Kapitel einundzwanzig
Während Riley's schlanke, glatte, kühle Hand mich durch den Wald zieht, wird mir bewusst, wie sehr ich ihm vertraue. Ich lasse mich von ihm durch die Finsternis führen, obwohl sie mein Reich ist. Ich habe nicht einen Moment Angst vor ihm gehabt, nicht einen Moment habe ich daran gezweifelt, dass er es schaffen kann, Lexi zu heilen. Vielleicht macht es der Bann, vielleicht die Liebe zu ihm. Kann ich die beiden Dinge überhaupt unterscheiden? All diese Sachen kreisen durch meinen Kopf und ich werde schon panisch, diesen Bann niemals überbrücken zu können, als er sich umdreht und der Anblick seiner sanft geschnittenen Züge mich mit tiefster Ruhe ausfüllt. "Alles klar bei dir?", fragt er ruhig. Ich nicke - ein mieser Versuch, ihn anzulügen, wo er doch meine Gedanken lesen kann. Sein durchdringender Blick haftet ein paar Sekunden zu lang auf meinen Augen, dann glätten sich seine Züge und er lächelt mir aufmunternd zu. "Mach dir keine Sorgen wegen des Bannes." Auf einmal lacht er und schüttelt den Kopf. "Was?", frage ich verhalten. "Es ist ein Wunder, dass du es so lange mit mir aushälst", sagt Riley. "Willst du mich denn gar nicht verspeisen?" Ich verdrehe die Augen. "Erinner mich nicht an den inneren Kampf meiner Bedürfnisse." Er lacht lauter. Die Musik in meinem Kopf wird unerträglich laut und ich verziehe das Gesicht. Riley bemerkt es nicht, zum Glück. "Riley", sage ich schüchtern, "ich versuche mit all meinen Kräften diesen Bann hinter mich zu bringen, aber wer sagt mir, dass es mir was bringt, wenn ich es schaffe? Wer sagt mir, dass du mich überhaupt willst? Wer sagt mir, ob es sich lohnt, wer sagt, ob du... ob du mich liebst?" Ich bin versucht, den Kopf zu senken und mein Gesicht hinter meinen Haaren zu verbergen, doch ich halte seinem Blick stand. Riley legt seine Hand unter mein Kinn, was mein Herz kollabieren lässt. Ich schnappe nach Luft, er nimmt die Hand zurück. "Entschuldige." Ich schüttele den Kopf und greife, wild entschlossen, es auszuhalten, nach seiner Hand und lege sie an meine Wange. Er lächelt. "Erstaunlich, was für einen starken Willen du hast", sagt er schmunzelnd, doch im nächsten Moment wird sein Gesicht wieder ernst. "Scarlett, mach dir keine Sorgen darum, dass ich nicht das für dich fühlen könnte, was du für mich fühlst. Du bist ein sehr... besonderes Mädchen. Ich habe mich geirrt und ich muss mich entschuldigen, dass ich dich unterschätzt habe. Du bist genau richtig für mich." Ich lächele erleichtert. Riley hat zwar nicht ausdrücklich gesagt, dass er mich liebt, aber ganz abgeneigt scheint er nicht zu sein. Und was nicht ist, kann ja noch werden. "Danke", hauche ich. Er lächelt, während er plötzlich stehen bleibt und ich prompt in ihn hineinlaufe. "Was ist los?", frage ich. "Hier ist jemand." Blitzschnell blicke ich mich in alle Richtungen um. Weit und breit sind nur die dunkelgrünen Tannen zu sehen, deren zarter, süßer Geruch die kühle Herbstluft ausfüllt. "Du irrst dich", flüstere ich. "Niemand kommt hierher." Doch Riley achtet nicht auf mich und zieht mich mit einer ruhigen, geschmeidigen Bewegung in den Schatten, tiefer hinein, Richtung Sumpf. Ich bemerke, wie er die Kiefer aufeinanderpresst. "Riley!", zische ich. Er reißt die Augen auf und formt mit den Lippen ein Wort: Still! Ich schließe die Augen und zwinge mich zur Ruhe. Trotzdem springt mir das Herz fast aus der Brust. Was ist hier los?! Warum müssen wir uns verstecken? Wer sollte hierher kommen? Es kann eigentlich nur einen Grund geben: Sie suchen etwas. Oder jemanden. Bei dem Gedanken bildet sich eine kribbelnde Gänsehaut auf meinen Unterarmen aus, die Riley natürlich nicht entgeht. Er legt seinen Arm eng um meine Taille und zieht mich weiter in den Schatten. Unterdessen erklärt er mir in meinem Kopf die Situation. Sie suchen dich, dein Vater hat sie losgeschickt. Er will wissen, warum du ständig in den Wald gehst und all deine alten Gewohnheiten aufgegeben hast. Ich nicke stumm. Natürlich, mein Vater, wer sonst? Doch statt Wut fühle ich