25 - Höllenritt

Danach ging alles sehr schnell. Auf Aalyxhs Bitte drehte sich die Wanderer auf den Rücken, um Ajs einen möglichst direkten Zugang zu dem Bewusstsein der Nestlinge zu gewähren. Zum Glück war unser bordeigenes Gravitationssystem der Herausforderung gewachsen. Während wir uns so dem Turm mit der Bibliothek näherten, brummte Ben vor sich hin. „Wenn der Hund bloß nicht auf die Idee kommt, die Zecke am Gartenzaun abzustreifen. Oder sie zu zerquetschen."

Ich konnte mir ungefähr vorstellen, was er meinte. Mein Magen krampfte sich zusammen beim Gedanken daran, dass wir den Severills auf Gedeih und Verderben ausgeliefert waren. Aber Verans Pilot schien sein Handwerk zu verstehen. Während die Turmspitze beinahe die Hülle der Topsy kitzelte, saß Ajs mit verknoteten Augenstielen auf Bens Sessellehne und gab ein leises, summendes Geräusch von sich. Überraschend schnell unterbrach sie diese beunruhigende Melodie aber wieder und drehte die Augen in meine Richtung. „Alles klar, Cap Kali, die Nestlinge zünden jetzt das neue Portal."

„Hast du das gehört, Veran?" Wenn er es nicht gehört hatte, so machte ihn bestimmt die Druckwelle der Explosion darauf aufmerksam, die noch während meinen Worten die Topsy schüttelte. Die Nestlinge standen zu ihrem Wort.

Ich klammerte mich an die Armlehnen meines Sessels, während der Pilot des Severillschiffs seinen Kreuzer nach oben riss, in die Richtung der feurigen Raketenspur, die sich über den Himmel zog, die Topsy auf seinem Rücken sicher verankert.

Aalyxh, die ausnahmsweise zur Untätigkeit verdammt war, wandte sich an Ajs. „Ich hoffe, du konntest dich von den Nestlingen verabschieden?"

„Ja, sie wünschen uns eine gute Reise. Allerdings möchten sie ab jetzt die Topsiliner genannt werden, in Erinnerung an dieses Schiff. Und sie haben mich gebeten, mich bei Cap Kali und der Crew noch einmal für diesen wunderschönen Planeten zu bedanken. Die Topsy-Turvy wird auf Topsilina immer als ein Ehrengast willkommen sein."

Nun, es war schön zu wissen, dass wir nicht überall geächtet waren. Entgegen meiner Befürchtungen schienen wir auf dieser Mission mehr neue Freunde als Feinde zu gewinnen. Das war eine nette Abwechslung. Aber im Moment hatte ich keine Zeit für Gefühlsausbrüche. Durch die Beschleunigung der Wanderer in die Polsterung meines Sessels gedrückt, drehte ich den Kopf in Richtung des Ingenieurs.

„Ben, wie ist unser Status?"

„Alles in Ordnung, Cap. Die Verbindung mit den Severills hält."

„Captain, die Rakete ist nun im Orbit angekommen und der automatische Portalgenerator kommt zum Einsatz." Hijacs Stimme wurde von einer überwältigenden Duftwolke der Begeisterung und freudigen Erwartung begleitet.

Hrrovr holte das Spektakel auf den Hauptschirm. Fasziniert verfolgte ich die farbenprächtige Explosion außerhalb der Stratosphäre. Wie ein Strudel wirbelten Schwaden von violetten, gelben und orangen Gasen durcheinander, bis sie einen kreisenden Tunnel formten. Das Portal hatte sich geöffnet.

„Bist du bereit für die Reise deines Lebens, Kali?" Verans Stimme klang ausgesprochen gutgelaunt.

Angesteckt von seinem Enthusiasmus fühlte ich, wie mir eine Welle der Begeisterung durch die Adern schoss. „Aye, Veran. Die Wanderer und die Topsy werden heute in die Geschichte eingehen. Egal, was in diesem Höllenschlund passiert."

