14 - Lebenszeichen


Hrrovrs Beobachtung ließ jegliches Interesse an dem potentiellen Plutoiden auf der Stelle schwinden. Wenn einer der Planeten dieses Systems tatsächlich bewohnt war, konnten wir ganz einfach dort vorbeifliegen und nach dem Heimweg fragen. Nicht dass dieses Vorgehen besonders elegant wäre oder zu den anerkannten Navigationsmethoden gehörte, die an den Hochschulen gelernt wurden, aber es war eindeutig besser als weiter durch unkartierten Raum zu driften und auf ein Wunder zu hoffen.

Meine aufblühende Hoffnung wurde aber gleich von einem neuen finsteren Gedanken zurückgebunden. Wenn es hier intelligentes Leben gab, warum waren wir dann nicht schon bei unserem Eintritt ins System entweder angerufen oder abgeschossen worden? Ich schluckte einen Klumpen Galle hinunter. „Gibt es Lebenszeichen? Irgendwelche Emissionen oder Anrufe, etwas, dass sich als Versuch einer Kontaktaufnahme interpretieren lässt?"

„Negativ, Captain, aber einer der Planeten bes'ssitzs'st zs'sahlreiche küns'sstliche Ss'satelliten." Ein aufgeregtes Rasseln seiner Schwanzschuppen begleitete Hrrovrs Worte.

Ich konnte seine Begeisterung verstehen. Eine Zivilisation am Rande des Raumfahrtzeitalters, also. Vermutlich waren sie noch nicht weit genug entwickelt, um uns auf ihren Langdistanz-Scannern zu erkennen. Sofern dieses System wirklich bisher unbekannt und unkartiert war, bedeutete seine Entdeckung für uns einen Hauptgewinn. Wenn wir von hier aus irgendwie in die Zivilisation zurückfanden.

„Jac und Hrrovr, konzentriert euch darauf, eine Übereinstimmung mit den Karten zu finden." Ein zustimmendes Zischen und eine Moschusduft-Wolke bestätigten, dass die beiden ihren Job ernst nahmen. Ich wandte mich an die Pilotin. „Nähere dich dem Planeten vorsichtig an, Lyxh. Wir wollen unter allen Umständen vermeiden, ein Waffensystem auszulösen."

„Aye, Kali." Aalyxh schien ihren Streit mit Ben vergessen zu haben und starrte mit allen Augen auf ihre Instrumente.

Der Mensch stand auf. „Ich bin im Maschinenraum, Cap. Will bloß sicherstellen, dass wir soviel Energie wie möglich in unsere Speicher kriegen. Nur für den Fall."

Während ich ihm nachsah, fragte ich mich zum wiederholten Mal, ob mich meine Crew denn eigentlich überhaupt brauchte. Sie wussten stets genau, was zu tun war, und während sie alle kompetent ihre Aufgaben erfüllten, blieb mir als Captain nichts anderes übrig, als mir Sorgen über Dinge zu machen, die ich ohnehin nicht ändern konnte.

Dann fiel mein Blick auf die kleine Tyrinianerin, die sich riesig anstrengte, um mit ihrem unfreiwilligen Adoptivvater Schritt zu halten. Ich verschluckte ein Kichern. Ajs musste beinahe die doppelte Strecke zurücklegen wie Ben. Irgendwie, und zu meinem großen Erstaunen und meiner noch größeren Erleichterung hatte sie rasch begriffen, dass ihre schleimigen Rückstände für die Crew unangenehm waren. Von da an bemühte sie sich, alle Distanzen auf fest vorgegebenen Wegen zurückzulegen, die sie geschickt entlang der Wände und über unbenutzte Bodenflächen wählte. So seltsam das wirkte, es hatte zwei große Vorteile. Erstens konnte sie sich deutlich schneller bewegen, wenn sie einer bereits vorhandenen Spur folgte. Und zweitens riskierte so niemand von den übrigen Crewmitgliedern, auf dem blauen Schleim auszurutschen und sich ein Glied zu brechen.

