Maximilian

Name: Maximilian Lenk
Alter: 22
Eingewiesen wegen: Störung des Sozialverhaltens(?) (Deutliches Maß an Ungehorsam usw.), Trauma - vermutlich älter als Valos (Gefühlsemotionen stark eingeschränkt)

Was am Mittag in der Garage geschehen war, beschäftigte ihn ewig.
Ein Ausbruch an Gefühlen seinerseits, etwas, dass er sich verboten hatte, seit er 13 Jahre alt war. Und vor Robin war er eingeknickt wie ein schwaches Kleinkind.
Maxi war so aufgewühlt und unruhig, er tigerte den restlichen Tag herum, war mit den Händen immer irgendwo beschäftigt; an seiner Ausrüstung, dem Proviant oder ihrem Fluchtplan.
Er war wütend auf sich, verwirrt von seinen Gefühlen.
Erleichterung brachte schließlich der anbrechende Abend und die langsam untergehende Sonne.
Sie bedeutet den Startschuss für ihre Flucht in den bayrischen Wald.
Elliot versicherte ihnen, dass bisher alles gut gegangen war, er sein bestes geben würde, und die Flucht unbemerkt verlaufen würde.
Letztendlich war der Tag doch sehr schnell vergangen, war wie ein Film an ihm vorbeigezogen.
So zumindest empfand Maxi, als er endlich auf dem neuen Motorrad saß, einen großen Rucksack auf den Rücken geschnallt.
Er zog sich den Helm über den Kopf, verschloss ihn und sah zu Robin herüber.
Der half Sara gerade mit der Ausrüstung.
Die junge Frau war nervös, lächelte Maxi aber tapfer zu, bevor Robin ihr auf das Motorrad half und sich dann vor sie setzte.
Elliot zog an einer rostigen Kette das quietschenden Garagentor hoch.
"Ich schreibe dir, wenn etwas ist. Viel Erfolg."
Maxi nickte ihm stumm zu und das Motorrad unter ihm erwachte knurrend zum Leben.
Schon waren sie in die schwarze Nacht aufgebrochen, ließen Elliot und sein schäbiges Haus hinter sich.
Es kam Maxi wie eine Ewigkeit vor, bis sie sich durch das Gewirr der engen Straßen geschlängelt hatten und endlich auf die geteerte Autobahn kamen.
Hier, in der endlosen Schwärze der Nacht und der leeren Straße vor ihnen, auf der sie nur alle viertel Stunde Gegenverkehr hatten, konnte er sich endlich von seinen Gedanken befreien.
Die Maschine unter ihm vibrierte und knurrte, die Geschwindigkeit nahm zu und die schemenhaften Bäume am Straßenrand wurden zu einer einzigen dunklen Wand.
Robin war dicht hinter ihm, das Scheinwerferlicht kreuzte von hinten das seine und ließ die Lichtpfosten grell aufleuchten.
Das war die Freiheit, die sie sich so sehr in Valos ersehnt hatten, die Freiheit, die Maxi schon sein Leben lang besaß, aber sie nie als diese gesehen hatte - nicht bis er mit Sara und Robin auf dieser Landstraße fernab aller Sorgen und Probleme unterwegs war.
Natürlich konnte er sich für seinen Gefühlsausbruch hassen, aber andererseits hieß eben dieser, dass er noch fühlen konnte, dass er durch seine neugewonnen Freunde diese Eigenschaften wieder erlernt hatte.
Bei ihnen durfte er so sein wie er war, musste kein perfektes Modell des Systems sein.
Sara und Robin bedeuteten ihm etwas und sie konnten ihm die Freiheit zeigen, die er wirklich brauchte.
So wie die düsteren Bäume an ihm vorbeizogen, so zogen auch seine Gedanken vorbei.
Und trotz des dicken Helmes konnte er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder durchatmen.

