Runde 1, Tag 4

Gestern Abend waren noch kurz Ovid, Malin und Samuel hereingekommen um Ari Gute Besserung zu wünschen. Die anderen hatten ihm die Ruhe gegönnt.
Am nächsten Morgen ging es ihm besser. Nur sein Arm schmerzte noch leicht und er hatte schwaches Kopfweh.
Heute musste er vorsichtig sein. Unbedingt. Wer auch immer sein Mörder war, konnte die Schwäche nutzen.
Als er sein Zimmer verließ war der Gang leer. Im ganzen Haus war es ruhig. Ari zog sich rasch seine Jacke über und ging nach draußen.
Maxi und Felix saßen auf den Schaukeln und unterhielten sich. Luis saß in eine Decke gewickelt auf der Veranda. Ari überlegte kurz, dann ging er zu Luis. Er musste zugeben, dass er sich vor Maxi fürchtete. Es war seltsam, er war schließlich ein Junge wie alle anderen auch. Und trotzdem umschwebte ihn eine düstere, unsympathische Aura. Felix war bestimmt ganz nett...aber so ruhig und zurückhaltend.
"Hey Mann.", sagte Ari und ließ sich neben Luis in einen Schaukelstuhl fallen. Das Holz war kalt und hart.
"Es gewittert heute bestimmt.", war Luis Antwort.
Ari sah in den immer noch wolkenverhangenen Himmel.
Der kalte Wind fuhr über den Boden und wirbelte Blätter auf.
Seit ihrer Ankunft in Valos war es bewölkt.
"Super Wetter für die Stimmung hier.", meinte Ari leise.
Luis nickte kaum merklich zu Maxi und Felix hinüber.
"Was hältst du von den beiden?"
Ari sah aus dem Augenwinkel zu ihnen herüber. "Glaubst du Maxi hat schon jemanden getötet?" Luis klang etwas besorgt.
"Ich glaube nicht. Das...das hätten wir sicher bemerkt. Er wirkt zu brutal um einen Mord leise und unbemerkt anzustellen. Du meinst wegen Paul?" Luis nickte leicht.
"Ich glaube...nicht. Er war es nicht. Ich denke Maximilian ist der Typ der warten kann, weil er weiß das sein Mörder ihn fürchtet. Und ganz am Ende wird alles Blut an seinen Finger kleben." Luis runzelte die Stirn.
"Du glaubst, dass er gewinnt?" Ari zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück.
"Es gibt nur zwei Menschen hier, die es meiner Meinung nach mit ihm aufnehmen könnten. Robin und Felix. Vielleicht auch Tim. Aber der wirkt noch zu nett."
Plötzlich musste Luis lächeln.
"Felix ist wie ein Kater. Leise, unbemerkt und lautlos. Aber wenn man ihm auf den Schwanz tritt fährt er die Krallen aus." Ari lachte. "Toller Vergleich."
Danach schwiegen sie. Ari fiel kein Thema mehr ein, deshalb richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Umgebung. Luis schwieg auch. Sie lauschten dem Wind. Die Welt um sie herum war grau. Sehr grau. Sie war wie die Welt dort draußen. Die Reale. Und das Spiel welches sie hier spielten...wurde dort draußen täglich gespielt. Nur ohne Zettel.
Schweigend saßen Luis und Ari da und sahen hinüber zu den Schaukeln, während ihre Gedanken ganz andere Bahnen zogen.

