Kilian und Tim grinsten sich an, der Vater zahlte. „Komm, ich fahr dich schnell raus!" schlug er vor. Sie verstanden sich wieder ausgezeichnet. Der Männerhaushalt klappte einigermaßen, Mischa unterstützte sie großzügig mit Putzdiensten und hin und wieder einer warmen Mahlzeit oder einer Einladung zum Essen.
Felix konnte im Auto den Blick kaum von seinem Bienchen lassen. Immer wieder wurde er an einer Ampel angehupt, weil er bei Grün nicht schnell genug losfuhr. Es störte ihn gar nicht.
„Du siehst heute so hübsch aus!" Er lächelte sein verführerischstes Lächeln. „Der Pulli steht dir gut!"
„Den hast ja auch du mir gekauft!" Sie wusste schon seit langen, dass er über einen todsicheren Geschmack verfügte, was Klamotten anbetraf.
„Ich habe einen guten Geschmack!" lobte er sich selbst. „Vor allem, was den Inhalt angeht!"
„Flirtest du eigentlich mit mir?" fragte sie lächelnd.
„Yep! Aber eigentlich baggere ich dich gewaltig an, weil ich dich ins Bett bringen will!"
Sein Dackelblick brachte sie wieder einmal zum Lachen. „Da wirst du nicht lange baggern müssen!"
„Nein? Bist du ein williges Opfer?" Er liebte dieses heiße Geplänkel, auch wenn schon wieder ein Hintermann ungeduldig wurde. Krachend legte er den Gang ein.
„Ein sehr williges!" bestätigte sie.
„Du bist heiß auf mich?" Seine Hand fuhr ihren Oberschenkel entlang. Den Rock hatte er auch gut ausgesucht! Genau die richtige Länge!
Ein neues Hupen, ein neuer Gruß vom Getriebe.
„O ja! Ich bin heiß auf dich!" flüsterte sie.
Seine Hand hatte ihr Ziel erreicht. „Stimmt!" meinte er nur.
„Felix!" wollte sie schimpfen, aber es wurde ein sehnsüchtiges „Felix!" daraus.
Verdammt! Warum machte der Typ sie denn immer noch so an? Warum genügte ein Wort, ein Blick, eine Berührung, dass sie zu Wachs wurde? Sie war fast 30! Sie konnte sich doch nicht immer noch benehmen wie ein pubertierendes Gör, dessen Hormone Achterbahn fuhren!
Zur Erleichterung aller anderen Verkehrsteilnehmer hatten sie den Garagenhof erreicht. Schwer atmend liefen sie die Treppen nach oben, rissen sich die Kleider vom Leib, buchstäblich, und sanken aufs Bett.
„Bienchen, Bienchen! Heißes Bienchen! Du machst mich so an! Fuck! Du bringst mich noch einmal um meinen Verstand!" flüsterte er ihr ins Ohr.
Er stöhnte unter ihren zärtlichen Händen, sie seufzte wohlig bei seinen Berührungen. Sie gaben und nahmen so viel Zärtlichkeit, so viel Lust wie in der allersten Nacht. Nichts hatte sich geändert, außer, dass sie noch vertrauter als damals waren, dass sie frecher waren, mutiger. Aber das glückliche Lachen, mit dem sie losgelöst durchs Bett rollten, war immer noch das Gleiche.
Sie lag auf ihm, er hatte seine Hände in ihren Locken vergraben, wie er es so gerne machte, nach der Liebe, nach dem Sex.
Er sollte aufstehen, sollte zur Arbeit fahren, er hatte einen wichtigen Termin! Aber es war immer noch so schwer, nach diesen Höllenritten zur Wirklichkeit zurückzufinden. Wenn er ihre ganze Schönheit an seinem Körper fühlte, wenn ihr Atem seine Ohrmuschel streichelte! Wenn sie so vollkommen weich und hingebungsvoll an ihn geschmiegt war.
Seine Hände wollten sie nicht loslassen, sein Körper erst recht nicht.
Doch es musste sein. „Süße? Ich muss los!" flüsterte er.
Sie brummelte nur unwillig. Nie im Leben würde sie ihn jetzt loslassen. Sie schwebte ja noch über den Wolken! Sie würde ganz böse abstürzen, wenn er sie losließ!
Nie und nimmer würde sie diesen wunderbaren Körper, der so gut duftete, freigeben.
„Bienchen, bitte! Ich muss etwas fertig machen! Morgen ist Termin!" bat er noch einmal.
Sie rollte von ihm, lächelte ihn an. „Na gut! Ausnahmsweise!" Sie räkelte sich wohlig. Er drehte sich schnell um. Das könnte er nicht aushalten! Das wäre zu viel!
Er sprang ins Bad, zog sich an, sie lag noch immer nackt vor ihm. O Gott! Der Schweiß brach ihm aus allen Poren. Jetzt nur nicht zu nahe zu ihr, nicht den Duft ihre Parfüms einatmen, sie nicht zum Abschied küssen!
„Also, bis heute Abend! Es wird später werden, Bienchen!" Er räusperte den Frosch aus seinem Hals.
Die Frau schaffte ihn!
„Okay!" murmelte sie. „Mach's gut!"
Und sie lächelte.
Und er war willenlos!
Dieses Lächeln musste er unter seinen Lippen spüren, weil es nichts Schöneres gab.
So musste er eben später noch einmal ins Bad, sich noch einmal anziehen, aber seit er sie kannte musste er eben Prioritäten setzen.
„Jetzt wird es noch ein bisschen später!" erklärte er lachend und fuhr betrunken vor Glück los.
Maja duschte und schwebte durch die Wohnung.
Felix! sang ihr Herz, und das konnte besser singen als sie.
Mein wunderbarer Felix!
Mein verdammt hübscher Felix!
Mein Felix!
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