Die Anzeige des Motorrads ließ 4:40 Uhr aufblinken, als sie von den großen Hauptstraßen auf die Landstraßen abbogen und von dort auf immer kleinere Wege, die schon sehr bald nur aus plattgetretenem Dreck bestanden. Mittlerweile hatten die Tiefen des schwarzen Waldes sie schon verschlungen, selbst das Licht der Scheinwerfer konnte nicht mehr als drei Meter Feldweg beleuchten.
Ab und zu waren Sterne durch das dichte Blätterdach zu sehen und wenn keine Wolke vor dem Mond hing, glänzten die Blätter silbrig in dessen Licht. Maxi musste sich sehr konzentrieren und hielt die Augen stets auf den Weg vor ihnen gerichtet. Die zwei Motorräder fuhren nicht mehr sehr schnell voran und der junge Mann hoffte inständig, sich nicht zu verfahren.
Um 5:15 Uhr wurde der Weg vor ihnen breiter und keine drei Minuten später ragte vor ihnen der düstere Schatten eines unbeleuchteten Hauses auf.
Maxi war unendlich erleichtert - nach Stunden des Fahrens und verdammt vielen Abbiegungen hatten sie ihr Ziel erreicht.
Er fuhr die letzten paar Meter zum Haus hinauf und das Licht seines Scheinwerfers erhellte eine Garage und den darin stehenden Jeep.
Maxi schwang sich von dem Motorrad und zog sich den Helm vom Kopf. Die kühle Nachtluft traf ihn einem Schlag gleich ins Gesicht und der eisige Wind trocknete seinen Schweiß. Neben ihm waren nun auch Robin und Sara angekommen und abgestiegen.
Ihre Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen.
"Woher kommt das Auto?", fragte Sara schließlich misstrauisch und deutete auf den Jeep, über dessen gefüllte Ladefläche sich eine Plane spannte.
"Keine Sorge, das Haus ist wirklich unbewohnt. Der Jeep hat eine Menge Lebensmittel und Haushaltsgeräte geladen, eben alles, was wir für Selbstversorgung brauchen.", beruhigte Maxi sie.
Robin gähnte.
"Es reicht aber auch, wenn wir das morgen verräumen?"
Maxi war noch überhaupt nicht müde, nickte aber.
"Klar. Nur die Schlafsäcke und Isomatten sollten wir jetzt mitnehmen."
Robin nickte und gemeinsam machten sie sich an der Plane zu schaffen.
Sara staunte, als sie sah was alles darunter lag.
"Wow...du bist echt gut vorbereitet."
Maxi grinste. "Na hoffentlich."
Die junge Frau lächelte fast schon erleichtert.
"Ich helfe Robin drinnen die...Schlafstätte aufzubauen."
Dem Wortlaut nach hatte sie noch nie außerhalb eines Bettes geschlafen.
Maxi zuckte kaum merklich mit den Schultern, sie würde sich daran gewöhnen müssen.
"Macht das. Ich stelle die Motorräder ab, dann komme ich nach."
Er half Robin und Sara so viel zu nehmen, wie sie tragen konnten und sah ihnen dann hinterher, als sie durch die Garage ins Innere des Hauses verschwanden, Robin schon leicht taumelnd vor Müdigkeit.
Maxi ließ sich Zeit damit, die Motorräder in der Garage zu verstauen ohne dabei mit dem Jeep zu kollidieren.
Er musste auch seine Gedanken sammeln, seine Gefühle unter Kontrolle bringen.
Er wusste nicht, was ihn die nächsten Tage erwarten würde, und sich das einzugestehen hasste er.
Wie würde es zwischen Robin und Sara weitergehen? Er war ja nicht blind und sah, dass da etwas lief, auch wenn er nicht genau wusste, was dieses "Etwas" war.
Und er selber?
Was war das gestern mit Robin?
Was hatte der Moment aus Runde 1, Tag 9 bedeutet?
Schließlich kam der Tiger nicht länger umhin das Haus zu betreten.
Mit einer Taschenlampe, die er aus dem Handschuhfach des Geländewagens gefischt hatte, leuchtete er sich seinen Weg und hoffte so zu laufen, dass er Robin und Sara fand.
Tatsächlich hatten es sich die beiden nicht umständlich gemacht.
Alle Türen im Flur zur Garage hin waren verschlossen - Maxi würde sie vielleicht am Nachmittag aufsperren - und so konnten die beiden nur die Treppe nach oben genommen haben.
Auch im ersten Stock waren die meisten Türen verschlossen und so war es nicht wunderlich, dass er seine beiden Gefährten im größten und offensten Raum des Hauses fand.
Hier war wohl einst der Aufenthaltsraum der Ranger gewesen. Große Fensterscheiben waren anstatt dreien der vier Wände eingelassen, durch die man einen weiten Blick auf den verwilderten Forst hatte.
Jetzt aber war es hier ziemlich dunkel, durch die Scheiben war nichts zu erkennen und nur der kleine, viereckige Lichtwürfel, den Robin mitsamt Isomatte und Schlafsack hochgebracht hatte, spendete Helligkeit.
Robin und Sara waren noch dabei die dritte Isomatte aufzublasen, als Maxi zu ihnen trat.
Sara blickte zu ihm auf.
"Das sind gute Schlafsäcke, du hast dir wirklich Gedanken gemacht."
Maxi ließ sich auf eine der zwei Isomatten fallen und zwinkerte ihr zu.
