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Die Tage zogen ins Land und der nächste Vollmond kündigte sich an. Diesmal war alles anders. Gegen Harrys Willen und mit genügend Sicherheitsabstand, war ich mit dabei. Ich habe zugesehen wie Harry Coroline lehrte.
Ich versuchte jede ihrer Bewegungen genauestens zu beobachten und zu analysieren. Was kein Leichtes war. Im schwachen Mondschein, waren sie nahezu unsichtbar. Und obendrein waren ihre Bewegungen für das menschliche Auge viel zu schnell und keinerlei Geräusche entstanden, die ihren nächsten Schritt ankündigen würden.
Es war schwer für mich zu sagen, ob es ein Kampf war oder ob sie tanzten. Manchmal verschmolzen sie zu einer Einheit und dann trennten sie sich wieder. Beide wussten, wo sie ihre Füße, auf dem vom Tau nassen Waldboden platzieren konnten. Begann einer einen Fehler, wurde er von dem anderen korrigiert.
Was mir nicht entgangen war, war die Tatsache, dass Harry nicht vollständig konzentriert war. Meine Anwesenheit lenkte ihn zunehmend ab. Seine oberste Priorität war es, mich zu schützen. Jeden Schritt den Coroline in meine Richtung tat, wurde sofort von Harry abgefangen. Ich fühlte mich sicher, da ich ihn in meiner Nähe wusste.
Zusammen mit dem Mond, verschwanden auch Corolines Kräfte. Harry hatte mir vor einigen Tagen erklärt, dass Corolines Körper versucht, sie von diesen Eindrücken zu schützen. Nach dem ihre Kräfte verschwinden, sinkt sie in einen komatösen Zustand. So auch heute. Aus heiterem Himmel sank sie zusammen. Harry fing sie auf und trug sie zurück ins Schloss.
„Bist du gar nicht müde?" fragte der Lockenkopf an mich gewandt, nachdem er hinter sich die Tür von Corolines Schlafzimmer zugezogen hatte.
Schwach schüttelte ich den Kopf. Mein herzhaftes Gähnen das kurz darauf folgte entlockte ihm ein Lachen. „Na komm" sagte er, trat auf mich zu und hob mich hoch. Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und ließ mich von Harry in mein Bett tragen.
Behutsam legte er mich auf der Matratze ab, zog die Decke über mich und strich mir einzelne Haarsträhnen zurück, welche in mein Gesicht gerutscht waren. Ich schloss meine Augenlider, als der Lockenkopf dabei war, sich zu mir herunter zu beugen. Seine Lippen berührten für einen flüchtigen Moment die meinen. Als meine Augen wieder fokussiert waren, war er bereits aufgestanden und zur Tür.
„Bleibst du nicht bei mir?" fragte ich schläfrig.
Immer noch mit der Türklinge in der Hand drehte er sich zu mir um. „Ich möchte nicht, dass du frierst." Traurig sah er zu Boden.
„Bitte" sagte ich zaghaft.
Harry sah mich einfach nur an. Seine Miene wirkte unergründlich, weshalb ich schlussendlich nachgab.
„Eine Frage habe ich noch." Er war schon halb aus der Tür, aber ich wusste, er konnte mich hören. „Wie ist Coroline zu dem geworden?"
Harry tauchte wieder in meinem Blickfeld auf. Ich deutete auf den leeren Platz neben mir. Sein Lächeln, das er trug als er näher kam, zeigte mir, dass er wusste, dass ich ihn das nur fragte, um ihn noch länger bei mir zu behalten.
Ich legte meinen Kopf auf der Brust ab, in der kein Herz schlug. Vorsichtig strich er mir durch die Haare, als er zu sprechen begann. „Ich kenne ihre Geschichte nicht. Und Coroline tut es auch nicht...Ihrer Kampftechnik nach zu urteilen, wurde sie ausgebildet. Ich gehe davon aus, dass es kein Unfall war, sondern dass sie so gemacht wurde. Meinesgleichen können die Mutation manuell hervorrufen. Es ist ein langer und schmerzhafter Prozess für beide... Für den der es hervorruft. Und für den, in dem es hervorgerufen wird. Vermutlich haben die Männer in Weiß ihr das angetan und als sie nicht mehr von Nutzen war, haben sie ihr Gedächtnis gelöscht... Corolines Vergangenheit ist für immer verloren... Warum erzähle ich dir das alles, obwohl ich ganz genau weiß, dass du bereits bei meinem vierten Wort eingeschlafen bist?" Ein verträumtes Lächeln trat auf Harrys Lippen.