Sobald Ajs durch die Luke zum Maschinenraum verschwunden war, kramte ich meine vergilbte Kopie des FORP hervor. Der unordentlich zusammengeheftete Ausdruck war ein Überbleibsel der unbekümmerten Tage, als ich als Anhalterin durch die Galaxis zog. Nicht jeder Captain war bereit, einem zufälligen Gast Zugang zu den Bordsystemen zu gewähren, und der Ausdruck wurde von Personenscannern nicht als Gefahr registriert.

Irgendwie fühlte ich mich mit dem zerlesenen Exemplar immer noch besser bedient als mit der elektronischen Version im Bordnetz, auch wenn das wohl vor allem nostalgische Gründe hatte. Natürlich war es unwahrscheinlich, dass ich mehr Informationen finden würde als Hijac und Hrrovr in der Datenbank, aber ich konnte es zumindest versuchen. Allerdings gab ich die Suche bald wieder auf, abgelenkt von den Bildern auf dem Hauptschirm.

Wir näherten uns rasch dem Planeten mit den Satelliten. Zu meiner Überraschung handelte es sich dabei um ein binäres System. Zwei Planeten von annähernd gleicher Größe umkreisten sich wie zwei verliebte Raumkraken beim Paarungstanz. Die Oberfläche der einen Kugel schien von einer Flüssigkeit bedeckt zu sein und wies nur wenige und unzusammenhängende Landmassen auf. Sie bildeten kleine Gruppen und nostalgisch fragte ich mich, ob sie vulkanischen Ursprungs waren. Der Planet erinnerte mich an meine Heimatwelt Oola.

Der andere Planet war terrestrisch und von einer rötlich-braunen Farbe. Weiße Wolkenbänder und verschneite Gebirgsketten zeichneten sich im Näherkommen deutlich ab. Laut Hrrovrs Messungen war dies der Planet mit den Satelliten.

Die Aussicht auf eine bedeutende Entdeckung ließ mich beinahe unsere peinliche Situation vergessen. Selbst verloren im All gab es für einen alten Raumbummler wie mich nichts Faszinierenderes, als einen neuen bewohnbaren Planeten zu finden.

Hrrovr beugte sich über seine Anzeige. „Ss'sieht aus'ss wie eine ss'sehr trockene Angelegenheit."

Damit hatte er recht, und ich fragte mich, ob das die Ursache war, das wir kein Leben erkannten. Allerdings seltsam, mit einem Wasserplaneten gleich nebenan. Und Schnee schien es ja auch zu geben. Ich wendete mich an Hijac. „Gibt es da unten Wasser und organische Spuren? Irgendwelche intelligenten Lebensformen? Oder überhaupt Lebensformen?"

„Negativ, Captain, zumindest was Leben angeht. Wir empfangen auch keine Signale außer einigen sich wiederholenden automatischen Datenübertragungen. Trotzdem ist der Orbit mit Müll vollgestopft wie es nur eine Zivilisation fertig bringt, die gerade die Raumfahrt entwickelt hat. Ich weiß noch, wie der Orbit der Erde aussah, als die Menschen erstmals kontaktiert wurden. Die Satelliten hier werden wohl schon lange nicht mehr gewartet, senden aber immer noch ihre automatische Meldungen."

Ein kalter See bildete sich in meinem Magen und schwappte hin und her. „Keine Waffensysteme?" Nach dem Schlagabtausch mit den Severills war ich nicht erpicht auf neuen Ärger.

„Keine, die als'ss s'ssolche erkennbar s'ssind."

