Einbruch?
Und das war rausgekommen: Wir waren uns alle drei sicher,
Mum hatte anscheinend versucht, sie zu finden, wie uns auch schon Mias und Bens Mutter
berichtete. Auch von IHM hatte ihre Mutter erzählt, er gehörte anscheinend zu den Tarnern.
Und anscheinend hatte Mum wohl gewusst, dass jemand versuchen würde, sie umzubringen, denn anders konnten wir uns dieses komische Gedicht echt nicht erklären.
Wir überlegten eine Zeitlang und kamen zu dem Schluss, dass wir uns erst einmal auf die Suche nach diesem Buch begeben sollten. Ich hatte da auch schon eine Idee, wo es war...
„Also gestern Nacht...", wenn ich erzählte, dass ich davon geträumt hatte, würden sie mich für noch verrückter halten. Ich hielt mich selbst schon für verrückt, aber da dies zwar der unrealistischste aber auch der Einzige Anhaltspunkt war, musste ich mir wohl irgendetwas ausdenken: „Da bin ich, als ich nicht schlafen konnte, durch das Haus gegangen und habe im Zimmer neben dem, in dem ich geschlafen hab, ein großes Bücherregal entdeckt. Mir ist eben die Idee gekommen, ob eines von den vielen alten Büchern da vielleicht das ist, was wir suchen. Ich weiß, wie abgefahren das klingt, aber ganz ehrlich... nennt mir eine Sache, die heute nicht abgefahren ist. Und einen Versuch ist es doch wert, wir haben keinen anderen Anhaltspunkt."
„Keine schlechte Idee", meinte Ben. „Aber sagtest du nicht, dass du bezweifelst, ob wir überhaupt ins Haus gelassen werden?"
„Da habe ich eine Idee", sagte Mia, die sich auf dem Bordstein niedergelassen hatte. „Luna was ist, wenn du einfach klingelst und sagst, das du dir vorhin...ein Eis kaufen wolltest oder so, und dann den Weg nicht zurückgefunden hast, aber als du dann wieder am Grab warst, deine Oma nicht mehr da war... oder so."
Ich stellte mir diese Situation im Kopf vor. Nehmen wir mal an, dass tatsächlich meine Großmutter öffnen würde und niemand anderes (krampfhaft versuchte ich, nicht an McCarters graue Augen zu denken) was wäre dann mit Mia und Ben? „Und was ist mit uns?", stellte Ben meine unausgesprochene Frage.
Mia überlegte kurz: „Du öffnest einfach das Fenster hier vorne", sie nickte zu einem der Erdgeschossfenster, die zur Straße, auf der wir standen, hinführte, „Und wir steigen ins Haus ein", beendete Mia stolz ihren Plan.
„Ich bezweifele ganz stark, dass Oma mir diese Geschichte abkauft."
„Du musst einfach ganz verzweifelt klingen, so, dass SIE Schuldgefühle bekommt."
„Kann nicht einfach einer von euch Beiden klingeln, ich mein, euch kennt sie ja noch nicht..."
„Okay", meint Mia fröhlich. Das hätte ich jetzt nicht erwartet.
„Okay?", hakte ich deshalb ungläubig nach.
„Ja, ist in Ordnung. Ich klingele und lass euch dann rein. Vor einem Jahr habe ich bei einer Rollenspielimprotheatergruppe mitgemacht. Das war super, das will ich unbedingt noch einmal wiederholen."
Ich muss mir ein Lachen verkneifen, so stolz steht sie vor mir.
„Gut Mia", meldete sich Ben mal wieder zu Wort: „Am besten ist, du lehnst das Fenster an oder schiebst irgendetwas dazwischen, damit es offenbleibt. Dann kannst du dich offiziell verabschieden, während wir rein klettern."
„Aye Aye Sir Sir" Mia salutierte. „Findet ihr nicht, dass wir leicht übertreiben?", begann ich vorsichtig. „Ich meine...naja wir sind doch keine Einbrecher..."
„Übertreiben?", fragte Mia ungläubig. „Echt mal. Bis vor einer Stunde waren wir noch in Hamburg. Wir haben alle physikalischen Gesetzte gebrochen, dadurch, dass wir hier sind, du hast erfahren, dass deine Mutter ermordet wurde. Außerdem sind wir hier mitten in einem Abenteuer drin, dann können wir auch abenteuerliche Sachen unternehmen!"
„Du bist ein wenig abenteuersüchtig Mia, kann das sein?", fragte ich.
„Sie liest zu viel Fantasy", erklärte mir Ben mit einem Augenzwinkern.
Mia guckte zerknirscht, wich aber nicht von ihrem Plan ab. „Ich gehe da jetzt hin und klopfe. Basta!"