Stille entstand.
„Ich wünschte, ich hätte nicht so viel Angst... dir endlich zu sagen...dass ich dich liebe" flüsterte er so leise, dass es nur mehr Harry hören konnte.
°°°
Nach wenigen Stunden erwachte ich aus einem schönen Traum. Ich lag nicht mehr direkt auf Harry Brust. Er hatte mir ein Kissen unten mein Gesicht geschoben, um mich vor seiner kalten Haut zu schützen. Ich sah zu meinem Lockenkopf auf. Er hielt die Augen geschlossen. Seine langen Wimpern warfen auf seinen Wangen einen Schatten. Mehrere Minuten betrachtete ich ihn stumm. Ich ließ meine Augen über seinen Körper wandern. Ich biss mir leicht auf die Unterlippe. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Bist du fertig damit mich mit den Augen auszuziehen?" ertönte plötzlich seine Stimme. Langsam schlug er seine Augen auf, welche mich sofort in den Fokus nahmen.
Mein Kiefer zuckte umher, als ich immer wieder versuchte zu einer Antwort anzusetzen. Doch mir viel einfach nichts ein, weshalb ich ein leises „Sorry" nuschelte und auf meine Hände sah.
Ich fühlte seine kühle Hand an meinem Kinn, welche meinen Kopf anhob. „Warum ziehst du mich nur mit deinen Augen aus, wenn du es doch wirklich einfach tun könntest?"
Mein Mund klappte auf. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Seine dunklen Augen huschten über mein Gesicht und fingen jede Reaktion ein. „Immerhin gehöre ich nur dir alleine. Du darfst alles machen, wonach immer dir der Sinn steht" hauchte er mir entgegen.
„W-Wirklich?" stammelte ich.
„Klar" raunte er direkt an meinen Lippen, bevor er mir einen Kuss gab, der mir alle Sinne raubte. „Aber zuerst... musst du mich fangen."
In einer raschen Bewegung hatte er mich von sich geschoben. Ein kalter Windhauch streifte meine Haut, als er mit einem schnellen Satz aufsprang und verschwand. Mein Kopf fuhr herum. Harry stand am anderen Ende des Raumes, lässig an die Tür gelehnt. Mit einem Lachen im Gesicht sprang ich vom Bett und hastete auf ihn zu. Ich streckte meine Arme nach ihm aus. Doch ich fasste ins Leere. Ich drehte mich, auf der Suche nach ihm, um. Harry lag verkehrtherum auf dem Bett. Seinen Kopf ließ er am Fußende der Matratze herunterbaumeln, sodass seine langen Haare den Boden berührten. Er streckte mir die Zunge heraus.
Oh jetzt kannst du mir nicht entkommen. Mit schnellen Schritten lief ich aufs Bett zu, kurz bevor ich es erreicht hatte, setzte ich zum Sprung an. Ich freute mich schon, da ich Harrys seidiges Hemd an meinem Arm fühlen konnte. Doch es täuschte. Ich lag alleine auf der Matratze. Nirgends erblickte ich den Lockenkopf.
„Harry das ist unfair. Das kann ich nie gewinnen" sagte ich frustriert, als ich mich erhob.
Kalte Luft umhüllte mich. Harry stand nun direkt hinter mir. Sein Oberkörper schmiegte sich an meinen Rücken, während sich seine starken Arme um meine Taille schlangen und mich noch fester zu sich zogen. Vorsichtig drehte er mich zu sich um. Eine seine Hände wanderte zu meiner Wange. Seine Lippen küssten mich zärtlich. „Ich werde dich immer gewinnen lassen" flüsterte er mir ins Ohr, ehe er mich anhob und zurück ins Bett trug.
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