Kapitel 113 - Familienurlaub 2

„Was macht eigentlich euer neuestes Projekt?" fragte Kai schließlich.
Felix und Maja hatten ein großes Vorhaben in Angriff genommen, sie wollten die Obdachlosen von den Straßen der Stadt wegbringen, zumindest die, die das wollten.
Sie waren tagelang durch Regensburg gezogen, hatten viele Gespräche geführt, sich viele Lebensgeschichten angehört.

Sie hatten als Bedarf 40 Wohnungen ermittelt, 30 für Männer und 10 für Frauen. Alle anderen wollten lieber weiter auf der Straße mit der Flasche leben. Ihnen hatten sie ihre Visitenkarten gegeben, falls sie sich anders besinnen sollten.

Sie bauten zwei Blocks mit 40 und 20 Appartements, die kostenlos vergeben wurden. Einzige Bedingung war, die Wohnungen sauber zu halten und möglichst Alkoholexzesse zu vermeiden.

Dabei unterstützen sie zwei Suchttherapeuten, ein Schwulen-Pärchen, das im Parterre eine Wohnung mit Büro hatte, und das auch berechtigt war, die Zimmer immer wieder unangemeldet zu kontrollieren.
Eine entsprechende Klausel mussten alle Bewohner unterschreiben.
Felix und Maja vermittelten ihnen auch immer wieder Jobs, um sie zurück ins normale Leben zu holen.

Die Lebensgeschichten der Obdachlosen erzählte Maja in ihrer bekannt wunderbaren, einfühlsamen Sprache in einem Band mit dem Titel „Von unten nach oben", der, wie alles, was sie schrieb, ein großer Erfolg wurde. Der Erlös des Buches kam direkt denen zu Gute, die diese Geschichten erlebten.

Zur Zeit planten sie Kälteschutzräume für die, die nicht sesshaft werden wollten, aber mit Bleiberecht auch am Tag.
Den Brunnen in Afrika und noch fünf weitere hatten Benedikt und Sophie finanziert, den Kindergarten auf Sri Lanka Kai und Susanna und die Skaterbahn am Jugendzentrum Sina und Chris.
Nico und Barbara engagierten sich in der Drogenprävention, bezahlten einen zusätzlichen Streetworker.

Sie waren schon ein verdammt sozialer Haufen, die zehn, die letztendlich Maja ausgesucht hatte!
Dazu kamen noch Stefano und Laura, die einen Teil des Erlöses ihrer Bilder für eine Art Tafel in der nächstgrößeren Stadt spendeten.

Für die beiden Sozialzentren gingen immer wieder Spenden ein, die Tims Vater verwaltete.
Der glücklichste Großvater aller Großväter war auch der stolzeste Vater aller Väter.
Saskia hatte vor ein paar Wochen eine Tochter bekommen, die sie Sonja nannten, um die Erinnerung an seine Jugendliebe, die Mutter von Felix zu ehren. Die Mutter ihres Bruders, der seine Halbgeschwister so bedingungslos liebte, sie im Grunde alle drei gerettet hatte, er und seine Frau, die unvergleichliche Maja.

Auf der Insel tauchten zuerst Chris und Sina wieder auf, kurz darauf Nico und Barbara. Die beiden Pärchen machten Felix überglücklich, denn sie meldeten, dass Joana zum Abendessen bat.

Er schnappte seinen Sohn, nahm Maja in den Arm und raste nach oben. „Es gibt Essen!" jubelte er.
„Papa! Mama! Essen!" jubelte Moritz.
„Nein, essen werde ich die Mama nicht, nur ein bisschen anknabbern!" flüsterte Felix seiner wunderschönen Ehefrau ins Ohr.

„Versprochen?" flüsterte sie zurück.
„Vielleicht vernasche ich dich aber auch!" Wieder einmal war seine Stimme sehr belegt.
„Oder ich dich!" Viel mehr Stimme als er hatte sie auch nicht mehr.

Das Essen schmeckte vorzüglich, Juana hatte auch gelernt, dass sie ein wenig mehr kochen musste, weil der Chef für drei aß, manchmal auch für vier, je nachdem, wie viel Kalorien er verbraucht hatte.

Am nächsten Tag fuhren Maja und Felix mit ihrem Sohn zum Notar, zahlten einen größeren Betrag für die Stiftung ein, die mittlerweile auch alleinerziehende Mütter von Schülern der von ihnen geförderten Schulen unterstützten. Die wurden immer mehr, weil viele der jungen Mädchen hofften, der Armut entfliehen zu können, wenn gut betuchte Touristen sie heirateten. Die Pläne waren aber nur sehr selten von Erfolg gekrönt.

„Wie ich sehe, hat Gott Sie für Ihre Güte belohnt!" sagte der Notar mit Blick auf den wunderhübschen Jungen, den Felix auf dem Arm hatte.

„Ja! Mehr als reichlich!" antwortete Felix mit belegter Stimme. Maja zerschmolz zum tausensten Mal vor Liebe. Ja, Gott hatte sie belohnt und im Übermaß gesegnet!
„Mama! Papa! Küssen!" jubelte Moritz, als der fremde Mann ihn anlächelte und patschte glücklich in die Händchen.
Felix übersetzte, und der Junge freute sich, dass alle wieder einmal lachten.

Sie fuhren ein bisschen über die Insel, wollten noch ein wenig alleine sein mit ihrem Glück. Das war bei diesen Urlauben mit den Freunden nie ein Problem. Immer wieder machte sich ein Paar auf, um einen Tag alleine mit der eigenen Familie zu verbringen.
Manchmal fuhren sie auch gemeinsam los und trennten sich unterwegs.

Heute wollte Felix mit Maja noch einmal an den langen Sandstrand auf der Halbinsel Jandia. Dort hatten sie immer wieder wunderbare Tage verbracht. Heute hatte sich der Wind gelegt, es würde dort herrlich sein.

Moritz war begeistert von dem großen Sandkasten. Sie zogen ihn aus und hielten ihn zum ersten Mal ins Wasser. Er quietschte vor Vergnügen, zeigte keine Spur von Angst.
„Meinst du, dass sich das auch vererbt hat?" fragte Felix überrascht. Sie waren beide Wasserratten und sehr gute Schwimmer.
„Kann schon sein! Du bist der Baby-Spezialist!" zog sie ihn auf.
„Muss ich gleich mal nachsehen!" ging er auf ihre Frotzelei ein und holte sein Handy heraus.
„Kein Netz! Schade! Erinnere mich am Haus daran!"

Er machte eine Menge Fotos von seiner schönen Frau und seinem drolligen Sohn, der glücklich ins Wasser patschte.
Seit der Geburt hatte er schon fünf dicke Fotobücher mit seiner eigenen App erstellt, eine seiner ersten Arbeiten nach seiner Selbstständigkeit, die ein großer Erfolg geworden war. Die Großeltern und sein Vater hatte jeweils ein Exemplar davon bekommen, jeder Besucher musste die Bücher ansehen – ob er wollte oder nicht.

Maja hatte die lustigen Texte dazu geschrieben und auch viele der Fotos gemacht, weil ja meistens Felix den Kleinen auf dem Arm hatte. Ihr jeweiliges Lieblingsbild hatten sie vergrößern lassen, es hing über ihren Schreibtischen – einmal eine strahlende Maja mit dem lachenden Kind auf dem Schoß, einmal ein strahlender Felix.

Mehr Glück konnte ein Bild nicht ausdrücken!

Moritz gluckste vor Wonne im Wasser, da traf ihn die erste Salzwasserwelle seines Lebens im Gesicht. Er verzog erschrocken den Mund und kniff die Augen zusammen. Dann leckte er über seine Lippen, sah seinen Vater vorwurfsvoll an, als könnte der etwas dafür. Felix lachte, bis er Bauchschmerzen hatte.
Das gefiel Moritz gar nicht. Er streckte seine Ärmchen Maja entgegen. „Mama!" rief er. „Papa Biest!"

Sie bekamen beide kaum noch Luft vor Lachen. „Jetzt hast du es dir mit ihm verdorben!" vermutete sie.
Doch bald schon hatte der Kleine seinen Groll vergessen, wollte wieder ins Wasser zurück. Felix ging mit ihm tiefer rein, hielt ihn im Arm, ließ ihn ein wenig schwimmen. Da war er mit dem Papa wieder versöhnt!
Sie bummelten noch ein wenig am Strand entlang, dann begann Felix' Magen laut und vernehmlich zu knurren.

„Schade, dass wir kein Picknick mitgenommen haben!" bedauerte er. Maja kramte in ihrer Tasche und förderte eine Packung Kekse und eine Tüte Erdnüsse zu Tage, die er beide praktisch inhalierte.
Fürs erste war er zufrieden. „So ein schlaues Bienchen!" lobte er und küsste sie ausgiebig.

In der Finca warteten die anderen schon mit dem Essen auf die Steiners.

Kai warf einen theatralischen Blick auf seine Uhr. „Was ist denn heute passiert, dass du die Abendessenszeit vergessen hast?" fragte er den Freund süffisant.
Die Frage war nur halb lustig gemeint. Jedes Mal, wenn die beiden alleine unterwegs waren, bekam Kai leichte Panik, erinnerte sich an Felix' Anruf nach dem schrecklichen Unfall damals.

Auch Felix hatte das alles noch nicht vergessen. Wenn sie über die Insel fuhren, behielt er stets den Rückspiegel im Auge.
Und immer wieder fragte er sich, ob er das Unglück hätte verhindern können, wenn er den Wagen eher gesehen hätte, der ihnen gefolgt war.

Joana hatte Paella gemacht, da wusste Felix, dass die Portionen ausreichend sein würden, was ihn natürlich ungemein beruhigte.

Moritz durfte auf seinem Schoß sitzend ein bisschen Reis und Gemüse mitfuttern.
„Du bist der Einzige, der was abkriegt von mir!" erklärte Felix lächelnd. „Aber nicht zu viel!"
Doch seinem Sohn schien es richtig zu schmecken. Immer wieder fasste er nach der Gabel in Papas Hand.

Die Kinder schliefen wie jeden Abend bald ein. Die Babyphone waren an, die Eltern trafen sich zum letzten Mal für diesen Urlaub an der Bucht. Alle 15 Minuten schaute einer der Erwachsenen nach oben.

Am nächsten Tag war der wunderschöne Urlaub zu Ende, doch das Leben zu Hause war auch gut für alle.


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