Kapitel 46 - Intrigen / 1

Felix las die Zeitung zum Frühstück. Er war gut gelaunt, seine Zeit im Knast lief ab, bald würde die Verhandlung wegen seiner Bewährung stattfinden. Dann kam er zum Lokalteil.
„Die Autorin und der Call-Boy" lautete die Überschrift des Aufmachers. Sein Herz setzte ein paar Schläge aus.
Detailliert wurde von Majas Vergangenheit berichtet, kaum ein Detail ihrer Ehe mit Georg und deren Ende wurde verschwiegen.

Eine saubere Recherche-Arbeit! dachte er bitter.
Danach kam die Gegenwart aufs Tablet. F. S., ihr Lebensgefährte, wie man aus sicherer Quelle erfahren hatte, ein Knacki und Ex-Call-Boy, oder vielleicht auch gar nicht Ex? All diese Details konnten nur von Larissa stammen.

Nach diesem Bericht war Maja ein gestörtes, verzogenes Gör, das zuerst einen hochangesehenen Professor mit ihrem Kleinmädchengetue in den Tod getrieben hatte und sich kurz danach einen Mann gekauft hatte, der sich von ihr aushalten ließ.

Er war verzweifelt! Larissa würde nie aufgeben!
„Die junge, schöne Frau scheint einen etwas absonderlichen Geschmack zu haben, was ihre Männer anbetrifft! Und auch ihre Männer scheinen einen etwas ausgefallenen Geschmack zu haben, was Frauen anbetrifft. Was sich wohl hinter den unschuldigen blauen Augen noch alles verbirgt?" lautete der letzte Absatz des Artikels, der mehr Schmutz über seine Süße ausgeschüttet hatte, als er je für möglich gehalten hatte.

Maja! dachte er vollkommen panisch. Sie durfte das auf keinen Fall lesen!
Er wählte ihre Nummer, verschlafen meldete sie sich.
„Maja, hör zu! Larissa ist wieder am Werk gewesen! Lies bitte heute nicht die Zeitung, bitte! Bitte, tu dir diesen Dreck nicht an!"

Sie war schlagartig wach. „Was steht drin?" fragte sie
„Alles!" antwortete er. „Alles Schlimme, alles Böse, was du dir nur vorstellen kannst!"

In ihr stieg Wut hoch, rote, heiße, brennende Wut! Dieses Weib hatte ihr fast ein Jahr ihres Lebens gestohlen, und jetzt wollte sie sie noch immer weiter zerstören? Nicht mit ihr! Nein, nicht noch einmal! Nie wieder!
Sie atmete tief ein. „Okay! Dann werden wir den Fehdehandschuh aufnehmen! Dann werden wir der Dame mal zeigen, wie eine Maja von Calsow kämpfen kann!"
Felix verstand nicht. „Was hast du vor?"

„Felix, ich bin kein kleines Mäuschen mehr, das vor einer Larissa kuscht! Ich bin jemand, verstehst du? Ich bin Maja von Calsow, ich bin Anja Kalkov! Mein drittes Buch wird gerade in verfilmt! Ich werde sie zerstören!"
Felix lächelte. Okay! Sein Bienchen hatte den Stachel ausgefahren! Und sie würde stechen!
„Gut! Dann mach mal, Maja!"

„Darauf kannst du dich verlassen! Das erste Mal war eigentlich schon zu viel, aber jetzt geht es nicht mehr! Das können wir nicht zulassen, wenn wir uns noch im Spiegel ansehen wollen!"
„Ich liebe dich, Süße!" flüsterte er bewundernd.
„Das ist gut zu wissen, Felix! Aber süß werde ich jetzt erst einmal gar nicht sein! Es ist auch möglich, dass ich ein paar Tage verschwunden sein werde, aber wir telefonieren, ja?"

„Mach, was du tun musst, Maja! Aber pass auf dich auf!" Er hatte Magenschmerzen vor Angst um sie, aber er wusste, dass sie sich wehren musste. Sie war erwachsen, sie würde wissen, was sie tat!

Nach dem Gespräch las sie erst einmal den Artikel, dann rief sie ihren Lektor, ihren Vertrauten an. Sie besprachen die Situation, er hatte eine Reihe von Vorschlägen, sie war im Moment ihr bestes Pferd im Stall, der Verlag hatte ganz andere Möglichkeiten als diese Larissa, und sie würden diese Möglichkeiten auch zu nutzen wissen.

Maja atmete auf. Da hatte die Bitch sich die falsche Gegnerin ausgesucht!

