Ari

Name: Ari Narron
Alter:  22
Eingewiesen wegen:
-Verfolgungswahn oder Schizophrenie
-genauere Tests laufen noch

"Ari ich möchte, dass du mir die Wahrheit sagst."
Der junge Mann saß mit verschränkten Armen vor seiner Psychiaterin auf einem Stuhl.
"Hast du mit Paloma geschlafen?"
Ari starrte sie einen Moment verwirrt an.
"Warum...Nein!" Er wusste, dass das Mädchen Lügen erzählte, aber er hatte nicht gedacht, dass sie soweit ging.
Er zog ein verächtliches Gesicht.
"Ehrlich Celine, du weißt, dass sie lügt." Celine antwortete darauf nicht.
"Aber du bekommst...bestimmte Dinge von ihr." Diesmal schwieg Ari.
"So kann das nicht weiter gehen Ari."
Ich weiß.
Er wusste es, aber sie nicht. Sie konnte nicht wissen, wie es sich anfühlt irgendwo zwischen Realität und Halluzinationen zu schweben, jede Nacht kaum schlafen zu können und sich verfolgt zu fühlen.
Er brauchte die Nikotinpflaster und Kaugummis, es war ihm egal ob die Ärzte das anders sahen.
Seine Tabletten wirkten herzlich wenig.
"Möchtest du mit mir reden?"
Ja! Alles in ihm schrie danach endlich irgendwem vertrauen zu können, dennoch fiel es ihm so schwer.
"Ich habe Angst.", murmelte er schließlich, doch das brachte es auch nicht auf den Punkt.
"Wovor Ari?" Er zögerte.
"Ich...ich habe Angst, dass ich den Unterschied zwischen der Realität und den Wahnvorstellungen verliere."
Sie kamen ihm immer realistischer vor, immer brutaler und gruseliger.
Nach dem Ende des Projektes hatte es, wie Ari befürchtet hatte, nicht aufgehört.
Die Halluzinationen fingen erst richtig an.
Erst vor zwei Tagen hatte Alex im Speisesaal gestanden, ein Messer in der Hand und war langsam auf ihn zugekommen.
"Ich mag dich, wirklich."
Ari wollte nicht nochmal sterben, kein verdammtes drittes Mal.
"Wir versuchen dir zu helfen Ari."
Der junge Mann fuhr auf und schlug so heftig auf den Tisch, dass Celine zusammenzuckte.
"Das bringt mir aber nichts, wenn ihr es nur versucht und es nicht klappt!", brüllte er.
Dann stürmte er aus dem Zimmer, durch den Gang und in seinen eigenen Raum.
Auf dem Bett brach er zusammen, heftig zitternd.
Er wurde wahnsinnig, er wurde ein Psycho und alle Welt sah nur dabei zu.
Celine folgte ihm nicht. Er blieb alleine und war froh darüber.
Nach einer Weile erhob er sich vom Bett und trat ans Fenster.
Ari lehnte die Stirn gegen die kalte Scheibe und sah hinab in den Hof.
Die Psychiatrie war schön gestaltet und gut überwacht, dennoch wurde unter den Eingewiesenen "Handel" betrieben. Morphium, Nikotin und Schlafmittel waren die beliebteste Ware.
Ari wusste nicht woher Paloma das Zeug hatte, er wollte es auch gar nicht wissen.
Die junge Frau war wegen einer Störung des Sozialverhaltens eingewiesen worden. Das hatte zu einem Mordversuch an ihrem Ex geführt. Ihr Zustand hatte sich gut verbessert und sie sollte in einem halben Jahr entlassen werden. Damit würde eine der größten Dealer der Psychiatrie verschwinden, aber das interessierte Ari wenig. Er würde neue Personen finden, wenn nötig.
Paloma mochte ihn, dass wusste er ziemlich gut.
Sie war aber eine der wenigen.
Als Ari einmal im Gemeinschaftsraum eine Halluzination hatte, waren 90% der Anwesenden vor ihm zurück geschreckt. Er gehörte zu den Schwierigen.
Und die Menschen erfuhren immer etwas, wenn sie es wissen wollte. Wahrscheinlich wusste die ganze Psychiatrie, dass er eine der Testpersonen von Valos gewesen war. Das Projekt VA01 war mittlerweile so bekannt, es gab keinen Deutschen mehr, der nicht davon wusste.
Dank Celine wurden die Theorien und zusätzlichen Gerüchte jedoch erstickt und um Ari herum war es ruhig geworden.
Er hatte zu genau drei Personen Kontakt; Paloma, Celine und Jakob. Jakob hatte Berührungsängste, sprach mit niemanden und bekam öfter Heulkrämpfe. Trotzdem mochte Ari ihn, denn er war still, behielt alles für sich und war ein friedlicher Mensch.
Ari war sogar einer der wenigen, denen Jakob zulächelte.
Oft spielten sie Schach. Ari war ein sehr unruhiger Spieler und Jakob gewann immer, trotzdem spielte der junge Mann mit seinem einzigen Freund.
Er wünschte sich Samuel her, doch als er Celine darauf angesprochen hatte, war er abgewiesen worden.
"In deinem Zustand solltest du nicht mit jemandem zusammentreffen der dich an Valos erinnert."
Ari dachte oft an Alex und Samuel. Und viel an Malin, viel zu viel.
Er hatte mit keinem von ihnen mehr sprechen können.
An diesem Abend brachte Celine ihm das Essen und sie aßen gemeinsam.
Sie war seine Unruhe gewohnt, sein Zappeln und ständiges Umhersehen.
