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Da fällt mir gerade ein, dass ich ein Buch mit dem Titel „Als Kameramann an der Eiger-Nordwand" verfasst habe. Natürlich ist es eine Autobiografie. Sie, liebe Leserin, lieber Leser werden sich sicherlich an die spektakuläre Bezwingung der Eiger-Nordwand erinnern.
Im Jahr 1999 wurde vom Schweizer Fernsehen die Sendung „Eiger-Nordwand live" produziert. Dazu wurden natürlich auch Kameras gebraucht, die die Bergsteiger aus verschiedenen Winkeln filmten. Ich möchte Ihnen einen kurzen Auszug aus meinem Buch nicht vorenthalten.
Das Wetter war unberechenbar. Nun waren wir schon seit 25 Stunden unterwegs und Ralf, Evi und die andern beiden waren allmählich am Ende ihrer Kräfte. Für diesen nun schweren Aufstieg wollte ich die Bergsteiger in einem spitzen Winkel von oben herab filmen. Also schnallte ich mir hurtig meine 5kg schwere Kamera auf den Rücken und kletterte voraus. Das Gefährlichste an der Sache war, dass ich ohne Seil hinaufklettern musste. Als Kameramann stand es mir nicht zu, mich als Bergsteiger zu präsentieren (obwohl ich ohne Zweifel den grössten Teil geleistet habe) und hätte ich mich an einem Seil festgemacht, wäre auf den Aufnahmen erkennbar gewesen, dass die vier Helden durch einen Unbekannten übertroffen worden waren.
Es war schwer, gleichzeitig einen sicheren Stand und eine gute Kameraposition zu finden. Aber ich liess nichts unversucht. Nach einer Weile kam mir die rettende Idee: Ich hakte mich mit den Füssen in eine Spalte ein und liess mich kopfüber hinunterhängen. So hatte ich genügend Bewegungsfreiheit, um die historischen Aufnahmen, die um die ganze Welt gingen, durchzuführen.
Billi hatte natürlich festgestellt, dass sie verfolgt worden waren. Charlene May hatte sich aber auch wirklich nicht gerade unauffällig verhalten. Obwohl sie immer wieder versuchte, ein oder zwei Autos zwischen ihrem und dem Wagen von Billi zu lassen, war sie Billi schon nach einer kurzen Wegstrecke aufgefallen. Er hätte sie mühelos abhängen können, aber das Katz-und-Maus-Spiel gefiel ihm ganz gut.
Billi machte sich auf den Weg und Jonathan folgte ihm mit einigem Abstand. Er fiel immer weiter zurück. „Billi", setzte er an, „ich habe dir doch gar nicht erzählt, wo ich den Schatz gefunden habe. Was machen wir denn hier?"
Billi drehte sich um. „Fotos", sagte er unbeeindruckt. „Es stimmt, du hast mir den Fundort nicht genannt, aber ich bin ein Meister darin, an Informationen zu gelangen." Billi lief weiter. „Du hast mir mehr mitgeteilt, als du dir vorstellen kannst, mein Lieber. Hier ist eine gute Stelle." Er zeigte auf eine Baumgruppe. Weiter hinten war eine schöne Berglandschaft zu sehen. Er bedeutete Jonathan, sich vor die Baumgruppe zu stellen, zog seine Kamera hervor und schoss einige Fotos.
Jonathan war ziemlich ausser Atem, als sie die Raststätte erreichten. Charlene May war mit der Seilbahn hinaufgefahren. Sie ärgerte sich, hochhackige Schuhe angezogen zu haben, denn so würde es schwieriger sein, Jonathan Müller zum Schatz zu folgen. Charlene hatte sich an einen Tisch auf der Aussichtsplattform gesetzt und hielt sich nun hinter einer Zeitung versteckt. Billi erkannte sie an ihren Schuhen und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Er bestellte zwei Bier und verkündete dann laut: „Jonathan, ich schlage vor, wir lassen das mit dem Schatz. Wir sind beide ziemlich müde und ganz ungefährlich ist es auch nicht. Ich nehme nicht an, dass du alle Schlangen vertreiben konntest. Ausserdem wird es neben dieser einen Falltür, durch die du gefallen bist, bestimmt noch weitere Sicherheitsmassnahmen geben und auf so etwas sind wir nicht vorbereitet. Wir schicken doch lieber ein Team mit Spezialisten dorthin." Jonathan sah Billi verwirrt an. „Aber wir reden besser nicht weiter in der Öffentlichkeit darüber, man kann ja nie wissen, wer uns zuhört", fügte Billi hinzu.
Im Auto erzählte Billi Jonathan von der Verfolgung. „Du musst dich in Acht nehmen", sagte er. „Du sprichst mit niemandem von der Presse, wenn es nicht von mir eingefädelt wurde. Das ist mein Auftrag. Und ich will nicht, dass jemand anderes ihn übernimmt. Die Goldmünze hast du dabei, nehme ich an." Jonathan bejahte. Billi fuhr zu einem schmucken Haus, das sich als sein Eigentum herausstellte.
„Ich möchte, dass du einige Tage hier wohnst", ordnete Billi an. „So bist du erst einmal in Sicherheit vor der Presse. Brauchst du dein Handy?" Jonathan schüttelte den Kopf. „Dann gibst du es mir, ich werde deine Anrufe beantworten." Er nahm das Handy und verstaute es in seiner Tasche.
„Morgen", sagte Billi mit Genugtuung, „Morgen wirst du gross rauskommen. Der Artikel ist schon fast fertig. Lass dich überraschen." Ein Funkeln lag in Billis Augen, als er Jonathan zuzwinkerte.
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