Ein (tot)sicherer Plan
Auf einmal glaubte ich zu spüren, wie mich jemand von hinten beobachtete. Ich fuhr auf meiner Ferse herum und starrte auf die andere Straßenseite. Aber dort war niemand. Hier fuhr auch kein Auto. Trotzdem wurde ich das ungute Gefühl, beobachtete zu werden, nicht los. Schnell machte ich die Beifahrertür des Autos auf und schwang mich auf den zerrissenen Sitz. Dann knallte ich die Tür so laut wieder zu, dass hoffentlich Jayden aufwachen und mir bestätigen würde, dass er auch keinen Menschen sah.
Jayden schlug tatsächlich ruckartig seine Augen auf. „Mhhhh...was ist?", murmelte er verschlafen als ich ihm am Ärmel zupfte.
„Wir müssen gleich weiter.", sagte ich und reichte ihm das Brot. „Ach ja und... bitte sag mir das du auf der anderen Straßenseite auch niemanden siehst."
Jayden guckte mich leicht verwirrt an. Vermutlich war er noch zu müde, um etwas Unfreundliches zu erwidern.
„Da ist nichts." Er gähnte: „Hast du denn was gesehen?"
„Ne."
„Wieso machst du dir dann Sorgen?"
„Ich dachte vielleicht..."
„Hör auf zu denken.", raunzte er mich unwirsch an und aß sein Brot.
„Na du bist ja ein Morgenmensch...", murmelte ich kaum hörbar. Jayden hatte mich natürlich trotzdem gehört und kniff die Augen zusammen. „Wo sind Rotschopf und Blondie?"
„Auf'm Klo"
„Ahhh."
Wir schwiegen uns an und es entstand eine unbehagliche Stille, die nur durch Jaydens leise Kaugeräusche unterbrochen wurden. Ich war heilfroh, als Mia und Ben zurückkamen und wir weiterfuhren.
„Also nochmal langsam." Ben hatte sich vorgebeugt und seine Arme auf meine Sitzlehne gestützt. „Deine Mutter ist irgendwie verrückt und hütet den Tresor, in dem die Buchseite versteckt ist, wie ein..." er suchte nach einem Wort.
„Eine Wildschweinmutter, die ihre Jungen beschützt", half seine Schwester ihm.
Jayden runzelte die Stirn, anscheinend nicht so ganz zufrieden mit dem Vergleich, nickte aber dann bestätigend.
Wir waren die letzten drei Stunden durch die Gegend gefahren und schließlich in einer kleinen, etwas überfüllten Stadt mit einem riesigen Park und erstaunlich gutem Eis angekommen. Woher wir das wussten? Wir saßen in Jaydens Auto und aßen eben jenes Eis. Mia hatte beschlossen, dass wir ein wenig Nervennahrung benötigten und war in ein kleines Eiscafé marschiert wo sie jedem von uns eine Kugel Eis gekauft hatte. Selbst Jayden kaute an der Eiswaffel seines Schokoladeneises, auch wenn er sich ein wenig beschwert hatte, dass das Eis sein Auto ruinieren könne und es uns in keinster Weise weiterhelfen würde. Mia hatte erwidert, sein Auto sei eh schon am Arsch und dass Eis einfach immer weiterhelfen würde. Jetzt hatten wir am Stadtrand geparkt und überlegten, wie wir uns an Jaydens Mutter vorbeischleichen und die Buchseite "beschaffen" könnten.
„Können wir sie ablenken?", fragte Mia.
Jayden schüttelte den Kopf: „Wohl kaum, so verrückt sie auch sein mag, leider ist sie trotzdem in der Lage, eure Gedanken zu lesen und wird somit sofort wissen, was wir vorhaben."
„Nein.", sagte ich ruhig. „Meine Gedanken kann sie nicht lesen. Und deine auch nicht, Jayden."
Die anderen dachten kurz nach. Ben sagte schließlich: „Aber Jayden erkennt sie. Und dass sie deine Gedanken nicht lesen kann, wird sie doch gerade misstrauisch machen."
Das stimmte leider. Wieder einmal brach eine Stille herein, in der wir alle überlegten was wir tun könnten. Ben brach diese schließlich:
„Könnte mir jemand die Taschentücher da vom Armaturenbrett reichen?", fragte er.
Ich beugte mich nach vorne, um ihm die Taschentücher zu reichen und vergaß dabei komplett, dass ich noch mein Eis in der Hand hatte. „Verdammt!", fluchte ich und nahm mir selbst ein Taschentuch bevor ich die Packung an Ben weiterreichte. Mein rosafarbenes Erdbeereis war komplett über meinen Pulli verteilt.
