Kapitel acht

Kapitel acht:

"Scarlett?" Da ist sie wieder. Die Melodie. Sanft streiche ich über das feuchte Moos unter mir, ehe ich die Augen öffne und mich aufsetze. Die Sonnenstrahlen fallen gebrochen durch die Baumkronen auf mich herab und es ist fast vollkommen windstill. "Scarlett." Die sanfte Melodie wird immer stärker, während sie in meinem Kopf umherspringt.

Plötzlich legt sich eine Hand auf meine Schulter und ich fahre umher, nur um wenig später in zwei schwarze, glänzende Augen zu blicken. "Riley!" Völlig überrascht und erleichtert über seine Anwesenheit falle ich ihm in die Arme. Er ist noch hier! Er kann mir noch helfen. Ich sauge den angenehmen Geruch von Kräutern und Wind ein, ehe ich mich von ihm löse. "Du bist eingeschlafen", sagt er trocken. "Sieht ganz so aus." Verlegen kratze ich mir den Kopf, dann klopfe ich meine Kleider aus und stehe auf. "Wirst du mir helfen mit Lexi?" Mit der Hand schirme ich die helle Morgensonne ab, um ihn besser zu erkennen. Heute ist wirklich ein milder Herbsttag. "Ich weiß nicht", murmelt Riley und weicht meinem Blick aus. Seine schmalen Finger fahren den rauen Stoff seines Beutels auf und ab. "Es wäre wirklich schade", sage ich leise und spüre, wie es hinter meinen Augen zu brennen beginnt. "Ich glaube, wenn du nicht hilfst, dann... dann-" Ich ringe nach Luft. ".. dann lebt sie nicht mehr lange." "Ich - es ist komplizierter, als du denkst, Scarlett",sagt Riley traurig und wieder schwappt diese Melodie aus seinem Mund und tanzt durch die Luft. "Ist das dein Ernst?", rufe ich aufgebracht. "Du kommst auf einmal her, überstehst die Auspeitschung, hast noch nicht mal richtiges Blut, du ähnelst meiner Großmutter und redest über nichts! Und dann willst du mir sagen, es ist kompliziert? Was soll ich denn sagen? Mein Leben steht auf Kopf!" Riley zuckt zusammen und hört auf, seinen Beutel zu betasten. Dann schluckt er mit geschlossenen Augen. "Du hast mein Blut gesehen?" Ich nicke, während ich mich gegen einen Stamm lehne und beginne, meine Schläfe zu massieren. "Und ich habe auch das meiner Großmutter gesehen. Es ist dasselbe Blut." "Ich-" "Riley, ich weiß,  dass du versuchst, mit deinem alten Leben abzuschließen, aber es wäre wirklich hilfreich, wenn du mir wenigstens ein paar Dinge erzählst, damit ich weiß, womit ich es zu tun habe." Meine Stimme ist wieder weicher geworden. Ich weiß nicht wieso, aber aus irgendeinem Grund kann ich Riley nicht anschreien. Wahrscheinlich liegt es daran, dass er auf mich immer noch wirkt wie ein Magnet. Und ich habe das Gefühl, die Anziehung wird mit jeder Minute stärker. "Scarlett, das verstehst du nicht." "Dann erkläre es mir." Ich drücke mich vom Stamm weg und gehe auf ihn zu. Unmittelbar vor ihm bleibe ich stehen. "Bitte." Riley schüttelt kaum merklich den Kopf. "Nein." "Dann hilf mir bitte mit meiner Schwester."

Er scheint zu zögern, vielleicht zieht er es sogar in Erwägung, mir zu helfen. Doch dann sagt er:"Wie denn? Wenn sie mich entdecken, werde ich verbrannt. Wahrscheinlich könnte ich mich glücklich schätzen, wenn es nur das wäre." Er wendet sich ab und schreitet tiefer in den Wald, woraufhin ich mich beeile, ihm zu folgen. Zugeben muss ich ihm einfach, und ehrlich gesagt habe ich daran nicht einmal gedacht. Aber ich bin längst viel zu verzweifelt, um die Hoffnung aufzugeben. "Weißt du, Riley," Ich fasse nach seinem Arm, um das Tempo zu verlangsamen, "ich kann selber nicht nach Hause. Wenn meine Eltern mich finden, werden sie mich vermutlich einsperren, Großmutter hin oder her." Er bleibt so plötzlich stehen, dass ich fast in ihn hineingerannt wäre, nur, um dann doppelt so schnell weiterzueilen. "Wie willst du das dann anstellen?", fragt Riley mit rauer Stimme, während er den nächstbesten Baum emporklettert. Ich springe sofort hinterher. "Nachts", schlage ich keuchend vor. Mit einem Satz springt er in den nächsten Baum und ich habe tatsächlich Mühe, ihm zu folgen. Seit ich laufen kann, klettere ich und doch zeigt er sich um einiges geschickter als ich. Es wirkt nicht einmal mehr normal, wie er mit den Ästen verschmilzt und durch die Kronen fliegt. "Riley!", rufe ich verzweifelt, als er so weit hochklettert, dass ich Angst habe, die dürren Zweige können brechen. Doch sie biegen sich kein Stück und ohne ein Wort ist Riley bereits im nächsten Baum verschwunden. Ich nehme allen Mut zusammen und wage ebenfalls diesen waghalsigen Sprung. Erschrocken kneife ich die Augen zu, als der Boden mindestens 8 Meter unter mir vorbeifliegt. Mit einem Krachen lande ich im nächsten Baum und meine Fingernägel krallen sich sofort in die Rinde. Was auch immer Riley zu bezwecken versucht - falls er mich loswerden wollte, so ist er davon nicht mehr weit entfernt, denn allmählich bin ich zu erschöpft, um mit ihm mitzuhalten. Dennoch gebe ich mich ganz sicher nicht so einfach geschlagen.

