Kapitel 7: Die schwimmende Stadt
Aus der anderen Richtung betrachtet, musste es ein noch schwierigerer Weg aus dem Grünen Meer hinauf auf die Klippe sein. Wenn man sein ganzes Leben in der Wiege des Waldes verbracht hatte, war alles dort draußen zu weit, zu groß, zu nah am Himmel. Als Cian sich vor etwas mehr als fünfzehn Jahren an den Aufstieg gemacht hatte, hätte er nicht ahnen können, was dort auf ihn wartete.
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Die Wand, an der er sich mit der Hand abstützte, war feucht und kalt und die Sonne, die kläglich durch das Gitterdach über ihnen fiel, spendete kaum Licht. Er kniff angestrengt die Augen zusammen und versuchte die Stufen unter sich zu erkennen. "Es ist ein wenig Dunkel.", kommentierte er, als Umbra gerade leichtfüßig die ersten Stufen hinuntergesprungen war. Balgir fragte sich mittlerweile ernsthaft, wie sie sich so schnell und unbekümmert bewegen konnte, während sie so viel Gepäck bei sich hatte und sie schon fast drei Stunden zu Fuß unterwegs waren.
"Keine Sorge." Cian legte die Handflächen aneinander. Für einen kurzen Moment sah es aus, als würde er beten, doch er wirkte einen Zauber, der eine kleine Lichtkugel beschwor. Diese schwebte langsam über den Abgrund in der Mitte des Gebäudes und erleuchtete von dort aus die ewig lange Wendeltreppe. Durch das direkte Licht des Zaubers wurden die Treppenstufen zu langen Schatten und die Schlucht dazwischen zu einem klaffenden finsteren Loch. Balgir wurde plötzlich schmerzlich bewusst, dass es an der Innenseite kein Geländer gab, so dass die grobe Steinwand zu seinem einzigen Halt wurde.
"Worauf wartest du?", Cian und Umbra waren vorangegangen und warteten jetzt ein paar Stufen weiter unten auf ihn. Balgir schluckte seine schleichende Angst herunter und folgte ihnen. Die Schritte warfen ein permanentes Echo in den vertikalen Tunnel, der sie mit ihrem Ziel verband. Ab und zu sagte jemand etwas. "Jetzt sind wir etwa bei der Hälfte.", "Diese Markierung habe ich bei dem Hinweg hinterlassen." oder "Der Abstieg ist einfach, warte erst mal ab bis du wieder hinauf willst." Alles andere bestand aus Schweigen. Balgir fühlte sich, als würde er langsam mit der Wand neben sich verschmelzen, während die Treppe immer schmaler wurde und der Abgrund näher und näher kam. Irgendwann verlor er das Zeitgefühl und die Welt wurde zu einem unendlichen Abstieg. Immer einen Fuß nach dem anderen, während seine Handfläche an dem Stein entlangglitt, die Wand kaum mehr berührte. Die Dunkelheit war nicht mehr wichtig, es gab nur noch das kleine Licht, welches stets zu seiner Rechten leuchtete. Bis er plötzlich den Rhythmus verlor und die Welt sich zu drehen begann. Balgir blieb irritiert stehen und rieb sich mit der rechten Hand über die Augen. Ein unangenehmes Schwindelgefühl hatte von ihm Besitz ergriffen. "Wie lange dauert es noch?", fragte er und tat so, als würde er nachsehen, ob seine Schnürsenkel richtig gebunden waren, damit die anderen nichts merkten.
"Nicht mehr lang, wir haben es fast geschafft. Es fühlt sich immer ein wenig länger an als es eigentlich ist... wie lange denkst du, sind wir schon hier drinnen?", Cians Stimme klang wie aus weiter Ferne.
Es mussten Stunden sein. Balgir kniff die Augen zusammen, während er mühsam den Schnürsenkel band, den er aus der Not zuvor selbst gelockert hatte. "Eine Stunde?", fragte er vorsichtig.