Erleichterung, denn wenn sie nur mich suchen, ahnen sie nichts von Riley's Anwesenheit. Mich kann Vater ruhig bestrafen, aber mein Fremder soll verschont werden. Ich nicke. Okay. Irgendwann bleibt Riley stehen und ich bemerke, wie sein Atem ruhiger wird. Wir sind in Sicherheit. Aber im Gegensatz zu eben kann ich die Schritte der Männer nun hören und ich muss mich anstrengen, nicht laut los zu schimpfen. Sie treten so unachtsam auf den Boden, dass man sie in einem Umkreis von fünfzig Metern hören kann! Mir scheint es sogar, als träten sie mit Absicht auf jeden Zweig. Trotzdem habe ich Angst, dass sie mich finden könnten, dass sie Riley finden und ihn verbrennen könnten. Dass sie uns nicht finden und ich wieder Hausarrest bekomme. Riley spürt meine Panik und legt nun auch seinen zweiten Arm um meine Taille, sodass ich mich beschützter fühle. Ich lehne meine Stirn an sein Schlüsselbein, schließe die Augen und lasse die Schritte der Männer mit meinen Gefühlen umhersausen. So eng sind wir beide uns noch nie gekommen. Noch nicht mal, als ich ihn geküsst habe, denn damals herrschte trotz der körperlichen Nähe eine Distanz. Heute sind wir eins, wie wir im Wald eng umschlungen dastehen und hoffen, dass wir nicht entdeckt werden. Heute habe ich das Gefühl, ein Teil von ihm zu werden, so sonderbar fühlt es sich an. Mein Herz passt sich dem Rhytmus des seinen an, seine Fingerspitzen berühren meine Hüften. Ich könnte stundenlang so stehen bleiben, auch wenn die Männer, die mich suchen, schon längst aufgegeben hätten. Irgendwann kommen sie immer näher, sodass ich ihre gedämpften Stimmen hören kann. "... gehen. Wir finden sie nicht mehr." Ich kenne die Stimme, mir fällt jedoch nicht die Person ein, zu der sie gehört. Adam, schießt es mir durch den Kopf und ich zucke zusammen. Ja, das muss Adam Cumberland sein. "Doch, sie geht gern weit in den Wald", antwortet eine tiefe, brummige Stimme, die ich ohne zu Zögern meinem Vater zuordnen kann. Schweigen unter den Suchenden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es noch mehr sind als nur Adam und mein Vater. "Bestimmt ist sie woanders", sagt ein Dritter, den ich definitiv nicht kenne. "Sie muss hier sein", entgegnet Vater. Ich will mich vorbeugen, um sie zu beobachten, aber Riley hält mich überraschend eisern fest. Wahrscheinlich ist es besser, wenn ich nicht nachsehe. "Wir können nicht den ganzen Wald durchkämmen, Theodore." Ein Windstoß trägt die Antwort meines Vaters davon, bevor sie meine Ohren erreichen kann, aber ich kann mir denken, was er gesagt hat: Oh doch. Eine Vierte Stimme erklingt:"Vielleicht ist sie hier verabredet. Heimlich." An dem kratzigen Klang erkenne ich sofort, dass es sich um den Bürgermeister handelt. "Ach wo!", ruft Vater aus. "Wer sollte sich mit ihr treffen wollen? Sie ist so biestig, dass es einem schwerfällt, sie zu mögen." Diese Worte tun mir längst nicht mehr so weh, wie sie es vor ein paar Wochen getan hätten. Auch mir fällt es schwer, ihn ins Herz zu schließen. Warum es nicht zugeben? Der Bürgermeister brummt irgendetwas. "Lasst uns umkehren", meldet sich Adam wieder zu Wort. Ich höre, wie sie stehen bleiben und unsicher über den Boden scharren. Einerseits wollen sie mich finden, andererseits glauben sie selbst nicht mehr daran, dass sie es tun werden. Ich lächele in mich hinein und lege meine Hände um Riley's. Es soll Dankbarkeit ausdrücken - dafür, dass er mich hält und mir hilft. "Gut, gehen wir heim", höre ich Vater sagen. Er hat ganz eindeutig das Sagen in der Truppe, denn sofort entfernen sich Schritte und Stimmen wieder. Als sie komplett außer Hörweite sind, atmen wir beide aus. Riley nimmt seine Hände zurück und ich räuspere mich verlegen. Eine Zeit lang wissen wir nicht, was wir sagen sollen, ob wir überhaupt was sagen sollen. Was eben selbstverständlich war, beschämt uns nun und das stimmt mich traurig. Aber ich gebe nicht auf. Noch lange nicht.
**************
Halli Hallo. ♥ Bitte, bitte, lasst mir einen Kommi da. ♥
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top