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Jonathan las den Artikel mit gemischten Gefühlen. Er konnte die Genialität hinter Billi Grompels Arbeit nicht ganz erfassen.
„Der Artikel ist... gut." Billi zog seine Augenbraue hoch und sah Jonathan prüfend an. Jonathan fasste sich ein Herz. „Ich habe mir immer gewünscht, gute Ideen für einen Abenteuerroman zu haben, einen Kriminalroman oder einen Liebesroman. Aber alles was ich je auf Papier gebracht habe, war langweilig und durchschaubar. Du hast ein grosses Talent dafür Billi, aber es ist doch nicht die Wahrheit, die du in diesem Artikel geschrieben hast. Du hast... gelogen."
Billi lachte. „Gelogen, ja? Ich habe übertrieben und ausgeschmückt, das ist alles. Wenn du glaubst, dass alles, was in den Zeitungen steht, nichts als die pure Wahrheit ist, muss ich dich leider enttäuschen. Ich bin PR-Manager. Ich weiss, was wir brauchen, um gross rauszukommen. Ich wette mit dir: es vergeht keine Stunde mehr, bis du für die ersten Talkshows eingeladen wirst." Um seine Worte zu unterstreichen legte Billi Jonathans Handy auf den Tisch. Zwei Minuten später klingelte es bereits.
Dank der modernen Technologie sind wir heute überall vernetzt. So ist es nicht schwer, an vertrauliche Informationen jeder einzelnen Person zu gelangen. Obwohl Billi nirgends die Handynummer von Jonathan publiziert hatte, ruft bereits nach drei Minuten die erste Person an. Welche anderen Informationen von Jonathan sind denn noch an die Öffentlichkeit geraten?
Mir kann so etwas nicht passieren. Ich schreibe jede Seite meiner Bücher von Hand. Dazu habe ich extra einen goldenen Füllfederhalter mit Gravur anfertigen lassen. Meine Manuskripte befinden sich sicher in diversen Bankschliessfächern und werden durch von mir handverlesene Wachleute von einem Ort zum nächsten transportiert.
So bekommt jedes meiner Worte eine besondere Bedeutung, denn so wie die Originalseiten von Mozarts Werken und die Skizzen von Leonardo da Vinci werden auch meine handschriftlichen Notizen immer mehr an Wert gewinnen, was man ja von den Schriftzeichen, die durch eine Abfolge von Nullen und Einsen verarbeitet werden, nicht behaupten kann.
„Billi Grompel, PR-Manager und persönlicher Berater von Jonathan Müller, dem Finder eines alten Römerschatzes, Guten Tag."
Jonathan wurde sichtlich unwohl in seiner Haut, als er das Strahlen auf Billis Gesicht erblickte und hörte, wie er eindeutig einen Termin für ihn abmachte. Jonathan war kein grosser Redner, das wusste er. Und er konnte sich nicht vorstellen, zusätzlich noch eine masslos übertriebene Geschichte so glaubhaft darzustellen, wie Billi es zustande gebracht hatte. Billi legte auf und strahlte ihn freudig an.
„Billi...", druckste Jonathan herum, aber dieser brachte ihn mit einer Geste zum Verstummen. Einen Moment noch blickte Billi ihn breit grinsend an, dann endlich sprach er.
„Die Talkshows kannst du vergessen, mein Lieber", verkündete er, „wir machen jetzt Werbespots!"
Jonathan fiel die Kinnlade herunter. Damit hatte er nicht gerechnet.
Charlene May war nicht etwa wütend, als sie Billi Grompels Artikel durchgelesen hatte, nein, denn ihr war ein Einfall gekommen. Zuerst hatte sie sich über Billi geärgert. Er hatte ihren Artikel unglaubwürdig erscheinen lassen, er hatte sie auf der Aussichtsplattform an der Nase herumgeführt und – das war das Schlimmste – er war ihr zuvorgekommen und hatte Jonathan ihrem Einflussbereich entzogen. Aus Erfahrung wusste sie jedoch, dass Ärger ihre Kreativität einschränkte und so schluckte sie diesen hinunter.
Nachdem sie den Artikel ein zweites Mal gelesen hatte, entschloss sie sich dazu, selbst einen Artikel zu verfassen. Sie würde versuchen ihm ebenso einen Rückschlag zu versetzen, vielmehr noch, sie würde kritisch hinterfragen, was Billi Grompel da behauptete. Aber dafür brauchte sie diesen Koch, wie hiess er noch gleich? Ach ja, Pierre.
Die Spezialität in Pierres Restaurant ist Makrele à la forestière. Damit lockt er täglich sehr viele Gäste an, die diesen Gaumenschmaus ausprobieren möchten. Diese Kreation stammt ursprünglich von mir. In meinem Kochbuch „Gourmet – Feinschmeckerrezepte für Schlemmer" wurde dieses Rezept erstmals veröffentlicht. Da ich Ihnen aber nun schon einmal Appetit gemacht habe, werde ich Ihnen, lieber Freund und liebe Freundin der ausgefallenen Küche, dieses deliziöse Rezept hier exklusiv vorstellen:
Makrele à la forestière
Zutaten:
1 Makrele
200g frische Kiefernnadeln
50g Kaviar
25g Trüffel
36 frische Walderdbeeren
300ml Weisswein
Gewürze
Zubereitung:
• Kaviar und Trüffel kurz in der Pfanne anbraten und anschliessend mit 300 ml Weisswein ablöschen.
• Die Kiefernnadeln hinzufügen und alles während 30 Minuten bei geringer Hitze köcheln lassen. Gelegentlich umrühren.
• In der Zwischenzeit die Makrele putzen und nach Geschmack würzen.
• Öl in einer Pfanne erhitzen und die Makrele von allen Seiten goldbraun anbraten.
• Die Erdbeeren waschen.
• Nun die Makrele auf einem Teller anrichten und mit der Sauce aus Trüffeln, Kaviar und Kiefernnadeln servieren. Die Erdbeeren werden zur Dekoration symmetrisch auf dem Teller arrangiert.
• Dazu passen Kartoffeln oder Pommes Frites.
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