"Etwa zehn Minuten." Cian stand jetzt direkt bei ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Komm, es ist nicht mehr weit."
Den Rest des Abstieges setzten sie langsamer fort. Nur Umbra ging schon vor. Schnell und leise bewegte sie sich durch die Dunkelheit und war verschwunden. "Sie ist auch nachts oft unterwegs.", flüsterte Cian. "Das ist ganz schön verrückt."
"Ich kann dich hören.", kam Umbras Stimme aus der Tiefe.
Schließlich, und es kam viel zu plötzlich, hatten sie erdigen Boden unter den Füßen. Das Ende der Treppe mündete in einer natürlich wirkenden Höhle, deren Boden mit Erde und Moos bedeckt war. Balgir fühlte sich wieder ein wenig sicherer auf den Beinen. Er stellte sich in die Mitte der Wendeltreppe, die einen Durchmesser von ungefähr drei Metern hatte, und sah hinauf in die Richtung aus der sie gekommen waren. Weit oben in der Ferne konnte er einen kleinen Fetzen Sonnenlicht ausmachen. Doch die Treppen die sich darum wandten schienen es zu verschlingen und Balgir merkte, wie das Schwindelgefühl, das ihn eben abgebremst hatte, wieder zurückkehrte. Schnell senkte er wieder den Blick und konzentrierte sich auf seinen aktuellen Standpunkt. Er war hier, er war tatsächlich im Grünen Meer. Na ja, noch nicht ganz. Noch waren sie in der Klippe. Die Höhle führte in einen geräumigen Gang, der an den Wänden mit Bildern, Kritzeleien und geschriebenen Dingen in verschiedenen Sprachen bemalt war. Er sah sie sich genauer an und erkannte, dass das meiste davon Grußbotschaften waren.
"Willst du etwas schreiben?", fragte Cian.
Balgir hatte gar nicht bemerkt, wie sich stehen geblieben waren. "Ich wüsste gar nicht was.", sagte er.
"Die meisten Leute schreiben etwas, wenn sie hier vorbeikommen. Natürlich sind es nie viele gewesen..." Cian deutete auf ein paar krakelige Runen.
Balgir brauchte einen Moment, doch dann erkannte er Cians Handschrift. "Was bedeutet es?"
Cian sah kurz zu Umbra, die schon wieder vor ihnen in der Dunkelheit verschwunden war und flüsterte: "Warte nicht auf mich."
"Was?", fragte Balgir verwirrt.
"Warte nicht auf mich.", wiederholte Cian leise aber ungeduldig. "Das steht da."
Balgir sah wieder auf die Runen und dann zu Cian. Für einen kurzen Moment wusste er nicht, an wen diese Botschaft gerichtet war. Doch dann fiel ihm Umbra ein und dass die beiden Elfen sich wohl schon von Kindesbeinen an kannten. "Hat wohl nicht geklappt.", stellte er fest und sah, wie Cian verlegen lächelte. Er hatte mit seiner Vermutung richtig gelegen.
"Ja.", sagte der Elf. "Lass uns gehen."
Balgir dachte über die Bedeutung dieser Worte nach und wie schwer sie in dem Moment ihrer Erschaffung gewogen haben mochten. Das würde es umso schwerer machen selbst etwas aufzuschreiben. Der Tunnel schien mehr zu sein, als irgendein öffentliches Gebäude in einer gewöhnlichen Stadt. Es war die Grenze zwischen zwei Welten und hier waren die Botschaften verewigt, in der Hoffnung diese Grenze zu überschreiten. Oder er interpretierte einfach zu viel hinein, denn als er sich ein paar der anderen Schriftzüge ansah, war da auch eine ganze Menge anstößiges Zeug dabei. Vielleicht war das Geheimnis bei der Sache, sich einfach nicht zu viele Gedanken zu machen.