Ich erlaube mir drei Sekunden zum Durchatmen - drei Sekunden zu viel, wie sich herausstellt, denn als ich das nächste Mal aufsehe, habe ich ihn aus den Augen verloren. Ein tonloses "Nein!" gleitet mir über die Lippen, ehe ich mich hartnäckig weiterkämpfe. "Nachts?", wiederholt seine Stimme mit einem Mal. Sofort reiße ich den Kopf in den Nacken und - tatsächlich! Da hoch oben hockt er über mir auf fast unscheinbaren Zweigen.

"Es scheint mir eine gute Möglichkeit", sage ich mit einem Schulterzucken, während ich krampfhaft versuche, so unerschöpft wie möglich auszusehen. Ein schmerzliches Lachen beschallt zur Antwort mein Ohr. "Warum nicht?", erwidere ich patzig. "Es wäre jedenfalls vernünftiger, als am hellichten Tage!" Riley legt den Kopf schief. Dann lässt er sich von seinem Ast gleiten und landet makellos und ohne zu staucheln neben mir in der Astgabel. Ich schnappe nach Luft. Dieser Junge ist ja der reine Wahnsinn! Doch ich versuche, so gleichgültig wie möglich dazustehen. "Da hast du recht", singt seine Stimme. Dann, für den Bruchteil einer Sekunde, verändern seine Augen die Farbe und aus dem tiefen schwarz wird ein dunkel funkelnes rot-violett. Doch die Illusion ist gleich wieder vorbei und zurück bleibt das kohleschwarz. Riley sieht mich von der Seite an, beinahe prüfend.

Dann räkelt er sich und meint mit heiserer Stimme:"Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre, Scarlett." Fragend ziehe ich die Augenbrauen in die Höhe.

"Es ist gefährlich des nachts", erklärt Riley, worauf ich mit einem verächtlichen Schnauben antworte. "Für dich ist es gefährlich, Riley, aber für mich doch nicht." Ich lächele zaghaft, aber er schüttelt den Kopf. "Es ist besser für dich", haucht er. Ich richte mich auf und funkele ihn von oben herab an. "Was gut und was schlecht für mich ist, das entscheide ich selber!" Riley starrt an mir vorbei, in unbestimmte Ferne. Er hat mir nicht mal zugehört. "Ich weiß nicht, wie weit ich mich kontrollieren kann", flüstert er leise, mehr zu sich selbst. "Wie bitte?" Ich habe das Gefühl, die Dinge werden immer verworrener, als am Anfang. So sehr Riley mich auch anzieht und so sehr ich ihn wahrscheinlich mögen würde, wäre er nicht so geheimniskrämerisch, im Moment wünsche ich einfach nichts mehr, als dass er niemals aufgetaucht wäre.

"Ich bin nicht normal, Scarlett." Hinter seinen Augen flackert die Trauer und Verzweiflung ganz fiebrig auf. Unter dem direkten Blickkontakt zu ihm, wummert mein Herz zwei Takte schneller. Für eine Millisekunde habe ich das Gefühl, er würde alles erklären,  mir sein Herz ausschütten, doch dann krallt er sich an mir fest und zieht mich zu sich hinunter. Im nächsten Moment hat er den Kopf an meine Brust gelehnt und weint so herzzerreißend, dass es mir schon wehtut.

Aus einem Instinkt heraus fahre ich durch seine dichten, schwarzen Haare und streichele ihm über den Rücken. Seine Tränen sind eiskalt und ihr nasser Fleck an meinem Schlüsselbein löst ein seltsam kribbelndes Gefühl aus.

"Du weißt ja nicht, wie gerne ich dir alles erklären würde", schnieft Riley. "Aber ich mag dich zu sehr, als dass ich dich da mit hineinziehen wollte." Ein Lächeln zuckt über meine Lippen, als ich begriffen habe, dass er mich mag.

Irgendwo in meiner Magengegend ist es ein beruhigendes Gefühl, aber mein Kopf sagt aus der Situation heraus was anderes. Es ist gefährlich, spricht er mir zu. Es ist bedrohlich.

Doch dann denke ich wieder an Lexi und mir ist alle Gefahr egal. "Bitte zieh mich mit rein. Schon allein wegen Lexi. Und nicht zuletzt meinetwegen. Ich will wissen, was du zu verbergen hast, Riley", flüstere ich.

Langsam richtet er sich auf und vergräbt das Gesicht in beiden Händen. Als er aufsieht, haben seine Augen wieder ihre Farbe in das violett-rote verändert. Fast erschrocken drückt er sich von mir ab, sodass er gegen den Stamm prallt. "Du musst gehen!" Die Tränen haben Furchen in sein weißes Gesicht gegraben und seine Augen sind schreckgeweitet. "Warum?" Riley beginnt zu zittern. "Tu es einfach, bitte!", presst er hervor und springt rückwerts aus dem Baum. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, rennt er davon.

**********************

Jaa, Leute, ich habe geupdatet, whuuu! ♥ Bitte kommentiert und votet ganz viel, damit ich weiß, wie ihr es findet, ok? ^^ Biiiiiittteeeee :) Ich wäre euch unendlich dankbar ♥

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top

Tags: