24 - Das Herz von Ajs an'Hlj

Der Gedanke, Ajs auf dem Planeten zurückzulassen, füllte mich mit einem unbestimmten Unbehagen. Ich hatte die kleine Tyrinianerin ins Herz geschlossen, blaue Schleimspur inklusive. Aber natürlich würde ich sie nicht daran hindern, hier mit ihren Artgenossen zurückzubleiben. Das war für sie bestimmt besser, als weiter auf der Topsy mitzureisen, als einziges Mitglied einer Spezies mit Schwarmbewusstsein. Ich stellte mir vor, dass sie sich unter uns Individualisten sehr einsam fühlen musste.

Als Ben schließlich meldete, drei Personen seien zurück an Bord, war ich erleichtert. Zumindest würden wir uns von Ajs verabschieden können. Die Kamera zeigte mir, dass sie sich diesmal auf dem Chitinpanzer von Hijac festgeklebt hatte, um schneller zu reisen. Den Karjkaner schien der kleine Passagier nicht im Mindesten zu stören.

Die drei Mitglieder des Landungsteams passierten die Dekontaminierung und erreichten kurz darauf die Brücke. Ajs flitzte dabei wieder auf ihrer gewohnten Schleimspur dahin. Hijac trat zielstrebig auf mich zu und streckte mir seinen Scanner entgegen. „Hier, ich habe neben den wichtigsten Sequenzen alles aufgezeichnet, was ich kriegen konnte. Wir müssen uns bloß genau an die Instruktionen halten, und das Ganze wird ein Ausflug für Raumkadetten im ersten Trainismodul."

Ich hatte meine Zweifel an dieser letzten Aussage, wollte ihm aber den Spaß nicht verderben. „Wieviel Energie werden wir für die Durchquerung des Portals benötigen?"

Seine Facettenaugen glühten orange und ein süßer Duft der Frustration wabberte durch die Brücke. „Leider sind wir darauf angewiesen, unsere Energie mit jener des Severill-Kreuzers zu koppeln. Alleine werden wir es nicht schaffen, das Portal zu stabilisieren, selbst nicht, wenn unsere Batterien voll geladen wären. Hier, meine Berechnungen."

Ich studierte die Grafik, die er mir unter die Nase hielt. Selbst mit Verans Hilfe würde eine Durchquerung des Portals knapp werden. „Wie willst du es bewerkstelligen, dass unsere beiden Schiffe synchron arbeiten?"

„Wir könnten die Tops'ssy über ihrem Frachtdeck andocken und auf dem Ss'severillkreuz'sser Huckepack reiten. Das'ss würde uns'ss erlauben, mehr Energie ins'ss Portal z'ssu leiten und ss'sicherss'stellen, dass'ss wir es'ss dann auch gemeins'ssam pas'ssieren." Die purpurne Verfärbung der Bauchschuppen meines ersten Offiziers zeigte deutlich, dass er von seinem eigenen Vorschlag nicht besonders begeistert war.

Ich verstand seine Beweggründe gut. Hrrovr hatte in seinem Leben mehr Zeit damit verbracht, Severills zu eliminieren, als damit, Eiscreme zu essen, wie Ben das formulieren würde. Aber der Vorschlag war gut, sogar Hijac hatte nichts hinzuzufügen als eine zustimmende Duftwolke. Abgesehen davon hatten wir ohnehin keine andere Wahl.

Ich nahm Kontakt mit meinem Freund-Feind auf. „Veran, wir haben einen Vorschlag. Wir möchten die Topsy auf der Bezwinger docken. Damit könnten wir die Koordination der Energieschübe massiv verbessern und gleichzeitig die volle Kapazität unseres Triebwerks für die Stabilisierung des Portals nutzen." Das Manöver würde uns auch ins Innere des Abwehrschirms der Severills bringen, aber das brauchte ich nicht extra zu erwähnen. Veran war nicht dumm.