"Es klingt, als hältst du mich für jemanden, der nur halbe Sachen macht."
Er beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf die Knie. Er spürte Robins Blick und versuchte die aufkommende Nervosität zu unterdrücken.
"Ich sag dir was. Alles, was ich anfange, mache ich so gut und richtig wie es geht, denn sonst würde es sich nicht lohnen damit anzufangen."
Sara schmunzelte.
"Weise gesagt, alter Tiger."
Und doch schoss ihm selbst nun das Bild von Ari in den Kopf, wie er blutüberströmt unter ihm lag, unfähig sich zu wehren.
Maxi schüttelte leicht den Kopf und versuchte den Ekel, den er plötzlich von sich selbst empfand abzuschütteln.
Aber Sünden konnte man nicht durch ein Kopfschütteln beseitigen.
Maxi sah auf seine Hände, sah wie die Fingerspitzen leicht zitterten.
Als er den Kopf hob, hatte Sara sich schon längst den Schlafsäcken zugewandt, aber Robins Blick traf ihn wie ein brennender Pfeil mitten ins Herz.
Der junge Mann hatte ihn genau beobachtet.
Maxi wandte sich unter den blauen Augen und schloss rasch die Hände zu Fäusten.
"Morgen zeigst du uns das Haus und die Umgebung, okay?", fragte Sara plötzlich munter. Ihre anfängliche Unsicherheit zu der ganzen Sache schien verschwunden.
"Keine Sorge, wir haben noch viel Zeit.", murmelte Maxi. Sara zog ihre schwarze Sporttasche heran und kramte nach einem Nachthemd.
Maxi und Robin wandten sich ab und taten beschäftigt an ihren eigenen Sachen herum.
Schließlich setzte die junge Frau sich umgezogen auf den äußersten Schlafsack und löste ihren Zopf. Ihr braunes Haar ergoss sich wie ein Wasserfall auf ihre Schultern. Sie legte den Kopf schief und sah zu ihren beiden Kameraden.
"Ich weiß nicht, was hieraus wird, aus der Flucht, der Unterkunft...aber man muss ja nicht alles wissen."
Sie schwieg kurz.
"Danke Maxi, wirklich."
Der Tiger winkte ab.
"Ich bin froh, dass du hier bist."
Sie strahlte. "Ich auch. Gute Nacht."
Sie kroch in ihren Schlafsack und rollte sich darin zusammen.
Und schon schien sie verschwunden.
Robin streckte die Hand zum Lichtwürfel aus und dämmte die Helligkeit.
Maxi zog seinen eigenen Rucksack heran. Jedes Kleidungsstück war brandneu, seine alten Sachen waren zu kaputt, als dass er sie in diesem neuen Lebensabschnitt hatte sehen wollen.
Stumm zogen er und Robin sich um und legten sich dann auch in die Schlafsäcke.
Robin machte das Licht aus und bald darauf war nichts mehr zu hören, außer dem Atem der drei.
Ewigkeiten vergingen und Maxi konnte nicht einschlafen.
Er lauschte Saras gleichmäßigen Atemzügen und Robins eher unregelmäßigen neben sich.
Und als er schließlich doch kurz vor dem Einschlafen stand - der Horizont kündigte schon die Sonne an - ließ ihn ein Wort in der Stille zusammenzucken.
"Maxi."
Robin war wach.
Wieso war er wach, er war doch derjenige gewesen, der so müde war.
"Ja?", fragte Maxi leise zurück, aber seine Stimme brach und es war mehr ein Hauchen als ein Flüstern.
Er konnte den stechenden Blick der blauen Augen fast auf sich spüren.
Die Frage die daraufhin folgte, ließ sein Herz schneller schlagen und die Nervosität holte ihn wieder ein.
"Warum kämpfst du noch, wenn du doch schon längst gewonnen hast?"
Was wollte Robin ihm sagen?
Maxi starrte stur an die schwarze Decke, versuchte das Herzpochen zu ignorieren.
Was sollte er schon sagen? Sein ganzes Leben lang hatte er gekämpft, jeden Tag, jeden wachen Moment lang.
"Weil es sich nicht anfühlt, als hätte ich gewonnen."
Wieder herrschte Stille und als Maxi dachte, dass Robin schon wieder eingeschlafen war, griff dessen Hand nach seiner.
Diesmal war es wohl umgekehrt.
Robin verschränkte ihre Finger und Maxi schloss kurz die Augen und versuchte ruhig zu atmen und die Tränen, von denen er nicht wusste woher sie kamen, niederzukämpfen.
"Du hast gewonnen. Und wir sind hier, um dir das zu beweisen."
Und danach sagte Robin nichts mehr, zog aber auch nicht seine Hand zurück.
Irgendwann verriet sein gleichmäßiger Atem Maxi, dass er wieder eingeschlafen war.
Und endlich erlaubte der junge Mann sich auch die Augen zu schließen.
Und dabei löste sich aus seinem Augenwinkel eine einzige Träne, aber das war okay, weil Maxi jetzt wusste, dass ihn niemand mehr beobachtete.

Rising up
Back on the street
Did my time, took my chances
Went the distance now I'm back on my feet
Just a man and his will to survive
(Eye of the Tiger)

______________________________
Jetzt keine Panik auf der Titanic - die Fortsetzung folgt!
Das letzte Kapitel kommt am Mittwoch.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top