Kapitel 102 - Herbst 2011
Felix
Der Anbau am Bungalow war kurz vor der Fertigstellung.
„Dann sollten wir uns mal um neue Leute kümmern!" erinnerte ihn Bob. Der Chef lebte noch immer im siebten Himmel, das Tagesgeschäft plätscherte meistens an ihm vorbei.
Ungefähr einmal im Monat haute er ein geniales Programm raus, alles andere überließ er seinen beiden Stellvertretern und den anderen Mitarbeitern
Felix grinste ihn an. „Das hast du mir letzte Woche schon gesagt, oder? Ich hab's vergessen!" gestand er. Schnell setzte er sich an den PC, schaltete eine Anzeige im On-Line-Forum.
„So, erledigt!" berichtete er kurz darauf seinem Mitarbeiter. Er wusste, dass er zu wenig Zeit in der Firma verbrachte, aber er sorgte für seine Jungs, zahlte gut, sie hatten viele Freiheiten, und er selbst wollte leben, mit Maja leben!
Er hätte das Vielfache verdienen können, wenn er mehr gearbeitet hätte, aber wozu?
Eine Woche später kamen die ersten Bewerbungen an. Drei klangen recht vielversprechend, eine davon von einer Frau, Nicola Bronner. Er besprach sich mit den anderen.
„Na, etwas Weiblichkeit könnte ja nicht schaden!" meinte Nick grinsend. „32! Ist doch ein gutes Alter, oder? Und hässlich scheint sie auch nicht zu sein!"
Die Computer-Freaks waren alle solo im Moment, fanden nicht so recht Zeit, sich langfristige Beziehungen aufzubauen.
Wartet nur, bis es euch erwischt wie mich! dachte Felix manchmal.
„Also, ich wäre ja mehr an ihren Qualifikationen interessiert!" meinte er.
„Ja, du! Wenn wir so was Hübsches zu Hause hätten, wäre uns das auch egal, wie die Mieze aussieht!" rutschte es Jack heraus. Der Ex-Knacki hatte nie ein Geheimnis aus seiner Bewunderung für Maja gemacht.
„Dann sucht euch doch endlich mal eine Frau! Sie wird ja nicht das einzige hübsche Wesen sein in der Stadt!" forderte er die Jungs auf, die nur grinsten. „Also, zurück zum Thema! Laden wir die drei ein?"
Alle waren einverstanden. Sie hätten zwar locker acht Leute gebraucht, aber der Markt war wieder einmal leer gefegt.
Nicola
Yep! Man hatte sie eingeladen zum Vorstellungsgespräch! Übermorgen schon! Sie suchte sich eine Zugverbindung heraus, kaufte sich ein schickes Businesskostüm, buchte sich ein Hotelzimmer.
Das Geld hatte sie aus ihren Alten herausgeleiert, die jetzt nicht gerade unglücklich darüber waren, wenn sie die schlechtgelaunte Tochter wieder losgeworden wären.
Am Morgen packte sie eine Reisetasche, ihr Vater brachte sie zum Bahnhof. Sie hatte sich einen schicken Haarschnitt gegönnt und eine Kosmetikbehandlung.
Nach einer Nacht in einem tollen Stadthotel stylte sie sich dezent, zog unter der Kostümjacke ein ziemlich freizügiges Shirt an. Wenn sie merkte, dass weibliche Reize gefragt waren, konnte sie ja die brave Jacke ausziehen.
Nach dem Frühstück nahm sie sich ein Taxi und ließ sich zu der angegeben Adresse bringen. Im Einladungsschreiben hatte es geheißen, sie würde ihre Auslagen erstattet bekommen.
Bob begrüßte die Bewerberin, Felix war natürlich wieder einmal nicht pünktlich gekommen.
Er rief drüben an, Maja nahm ab. „Wir würden uns sehr freuen, wenn dein Mann zu dem Bewerbungsgespräch herüber käme!" sagte er leicht gereizt.
„Oh! Sorry! Er ist schon unter der Dusche! Ich mach ihm Dampf!" versprach sie.