Als sie geendet hatten stand Celine auf, öffnete seine Kommode, kramte darin herum und steckte dann das Nikotinzeug in ihre Tasche.
Ari sah sie gequält an.
"Wenn deine Medikamente nicht wirken, gehen wir morgen zum Arzt."
Er wollte nicht zum Arzt. Dieser schimpfte ihn dauernd, dass er aufhören sollte an seiner Unterlippe zu kauen. Sie war oft aufgeplatzt und blutete.
Celine setzte sich wieder ihm gegenüber.
"Du solltest wieder mit Sport anfangen." Ari nickte gehorsam.
Sie seufzte leise, er war heute nicht sehr gesprächig.
"Du sagst mir doch jedes Mal wenn du eine Halluzination hast?" Ari stützte sich am Tisch auf. "Immer.", sagte er leise.
Celine warf einen kurzen Blick auf ihre Tech-Uhr.
"Ich hab noch einen Termin, sei so gut und bleib auf deinem Zimmer."
Ari sah sie überrascht an.
"Jakob hatte heute eine Untersuchung, er wird nicht in den Gemeinschaftsraum kommen." Dann räumte sie ab und verließ sein Zimmer.
Ari seufzte leise.
Er hasste das ruhelose Umherwandern in seinem Zimmer, doch zu den anderen wollte er nicht.
Tisch, Kommode, Schrank, Bett und ein paar Bilder.
Das eine Bild zeigte eine Großstadt bei Nacht, das andere einen Hund neben einem Robot-Hund. Ari kannte jedes Detail auf den Bildern.
Digitale Bilderrahmen besser gesagt, auf die die Bilder produziert wurden. Im Schrank hatte er seine Klamotten, in der Kommode unnötigen Kram.
Eine Schachfigur, eine Landkarte von Amerika und Blöcke und Stifte.
Ari zeichnete nicht, er schrieb auch nicht.
Er setzte sich auf die Fensterbank und zog die Knie an.
Die Sonne sank in den Westen, die Nacht zog herauf und der halbe Mond wurde immer wieder von Wolken verdeckt.
Es musste spät in der Nacht sein, als Paloma die Tür öffnete und hereinkam.
Ari schwang sich von der Fensterbank und sah ihr stumm entgegen.
Sie legte ein paar Dinge auf den Tisch, neue Vorräte wie er wusste, und kam dann auf ihn zu.
Sie fuhr ihm kurz durch die schwarzen Haare, dann verweilte ihre Hand auf seiner Wange.
"Jakob liegt auf der Krankenstation.", sagte sie leise und drückte sich an ihn. Ari schwieg immer noch.
"Wollte sich wohl die Pulsader aufschneiden."
Sie lehnte ihre Stirn gegen seine und Ari konnte ihren Atem spüren.
"Die meisten Menschen wissen heutzutage gar nicht mehr wie das geht."
Natürlich. Kugel in den Mund ist auch viel leichter.
"Weißt du das ein Maschinengewehr 1200-1500 Schuss pro Minute abfeuert?", flüsterte sie und kicherte. "Und Menschen versuchen sich die Handgelenke aufzuschneiden. In den Krieg gehen, wäre schneller."
Als Ari ihr immer noch nicht antwortete begann sie ihn zu küssen, erst zärtlich, dann immer gieriger.
Der junge Mann erwiderte ihre Liebkosungen, doch seine Gefühle waren seltsam kalt.
Er empfand rein gar nichts für das junge Mädchen.
Bei Malin hatte es sich irgendwie...besser angefühlt. Dabei war es nicht mal real gewesen.
Paloma drängte sich eng an ihn und strich mit ihrer Hand über seine Brust. Nach einer Weile drückte Ari sie von sich und setzte sich auf das Bett. Er war müde, seltsam müde. Paloma folgte ihm und setzte sich auf seinen Schoß, stets bedacht ihre weiblichen Reize einzusetzen.
Als Ari ihr sanft über den Oberschenkel strich, fragte er sich, wann er seine Gefühle so hatte erkalten lassen.
Als er Alex getötet hatte? Als Maxi ihn getötet hatte?
Oder als er Felix den Kopf umgedreht und das Genick gebrochen hatte?
"Ari?" Palomas Stimme klang zärtlich und sie strich ihm über die aufgebissene Lippe.
"Wirst du mich vermissen?"
Ari sah sie kurz an, in der Dunkelheit des Zimmers war er nur ein Schatten mit seinem schwarzen Haar und den dunklen Augen.
Er würde sie nicht vermissen, sie bedeutete ihm rein gar nichts.
Samuel hatte ihm etwas bedeutet oder Alex. Aber sie waren nicht hier und sie würden nicht wieder kommen.
"Ja.", antwortet er leise und log.
Auch das war ihm egal, Lügen und Mord kannte er gut genug.
"Lass mich heute Nacht bei dir schlafen.", sagte sie leise.
Ari widersprach nicht, sie wäre sowieso geblieben.
Sie blieben lange auf, doch irgendwann wurde Paloma müde.
Er legte sich dicht neben sie, doch als Paloma schlief stand er auf und setzte sich auf die Fensterbank. Der Wind strich kühl durch das gekippte Fenster über seinen bloßen Brustkorb.
Trotz seiner Müdigkeit konnte er nicht schlafen und es war sicher schon weit nach Mitternacht, als er sich zu Paloma legte und sie sich an ihn schmiegte.
Als er endlich einschlief träumte er, wie er mit Helene vor einem prasselnden Feuer saß und sie dem Gewitter lauschten.