Er lachte. „Richtig. Dann lass uns nicht länger warten, reiten wir das Biest und werden zu Legenden."

Ich unterdrückte ein nervöses Kichern „Los geht's."

Während der Pilot die Nase der Wanderer in Richtung des Portals drehte, hämmerten meine beiden Herzen in einem rasanten Rhythmus. In wenigen Momenten würden wir in ein Wurmloch fliegen, um persönlich die mysteriöse Abkürzung durch das Zeit-Raum-Kontinuum zu testen. „Alle gut festhalten, kann sein, dass es etwas holprig wird."

Nicht, dass dies besonders geistreich gewesen wäre oder dass meine Crew eine solche Ermahnung brauchte. Ben klammerte sich ohnehin bleich wie ein klojanischer Höhlenmolch an seine Sessellehne während Ajs mit zitternden Augenstielen auf seiner Kopfstütze thronte. Hrrovr zurrte gerade sein Sicherheitsnetz fest, und Aalyxh nahm ihre Lieblingsstellung ein, die Arme und Beine fest um die dafür vorgesehenen Stützen gekrallt. Nur Hijac ließ sich nicht beirren und huschte von einer Station zur anderen, um sicherzustellen, dass alle Bewegungen der Topsy in grösstmöglicher Detailtreue aufgezeichnet wurden.

Das Portal rückte näher, und bald nahmen die wirbelnden Massen den gesamten Platz auf unserem Schirm ein. Der Schlund, auf den wir zusteuerten, schien von innen heraus zu glühen. „Jac, ist das wirklich ein Wurmloch?"

„Nein, nicht im klassischen Sinn. Aber das dürfte trotzdem der beste Vergleich sein. Der Generator scheint eine Mischung aus—"

„Später, Jac." Bens Stimme war heiser vor Anspannung. „Kali, ich registriere die ersten Zerfallsfluktuationen. Soll ich unsere Energie jetzt einspeisen?"

Ich öffnete den Rufkanal zur Wanderer. „Veran, wir registrieren Fluktuationen. Sollen wir boosten?"

„Bestätigung. Das Portal scheint recht kurzlebig zu sein. Wir helfen mit."

Ben zündete ohne weitere Bemerkung unser Bugtriebwerk und ließ die volle Leistung der Topsy in die wirbelnde Erscheinung fließen. Der bläulich sichtbare Energiestrahl brachte die Eintrittsöffnung einen Moment lang zum glühen, dann erweiterte sie sich zitternd.

Bevor die Destabilisierung wieder einsetzen konnte, folgte die Wanderer unserem Beispiel und sandte einen kräftigen grünen Energiestrahl in die gleiche Richtung. Blau und grün vereinigten sich zu einem gleißenden Funkenregen, die Öffnung des Portals stabilisierte sich zusehends.

„Ich glaube, das reicht, Cap. Wir können die Energie kappen.§

„Einverstanden. Hast du das gehört, Veran?"

„Ja, machen wir. Haltet euch fest, wir tauchen gleich in das Reich der Heldengeschichten ein."

Mir blieb nicht die Zeit, ihn einen Spaßvogel zu nennen. Sobald beide Schiffe die Energiezufuhr unterbrochen hatten, stürzten wir uns bereits in den Schlund, getrieben von den mächtigen Triebwerken der Wanderer. Wir wurden verschluckt wie ein unvorsichtiges Insekt von einem shkanaschischen Sandwurm.

Kaum umschloss uns der rosa und orange gleissenden Tunnel, wurde mir speiübel. Die um uns herum wirbelnden Streifen von blauer und grüner Farbe zeigten, dass das Portal unsere Energie aufgenommen und absorbiert hatte. Sie vermittelten aber auch das Gefühl, dass wir in einer halsbrecherischen Spirale in einen immer enger werdenden Schacht hinunter stürzten. Obwohl die schwergewichtige Wanderer sich langsamer bewegte als das Leichtgewicht Topsy damals im Ionensturm, verdrehte die Bewegung meinen Magen wie ein nasses Handtuch beim Auswringen.