Das Ende des Tunnels kündigte sich mit überraschend hellem Tageslicht an und unvermittelt traten sie hinaus ins Freie. Wie sollte er es beschreiben? Für den ersten Moment war kein Unterschied zwischen dem hier und dem Ort von dem sie gekommen waren, doch dann erkannte er, dass die Wand die sich vor ihm auftat, nicht aus Stein, sondern die Rinde eines gigantischen Baumes war. Er sah hinauf und verrenkte sich fast den Nacken, um weit über sich das Blätterdach zu erkennen, das in der Ferne saftig grün gegen die Sonne glitzerte. Es war wie in dem Moment, als er oben zum ersten Mal das Grüne Meer erblickt hatte: Das was er sah, übertraf einfach die Vorstellung die er sich im Kopf zurechtgelegt hatte. Ein Wald, dessen Blätterdach ein Meer bildet. Ein Wald, der unter besagtem Blätterdach seine eigene Welt bildete. Baumstämme, die hunderte von Metern in die Höhe ragten und die Säulen dieser Welt bildeten. Balgir hatte nie die Unterwelt, die ursprüngliche Heimat der Dämonen betreten (und er hatte es auch nicht vor), aber so ähnlich musste es sein. Ein Ort, ein Teil dieser Welt, und trotzdem so fremd und verschlossen, als wäre es sein eigenes kleines Universum.
"Ich hätte nicht gedacht, dass es so groß ist.", erklärte er sein Staunen seinen beiden Begleitern. Von oben betrachtet, waren es nichts weiter als Blätter, die im Wind raschelten. Hier unten waren es Säulen, die eine Welt zusammenhalten. "Es ist wundervoll." Er folgte einem spontanen Gefühl und legte seine Hand auf die furchige Rinde des Baumes vor sich. Als er sich nach Cian und Umbra umdrehte, bemerkte er, dass die beiden sich stolz umsahen und dabei bemüht waren, sich diesen Stolz nicht anmerken zu lassen.
All die Anspannung und das Unwohlsein, das ihn während des Abstiegs heimgesucht hatten, waren verschwunden. Sie gingen zwischen den riesigen Bäumen hindurch, die aufgrund ihrer Größe sehr viel mehr Platz boten als der Wald, den sie auf dem Hinweg hatten durchqueren müssen. Auch gab es weniger hohe Pflanzen auf dem Boden. Ab und zu etwas, das an Farn erinnerte, sonst waren es hauptsächlich Pilze und Moose in verschiedenen Formen und Farben.
Sie mussten noch etwa eine Stunde laufen, bis sie die erste Siedlung erreichen würden, in der sie übernachten wollten. Balgir versuchte sich auf ihrem Weg so viel einzuprägen wie nur möglich, doch er war kaum in der Lage die Bäume voneinander zu unterscheiden. Eine riesige Säule wurde von der nächsten abgelöst und alles war in das gleiche grüne Licht getaucht. Ab und zu waren zwischen den Wurzeln der Bäume kleine Steine in bestimmten Formationen hingelegt, doch es ergab für Balgir nicht so richtig Sinn. "Was bedeutet es?", fragte er, als er sich gerade den Kopf über ein mit Steinen gelegtes eckiges Fragezeichen zerbrach.
"Die Feen hinterlassen sie, aber niemand weiß was es bedeutet. Bisher wurden keine zwei gefunden die gleich sind.", antwortete Umbra. "Wenn du mehr darüber wissen willst, kannst du den Schamanen beim Turm fragen. Sie hat mal versucht, sie zu erforschen."
Balgir nickte und fragte sich mittlerweile, wie die Feen hier aus dem Wald aussehen mochten. Meistens nahmen sie die Gestalt von Tieren an, waren jedoch Verwandlungskünstler und konnten in jeder Form und Größe auftreten, wenn sie mächtig genug waren. Aber meistens waren sie an eine Tiergestalt gebunden. Er kramte sein Handy aus der Jackentasche um ein Foto von dem Steinmuster zu machen, wobei er sich ein wenig wie ein Tourist vorkam.