Maxis Gesicht war wie üblich größtenteils von seiner Kapuze verdeckt. Felix braune, aufmerksame Augen trafen für einen Moment Aris. Dann schweifte sein Blick weiter und blieb an Samuel hängen.
Der junge Mann kam gerade aus dem Wald, die Hände in den Taschen seiner Fußballjacke vergraben. Sein Blick war auf den Boden gerichtet.
"Ari...", sagte Luis plötzlich alarmiert. Doch dieser hatte es schon bemerkt. Felix Schaukel schwang leer vor und zurück.
Luis richtete sich etwas weiter auf. Die Decke rutschte von seinen Schultern.
Maxi sah zu ihnen herüber. Langsam schüttelte er unter der Kapuze den Kopf. Ari verstand.
"Luis, bleib sitzen. Lass es einfach."
Der Junge starrte ihn entsetzt an. "Nein! Bist du wahnsinnig?! Es sind schon genug gestorben."
Er sprang auf, die Decke rutschte auf den Boden. Samuel war inzwischen im Haus verschwunden, vermutlich um sich am Feuer aufzuwärmen.
Ari folgte Luis rasch und bemerkte aus dem Augenwinkel, dass auch Maxi seinen Platz verlassen hatte.
Im Haus war es warm und dunkel. Und still. Sehr still.
Luis ging schnellen Schrittes in den Gemeinschaftsraum.
"Samuel!" Dieser drehte sich rasch um. "Hey." Unwissend lächelte er zu den beiden.
Ari war insgeheim auch erleichtert, dass er Felix nicht sah.
"Alles okay Luis?" Luis nickte kurzerhand. "Dürfen wir uns zu dir gesellen?"
Ari wurde das Herz schwer. Luis machte alles noch schlimmer!
Samuel zuckte mit den Schultern und setzte gerade an zu antworten, als Ari es sah.
Ein Schatten an der Wand hinter dem Sessel.
Und als Samuel "Natürlich.", antwortete, wurde der Schatten zu Felix.
Er war wirklich so lautlos wie ein Kater, kam von hinten und riss Samuels Kopf zurück während er ihm den Mund zu hielt.
Im nächsten Moment sah Ari die Klinge im Schein des Feuers aufblitzen und dann gab es einen dumpfen Laut, als das Messer durch Samuels Rücken gerammt wurde. Dorthin wo sein Herz lag.
Luis wollte vorstürzen, den Mund im lautlosen Schrei, doch plötzlich war Maxi da, riss ihn am Arm zurück und warf ihn auf den Boden.
Langsam sackten Samuels Knie weg, seine Augen waren vor Schreck geweitet, aber kein Laut entwich ihnen, Felix hätte ihm nicht einmal den Mund zuhalten müssen. Und Ari konnte nur betäubt zuschauen.
Ein Stück der Klinge ragte aus der Brust des Sterbenden.
Samuel sank mit dem Gesicht zu Boden nieder, sein Atem ging schwach und rasselnd. Und kurz. Fast einen Moment später war er tot.
Ari stürzte an Maxi vorbei, stieß Felix zurück und sank neben Samuel auf die Knie.
Warum? Warum hatte er Alex töten können, aber um Samuel trauerte er schon fast?
Luis kam zu ihm, ließ sich in einen der Sessel sinken und vergrub das Gesicht in den Händen.
Felix verließ er den Raum, die eine Hand blutrot.
Maxi kam langsam zu Ari und Luis. Er kniete zu Samuels Füßen nieder.
"Weist du wo sein Zimmer ist?", fragte er leise. Ari sah langsam auf und nickte.
Mit zitternden Händen griff er Samuel unter die Arme und gemeinsam hoben sie ihn hoch.
Schweigend trugen sie ihn auf sein Zimmer. Ari legte ihm die Decke bis zur Hüfte.
Maxi hob Samuel vorsichtig an und zog das Messer aus seiner Brust. Etwas Blut sprudelte heraus.
Maxi wischte das Messer an der Decke ab und wollte es gerade einstecken, als Ari es ihm aus der Hand schlug.
"Bist du wahnsinnig?!", brüllte er. "Du bringst ihm das Messer nicht zurück, NIEMAND tut das!"
Maxi reagierte schneller als Ari lieb war. Er trat ihm die Beine weg, und verschränkte seinen schmerzenden Arm so sehr auf den Rücken, dass Ari schrie. Tränen schossen ihm in die Augen.
Maxi beugte sich vor bis an sein Ohr.
"Du stirbst noch früh genug. Mach dir keine Feinde Schönling."
Dann verschwand er.
Ari lag auf dem Boden, sein Arm brannte vor Schmerz. Er hatte recht gehabt. Maxi war brutal. Unendlich brutal.

Der Rest der Gruppe war gemeinsam auf einem Ausflug gewesen. Als sie zurück kamen reichte ein Blick in die Gesichter von Ari und Luis um alles zu verstehen.
"Wer?", fragte Yannik leise.
Ari schwieg und presste sich das Kühlpack auf den Arm.
Ovid dachte am schnellsten nach. "Samuel?", fragte er leise.
Ari senkte den Kopf und Luis wand den Blick ab.
"Wo ist er?", fragte Tim. Luis seufzte leise. "In seinem Zimmer."
Malin legte ihm eine Hand auf die Schulter.
"Da liegt er bequemer als Helene." Und damit ging sie.
Der Rest der Gruppe teilte sich auch auf, manche gingen auf die Zimmer, andere redeten und ein paar spielten gefundene Brettspiele. Als wäre nichts geschehen.
Luis blickte stur ins Feuer.
Seine Gedanken kreisten nicht um Samuel sondern um dessen Mörder. Felix. So lautlos, tödlich und unschockiert. Das schlimmste an ihm war; er war Luis Opfer.
Aber wie sollte dieser ihn umbringen? Felix war flink und bestimmt intelligenter.
Luis hatte kaum Chancen. Felix würde die Fallen wittern, die Angriffe überleben.
"Jeder Tod hier ist ein Schock." Sara setzte sich auf Luis Armlehne.
Der junge Mann nickte knapp und stand auf.
"Ich setzte mich draußen auf die Veranda.", murmelte er nur und verließ den vollen Gemeinschaftsraum. Sara sah ihm nach. In ihrem Blick lag Verständnis.

