Runde 3, Tag 5

Malin fragte sich, ob sie jetzt wohl bestraft wurde, weil sie vor dem Kampf geflüchtet war.
Aber sie hatte nicht anders gekonnt, Alex tot am Boden und Maxi trotz dieser Wunde eine Bestie.
Wie hatte er die Wunde zwischen den Rippen verkraften können? Oder war er inzwischen daran gestorben?
Dann wäre Robin alleine.
Malin fragte sich, ob es erlaubt war erneut ein Team zu bilden, wenn sein Partner tot war.
Wie auch immer, sie war lieber alleine als mit Robin.
Er war ihr in der letzten Runde nicht sehr lieb vorgekommen. Vielleicht mochten sie sich einfach gegenseitig nicht.
Malin verschränkte die Arme um ihren Körper ein bisschen mehr von dem kalten Wind abzuschirmen, der dunkle Wolken vom Meer Richtung Land trieb.
Regen, schon wieder Regen.
Sie war alleine, unbewaffnet und der Natur und den anderen Teams ausgeliefert.
Scheiße gelaufen.
Diese Runde würde sie nicht überleben, wie konnte sie das auch nur hoffen.
Der Wind wurde immer stärker, riss an ihren Haaren und an ihrer Kleidung.
Malin biss sich auf Lippe um nicht vor Wut zu schreien oder zu weinen.
Der Wind stachelte sie auf, ließ sie zornig werden.
Zornig auf diese schreckliche Welt, auf diese schrecklichen Menschen die sie dazu zwangen.
Auf einem der höheren Hügel blieb sie schließlich stehen.
Sie war nicht weit vom Wald entfernt. Dort würde sie sicher Waffen finden und bestimmt auch ein besseres Versteck als hier in den Hügeln und zudem Schutz vor dem Wetter.
Also machte sie sich auf den Weg in den Wald, nahm die Wut mit, die Wut auf etwas Unveränderbares.
Sie hätte sich wieder beruhigt, ganz sicher hätte sie sich beruhigt. Und niemandem wäre etwas geschehen.
Aber das konnte Samuel nicht wissen, als er ihr gegenüber stand.
Die hübsche, schwache Malin, was konnte er schon verlieren.
Malin schlug ihn nieder, trat ihn, biss ihn, wollte nur Schmerzen zufügen ließ all ihre Wut aus.
Totschlag nannte man das.
Samuel schrie, der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen, sein gebrochener Arm brüllte vor Schmerz doch als sein Genick mit einem Knacken brach, hörte er auf.
Malin stand alleine im Wald, zu ihren Füßen eine Leiche.
Und keinen Moment später war Ari da.
"Samuel...", murmelte er und starrte in die glanzlosen Augen seines Partners.
Und wieder drehte Malin sich um, rannte feige davon.
Sie hörte Ari hinter sich, spürte plötzlich das Gewissen und die Erkenntnis, dass sie einen Menschen ermordet hatte, weil sie wütend war.
Ausgerechnet Samuel, den liebenswürdigen, nachdenklichen jungen Mann.
Malin rannte immer schneller, versuchte nicht nur vor Ari zu fliehen, sondern auch vor sich selbst und ihrer Tat.
Er war knapp hinter ihr, so knapp, dass sie etwas gefährliches wagte.
Sie fuhr herum und schlug ihm ins Gesicht.
Schmerz schoss durch ihre Hand, Blut aus Aris Nase.
Der junge Mann taumelte zurück, während Malin keuchend vor ihm stand, sich die Hand rieb.
Ari richtete sich langsam wieder auf.
Sein schwarzes Haar war zerzaust, der Mund stand ihm leicht offen und rotes Blut färbte seine Oberlippe und Nase.
Malin wollte wieder auf ihn losgehen, doch er packte sie an beiden Handgelenken.
Stumm standen die beiden sich gegenüber, rangen schweigend und ohne sich aus den Augen zu lassen.
"Mörder!", fauchte Malin.
Ari zerrte sie zu sich, drehte ihr die Handgelenke auf den Rücken. Eng aneinander gepresst standen sie da, Malin unfähig irgendwas zu tun.
Ihre Gesichter waren nur Zentimeter von einander entfernt.
"Selber.", sagte Ari kalt.
"Das war nicht dein erster Mord oder?"
Malin schwieg und zerrte an ihren Handgelenken, was sie nur noch enger an Aris kräftigen Körper drückte. Sie versuchte ruhig zu atmen, nicht wegen seine Nähe oder seiner Frage nervös zu werden.
"Sag es.", knurrte er.
"Luis!", fauchte sie schließlich. Ari starrte sie an.
"Du hast ihm die Kehle aufgeschnitten!" Malin gab einen zornigen Laut von sich.