Und sie ging schnurstracks zur Eingangstür, wo sie klopfte. Zwei Sekunden später öffnete jemand und ich erkannte einen strengen, weißen Zopf. Ben packte mich an meiner Jacke und zog mich in den Schatten, von wo aus ich zwar nichts mehr sah, aber noch ganz genau hörte. Ben stand ganz dicht hinter mir, so dicht, dass ich seinen Herzschlag an meinem Rücken spüren konnte.
„Hi", hörte ich Mia mit fröhlicher Kinderstimme sagen. „Sorry, dass ich hier einfach so reinplatze, aber ich bin mit meiner Reisegruppe gerade hier in London. Ich komme aus Deutschland, müssen Sie wissen und irgendwie habe ich den Anschluss verloren. Weil, wissen Sie, bei diesem einem Laden gab es so ein wunderschönes Kleid im Schaufenster, beige mit Spitze und Tüll. Genauso stelle ich mir mein Abschlusskleid vor, echt großartig. Und die anderen sind einfach weitergelaufen", die Begeisterung in ihrer Stimme wich und wurde von einem traurigen Ton ersetzt. „Wissen Sie, in drei Stunden fliegt doch unser Flugzeug und mein Handy, das hat unsere Reiseleiterin einkassiert. Das Motto der Reise lautete nämlich zehn Tage ohne Handy. Wenn ich nicht telefonieren kann dann...", sie schluchzte herzergreifend... darf ich bitte, bitte ihr Telefon benutzen?" Oh Gott, bekam Mia nach diesem Redeschwall überhaupt noch Luft? Ich konnte mir förmlich vorstellen, wie meine Großmutter skeptisch die Augenbrauen hochzog.
Mia begann wieder zu reden: „Wissen Sie, wir hatten ja eine echt schöne Zeit hier..."
„Na gut, geh schon Kind. Das Telefon steht in dem Zimmer da vorne. Beeil dich bitte", sagte Oma harsch, schon, um zu verhindern, dass Mia wieder zu reden begann.
Ich hörte, wie die Tür zugezogen wurde und Mia ins Haus tapste.
„Genial!", sagte ich und rückte ein Stück von Ben ab, der zwischen mir und der Hauswand vermutlich schon keine Luft mehr bekam.
Ben nickte anerkennend: „Ganz ordentlich."
Dann starrten wir beide verlegen auf unsere Füße, weil keiner so recht wusste was er sagen sollte.
Nach einer Minute hörten wir ein Quietschen und das Fenster wurde aufgestoßen.
„Hey", Mia steckte ihren Kopf nach draußen. „Und wie war ich?"
„DAS interessiert dich jetzt", fragte Ben fassungslos.
Mia blickte sich nervös um: „Kommt lieber schnell rein. Deine Oma wirkt sehr gereizt Luna."
Ben trat einen Schritt zurück: „Ladys first."
„Hoffentlich sieht uns keiner...", zögerte ich.
„Wenn ihr nicht bald reinkommt, wird euch jemand sehen", zischte Mia.
„Okay", ich griff nach dem Fenstersims und versuchte mich hochzuziehen. In Sport war ich leider eine Vollkatastrophe, weshalb ich wohl wie ein nasser Sack am Fenster hing. Ben musste schließlich von unten schieben und Mia von oben ziehen. O Mann wie peinlich. Als ich dann endlich schnaufend im Zimmer stand, brauchte Ben nur fünf Sekunden, um sich elegant durch das Fenster rein zu schwingen.
In dem Zimmer, in dem wir waren, stand außer einem dunkelroten abgenutzten Sofa nur noch eine kleine Kommode, auf der sich schon reichlich Staub angesammelt hatte.
„Hallo?", hörte ich da eine Stimme aus dem Flur: „Mädchen bist du hier drin? Ich hatte doch gesagt, das Telefon ist in dem anderen Zimmer."
„Oh oh", meinte Mia, als auch schon meine Großmutter das Zimmer betrat.
In diesem Moment reagierte ICH blitzschnell und zog Ben hinter das Sofa.
Wir hockten nun dahinter und hofften das wir nicht entdeckt werden würden.
„Hier steht kein Telefon", erklärte Mia nun vorwurfsvoll.
Wir hörten ein wütendes Schnauben. „Natürlich nicht, ich sagte doch in dem Zimmer neben diesem."
„Meinten Sie das? Oh, ich hätte wirklich schwören können, Sie hätten auf diesen Raum gedeutet. Na ja egal, vielen Dank für die Hilfe. Ich gehe jetzt mal lieber", und schon ging sie durch den Flur und schlug die Haustür zu.
„Merkwürdiges Mädchen", meinte Oma zu sich selbst und machte das Fenster, welches noch immer offenstand, wieder zu. Dann wartete sie noch einige Sekunden und verließ das Zimmer ebenfalls.