Der Wind war kalt, kein Vogel war zu hören. Die Dämmerung brach herein, doch es gab keinen Sonnenuntergang. Luis wickelte sich in seine Decke und setzte sich in den Schaukelstuhl.
Er hasste Felix für den hinterhältigen Mord. Er hasste Maxi für die Unterstützung dabei. Und er hasste Ari, weil er nur zugeschaut hatte.
Und trotzdem lag es nicht an den Personen. Es lag an dem verdammten Spiel, dass sie zwang so zu handeln. So grausam - so schrecklich.
Was Luis eigentlich hasste war Valos. Er hätte niemals das Angebot annehmen dürfen.
Niemand hier hätte es tun sollen.

Felix schlich den Gang entlang. Still und fast unsichtbar.
Lautlos öffnete er die Tür und trat in den Raum.
Samuels Augen waren geschlossen, die Decke bis zu seinen Hüften hochgezogen.
Felix mied den Blick in das Gesicht des Toten. Keine Emotionen! Mit zitternden Fingern kramte er in Samuels Hosentaschen. Nichts. Dann die Jackentaschen. Dort fand er endlich einen kleinen zerknitterten Zettel. Felix zog ihn heraus und trat an das Fenster um in dem schwachen Licht zu lesen. Als er ihn auseinander faltete, fiel ein zweiter Zettel zu Boden. Felix bückte sich und hob ihn auf.
Helene.
Helene war schon tot. Das war der alte Zettel. Er warf den Namen des Mädchens auf Samuels Bett zurück und schenkte dem anderen Zettel seine Aufmerksamkeit.
Ovid. Ovid war kleiner als Felix. Leichte Beute.
Was für kranke Gedanken.
Felix steckte den Zettel ein und zog seinen mit Samuels Namen darauf heraus.
Er warf ihn zu dem anderen Zettel aufs Bett.
Dann verließ er genauso lautlos wie er gekommen war das Zimmer des Toten.
Frische Luft. Er brauchte jetzt frische Luft. Seine Schritte wurden schneller, desto näher er dem Ausgang kam. Draußen wurde es langsam dunkel.
Felix holte erleichtert Luft.
Er beschloss eine Runde um das Haus zu drehen bevor er ins Bett ging. Bei seinem Rundweg kam er an der Veranda vorbei. In Saras Zimmer brannte kein Licht. Trotzdem konnte Felix erkennen, dass noch jemand im Schaukelstuhl davor saß.
Luis. Felix änderte seine Richtung und beschloss mit dem jungen Mann zu reden. Er war so entsetzt gewesen über Samuels Tod. Als er die Veranda betrat sah Luis immer noch nicht auf.
"Hallo." Keine Antwort. Luis Kinn lag auf seiner Brust. Vielleicht war er eingeschlafen. Felix konnte es nicht sehen.
Zögerlich beugte er sich vor und legte ihm eine Hand auf die Brust. Sie war nass.
Erschrocken zog 'der Kater' seine Hand zurück. Zögerlich betrachtete er sie. Ein metallischer Gestank ging davon aus. Felix wurde übel. Blut. Verdammtes Blut. Und schon wieder an seiner Hand!
Er drehte sich um und rannte über den weichen Waldboden zurück ins Haus.
Aufgebracht stürzte er in den Gemeinschaftsraum.
"Luis ist tot.", keuchte er. Ari fuhr aus seinem Sessel auf. Zorn brannte in seinem Gesicht.
"Hast du ihn auch getötet, weil er sich gegen dich gestellt hat?!"
Felix starrte ihn verwirrt an.
Ari stieß ihn heftig vor die Brust und Felix taumelte ein paar Schritte zurück.
"Nein! Ich hab ihn nicht getötet! Ich hab seinen verdammten Namenszettel nicht!"
Ari wollte erneut auf ihn losgehen, doch Robin ging dazwischen. Er drückte Ari sanft weg.
"Wir bringen ihn auf sein Zimmer.", sagte er sachlich.
Zusammen mit Felix verschwand er wieder nach draußen. Kaum das sie weg waren, bemerkte Ari, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Es war still.
Ari fluchte und verließ den Raum.
Er rempelte Maxi an, welcher im Türrahmen lehnte.
Dieser sah ihm mit regloser Miene nach, als er in seinem Zimmer verschwand.
Als Ari im Bett lag, galt sein letzter Gedanke dem Gespräch mit Luis bevor er einschlief. Luis war geduldig gewesen, sanft und freundlich. Nicht für einen Mord geschaffen. Sondern dafür, dass Opfer zu sein.

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