Nach einer kurzen Konsultation mit seinem Ingenieur meldete er sich zurück. „Einverstanden. Wir haben Dockklampen für Reiterschiffe auf der Oberseite. Wenn ihr euch mit den Greifern daran festklammern könnt, sollte das klappen. Einen gegenseitigen Besuch können wir uns aber nicht abstatten, die Schleusen unserer Schiffe sind kaum kompatibel."

Um so besser. Ich plante nicht, in absehbarer Zeit ein Severillschiff zu betreten. Schon gar nicht das Flaggschiff. „Ich habe unangenehme Erinnerungen an meinen letzten Besuch auf der Bezwinger. Ich kann also damit leben."

Er lachte laut und rumpelnd. „Nun, ich hoffe, dass du diesbezüglich deine Einstellung noch änderst. Allerdings würde ich es vorziehen, wenn du mein Schiff nicht mehr bei seinem alten Namen nennst. Manche glauben, das bringe Unglück. Die Richtlinie ‚neuer Captain, neuer Name, neue Regeln' gilt bei meinem Volk in solchen Situationen."

„Oh." Das hatte ich nicht gewusst. „Und wie ist der neue Name deines Schiffs?"

„Ich habe gedacht ich nenne sie den Wilden Wanderer. Sie hat sich einen speziellen Namen verdient nachdem sie uns quer durch die Galaxie getragen hat, ohne dass jemand dazu etwas zu sagen hatte." Er zwinkerte mir zu. „Außerdem passt das besser zu deiner Topsy-Turvy."

„Toller Name." Er gefiel mir und passte eindeutig besser zu Veran als Bezwinger.

„Nun, dann werde ich ihn auf jeden Fall behalten. Betrachte dich als Taufpatin."

Ich gluckste. „Diese Ehre habe ich nun wirklich nicht verdient."

„Oh doch, wenn du meinen Onkel nicht bis zum Haarausfall gereizt hättest, wären wir dir niemals in diesen Ionensturm gefolgt. Stell dir vor wie langweilig unser Leben jetzt gerade wäre."

Lieber nicht. „Todlangweilig, möglicherweise. Wenn wir nämlich von einem Torpedo pulverisiert worden wären, entweder von euch oder der Raumpatrouille."

Veran lachte. „Daran will ich lieber nicht denken. Das hätte mir das Herz gebrochen."

Aalyxh räusperte sich. „Kali, wenn ihr zwei euren Balztanz für einen Moment unterbrechen könnt, sollten wir das Vorgehen besprechen. Ajs muss ziemlich nahe am Planeten sein, damit sie mit ihren Artgenossen in Kontakt bleiben kann und ihnen sagen kann, wann sie das Portal auslösen sollen. Denkst du, wir sollten uns bereits vorher an das Severillschiff andocken?"

„Vorher." Bens bestimmter Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er sich das Problem bereits überlegt hatte. „Nach dem Zünden der Rakete bleibt uns keine Zeit mehr, noch bei den Severills Huckepack zu gehen. Das Wurmloch würde vermutlich bereits wieder kollabieren, bis wir das Manöver abgeschlossen hätten."

„Da hast du die Antwort, Lyxh. Also los, arrangiert das Dockmanöver. Ajs, hast du einen Moment Zeit?"

Die Tyrinianerin schlitterte auf ihrer inzwischen gut etablierten Schleimspur bis zu meinem Sessel. „Ja, Cap Kali?"

Während Aalyxh mit Riann Kontakt aufnahm und Hrrovr und Ben mit Verans Ingenieur diskutierten, lehnte ich mich vor, um mit Ajs zu sprechen. „Bevor wir das Portal aktivieren und von hier verschwinden, wollte ich dich fragen, ob du nicht lieber hier mit den Nestlingen zurückbleiben möchtest. Sie werden deine Hilfe sicher benötigen."

„Sie kommen gut alleine zurecht. Ihre Assimilation ist bereits fast abgeschlossen. Sie sind viel besser an diesen Planeten angepasst, als ich es jemals sein könnte." Sie ließ ihre Augenstiele traurig hängen.