Als erstes traf sie einen Redakteur einer überregionalen Zeitung. Sie berichtete haarklein jedes Detail von Larissa, Felix und ihr. Ihr Inkognito lüftete sie noch nicht, dafür brauchte sie eine größere Bühne.
Aber der Erfolg ihres letzten Buches war ausreichend, um das Ganze wichtig genug für einen Aufmacher auf Seite drei zu machen.

Larissa kam nicht gut weg, ganz und gar nicht! Die Ehe mit einem schwulen Ehemann wurde eben so wenig verschwiegen wie die Dienste des Call Boys, die sie zehn Jahre lang in Anspruch genommen hatte. Der Angriff von Felix wurde offen angesprochen, die nachfolgenden Schönheitsoperationen wurden mit zahlreichen Fotos dokumentiert.

Die Intrige gegen Maja wurde detailgetreu wiedergegeben. Jede kleine hässliche Wahrheit wurde ans Tageslicht gezerrt. Der Privatdetektiv wechselte gegen eine großzügige Bezahlung die Fronten und berichtete weitere schlüpfrige Einzelheiten.

Der Artikel hätte schon ausgereicht, um Larissa gesellschaftsunfähig zu machen.

Aber Maja wollte mehr. Sie hatte Blut geleckt! Sie war so voller Hass, dass Larissa besser auf den Mars hätte auswandern sollen!
Der Verlag stellte den Kontakt zur wichtigsten Talk-Show der öffentlich-rechtlichen Sender her.

Da packte dann Maja vor einem Millionenpublikum aus, berichtete von ihrer Liebesbeziehung, etwas, das immer gut ankam, von der Intrige Larissas, die eine monatelange Trennung nach sich zog, etwas, das noch besser ankam.

Sie erzählte von der schweren Zeit, die sie aushalten mussten, weil Felix im Gefängnis war, was einen Aufschrei durch die Nation erschallen ließ ob dieser gefühlten Ungerechtigkeit.

Sie berichtete von den neuesten Angriffen der Bankierstochter, die Nation vergoss Tränen der Wut und des Mitgefühls mit diesem Liebespaar.
Am Ende ließ Maja die Bombe platzen und berichtete, dass sie Anja Kalkov wäre, die absolute Erfolgsautorin, deren Bücher jeweils in 14 Sprachen übersetzt wurden, alle Verkaufszahlen gesprengt hatten und verfilmt worden waren und wurden.

„Und das kann eine Larissa Sanders, geschiedene von Haunstein nicht ertragen! Deshalb schießt sie Giftpfeile auf mich und Felix ab! Sie ist von Neid zerfressen und rachsüchtig, weil sie nicht akzeptieren kann, dass sie einen wunderbaren Mann wie Felix nicht im Mindesten interessiert, nie interessiert hat!" schloss sie ihre Ausführungen.

Der Moderator lauschte ihrem Vortrag so gebannt, dass er ganz vergessen hatte, nachzufragen, kritische Einwände zu erheben, wie es sonst seine Art war.
Larissa flüchtete zwei Tage später vor der Pressemeute in die Schweiz. Dort hatte ihr Vater zwar keine Beziehungen, aber in dem kleinen Bergdorf, in dem sie sich versteckte, hatte wenigstens auch niemand diese verdammte Talkshow gesehen.

Felix sah die Sendung mit größtem Vergnügen. Seine Süße, sein Bienchen hatte gemordet! Hatte Larissas Ruf getötet, und kein Gericht der Welt würde sie dafür verurteilen!

Die Teufelin war mehr als tot, und sie beide konnten weiterleben! Sie war umwerfend gewesen! Hätte er sie nicht schon so geliebt, er wäre ihr nach dieser Sendung hoffnungslos verfallen.
Sie hatte perfekt reagiert, war wunderschön, süß, liebenswert, charmant rübergekommen!
Larissa war nur noch Staub!

Sie hatte ihre Gegnerin unterschätzt, vollkommen und total! Hätte sie Ruhe gegeben, hätte sie ein gutes ruhiges Leben in ihrer Heimatstadt führen können!
Aber sie hatte angegriffen, zerfressen von Missgunst, ohne die Gegnerin richtig einzuschätzen!
Seine Maja! Seine Maja! Seine Maja war der Hit, war unschlagbar, war eben seine Maja!

Die Jungs im Knast schlugen ihn am nächsten Tag reihenweise ab.
„Unsere Maja ist die Beste!" hörte er immer wieder. Dieser Satz trieb ihm die Tränen in die Augen. Sie war der Star auch in der JVA, auch die schweren und mittelschweren Jungs konnten sich ihrer Ausstrahlung nicht entziehen.
Und sie gehörte ihm, nein, sie gehörte zu ihm! Maja würde immer nur sich selbst gehören!