„Puh", Ben atmete tief aus: „Jetzt würde ich mich gerne aufs Sofa setzen und einen furchtbar langweiligen Film schauen. Meinetwegen auch „Stolz und Vorurteil" wenn's sein muss."
„Du findest „Stolz und Vorurteil" LANGWEILIG?", empörte ich mich.
Ben zuckte mit den Schultern. „Klar, einer der langweiligsten Filme der Geschichte."
Hätten wir noch mehr Zeit für dieses Gespräch gehabt, würde ich ihm jetzt von allen meinen Lieblingsstellen erzählen, und diese vielleicht sogar nachspielen, um ihm klar zu machen, was das für ein guter Film war, aber wir hatten jetzt echt besseres zu tun.
„Was ist mit Mia?", fragte ich.
Ben ging zum Fenster und guckte durch die Scheibe. „Ich sehe sie nicht."
Auch ich guckte jetzt raus und entdeckte Mias leuchtende roten Haare auf der anderen Straßenseite, wo sie gerade fasziniert die sehr bunten Klamotten in einem Schaufenster betrachtete. Ich zeigte sie Ben.
Missbilligend schüttelte dieser daraufhin den Kopf und rief so leise wie möglich: „Mia! Mia komm her!" Mia reagierte erst einmal nicht, hob dann aber den Kopf und drehte sich um, wobei ihr einzufallen schien warum wir denn überhaupt hier waren. Schnell wechselte sie die Straßenseite und ließ sich von Ben ins Haus ziehen.
„Was jetzt?", fragte sie als sie schließlich neben mir stand.
„Folgt mir..." Leise drückte ich die Türklinke runter und horchte ob sich jemand im Flur befand. Ich hörte nichts.
„Okay, die Luft ist hoffentlich rein. Los, beeilt euch", und ich scheuchte sie den langen Flur entlang, bis wir vor dem Zimmer standen, in dem ich die letzte Nacht geschlafen hatte.
Neben dieser Tür war noch eine andere Tür. Genauso wie meine Zimmertür war auch diese aus dunklem glänzendem Holze und hatte eine schlichte Türklinke aus Metall. Nicht, ohne noch einmal hinter mich in den Flur zu schauen, drückte ich genau diese Klinke jetzt runter.
Als wir schließlich den Raum betraten, wusste ich, das meine Vermutung stimmte. Denn alles hier drin war so, wie in meinem Traum. Absurd, ich weiß, aber leider muss ich sagen, dass es mich nach dieser ganzen Globussache gar nicht mehr richtig wunderte. Wie in meinem Traum, wurde die eine Wand ganz von einem riesigen Bücherregal eingenommen, mit unzähligen alten Büchern drin. Und genau wie in meinem Traum, zog mich dieses Regal, oder besser gesagt die Bücher dort drin, wie magisch an. Ich stand davor und ließ meinen Blick über die Buchrücken wandern, fand diesmal aber nicht sofort, wonach ich suchte.
Da sah ich es. Es war nicht ganz dort wo ich es vermutet hatte, es stand viel weiter unten und ich musste auf die Knie gehen, um es in die Hand zu nehmen, aber das war es. Es stand zwischen einer sehr alt aussehenden Ausgabe von „Jane Eyre" (dieses Buch mussten wir dieses Jahr in der Schule lesen und für eine Schulliteratur war es wirklich in Ordnung) und einem ebenfalls schon älteren Exemplar von Bram Storkers „Dracula", welches ich sogar schon vor zwei Jahren gelesen hatte. Das Buch war klein aber mit einem festen silbernen Umschlag, der von goldenen Fäden durchzogen war. Wunderschön, wie in meinem Traum.
„Hey", Mia tippte mir auf die Schulter „ist es das?".
Ich nickte nur, woraufhin Mia mir das Buch behutsam aus der Hand nahm und ehrfürchtig mit dem Daumen über den Rücken fuhr.
„Krass! ", hörten wir Ben hinter uns sagen und drehten uns um. Er hielt „Dracula" in den Händen und hatte es aufgeschlagen.
„Was?", fragte Mia.
„Das ist eine der Erstausgaben aus dem Jahr 1897!"
„Sehr schön, aber vielleicht sollten wir mal einen Standortwechsel vornehmen!", blaffte ihn seine Schwester an.
„Aber...!"
Ich funkte dazwischen: „Mia hat recht, je länger wir hierbleiben umso größer ist die Chance, dass wir erwischt werden. Nimm das Buch doch einfach mit."
„Ich kann doch nicht einfach eine uralte Erstausgabe von Dracula mitgehen lassen!", entrüstete Ben sich.
„Das sehe ich genauso!", ertönte eine Stimme hinter uns
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top