„Den Pulli macht es auch nicht hässlicher", meinte Mia und ich musste ihr zustimmen. Trotzdem war es doch ziemlich unangenehm mit Eis auf meinem Pulli rumzulaufen, vor allem da die Kälte von diesem so langsam auf meiner Haut ankam. Ich stopfte mir also meine Eiswaffel in den Mund und stieg dann aus, um im Kofferraum nach einem neuen Oberteil zu suchen. Das erwies sich dann aber doch als ein wenig schwieriger als gedacht, da unser Rucksack so groß und sperrig war, dass ich meinen Kopf hineinstecken musste, um ihn nicht aus dem Auto raus und wieder rein hieven zu müssen. „Huch ist das dunkel hier drin!", rief ich aus als ich mit meinem Kopf im Rucksack steckte.
Ich hörte wie Jayden etwas sagte, war aber zu sehr damit beschäftigt, nach dem Shirt zu greifen was direkt vor meinen Augen lag. Als ich wieder auftauchte hörte ich die anderen aufgeregt murmeln.
„Aber was bringt uns das?", fragte Mia und als er antwortete, hörte ich an seiner Stimme, welchen selbstgefälligen Gesichtsausdruck Jayden mal wieder zur Schau stellte: „Das bringt uns sogar außerordentlich viel..."
Schnell zog ich mir das (ziemlich grässliche) T-Shirt mit dem roten Karomuster, welches mir auch noch viel zu groß war, über (was für eine Größe hat meine Großmutter denn mal getragen? XXL?) und stieg wieder ins Auto ein.
„Was bringt uns viel?"
Jayden drehte sich zu mir um und sah mich grinsend an. Es war allerdings alles ander,e als ein nettes Grinsen, welches er da aufsetzte. Er sah sogar noch grimmiger aus, als sonst. Wenn das überhaupt möglich war.
„Meine Mutter hat furchtbare Angst vor der Dunkelheit!"
„Uuuund?"
„Naja, wenn wir es irgendwie schaffen, im Haus das Licht abzustellen und wir beide uns dann reinschleichen..."
„Wieso wir?"
„Unsere Gedanken kann sie nicht lesen. Im Dunkeln und wenn wir dazu noch leise sind, sind wir so gut wie unsichtbar."
Das ergab Sinn. Ich drehte mich nach hinten, um zu sehen, was Mia und Ben von dem Plan hielten.
Ben zog ein etwas widerwilliges Gesicht, sagte aber dann: „Klingt logisch"
Auch Mia nickte zögernd, aber bestätigend.
Wir alle schauten jetzt zu Jayden, der nachzudenken schien. „So einfach, wie es sich anhört, wird es aber nicht..."
„Natürlich nicht...", Ben unterbrach ihn: „Wenn deine Mutter wirklich schon seit Jahren in diesem Raum sitzt und panische Angst vor der Dunkelheit hat, wird es natürlich viele Lichtquellen im Raum geben, damit das Licht nicht ausgeht, sollte eine Lampe nicht mehr funktionieren. Dann hat sie wahrscheinlich noch einen Generator installiert, um für einen Stromausfall vorzusorgen, was heißt, dass wir nicht einfach den Stromkasten kaputt machen können. Schon weil ich dazu noch vermute, dass der Tresor elektrisch ist...wir müssen also gezielt alle Geräte ausstellen, die Licht spenden, dabei noch den Generator ausschalten, aber den Tresor anlassen."
Jayden wirkte beeindruckt. „Stimmt und wir müssen..."
Nun fiel ich ihm ins Wort: „Das Passwort für den Tresor ausfindig machen. Oder kennst du es, Jayden?"
Er schüttelte den Kopf.
„Weißt du, wie wir es rausfinden können?"
Er nickte. „Im Erdgeschoss, im Arbeitszimmer, sind alle Daten auf dem Computer..."
„Kennst du das Passwort für den Computer?"
„Nein."
„Computer sind einfacher zu knacken als Tresore", sagte Ben und lächelte. „Außerdem benötigen wir eh einen PC, wenn wir die Lichter gezielt ausstellen wollen."
„Und..." Mia grinste, ein bisschen stolz: „Obwohl ich die ganze Schönheit der Familie geerbt habe..." Ben versuchte zu protestieren, aber Mia hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Ist mein Bruder hier ein kleines Computergenie."
Bens Wangen verfärbten sich rot und nahmen fast die gleiche Farbe, wie Mias wilde Locken an.
„Wirklich?", fragte ich erstaunt und starrte ihn an. Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Das soll natürlich nicht heißen, dass man Ben nicht anmerkt wie intelligent er ist, sondern nur, das, er gar nicht wie ein typischer Computerfreak aussah. Schmerzlich wurde mir in diesem Moment wieder bewusst, wie wenig ich doch über meine kleine Reisegesellschaft wusste.
Ben nickte und lächelte ein wenig, wobei seine Augen aufleuchteten.
„Schön das macht das ganze einfacher", verkündete Jayden. „Wie sieht unser Plan aus?"
„Das fragst DU?", entrüstete ich mich. „DU musst hier doch den Plan haben!"
„Das alle immer davon ausgehen, ich hätte einen Plan.", murmelte Jayden.
Mia nahm die Serviette ihres Eises und gab sie Jayden, zusammen mit einem Stift. „Zeichne jetzt einen genauen Grundriss des Hauses, wir überlegen uns so lange einen Plan!"
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