Nach etwa einer halben Stunde blieb Umbra, die vorgelaufen war, plötzlich abrupt stehen und gab ihnen ein Zeichen, ebenfalls ruhig zu bleiben. Langsam näherten sie sich der Elfe, um zu sehen, weshalb sie nicht weitergingen. Sie deutete auf den Weg vor ihnen. Cian nickte, während Balgir nicht wusste, was los war. "Ich kümmere mich darum.", flüsterte Umbra. Sie streifte ihren Rucksack ab, den Cian auffing. Dann las sie einen Ast vom Boden auf und ging langsam weiter, während sie den Ast wie einen Taststock vor sich über das Moos bewegte. Als sie sich schon fast zehn Meter von ihnen entfernt hatte, drehte Balgir sich zu Cian um, um fragen was los war. Doch bevor er den Mund öffnen konnte, wurde die Stille durch ein zischendes Geräusch zerschnitten, das ihn vor Schreck zusammenzucken ließ. Mit klopfendem Herzen drehte er sich wieder zu Umbra.
"Gefunden!", rief sie fröhlich.
"Was ist passiert?", fragte Balgir, während sie zu ihr kamen, um nachzusehen, was sie gefunden hatte.
"Eine Falle.", sagte sie und hob den jetzt stark verkürzten Stock hoch. Das abgehackte Ende steckte in einer metallenen Klaue, die halb unter dem Moos hervorragte.
Balgir wich automatisch einen Schritt zurück. Er hatte nicht damit gerechnet, eine so offensichtliche Gefahr hier zu treffen. Er fragte sich, wer diese Falle hinterlassen hatte und auch, wie Umbra sie aufgefallen war. Auf Abstand sah er zu, wie Umbra und Cian die Falle einsammelten, an Cians Rucksack befestigten und wohl planten, sie mitzunehmen.
"Gibt es hier Jäger?", fragte Balgir schließlich, denn das kam ihm als die einzig mögliche Option in den Sinn. Wer sonst sollte unbenannte Fallen aufstellen, die jedem hier gefährlich werden konnten. "Davon habt ihr nichts erzählt."
Die Jäger waren eine Organisation von Menschen, die sich darauf spezialisierten, alles zur Strecke zu bringen, was in ihren Augen nicht menschlich genug war. Seitdem die Loup Parole geschlossen worden war und nach und nach ans Licht gekommen war, was den ehemaligen Schülern und Insassen angetan worden war, waren sie immer mehr in Verruf geraten. Waren es doch die Jäger gewesen, die die meisten 'gefährlichen Kreaturen' eingefangen und dann ihrem Schicksal an der Loup Parole überlassen hatten.
"Naja..." Cian wirkte zu Balgirs Ärger kein Stück verlegen. "Es gibt einen Jägerstamm ein paar Kilometer von der Siedling entfernt, zu der wir unterwegs sind."
"Es gibt Jäger...hier? Ich dachte hier wohnen nur Waldelfen!", fragte Balgir irritiert nach.
"Nicht wirklich." Umbra hatte mittlerweile ihren Rucksack wieder aufgesetzt und war bereit weiterzugehen. "Sie sind vor ein paar Jahren hergekommen und wir haben ihnen Unterschlupf gewährt. Eigentlich sind sie angenehme Nachbarn und halten sich an die Regeln des Waldes. Also verstehe ich nicht, was die Falle soll." Sie sah verärgert zu dem Metallkonstrukt an Cians Rucksack. "Aber sei versichert, dass das nicht noch einmal vorkommen wird."
Balgir fühlte sich ganz und gar nicht sicher, aber er nickte und versuchte Verständnis zu zeigen. "Vielleicht haben sie ein Monster gesehen und wollten es zur Strecke bringen.", seine Stimmte kam etwas zu humorlos raus, was er eigentlich nicht beabsichtigt hatte.
Cian schnalzte mit der Zunge. "Nein, dann hätten sie in einer der Siedlungen bescheid gegeben."
Aber irgendetwas musste ja passiert sein. Balgir kam es plötzlich so vor, als würde er gegen eine Wand reden, die jegliche Versuche einer Diskussion an sich abprallen ließ. Frustriert schluckte er seine nächsten Worte hinunter und trottete den beiden Elfen hinterher. Wenn sie die erste Siedlung erreichten, würde sich hoffentlich alles aufklären.
Die Siedlung, die am nächsten am Waldufer lag, war als Schwimmer-Siedlung bekannt. Sie war eine der ältesten bewohnten Siedlungen und zählte mehr als zweitausend Jahre. Die Häuser erinnerten an kleine steinerne Festungen und hatten kaum etwas mit dem entspannten Image gemein, was Elfen in der heutigen Zeit aufrecht hielten. Zudem befanden sich die Bauten mehrere hundert Meter über dem Boden zwischen den Stämmen der gewaltigen Bäume. Wenn man ihre Position nicht kannte, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man sie gar nicht erst zu Gesicht bekam. Genau das musste auch das Ziel der Erbauer gewesen sein. Gefertigt aus versteinertem Holz, von dem niemand mehr sagen konnte, wie es so organisch verbaut worden war, waren die Häuser widerstandsfähig gegen Magie und physische Angriffe. Ihre Position war bestens dazu geeignet Eindringlinge zu erkennen und zu eliminieren, um den Wald zu schützen.
Balgir verrenkte sich fast den Nacken, um hinaufzublicken und die erschreckend großen Gebäude über sich auszumachen. Es waren nicht die Baumhäuser, die er erwartet hatte, sondern ganze Paläste, Wege und Gärten und auch, wenn er es von hier unten richtig erkannte, war einer der Bäume ab der Mitte versteinert und als eigenes Gebäude in die Architektur integriert. Er wollte gerade fragen, wie sie hinaufkommen wollten, als Cian gegen einen der Baumstämme klopfte. Es entstand ein eindringlich hohles Geräusch, welches sich mit einem seltsames Nachhall, nach oben ausbreitete. Der Elf klopfte in einem bestimmten Rhythmus, den Balgir sich automatisch einprägte. Doch auch nachdem das Klopfen verhallt war, bekamen sie von oben keine Antwort. Mit gerunzelter Stirn trat Umbra einen Schritt vor und wiederholte das Klopfen, dieses mal in einem leicht abgewandelten Rhythmus. Wieder nichts.
„Was soll das?", fragte Umbra aufgebracht. „Erst die Falle und dann das hier!"
„Gibt es denn keine Möglichkeit anders hinaufzukommen?", erkundigte Balgir sich neugierig.
„Natürlich gibt es die, aber das ist unhöflich."
„So unhöflich wie uns einfach zu ignorieren?", fragte Cian trocken.
Umbra dachte für einen Moment nach. „Gut, gehen wir einfach hoch."
Sie gingen bis zu dem versteinerten Baum, an dem Holzbalken befestigt waren, die wie eine Treppe den Stamm entlang nach oben führten. Es wirkte fehl am Platz. Ein Einschnitt in die sonst so perfekte Festung. Und eine sehr langweilige Lösung ihres Problems. Einfach die Treppe zu nehmen. Dafür war der Anblick und vor allem der Ausblick, als sie oben ankamen, umso beeindruckender. Sie kamen an einer Art Marktplatz heraus, an dem sich hölzerne Buden und sogar ein Springbrunnen (derzeit leider ohne Wasser) befanden. Der Boden wirkte so natürlich und nur der Blick hinunter in den Wald, ließ einen ahnen wie weit oben sie sich befanden. Balgir wurden bei der Vorstellung die Knie weich, doch er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Immerhin war er bis vor ein paar Stunden noch über dem Meer selbst gewesen.
Was ihm noch auffiel, war, dass er hier das Rauschen der Blätter hörte, während es auf dem Waldboden fast verklungen war.
Doch kaum waren sie hier oben angekommen, merkte er, dass etwas nicht stimmte.
Der Ort war ausgestorben.
Die Verkaufsstände waren leer, sie konnten keinen einzigen Elfen hier draußen erkennen. Weder auf den Ebenen zwischen den Bäumen, noch auf den Wegen und Brücken.
Die sahen sich in einigen Gebäuden um, doch fanden sie nichts.
Schweigend gingen sie über den Marktplatz zu einem der größeren Gebäude, welches weit über den Abgrund unter ihnen ragte. Die gewaltigen Türen standen offen, was sie wohl immer taten, denn die Unterseite war mit Moosen am Boden fest verankert. Im Inneren befand sich eine große Halle mit einer weiten offenen Decke, die bis in den Stamm des versteinerten Baumes ragte. Die Seiten der Halle war mit Abstufungen versehen, die wohl als Sitzmöglichkeit genutzt wurde, denn überall lagen Kissen und Sitzpolster aus allen möglichen Materialien. Die Wände waren mit einer Balgir unbekannten grünen Pflanze bedeckt, die es einem zwar nicht ermöglichte hinauszusehen, die ihrerseits jedoch das Licht von außen einzufangen schien, so dass die Halle hell erleuchtet war. Was Balgirs Aufmerksamkeit jedoch am meisten auf sich lenkte, war ein rundes Becken in der Mitte und damit am tiefsten Punkt der Halle. Es hatte einen Durchmesser von ungefähr zwei Metern und war mit einer hellblauen Flüssigkeit gefüllt. Als sie näherkamen, bemerkte Balgir die Wärme, die davon ausging.
„Es ist niemand hier.", sagte Cian und setzte sich auf die unterste Stufe vor das Becken. Es hielt die Hände ausgestreckt über die blaue Flüssigkeit.
Umbra ließ sich neben ihn sinken und tat es ihm gleich.
Da leuchtete Balgir es ein. Das musste flüssiges Feuer sein. Er hatte davon gehört, aber hatte es noch nie zu Gesicht bekommen. Zu dem Schrecken beider Elfen, streckte er die Hand aus und legte sie in das flüssige Blau. Sofort erschienen auf der Oberfläche die kleinen blauen Flammen.
„Bist du wahnsinnig?", fragte Umbra erschrocken und wollte nach Balgirs Arm greifen, doch Cian legte ihr beschwichtigend die Hand auf die Schulter.
„Das macht ihm doch nichts aus.", erklärte er, obwohl er gerade selbst noch zusammengezuckt war.
„Ist das hier eine Art Versammlungsraum?", fragte Balgir.
„Ja, normalerweise sind hier immer mindestens fünfzig Leute, wenn nicht sogar doppelt so viele. Das flüssige Feuer reguliert die Wärme in dem Raum.", antwortete Cian. „Aber es ist niemand hier..."
Sie schwiegen wieder.
Balgir nahm seine Hand aus dem Feuer und sah sich wieder in der Halle um.
Das grüne Licht begann langsam schwächer zu werden. Der Tag neigte sich seinem Ende zu und auf den Gesichtern seiner Gefährten sah er Sorge und Müdigkeit.
„Lasst uns morgen suchen.", schlug er vor, obwohl er das Gefühl hatte, als ob er hier nichts mitzureden hatte. „Ihr seid sicher auch müde, immerhin seid ihr beide schon Tagelang unterwegs. Suchen wir uns einen Platz zum Schlafen und Essen."
Zu seiner Überraschung stimmten sie zu und sie fanden schnell ein ‚Offenes Haus' (So wurden die Häuser genannt, die von allen genutzt werden können). Umbra versorgte sie mit Snacks und sie tranken Tee aus Kali-Bohnen, der gar nicht so schlecht schmeckte.
Balgir blieb etwas länger wach als die beiden Elfen. Das Rauschen der Blätter drang in seinen Kopf ein und ließ ihn nicht mehr los. Genau wie diese eine Erkenntnis: Seit sie den Wald betreten hatten, hatte er kein einziges Lebewesen gesehen. Nicht einmal ein Insekt hatte seinen Weg gekreuzt. Bis er schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel und von tiefen Schluchten und ausgestorbenen Städten träumte.
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