„Hey, Doc! Hör auf zu heulen! Wann wirst du denn endlich mal ein cooler Bastard?" fragte Joe.
„Bei ihr? Nie!" antwortete Felix heiser.
„Hab ich mir fast gedacht!" maulte der Kleiderschrank, und auch seine Stimme klang etwas heller als sonst.

Majas nächster Besuch im Knast kam einem Triumphlauf gleich. Die Knackis standen auf den Gängen und klatschten.
„Der hast du es aber gegeben!"
„Gut, dass du dir nichts gefallen lässt!"
„Das wäre ja noch schöner, wenn ihr klein beigeben würdet!"

„Die hats aber echt drauf mit dem Mundwerk!"

So und ähnlich lauteten die Kommentare.
Beim letzten Ausruf bekam Felix plötzlich einen Lachanfall. Er zog sie schnell in die Zelle, ließ sich auf die Pritsche sinken, nahm sie in den Arm, lachte und lachte!
Maja sah ihn an, als würde sie an seinem Verstand zweifeln, was sie im Augenblick auch ein wenig tat.
„Sorry, Baby!" Er schnappte nach Luft. „Aber, aber, aber ich habe gerade an unser erstes Telefongespräch gedacht!" Er begann wieder zu lachen, machte sie dann nach, obwohl sie ihn boxte.
„Ja! Ja! Hm! Ja! Verrätst du mir deine Adresse? Ja!"

Dann musste Maja aber auch mitlachen. „Du bist blöd, Felix Steiner! Du bist so blöd!" kickste sie.

„Ich habe damals krampfhaft überlegt, wie ich mich eine Stunde lang mit dir unterhalten soll, wenn du nichts sagst!" Er wischte sich die Lachtränen aus den Augen.
„Aber dann hats doch ganz gut geklappt, oder?" zog sie ihn mit einem sehr verführerischen Blick auf.

Er riss sie in seine Arme. „Das Reden, oder was?"
„Natürlich! Oder war da sonst noch was?"
„Eine Kleinigkeit, ja!" flüsterte er. „Der heißeste Sex meines Lebens beispielweise!" Er knabberte an ihrem Ohrläppchen. „Die heißeste Braut in meinen Armen beispielsweise!" Er verlor fast den Kopf bei der Erinnerung daran, wie verrückt er nach ihr gewesen war. Er vergaß fast, wo sie waren.

Da wurde die Türe aufgestoßen, der Aufseher erinnerte ihn an seinen Kurs, sah geflissentlich in eine Zimmerecke, bis die beiden ihre Hände wieder unter Kontrolle hatten, bis sie ihre Kleidung wieder in Ordnung gebracht hatten.

Seufzend machten sie sich auf den Weg. Sie hatte heute wieder Lust, ihren hübschen Felix zu begleiten, wenn er vor 30 Knackis dozierte. Dann hatte sie etwas zu träumen für die nächste einsame Nacht.

Im Juni fand seine Verhandlung statt. Alle Freunde und Verwandten waren gekommen.

Die Richterin begrüßte ihn freundlich lächelnd, freute sich auch, Maja kennen zu lernen.
Felix war sehr nervös. Sein Anwalt versuchte ihn zu beruhigen. Er war überzeugt, dass Felix nach 15 Monaten frei kommen würde. Alles sprach für seinen Mandanten.
Aber Felix hatte panische Angst, irgendeine Intrige würde ihm die Bewährung verderben.

Er sah zu Maja, wollte, dass ihr Blick ihm Mut machte. Sie hob beide Daumen nach oben.
Als die Richterin zu sprechen begann, beruhigte er sich langsam.

„Herr Dr. Steiner, Ihr Anwalt hat einen Antrag auf vorzeitige Entlassung und Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung gestellt. Das wäre dann frühestens in drei Monaten möglich." Sie machte eine kurze Pause, Felix hielt den Atem an, wartete auf das „Aber", das ihm den Boden unter den Füßen wegziehen würde, das seine Hoffnungen zerstören würde.
Das „Aber" kam auch tatsächlich, doch es wurde freundlich vorgetragen und bedeutete etwas anderes, als er befürchtet hatte.

„Aber, ich habe von Ihren großen Verdiensten um Ihre Mitgefangenen gehört, war ehrlich gesagt auch nicht erstaunt darüber. Und es freut mich außerordentlich, dass Sie Ihre Maja wohl wieder zurückbekommen haben! Ich habe auch von den neuesten Angriffen Frau Sanders gehört, und ich habe Frau von Calsows Antwort darauf gelesen und gesehen. Respekt, junge Dame, kann ich nur sagen!