Bob hörte das leichte Lächeln in ihrer Stimmen und schüttelte innerlich den Kopf. Die beiden waren schon einmalig! Sie schienen immer kurz vor dem Bett oder kurz danach zu sein!
„Aber füttere ihn noch in Ruhe, sonst ist er unausstehlich!" bat er.
„Ich weiß!" Maja kicherte. Felix' dauernder Heißhunger war legendär!
Zwanzig Minuten später traf der Chef bestens gelaunt ein. Er war sich keiner Schuld bewusst, nur weil er sein Bienchen ein bisschen zu lange geküsst hatte an diesem Morgen und dann noch ein wenig geknabbert hatte an ihr.
Die Jungs sollten sich locker machen, Prioritäten zu setzen war unheimlich wichtig!
Er stürmte in den Besprechungsraum und auf Nicola zu.
„Guten Tag! Ich bin Felix! Sorry, ich hatte noch etwas Dringendes zu erledigen." erklärte er und schenkte ihr seinen berühmten Dackelblick.
Jack verschluckte sich an einem Schluck Wasser, täuschte einen Hustenanfall vor.
Nicola zerschmolz augenblicklich beim Anblick des Chefs. Wow! Das war aber ein Sahnestückchen! Diese Augen!
Sie setzte ihr nettestes Lächeln auf. Diesen Job musste sie unbedingt haben.
Felix musterte sie aufmerksam. Durch seine langjährige Tätigkeit als Call Boy hatte er einen guten Blick für Frauen entwickelt.
32? Das hielt er ja wohl für ein Gerücht!
42, das traf es schon eher.
Und bei dem Foto, das sie mitgesandt hatte, war vermutlich ein Bildbearbeitungsprogramm zum Einsatz gekommen, und das nicht zu knapp!
Er stellte ein paar belanglose Fragen, streute immer wieder wichtigere dazwischen. Diese Taktik hatte er von seinem Doktorvater gelernt.
Was er hörte, war jetzt nichts gravierend Negatives, aber auch nichts, was ihn total beruhigte und überzeugte.
Nicola spürte, dass nicht alles so lief, wie sie es sich vorgestellt hatte.
Der hübsche Junge war ein Fuchs!
Sie zog sicherheitshalber ihre Jacke aus. Ihre Rundungen, die sie der Kunst eines teuren Chirurgen verdankte, waren sehenswert.
Die anderen Mitarbeiter waren auch durchaus nicht abgeneigt, den einen oder anderen Blick zu riskieren.
Doch der Chef schien völlig ungerührt. Verdammt! Hoffentlich war der nicht schwul! So gut wie er aussah und bei ihrem Glück, konnte das durchaus sein.
„Haben Sie die Belege für Ihre Ausgaben dabei?" fragte Felix aus dem Nichts heraus.
Sie legte alle vor ihn hin, beugte sich dabei noch ein bisschen tiefer. Nichts! Kein Blick! Keine Reaktion!
Felix studierte die Rechnungen. Zugfahrt 1. Klasse, eine teure Hotelsuite, eine Taxifahrt. Das gab ihm schon auch zu denken.
Die beiden, die gestern hier waren, waren mit dem Auto gekommen, hatten bei Freunden übernachtet, wollten keine Spesen haben.
Die vielen Kleinigkeiten summierten sich zu einer ablehnenden Haltung seinerseits. Sie hätten die Mitarbeiterin dringend gebraucht, er sah auch ein, dass es nicht schaden würde, eine Frau einzustellen, um einen weiblichen Aspekt in ihre Arbeit zu bringen, aber seine Nackenhaare sträubten sich.
Nicola spielte ihren vermeintlich größten Trumpf aus. Sie zog drei Sticks aus der Tasche. Es waren Programme, die sie Charlie geklaut hatte, in der Nacht, bevor sie losflog. Dabei hatte sie ihnen auch noch einen hübschen kleinen Virus hinterlassen, als Abschiedsgeschenk sozusagen.
Sie hatte einem früheren Mitarbeiter vor Monaten die Zulassungskarte entwendet, der arme Kerl war danach entlassen worden, als er den Verlust gemeldet hatte.
„Das sind drei Programme, die ich geschrieben habe!" erklärte sie. „Vielleicht mein Einstandsgeschenk?"
