Nach mehreren Entwürfen in seinem Karoblock ist er zufrieden und schreibt die finale Fassung auf dem schönen, blauen Papier nieder. Sollte es bei Herrn Han nicht gut ankommen, wird er sich irgendwie rausreden. Sorgsam faltet er das Zettelchen, so wie sein Verehrer das immer macht, und schreibt "Herr Han" drauf, da ihm gerade auffällt, dass ihm dessen Vorname völlig entfallen ist.

Wie er seinem Lehrer das Briefchen übergibt, hat Inho sich noch nicht überlegt. Er hat heut keinen Unterricht bei ihm, aber er hat keine Lust, so lange zu warten. Morgen ist ihm nämlich zu spät, er will nicht übers Wochenende auf eine Antwort warten.

Leider ergibt es sich nicht so leicht. Er kann ihm ja schlecht auf dem Gang hinterherwatscheln und den Zettel in die Tasche stecken. In eines der Vorbereitungszimmer einbrechen fällt auch aus. In jeder Pause lungert er vor dem Mathevorbereitungszimmer herum. Dort hält Herr Han sich öfter auf als im Physikvorbereitungszimmer, und außerdem ist das so günstig in der Nähe seines Schließfachs gelegen.

Als eine Schülerin dort anklopft und dann den schon etwas senilen Mathelehrer, der eigentlich längst in Rente sein müsste, sanft den Gang entlang schiebt, sprintet Inho zur Tür und hält sie im letzten Moment offen. Vorsichtig späht er hinein. Herr Han sitzt mit dem Rücken zu ihm am Tisch und kümmert sich hochkonzentriert um den allseits beliebten Papierkram. Seine Tasche steht geöffnet hinter ihm.

Vorsichtig lehnt Inho die Tür an und duckt sich. Er streckt sich zur Tasche und schiebt möglichst geräuschlos den Zettel hinein. Als Herr Han kurz aufblickt, erstarrt er und hält sogar die Luft an. Doch der Referendar blickt nur kurz in die Ferne und widmet sich dann wieder der Zettelwirtschaft auf seinem Tisch.

Inho steht auf und tritt den Rückzug an. Er reißt die Tür auf und rennt raus, bevor Herr Han sich erheben kann. Mit zitternden Händen und rasendem Herzen versteckt er sich hinter seiner Schließfachtür. Er atmet tief durch, während Herr Han in den Gang späht und dann langsam auf ihn zukommt. Direkt neben ihm, auf der anderen Seite der geöffneten Tür, kommt er zum Stehen.

In Zeitlupe schließt Inho die Tür und schluckt, als er Herr Hans betont ausdruckslosem, leicht strengem Blick begegnet. Seine Augen lassen ihn nicht los.

"Auffälliger geht's wohl nicht? Wenn du dich schon reinschleichst, kannst du dich doch auch rausschleichen, oder?" sagt der Referendar leise. Dann seufzt er und dreht sich um. "Komm mit." Inho stolpert ihm mit pochendem Herzen hinterher.

Von innen zieht Herr Han die Tür zu und hält Inho den geöffneten Brief unter die Nase. "Ist das dein Ernst?"

"I- ich...", stammelt Inho und sieht zu Boden. Das läuft so gar nicht, wie er es sich ausgemalt hat. Eine sanfte Hand legt sich unter sein Kinn und zieht es nach oben, sodass er dem intensiven Blick des Referendars nicht mehr ausweichen kann und sich seltsamerweise so fühlt, als würde er schmelzen und seine Knie jeden Moment nachgeben.

"Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalten soll!", raunt dieser und nähert sich seinem Schüler. Irgendwie erwartet und dennoch überraschend spürt Inho zärtliche Lippen, die einen süßen Kuss auf seinen Mund hauchen. Er kann es gar nicht fassen und entsprechend nicht reagieren, aber es ist wunderschön und viel zu schnell vorbei.

Herr Han entfernt sich ein paar Zentimeter und sorgt mit seinem intensiven Blick für Gänsehaut bei Inho. "Wie hast du das so schnell rausgefunden?", fragt er leise.

"Ähm... also eigentlich...", sagt Inho verwirrt. Ihm fehlen gerade die Worte. Sein Kopf ist so leer. Sein Bauch dafür umso voller, gefüllt mit durchdrehenden Glühwürmchen.

"Warte..." Herr Han erstarrt. Leichte Panik steigt in seinen Augen auf. "Sag nicht, du hast das nur gemacht, um herauszufinden, dass ich es war? Auweia, tut mir sehr leid, dass ich mich hier so gehen lasse." Geknickt will er zurückweichen, doch Inho hält ihn eilig auf und schnappt sich dessen freie Hand, um sie auf seine Brust zu legen, damit Herr Han sein ausrastendes Herz fühlen kann.

"Nein, nein! Sie spüren das doch auch, oder? Küssen Sie mich nochmal!" Dies muss Inho ihm nicht zweimal sagen. Er zieht seinen Schüler näher und verbindet ihre Lippen erneut. Inho lässt ihn nicht mehr los und fühlt sich ganz berauscht von dem, was Herr Han hier mit ihm anstellt. Sein erster Kuss letztens war ja schon nicht schlecht, aber der hier... ein erwiderter Kuss, noch dazu von jemandem, für den man etwas fühlt und dieser ebenso. Inho fühlt sich wie im Himmel. Das elektrisierende Kribbeln hört gar nicht mehr auf.

Bis Inho siedend heiß etwas einfällt und ihm schlagartig schlecht wird. Hektisch unterbricht er den Kuss. "Was, wenn der Lehrer zurückkommt?"

Der Referendar schmunzelt. "Der hat Unterricht, eine Schülerin hat ihn vorhin abgeholt."

"Achso. Weiterma-", grinst Inho und kommt nicht dazu, seinen Satz zu beenden. Die weichen Lippen seines Lehrers hindern ihn daran und nehmen ihn noch lange in Beschlag.

Als seine Lippen längst feucht und beinah wundgeküsst sind, löst er sich lächelnd von Herrn Han. "Krieg ich eigentlich trotzdem noch Liebesbriefe?"

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Das wäre das Happy End 😊💙✉
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