"Du warst auch nicht besser!"
Ari schüttelte den Kopf.
"Ich war ehrlicher!"
Malin hielt abrupt inne und sah ihn an. Sie war so verzweifelt wegen ihrer Tat, wegen ihm und wegen des Spiels...vor allem aber wegen ihrer Gefühle.
Dann, ehe er sich versah, überbrückte sie die wenigen Zentimeter und küsste ihn.
Seine Lippen waren warm und trocken, sie schmeckte sein Blut. Malin war sich sicher, dass sich nie etwas so falsch und so schön anfühlen könnte. Und so unecht.
Ari war derart überrascht, dass er sie los ließ.
Sofort fuhr Malin herum und rannte erneut fort.
Fort von Ari, Samuel, der Wahrheit und ihr selbst.
Ari folgte ihr nicht und sie war unendlich froh.
Sie rannte solange, bis sie nicht mehr konnte und selbst dann redete sie sich noch ein, dass der Kuss nur für die Flucht gedacht war. Sie log sich selber an, aber inzwischen war ihr alles lieber, als die Wahrheit.
Ob sie etwas für Ari oder Tim empfand war doch völlig egal, hiernach würde sie sowieso sterben, ein für alle mal.
Und doch konnte sie das Gefühl seiner Lippen nicht vergessen, egal wie virtuell es war.

Es war etwa Mittag, dass schätzte Robin zumindest Angesicht der Zeit die er nun schon wach war. Er hatte eng bei Maxi gesessen und immer wieder nach seiner Wunde und seinem Puls getastet.
Und endlich regte sich der junge Mann nun.
„Maxi?!" Mit einem Stöhnen setzte sein Partner sich auf. Er fasste sich kurz an den Kopf und sah sich dann um.
„Du lebst?", fragte der Tiger schließlich und sah sich nach Malins Leiche um - erfolglos.
„Ja. Als ich nichts mehr gehört habe und du nicht kamst, hab ich dich gesucht. Malin war nicht da, nur und Alex du.", erzählte er. Maxi stöhnte leise und fuhr sich durch das Haar.
„Du hast meine Wunde verbunden." Robin nickte. „So gut es als Blinder eben geht." Maxi lächelte schwach.
„Ich bin froh, dass du lebst." Der Tiger lachte leise. „Ich lasse dich doch nicht im Stich, Blinder." Robin streckte die Hand aus und drückte leicht Maxis Arm.
Der rothaarige Mann erhob sich und zog auch Robin auf die Füße. Dann sammelte er den Baseballschläger ein und setzte sich in Bewegung. Diesmal war es Robin der Maxi stützte.
„Wir müssen nicht weit laufen, du musst dich ausruhen."
Maxi schnaubte nur und lief weiter. Robin war zwar etwas besorgt, stützte ihn aber weiterhin.
Die Hügel wurden immer kleiner und schließlich hörte Robin das Meer rauschen. Ob das eine Einbildung war?
Er fragte nicht, überließ Maxi weiterhin die Führung. Dann ging es plötzlich sehr steil bergab und als sie unten ankamen spürte Robin den weichen Sand unter den Schuhen.
„Was willst du hier?", fragte Robin leise.
Maxi ließ sich mit einem Ächzen in den Sand sinken.
„Eine Höhle zum Verstecken und Erholen. Oder zum Sterben. Außerdem finden wir vielleicht Kisten mit nützlichen Dingen." Obwohl Maxi es nicht zugab, hörte Robin die Schmerzen und die Erschöpfung aus seiner Stimme heraus.
Es konnte nicht gut gehen. Bis zum Ende der Runde würden sie es niemals aushalten, Robin blind, Maxi verletzt. Wohin sollten sie? Der junge Mann musste sich eingestehen, dass es vermutlich besser gewesen wäre, wenn Maxi gestorben und Robin von Malin getötet worden wäre.
Doch so war es nun mal nicht gekommen und das Team musste nun selbst schauen wie es seine Probleme lösen konnte.
Robin ließ sich neben Maxi auf den Boden fallen.
„Du hältst ziemlich viel aus Tiger.", gestand er und nannte seinen Partner damit das erste mal Tiger. Maxi grinste.
„Was mich nicht tötet, macht mich nur stärker." Robin lehnte sich gegen den harten Fels hinter sich. „Hoffen wir es. Das wäre doch eine Story...der verletzte Tiger wird trotzdem zum König der Runde." Er konnte es zwar nicht sehen, aber Maxi verdrehte die Augen.
Sie schwiegen eine Weile und lauschten dem beständigen Rauschen des Meeres, welches, Robins Meinung nach, zu gleichmäßig klang.