Felix sah sie durchdringend an. Als IT-Spezialistin hätte sie eigentlich wissen müssen, dass man niemals ein externes Programm ins System lud.
„Wir verwenden niemals Programme oder Speichermedien von außerhalb!" rügte er sie.
Verdammt! Das war aber ein Korinthenkacker! dachte sie.
„Okay! Eure Entscheidung! Sind aber echt gut!" versuchte sie den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Felix bat sie, draußen auf ihre Entscheidung zu warten. Die zwei Jungs gestern hatten sie direkt nach einer halben Stunde genommen. Da hatte es keine Beratung gebraucht, die passten einfach.
Aber bei dieser Nicola Bronner schieden sich die Geister.
Jack war voll dafür, sie zu nehmen. „Geile Titten!" argumentierte er.
Muhammed wollte vor allem Entlastung, sie schafften die Arbeit kaum noch. Und der Chef machte es sich leicht! Er kam und ging, wie es ihm passte.
Nach einer längeren Diskussion stand es mit einer Stimme Mehrheit gegen Felix. Natürlich hätte er als Boss auch alleine entscheiden können, aber das wollte er nicht.
Also beugte er sich.
Nicola stöberte einstweilen in den Räumen, ein Ohr immer auf das Stimmengemurmel gerichtet. Hätte man sie erwischt, hätte sie eben eine Toilette gesucht.
Aha, das schien das Chefzimmer zu sein. An der Wand hing die Promotionsurkunde. Summa cum laude! Natürlich! Was sonst!
Auf dem Schreibtisch stand das Foto einer sehr jungen, sehr schönen Frau. Gut! Also schwul schien er nicht zu sein.
Gegen dieses Püppchen würde sie schon ankommen. Das war wohl eine dieser Discomiezen, die für ein paar Monate lang mit Geschenken überhäuft, dann aber schnell wieder ausgetauscht wurden.
Aus einem Reflex heraus legte sie den Rahmen um.
Bob holte sie wieder hinein, sie hatte gerade noch rechtzeitig Platz genommen.
„Also!" begann Felix. „Einig waren wir uns nicht, das gebe ich offen zu, aber die Mehrheit hat entschieden, dass wir es mit Ihnen versuchen."
Nicola fiel ihm um den Hals, nicht ohne ihre nicht ganz echten Brüste an ihn zu drücken.
Felix machte sich schnell frei. „Davon bin ich jetzt nicht direkt ein Fan!" stieß er hervor.
Sie schenkte ihm ein keckes Lächeln. Das wird sich schon noch ändern! dachte sie. Du brauchst eine Frau, eine richtige Frau, mein Junge!
Felix bedauerte schon, kein Veto gegen den Mehrheitsentschluss eingelegt zu haben.
„Bob, mein Stellvertreter, wird die Verträge mit Ihnen durchgehen und alles weitere mit Ihnen besprechen!" Er wählte das distanzierte „Sie" voll bewusst.
Danach zog er sich in sein Büro zurück. Er sah das Foto auf dem Tisch liegen.
„Hoppala! Mein Bienchen ist umgefallen!" sagte er zu sich. Das war auch noch nie passiert. Er kontrollierte den Ständer, der war eigentlich ganz starr!
Dann arbeitete er noch bis Mittag hochkonzentriert. Gestern hatte er eine tolle Idee gehabt, da wollte er heute noch ein wenig weitermachen.
Was hatte seine Süße auf dem Empfang gesagt? Er war ein großer Junge, der gerne am Computer spielte! Wie recht sie da gehabt hatte.
Seine Süße! Seine Gedanken schweiften wieder einmal ab. Wieder einmal waren sie erst im Morgengrauen zum Schlafen gekommen. Kein Wunder, dass er heute Morgen vollkommen verpennt hatte! Aber so ganz ohne Küsse wollte er den Tag auch nicht beginnen, na ja, und was daraus immer wurde, war eben so!
Er schüttelte den Kopf. Ihre Anziehungskraft auf ihn ließ einfach nicht nach. Nicht dass er das gewollt hätte, aber es erschien ihm schon eher ungewöhnlich!
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