Keine Gesellschaft im Raumfahrtzeitalter ließ ihren Planeten ungeschützt. Der einzige Grund, der mir einfiel, war, dass irgendetwas sie daran gehindert hatte, einen entsprechenden Überwachungsschirm aufzubauen. Mir fielen dazu hässliche Szenarien wie Krieg, Seuchen oder ein Angriff aus dem All ein. Etwas, was zum Aussterben einer ganzen Spezies führen konnte. „Eine tote Welt?"

„Sieht danach aus." Hijac stieß eine Wolke von pfeffriger Neugier aus, versetzt mit einem bitteren Anflug von Angst. Die Tatsachen, das der stets so nüchterne Karjkaner ebenfalls beunruhigt war, ließ die Temperatur des Wassers in meinem Magen noch ein paar Grad sinken. Gebannt hing mein Blick an den Daten, die während unserer Annäherung laufend ergänzt wurden. Irgendwo in diesen Listen von Zahlen und Messwerten konnte ein Hinweis darauf versteckt sein, was hier vorging.

Eine blaue Bewegung beim Niedergang in den Maschinenraum störte meine Konzentration. Ajs schlittere durch die Luke und verließ ihre gut geschmierte Normalroute, um direkt vor meinem Sessel anzuhalten.

„Cap Kali." Es war das erste Mal, dass sie mich direkt ansprach, und ihre Kombination der Namen, die Ben und Aalyxh für mich verwendeten, ließ mich beinahe losprusten. Dann sah ich das Zittern ihres dünnen Körpers und sie tat mir leid.

Aber bevor ich unseren jungen Passagier ansprechen konnte, kam Aalyxh mir zuvor. „Hab keine Angst vor ihr, Ajs. Kali kann ganz nett sein, wenn du sie erst einmal kennenlernst. Sie versucht nur, die Fassade des ständig griesgrämigen Captains aufrechtzuerhalten, um ihre Unsicherheiten zu überspielen."

„Herzlichen Dank für die Persönlichkeitsanalyse, Lyxh. Solltest du nicht gerade das Schiff steuern oder dich sonst irgendwie nützlich machen?" Ich bemühte mich, meinen Ärger hinunterzuschlucken und sowohl Hijacs modrige Belustigung wie auch Hrrovrs Schuppenklappern und zischendes Kichern zu ignorieren. „Nun, Ajs, beachte diese drei Komödianten am besten gar nicht. Was wolltest du mir sagen?"

Die kleine Tyrinianerin richtete sich zu voller Größe auf, ihre Tentakel fest um ihren Oberkörper gewickelt. Sie war in den letzten Tagen eindeutig gewachsen, Bens Diät schien ihr gut zu bekommen. Trotzdem reichte sie nicht einmal halbwegs zu meinem Knie.

„Cap Kali, Ben sagt, ich soll dir melden, dass er die Ladeanlage für den Energiespeicher neu justieren muss. Das wird ihn einige Klicks beschäftigen." Offensichtlich hatte unser Gast bereits zu viel Zeit mit dem Ingenieur verbracht. Sie kopierte inzwischen sogar seine Sprachmuster.

Ich musste ein Grinsen verkneifen. „Danke. Wir sind zwar in Eile, aber solange können wir uns schon Zeit nehmen. Ben soll melden, wenn er bereit ist."

Anstatt wie erwartet in den Maschinenraum zurückzukehren, blieb Ajs wie angeklebt auf ihrem Platz. Irritiert ließ ich meinen Blick vom Bildschirm zurück zu ihr wandern. „Gibt es sonst noch etwas?"

Ajs' Augenstiele zitterten und wickelten sich umeinander, was ich für ein Zeichen der Nervosität hielt und ihr ein bedauernswertes Aussehen verlieh. Erst als auch alle anderen ihre Blicke auf sie gerichtet hatten, fing sie sich und fuhr zögernd fort. „Du solltest noch wissen, dass die Tiefschlafbox, in der ich hierher gekommen bin, soeben den Aufwachvorgang für die nächste Gruppe von einigen hundert Nestlingen der Tanencha einleitet."

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