Der Stein bohrte sich in seinen Rücken, doch er ignoriert  es.
Seine Gedanken wanderten, weit in die Zukunft, in eine Wunschzukunft.
"Wenn du hier je rauskommen würdest...wohin würdest du gehen?"
Maxi seufzte leise und überlegte.
"Vielleicht ins Ausland. Deutschland hat mir nichts mehr zu bieten. Und du?"
Robin zuckte mit den Schultern.
"Weiß nicht. Vielleicht in meine Werkstatt. Weitermachen als wäre nichts gewesen."
Maxi nickte bedächtig.
"So wie du...ich lasse das Leben an mir vorbeiziehen, es hat mir nichts mehr zu bieten."
Sein Partner lachte freudlos.
"Schau was dieses Projekt aus uns macht. Alte Wracks am Meeresboden die in aller Dunkelheit vor sich hin zerfallen."
Robin schluckte und regte sich unwohl.
Maxi hatte Recht. Von ihrem Verstand würde nichts mehr übrig sein, einzig ihre Körper die seelenlos durch die Welt liefen und auf den Tod warteten.

Seit dem letzten Abend war Paul sehr wachsam gewesen, hatte sich ständig umgesehen und war ein paar Mal zusammengezuckt.
Doch er schrieb nichts in die Erde auf dem Boden, teilte Yannik nichts mehr mit.
Der junge Mann wusste nicht ob ihn das beruhigen sollte, aber er fragte auch nicht nach.
Gefangen mit seinen Gedanken und damit beschäftigt Paul nicht aus den Augen zu verlieren, hatte er genug zu tun.
Taub sein war schrecklich, aber das verstand man erst, wenn man es selbst erlebte.
Blind sein war bestimmt auch nicht besser und daher war Yannik froh wenigstens noch zu sehen. Vielleicht waren wirklich nur seine Kopfhörer herausgefallen oder abgeschalten, es war erst Tag 5, die Spielemacher würden ihm sicher dabei helfen.
Oder?
Ihm fiel auf, dass noch fünf weitere Tage bevor standen und nur ein Team gewinnen wollte.
Yannik versuchte ständig an Saras Worte aus der ersten Runde zu denken, doch sterben war nun mal nicht einfach.
Außerdem trafen sie eh kaum auf Teams, dass einzige welches ihnen begegnet war, hatten sie getötet.
Plötzlich blieb Yannik wie erstarrt stehe, genauso Paul.
Vor ihnen war eine Lichtung und darauf bewegten sich seltsame Kreaturen.
Sie sahen aus wie Wölfe, das Fell schwarz. Doch sie waren viel hässlicher, hatten winzige Augen und ein so gewaltiges Maul, dass sie es nicht schließen konnten.
Die fünf Biester drehten langsam die Köpfe zu ihnen und Yannik atmete flach und schnell.
Er regte sich kein Stück, genauso wenig wie Paul.
Stumm betete er zu irgendwem nicht zerfleischt zu werden.
Der Irgendwer schien ihn auch zu erhören, denn die sabbernden Biester drehten sich weg.
Seltsame vibrierende Stachel auf ihrem Rücken kamen zum Vorschein, als sie sich in Bewegung setzten. Yannik fragte sich, welcher kranke Mensch auf so eine gestörte Mutation kommen konnte.
Die Biester legten den Kopf in den Nacken und rannten los.
Paul presste sich die Hände auf die Ohren und ausnahmsweise war Yannik froh taub zu sein.
Langsam drehte sein Partner sich um und die beiden sahen sich kurz an.
Yannik wusste ganz genau, weshalb die Mutanten sie nicht angegriffen hatten.
An unseren Händen klebt schon Blut.
Und jetzt rannten sie um die restlichen Spieler aufzuhetzen oder anzugreifen.
Yannik taten jene Leid, die es mit den drei Mutanten aufnehmen mussten.
Dabei hatte er keine Ahnung, dass es noch schlimmer kommen konnte.
Paul setzte sich langsam wieder in Bewegung und änderte rasch die Richtung.
In seinem Gesicht stand ein fürchterlicher Schreck geschrieben.
Doch Yannik ging nicht zu ihm, hielt sich nach wie vor von seinem Partner fern.
Er wollte Paul nicht trösten. Und vielleicht wollte Paul das auch nicht.
Schweigend gingen sie weiter, was daran lag, dass Yannik nicht zu einer Konversation fähig war.
Für Ausstehende schien ihre Situation wohl langweilig, aber dies war sie nicht.
Sie musste Menschen töten und wurden von Monstern gejagt.
Kein Verstand überstand so etwas unbeschadet.
Und Yannik fürchtete sich beinahe vor dem Aufwachen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top