Dachgeschoss

Kapitel 16: Dachgeschoss

„Na endlich!", begrüßte uns Mia vor dem Eingang des kleinen Cafés und obwohl sie lächelte, entging mir der besorgte Blick, mit dem sie ihren Bruder musterte, nicht: „Ich dachte schon, ihr kommt nie mehr wieder."

„Wo ist Jayden?", fragte ich und sah mich um, entdeckte ihn aber nirgendwo.

Mia verdrehte die Augen. „Der Gute ist kurz nach euch, ohne Erklärung verschwunden, hat aber den hier dagelassen." Mia holte den Schlüssel, den Jayden uns vorhin gezeigt hatte, aus ihrer Hosentasche und wedelte damit vor uns rum. „Ich weiß auch, wo wir langmüssen. Mir war ziemlich langweilig, als ihr weg wart."

Sie führte uns in das kleine Café, in dem es umwerfend nach frischem Kaffee und Pizza roch, hinein. Dann folgten wir ihr einmal durch den gesamten Raum, wobei wir uns an den eng aneinander gereihten Tischen vorbei schlängeln mussten. Schließlich ging Mia eine kleine , schmale Wendeltreppe hoch und wir betraten ein kleines, aber sehr gemütliches Zimmer mit einem winziges Fenster, durch das man einen unglaublichen Blick auf das Meer hatte, welches jetzt ruhig im Dunkeln dalag, während im ganzen Ort Lichter angingen. Unter diesem Fenster war ein Bett mit weißem Rahmen und grünen Bezügen platziert, in dem zwei Leute gemütlich nebeneinander schlafen konnten. Gegenüber vom Bett, also direkt neben der Tür, stand ein sehr klapprig aussehendes Sofa, auf dem zwei Bettdecken und Kissen lagen.

„Wir können es ausklappen.", erklärte Mia, die meinem Blick gefolgt war und machte sich zugleich daran zu schaffen, einen Hebel unter dem Sofa zu packen und dieses auszuziehen. Mit einem lauten Quietschen verwandelte es sich in ein Bett, auf welches Mia jetzt die Decken legte.

Anerkennend nickte ich: „Echt schön hier."

„Das stimmt." Mia packte meinen Arm und führte mich zum Bett: „Sei froh, dass es schön ist, denn du wirst erst einmal nicht aufstehen dürfen."

„Du klingst wie dein Bruder, der hat eben das gleiche gesagt.", murrte ich, während ich mich auf dem Bett niederließ. Sofort, als ich die weiche Matratze unter mir spürte, schoss jegliches Adrenalin, welches ich bis eben gerade noch in meinem Körper hatte, aus mir raus und ich musste kämpfen, damit meine Augen offenblieben.

„Tja manchmal ist unsere Verwandtschaft unübersehbar, genauso wie die Tatsache, dass du völlig fertig bist. Schlaf jetzt, wir kümmern uns Morgen um alles weitere!", befahl Mia und zog mir die Decke über die Schultern. Ich rollte mich auf den Bauch, sorgsam darauf bedacht, mich nicht auf meine schmerzende Hüfte zu legen, kuschelte mich an das gemütliche Kissen und war sofort eingeschlafen.

Ich erwachte durch das leise Quietschen einer Tür und rieb mir benommen die Augen. Wo war ich? Als ich das vom Straßen- und Mondlicht beschienende Zimmer sah und den leicht salzigen Duft des Meeres roch, der durch das gekippte Fenster von der warmen Luft hineingetragen wurde, fiel es mir wieder ein: Italien. Natürlich. Mia und Ben sahen so aus, als wären sie beim Reden eingeschlafen. Sie saßen beide auf dem ausgeklappten Sofa, die Decken über sich gezogen, hatten die Augen geschlossen und atmeten ruhig.

In diesem Moment nahmen meine immer noch nicht klarsehenden Augen eine Bewegung war. Ich drehte meinen Kopf, um Jayden zu sehen, der ein Bündel neben die Tür legte und diese leise schloss während er eintrat. Er ließ seine Augen im Zimmer umherschweifen und betrachtete erst Mia und Ben, die friedlich schliefen. Dann wanderte sein Blick weiter und er entdeckte mich. Ich war mir nicht sicher, ob er erkannte, dass ich wach war, aber seine Augen verweilten einen Augenblick. Leise schüttelte Jayden den Kopf und drängte sich durch eine kleine Tür, welche wohl ins Bad führte. Ich schloss meine Augen gerade erneut und versuchte wieder einzuschlafen, als die Tür wieder aufgeschoben wurde und Jayden das Zimmer durchquerte. Einige Sekunden später spürte ich, wie meine Matratze ein wenig nach unten sank.

„Ich hoffe", raunte mir Jayden leise ins Ohr und ich zuckte zusammen. „Es ist in Ordnung, wenn ich mich neben dich lege. Alle anderen Plätze sind besetzt." Seine Stimme klang spöttisch.

Ich drehte mich einmal herum, um Jayden ansehen zu können. Meine Wut über das, was er vorhin getan hatte, war noch lange nicht verklungen. „Weißt du eigentlich, was du für ein arroganter, miser Arsch bist?", zischte ich ihm zu.

Gelassen stützte sich Jayden auf seinem Ellbogen auf und betrachtete mich eingehend: „Inwiefern?"

„Das vorhin war nicht okay! Du darfst nicht in die Köpfe der Menschen gucken, um zu sehen, wie du sie am besten verletzen kannst!"

„Soweit ich weiß", erwiderte er leise flüsternd. „Hat nie jemand Regeln festgelegt, was wir alles mit unseren Fähigkeiten tun dürfen und was nicht."
Ich ballte meine Fäuste und setzte mich auf. Allerdings tat meine Hüfte sofort so weh, dass ich mich wieder auf meinen Rücken sinken ließ. „Es gibt Grenzen, die dürfen nicht überschritten werden Jayden. Eigentlich müsste es nicht nötig sein, dass es Regeln gibt, weil alle diese Grenzen kennen müssten."

„Er hat auch eine Grenze überschritten.", presste Jayden hervor. „Und ich bin der Böse, nur weil ich andere Möglichkeiten habe?"

„Ja!"

„Soll ich mich bei ihm entschuldigen, ist es das?"

„Eine Entschuldigung ist mehr als angebracht. Wo warst du gerade überhaupt?"

„Willst du das wirklich wissen?" Er legte seine Stirn in Falten und blickte mich mit so schmalen Augen an, dass ich Angst hatte, weiter nachzufragen.

„Wohl eher nicht.", ich seufzte und drehte mich wieder um: „Aber weißt du, Jayden?", fügte ich noch hinzu: „Ich dachte eigentlich, du wärst gar nicht so ein schlimmer Arsch. Musst du jedem, der anfängt, dich zu mögen, sofort das Gegenteil beweisen?"

Ich hörte wie Jayden scharf die Luft einzog und bevor er noch etwas erwidern konnte, war ich wieder eingeschlafen.

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