Am nächsten Morgen war sie weg. Ari stand auf, zog sich an und versteckte das Zeug, welches Paloma ihm letzten Abend gebracht hatte. Eine Weile später kam Celine und gemeinsam machten sie sich auf den Weg in den Speisesaal.
Das Frühstück schmeckte gut, dennoch aß Ari wenig. Er fühlte sich etwas unwohl unter all den Menschen. Er beugte sich zu Celine.
"Wie geht es Jakob?"
Sie sah erst überrascht aus, dann seufzte sie.
"Besser. Er wird bald wiederkommen." Ari konnte nicht sagen ob sie log, er wünschte sich die Wahrheit.
Auf dem Rückweg vom Speisesaal zu Aris Zimmer, geschah dann das Unvermeidbare.
Celine bemerkte wie Ari immer langsamer und blasser wurde, doch sie bemerkte Ovid nicht, der am Ende des Ganges stand.
Aris Puls schlug automatisch schneller. Ovid sah ihn aus der Tiefe seiner schwarzen Augen an, dann legte er den Kopf leicht schief. Ovid sah seltsam bläulich aus, was vielleicht an dem Gürtel lag, der eng um seinen Hals hing.
Ari konnte den Blick nicht abwenden, wie gebannt und voller Angst starrte er auf Ovid und den Gürtel.
Tot, erwürgt!
Dann lächelte der Lockenkopf ihn an und strich sich mit einem Finger über die Kehle.
Ari blieb wie angewurzelt stehen, wusste das Ovid Rache nehmen würde.
Er konnte nichts tun, während der Tote erst langsam und dann immer schneller auf ihn zu kam.
Er konnte nicht laufen, nicht schreien, sich nicht wehren, nicht aufwachen.
Aufwachen könnte er erst durch den Tod.
Ovid kam immer schneller auf ihn zu, riss ein Messer aus seinem Gürtel, er hob den Arm, die Klinge sauste auf Ari nieder und der junge Mann schrie.
Es war eine heftige Ohrfeige die Ari zu sich brachte.
Er kauerte auf dem Boden, schwitzte und sah sich panisch um. Ovid war weg.
Celine packte sein Kinn.
"Ari, sieh mich an. Es ist alles gut,  okay? Dir ist nichts passiert. Wir gehen auf dein Zimmer und da bist du sicher!"
Sie sprach weiter auf ihn ein, doch er hörte sie kaum, ließ sich nur von ihr hoch ziehen und schleifen.
Du bist nirgendwo sicher.
Du kannst dich nirgendwo verstecken.
Sie werden dich holen, alle werden dich töten.
Du bist ein Mörder und Mörder dürfen nicht leben.
Du bist nirgendwo sicher.
Irgendwie gelangte er in sein Zimmer, irgendwie fand er das Fensterbrett und lehnte die Stirn an die kalte Scheibe.
Es wird schlimmer. Es wird immer schlimmer, bis du daran stirbst!
Ari atmete tief durch. Seine Psychaterin hatte schon die anderen Ärzte kontaktiert, sie selbst kramte in dem Notfallkasten, der in jedem Krankenzimmer hing.
Aber Ari hatte sich so schnell beruhigt, wie der Ausbruch gekommen war.
"Celine, was ist das größte Verbrechen der Menschheit?"
Sie schien überrascht, hielt inne bei ihrem Gewühle.
"Ich weiß es nicht. Sag du es mir."
"Wir existieren."

Er hatte verloren.
Ein Spiel, dass er nicht gewinnen konnte, nicht in diesem Leben.

Du hast verloren.

Lost and cold and alone
Got a house not a home
Nothing is like it was before
Endless toughts of the time.
(Monk Bay)

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