Ein Blick zu Ben bestätigte, dass der Ingenieur sich nicht in besserer Verfassung befand. Hrrovr war eine schuppige Statue von gelebter Konzentration, nur das Zucken seiner goldenen Augen verriet, dass er noch atmete. „Hrrovr, kannst du bitte den Hauptschirm abdunkeln? Sonst beschwert sich Jac wieder, wenn er eine weitere Mahlzeit vom Boden aufwischen muss."

Ein modriger Duft karjkanischer Belustigung driftete durch den Raum. Gleichzeitig zeigte ein unterdrücktes Kichern von Aalyxh an, dass auch bei ihr die Spiralbewegungen keine Übelkeit hervorriefen. Bei Ajs war ich mir nicht so sicher. Ihr kleiner Körper bebte, die Greiftentakel waren fest um den Oberkörper gewickelt und die Augenstiele steif ausgestreckt. Ich fragte mich, ob aus Furcht oder freudiger Erregung. „Alles gut bei dir, Ajs?"

„Sehr gut, Cap Kali. Das ist so ein wundervolles Erlebnis. Als mich die Tanencha für diese Mission auswählte, hätte ich niemals zu hoffen gewagt, dass ich mit euch so tolle Abenteuer erleben würde." Sie drehte ihre strahlenden Augen in meine Richtung. Aber irgendetwas in meinem Ausdruck musste ihr sagen, dass ich ihren Enthusiasmus nicht voll teilte. Ihr aufgeregtes Indigo verblasste zu einem sanften Türkis. „Gibt es ein Problem, Cap Kali? Bitte mach dir keine Sorgen um die Topsiliner, sie sind glücklich und werden bestimmt eine erfolgreiche Kolonie gründen. Sie werden auf unseren nächsten Besuch warten."

„Du arbeitest an deiner Reputation, Cap." Ben bekämpfte die Übelkeit mit Humor, eine typisch menschliche Reaktion. „Vielleicht solltest du das nächste Mal Autogrammkarten mitbringen. Allerdings muss ich mir noch überlegen, ob ich mich wirklich auf weitere Reisen mit dir einlassen will. Ionenstürme, schwarze Löcher und jetzt ein Wurmloch. Was planst du als nächstes?"

Ich wollte ihm gerade versichern, dass mir ein ruhiger Urlaub in einer friedlichen Kolonie im Safitta-Sektor vorschwebte. Aber Hrrovrs rasselnde Schuppen und ein unartikuliertes Zischen verlangten nach meiner Aufmerksamkeit.

„Captain, wir bewegen uns'ss ss'sehr schnell. Wie wollen wir eigentlich ss'sicherss'stellen, dass'ss wir nicht wieder in einem unerforschten Quadranten oder in einem schwarz'ssen Loch enden?"

Gute Frage. „Jac, können wir die Reise steuern?"

„Ja, bis zu einem bestimmten Grad. Ich bin dabei, die entsprechenden Anweisungen zu übersetzen. Allerdings werden wir auch etwas Glück und die Hilfe unserer neuen Freunde benötigen."

Ein schwacher, teeriger Duft zeigte, dass der Karjkaner nicht zu hundert Prozent von seiner Sache überzeugt war. Bens Stirnrunzeln und Aalyxhs Augenrollen bekräftigten meinen Versacht. Hrrovr hielt sich zum Glück zurück und Ajs kannte die Körpersprache der Crew noch zu wenig, um sich Sorgen zu machen. Sie flitzte zu Hijacs Konsole hinüber. „Können wir direkt nach Sqia'lon Sieben fliegen?"

Hijac sandte mir einen unergründlichen Blick aus glimmenden Facettenaugen. Ich schluckte leer und öffnet den Kanal zu den Severills.

„Veran, wohin reisen wir im Moment gerade?" Der Knoten in meinem Magen sagte mir, dass mir die Antwort nicht unbedingt gefallen würde.

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