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Entsetzt blickte Jonathan von dem Magazin auf. „Ich habe niemandem etwas erzählt", entrüstete er sich. „Ich meine, der Artikel sagt ja nichts Negatives aus. Er räumt sogar alle Unklarheiten aus, ja, er widerlegt alle Argumente von Charlene May. Der Artikel ist einfach perfekt! Tut mir leid, Billi, dass du ihn nicht geschrieben hast."
Aber Billi schien sich nicht im Geringsten darüber aufzuregen. „Wer sollte ihn denn sonst geschrieben haben?", fragte er Jonathan mit einem Glitzern in seinen katzengrünen Augen. Jonathan blätterte und sah nach. „Rob Glimpelli, steht hier... warte." Jonathan sah Billi prüfend an, der ihm mit einem verschmitzten Lächeln zunickte. „Du bist Rob Glimpelli!"
„Ein Pseudonym, das ich mir für diesen Artikel zugelegt habe. Es ist ein Anagramm. Ich bin ja gespannt, was unsere liebe Charlene dazu sagen wird, wenn sie das liest."

Hier, meine aufmerksamen Leser und Leserinnen möchte ich noch kurz erklären, was ein Anagramm ist. Kurz bevor ich die Entdeckung dieser genialen Buchstabenspielerei patentieren lassen konnte, wurde diese in verschiedenen Kinderspielen vermarktet.

Definition Anagramm (von Gilber Pollim):
Ein Anagramm ist die Bezeichnung für eine Buchstabenspielerei, welche alle Buchstaben eines Wortes durcheinanderwürfelt, um dann wieder zusammengesetzt eine neue Wortschöpfung, welche auch über mehrere Wörter verlaufen kann, zusammensetzt, damit man dann verschiedene neue Bedeutungen in seiner Gesamtheit erfindet.

Jonathan lächelte. Aber eine Frage brannte ihm noch auf der Zunge: „Du Billi", fing er zögerlich an. Er kritisierte seinen Manager nicht gern, besonders, da dieser am Ende sowieso immer recht behielt. „Wegen dem Schatz... das exklusive Bildmaterial... du hast es doch nicht aus dem Internet?"
„Wie kommst du denn darauf?" Billi gab sich entrüstet. „Wenn ich es aus dem Internet hätte, hätte ich wohl die Quelle angeben müssen, nicht wahr?"
„Aber du warst doch nicht etwa in der Höhle und hast den Schatz mit eigenen Augen gesehen und fotografiert?" Jonathan wusste selbst nicht recht, warum er flüsterte.
„Aber natürlich", antwortete Billi selbstverständlich. „Ich weiss nicht, warum dich das so wundert."
„Aber das kann nicht sein!"
„Warum denn nicht? Weil du nichts davon mitbekommen hast? Du warst arbeiten und ich habe die Zeit genutzt."
„Nein... ich meine... wo hast du den Schatz gefunden?"
„Na in den Bergen."

"Billi." Jonathan war zutiefst verunsichert. Hatte er es geschafft, Billi unwissentlich zu einem Schatz zu führen? „Ich habe gar nie einen Schatz gefunden." Zuvor hatte er sich erregt erhoben, nun setzte er sich niedergeschlagen auf einen Stuhl.
„Ich habe die ganze Geschichte nur erfunden um... nun ja, etwas Aufmerksamkeit zu erhalten. Es tut mir leid. Dass ich dich unwillentlich tatsächlich zu einem Schatz geführt habe, muss unglaublicher Zufall gewesen sein. Ich möchte, dass er dir gehört. Du hast alles für mich getan, dabei habe ich dich nur belogen. Das war nicht richtig, und es tut mir aufrichtig leid, ich..." Jonathan stand auf, nahm seine Jacke vom Kleiderbügel und wollte gehen, aber Billi hielt ihn auf.

Ode an die Ehrlichkeit

Oh Ehrlichkeit,
Du vergessene Tugend
Schwester der Wahrheit
wir wollen dich verehren
in unsern Herzen mehren

ihr bösen Lügen,
verlogenes Betrügen
verbannt sollt ihr sein
auf Erden sei eitel Sonnenschein

Diese von mir verfasste Ode war für den Pulitzer-Preis, dem bedeutendsten Journalistenpreis, nominiert. Doch korrupte Neider haben verhindern können, dass ich diesen gewann.
Dennoch wird die Bedeutung meines Kunstwerks demnächst honoriert. Die Ode wird vertont und steht in der engeren Auswahl für die europäische Nationalhymne.

„Kommt nicht infrage!", sagte er. „Du hast mir nicht die Aufgabe gegeben: 'Bringe die Wahrheit ans Licht', sondern: 'Mach meine Geschichte publik'. Ich habe mich dafür entschieden, nicht nur deine Geschichte berühmt zu machen, sondern auch dich. Es wurde Zeit, dass du etwas aus deinem

Leben machst, Jonathan. Und ich stand dir als Berater zur Verfügung." Billi klopfte Jonathan ermunternd auf die Schulter. „Ich wusste von Anfang an, dass du dir das alles nur ausgedacht hast. Die Münze hast du bestimmt als Kind selber mal auf einer Schulreise gestanzt." Jonathan wusste gar nicht, was er sagen sollte. Pierre hatte ja von seinem Freund geschwärmt, aber so viel Grossmut hätte er nun doch keinem Menschen zugetraut. Billi holte zwei Gläser und eine Flasche Champagner hervor.
„Auf einen erfolgreichen Abschluss unserer Arbeit!"

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