„Was ist los, Ajs? Fühlst du dich einsam? Wenn das Portal funktioniert und wir den Auftrag der Tanencha ausgeführt haben, werden wir dich natürlich zurück nach Tyrin fliegen." Ich hatte offensichtlich kein großes Talent als Trösterin oder missverstand die tyrinianische Körpersprache. Ajs sah immer noch unglücklich aus. „Oder möchtest du lieber in Sqia'lon Sieben abgesetzt werden, zusammen mit dem Rest der Nestlinge?" Die Augenstiele knickten noch etwas weiter ein. „Kannst du mir sagen, was los ist Ajs? Ich kann dir nicht helfen, wenn du es mir nicht erklärst."

„Verzeih, Cap Kali, ich bin dankbar für das Angebot. Aber mein Herz sagt, ich bin Ajs an'Hlj, Ajs Ohne-ein-Zuhause." Ihre Augenstiele zitterten und sie blinzelte. Waren das tyrinianische Tränen? „Würdest du mir erlauben, hier an Bord zu bleiben? Trotz meinem Schleim?"

Ich schluckte. Hatte ich ihr mit meinen Vorschlägen den Eindruck vermittelt, hier unwillkommen zu sein? Dass ich sie so rasch als möglich loswerden wollte? „Selbstverständlich kannst du auch bleiben, Ajs. Ich hatte einfach befürchtet, du würdest dich ohne deine Artgenossen und deine Familie einsam fühlen."

Die Augenstiele richteten sich auf. „Ich werde mich niemals einsam fühlen zusammen mit euch allen. Mein Herz sagt, dass ihr meine Familie seid."

Ich lehnte mich vor, um sie zu umarmen. Gerade noch rechtzeitig fiel mir ein, dass ihre Haut den Kontakt mit Lipiden schlecht vertrug und hielt mich zurück. Stattdessen lächelte ich ihr zu. „Du solltest immer auf dein Herz hören, Ajs."

„Kali?" Aalyxh schenkte mir ein strahlendes Lächeln, sie hatte unseren leisen Austausch offenbar verfolgt. „Wir wären jetzt bereit fürs Docken. Das Schiff deines Schwarms steht direkt über der Bibliothek."

Ich grinste und schlüpfte zurück in meine Captain-Rolle. „Ausgezeichnet. Also, hüpfen wir auf den Rücken der Wanderer."

Ben zündete die Manövriertriebwerke und Aalyxh zog die Topsy hoch, bis wir knapp über dem Severillschiff schwebten. Die Schutzschirme waren abgeschaltet und wir hatten freien Zugang. Hrrovrs Schwanzschuppen rasselten. „Das'ss Ding is'sst ries'ssig."

Er hatte recht, unsere Topsy wirkte im Vergleich wie ein Spielzeug. Insofern hatten wir keine Mühe, auf der großen Metalloberfläche Platz zu finden. Aalyxh setzte das Schiff sanft zwischen zwei Befestigungspunkten für die Reiterschiffe auf, und Hrrovr half ihr, uns mit den Landegreifern sicher zu verankern.

Nach einigem Hin und Her gelang es Hijac und Ben, eine Verbindung der Bordsysteme der beiden Schiffe herzustellen. „Alles in Ordnung für die Energieübertragung, Ben?"

Er nahm einige Justierungen vor und nickte dann. „Ja, sieht gut aus. Wir sitzen so unverrückbar auf der Wanderer wie eine Zecke im Fell eines Hundes."

Ich konnte mit seiner Metapher nicht viel anfangen, aber wenn er zufrieden war, musste mir das genügen. „Sehr gut. Ich hoffe, dass der Hund die Zecke mag und nicht unterwegs abschüttelt. Ajs, bist du bereit für deinen großen Auftritt?"

Die Tyrinianerin verfärbte sich indigoblau und verwickelte ihre Augenstiele zu einer engen Spirale.

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