Doch kommen wir nun zum Punkt. Voraussetzungen für die Aussetzung einer Freiheitsstrafe auf Bewährung sind unter anderem eine gute Führung während der Haftzeit und gute Aussichten für eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft."

Sie schmunzelte amüsiert.
Komm zu Gange! flehte Felix innerlich.
„Also, beide Punkte, denke ich, treffen auf Dr. Steiner mehr als zu. Deshalb sehe ich nicht ein, dass wir ihn noch drei weitere Monate auf Staatskosten durchfüttern sollen!"
Was? dachte Felix.
Wie? dachte Maja.
„Darum habe ich mich mit dem Gesetz auf einen Kompromiss geeinigt. Sie, Herr Dr. Steiner, halten noch drei Monate lang ihre Kurse, sind ansonsten aber ein freier Mann, für ein Jahr auf Bewährung.

Aber ich glaube nicht, dass Sie ihre Fäuste noch einmal brauchen werden. Ich bin sicher, dass Frau von Calsow Ihre gemeinsamen Gegner mit Worten viel effektiver erledigen kann und dafür vollkommen straffrei ausgehen wird."

Im Saal brach Jubel los. Alle hatten begriffen, was die Worte der Richterin bedeuteten.
Nur Felix und Maja brauchten eine Weile, bis der Sinn des Gehörten durch ihre Gehirnwindungen gedrungen war.
Bei ihr klickte es schneller, sie lief zu Felix, nahm ihn in den Arm.
„Frei?" stammelte er. „Jetzt? Gleich? Ich kann nach Hause? Einfach so? Nach Hause?"
„Ja!" flüsterte Maja. „Ja! Frei, Felix!" Beiden liefen die Tränen übers Gesicht.

Die Richterin beschäftigte sich eingehend mit ihren Papieren, schluckte sehr, schniefte leise.
Noch nie hatte sie ihren Beruf so geliebt wie heute. Sie erledigte mit dem Anwalt die Schriftsachen, verließ unter lautem Applaus ihren Platz. Felix lief mit Maja im Arm zu ihr, griff nach ihrer Hand.
„Vielen Dank!" stieß er hervor.
„Die Gesellschaft dankt Ihnen, Herr Dr. Steiner! Solche Menschen wie Sie brauchen wir draußen, nicht im Gefängnis!" Sie ergriff auch Majas Hand. „Sie beide werden Ihren Weg gehen, das weiß ich!"

Dann verließ eine jubelnde Gruppe mit zwei vor Glück strahlenden Hauptpersonen das Gerichtsgebäude.
„Frei?" Felix konnte sein Glück gar nicht fassen, immer noch nicht, genau so wenig wie Maja.

Die beiden fuhren ins Gefängnis, um Felix' Sachen abzuholen und sich zu verabschieden von all denen, die er nicht mehr sehen würde. Sie machte kurz Halt beim Direktor.
„Die Richterin hat mir meine Freiheit wiedergegeben!" stammelte Felix, immer noch vollkommen überwältigt.

„Ich weiß! Wir haben uns im Vorfeld über Sie unterhalten, Sozialprognose und so." erwiderte der Ältere lächelnd. „Und die scheint ja nicht so ganz schlecht zu sein, oder?"

Dann machten sie eine Art Stundenplan, damit Felix seine Kurse auf zwei Tage legen konnte. Dazu kam noch die wöchentliche Stunde für Joe. Dann bat Felix den Direktor noch um einen Gefallen. 

Er sollte doch bitte dafür sorgen, dass Jack und Muhammed, die zwei, denen er einen Job angeboten hatte, zeitnah entlassen werden konnten. Felix fürchtete, dass die beiden wieder in ihr altes Verhaltensschema zurückfallen würden, wenn er sie nicht mehr im Auge behalten konnte.

Sie gingen in Felix' Abteilung. Es gab ein großes Hallo und tatsächlich ein paar Tränen, sogar bei Joe.

„Wann wirst du denn endlich einmal ein cooler Bastard?" zog Felix ihn auf, was ihm einen kräftigen Schlag auf die Schulter einbrachte.
„Shut up, Doc!" warnte Joe ihn lächelnd.
Felix rief alle Kursteilnehmer zusammen, informierte sie über die neuen Unterrichtszeiten.

„Vor der Prüfung halten wir ein paar zusätzliche Stunden ab!" versprach er.
Dann räumte er die Zelle aus. Viel hatte er nicht, in der Hauptsache Bücher. Die Aufseher halfen den beiden, alles ins Auto zu bringen. Dann ging Felix als freier Mann durch das Tor.


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