Verteidigung

Müde stand ich vor dem Spiegel im Mädchenschlafsaal und machte mir wie jeden Morgen eine aufwändige Flechtfrisur. Gekonnt band ich mir meine schwarzen Haare zusammen, während ich mein Spiegelbild musterte. Meine smaragdgrünen Augen funkelten mir entgegen. Schminken brauchte ich mich nicht, da ich von Natur aus volle schwarze Wimpern und immer leicht gerötete Lippen hatte. Die wenigen Sommersprossen die sich über Nase und Wange zogen, vielen auf meiner sonnengebräunten Haut kaum auf. Meine Mutter sagte immer, dass ich ein Puppengesicht besaß, und leider musste ich ihr dahingehend rechtgeben.

Ich hatte manchmal schon darüber nachgedacht, mir einfach eine hässliche Narbe zu verpassen, damit die Leute mich nicht immer mit offenen Mündern anstarrten. Doch die Angst war zu groß, dass ich es hinterher bereuen würde.

>>Stella, kommst du? Wir wollen nicht zu spät zum Frühstück kommen<<, riss mich Helgas Stimme aus meinen Gedanken.

>>Ich komme! <<, sagte ich schnell und steckte die letzten losen Haarsträhnen mit einer Haarnadel fest.

Zum Glück hatte niemand etwas von den Geschehnissen in der Nacht mitbekommen. Nur Fred und George waren nicht sehr angetan, als ich ihnen im Vertrauen berichtete, dass die Karte weg sei.

>>Ich werde versuchen sie wieder zu bekommen<<, versprach ich ihnen.

>>Wie willst du das denn anstellen? <<, fragten sie skeptisch. Darauf antwortete ich nur mit einem Schulterzucken. Irgendwie werde ich Professor Lupin schon um den Finger winkeln, damit er mir die Karte wieder aushändigte. Doch wie ich das am besten anstellen sollte...keine Ahnung.

Nachdenklich ging ich mit Percy, Bella, Helga und Oliver zu Verteidigung gegen die dunklen Künste. Der Professor war noch nicht da, also suchten wir uns erstmal einen Sitzplatz. Die anderen fingen sofort an, ihre Bücher und Unterlagen fachgerecht auf dem Tisch zu platzieren. Nur ich saß da und schaute gedankenverloren aus dem Fenster. Ich freute mich auf den heutigen Unterricht. Wir hatten bisher noch nie eine praktische Stunde in diesem Fach gehabt.

>>Wo hast du denn deine Tasche? <<, sprach mich Bella an, die neben mir Platz genommen hatte.

>>Hab ich in der Bibliothek vergessen<<, antwortetet ich ehrlich. Bella machte große Augen und musterte mich kritisch.

>>Wie bitte, geht es dir nicht gut? Wenn du ein Problem hast, kannst du es mir ruhig erzählen. Du weißt ja, ich bin eine gute Zuhörerin<<, plapperte sie gleich drauf los.

Ja, Bella konnte einem stundenlang aufmerksam zuhören, aber genauso gut konnte sie auch wieder alles ausplaudern. Im Traum würde ich nicht mal daran denken, ihr von meinen Problemen zu berichten.

>>Nein, mach dir keine Sorgen! Bei mir ist alles in Ordnung<<, versicherte ich ihr schnell. Ich merkte, dass sie mir nicht glaubte. Allerdings fragte sie auch nicht weiter nach, was ich sehr zu schätzen wusste.

>>Guten Morgen alle zusammen! Heute haben wir eine praktische Lektion. Ihr könnt also eure Bücher wieder einpacken! << Neugierige Blicke wurden ausgetauscht, als Professor Lupin das Klassenzimmer betrat.

>>Dann folgt mir bitte! Ihr braucht nur eure Zauberstäbe! <<, forderte er uns auf, als alle ihre Sachen zusammen gesammelt hatten. Gespannt und neugierig folgten wir Professor Lupin aus dem Klassenzimmer, hinaus auf den Innenhof.

Es war ein herrliches Wetter. Die Sonne schien und der Wind wehte einem eine leichte Brise ins Gesicht. Wir stellten uns im Halbkreis vor dem Professor auf.

>>Heute befassen wir uns mit dem Thema Nekromantik. Nekromantik bezeichnet im allgemein die Praktiken der Totenbeschwörung. Totenerweckungen dienen meist zur Befragung Verstorbener über Vorgänge, Personen oder beispielsweise versteckte Schätze. So eine Totenbeschwörung ist nur mit hochgradiger schwarzmagischer Magie möglich und wird mit einem lebenslangen Aufenthalt in Askaban geahndet<<, fing Professor Lupin an zu erzählen und schritt dabei vor der Klasse auf und ab.

>>Durch Nekromantik erschaffene Wesen, sind zum Beispiel Inferi... Nun, was ist ein Inferius? << Wie immer meldete ich mich als erstes und wurde sogleich aufgerufen.

>>Der Inferius ist eine Leiche, der durch den Zauber eines schwarzen Magiers reanimiert wurde. Er lebt nicht, sondern wird nur wie eine Marionette eingesetzt, um die Befehle des Zauberers auszuführen<<, erklärte ich stolz.

>>Ganz genau! Das hätte ich selbst nicht besser erklären können. Inferi wurden schon seit langem nicht mehr gesichtet, nicht seit Voldemort das letzte Mal an der Macht war. Er hatte damals natürlich genug Leute getötet, um eine Armee mit ihnen aufstellen zu können<< Professor Lupin schaute ernst in die verschreckden Gesichter meiner Mitschüler. Viele waren zusammen gezuckt, als er Voldemorts Namen ausgesprochen hatte.

>> Sie sind immun gegen die meisten Defensivzauber. Sie können keinen Schmerz empfinden und sind von daher nicht betroffen von vielen Angriffen, deren Hauptwirkung der Schmerz ist, wie zum Beispiel der Cruciatus-Fluch. Zudem haben sie große körperliche Kraft, genug, um einen Menschen zu töten. Aufgrund ihrer überlegenen Stärke sind sie besonders gefährlich, wenn sie in Massen auftreten<<, fuhr er ungerührt fort.

>>Wer von euch kann mir sagen, welcher der effektivste Zauberspruch gegen einen Inferius ist? <<, fragend blickte er in die Runde. Wieder schoss meine Hand reflexartig in die Höhe. Doch diesmal wurde Bella aufgerufen und ich ließ ein wenig enttäuscht meine Hand wieder sinken.

>> Man könnte Sie mit dem Zauberspruch Protego Diabolica abwehren, oder mit einem sehr starken Incendio-Zauber<<, antwortete Bella selbstsicher.

>>Richtig! Nun da jeder von euch den Incendio-Zauber beherrscht, werden wir uns heute mit dem Heraufbeschwören eines schützenden Feuerringes beschäftigen. Der Zauberspruch lautete, wie Bella bereits richtig gesagt hatte, Protego Diabolica. Da Inferi Geschöpfe in der Dunkelheit leben, lehnen sie Licht und Wärme ab. Feuer ist also ideal um sie abzuwehren<<, berichtete Professor Lupin. Alle hingen gespannt an seinen Lippen.

>>Nun, wir üben den Zauber erstmal ohne Zauberstab. Nach mir bitte...Protego Diabolica! << forderte er uns auf.

>> Protego Diabolica! << sprachen wir nach.

Wir verbrachten die restliche Stunde auf dem großflächigen Innenhof und versuchten einen schützenden Feuerring zu erschaffen. Der Zauber war zwar nicht gerade ungefährlich, aber als der Unterricht beendet war, betraten alle unverletzt wieder das Schlossinnere. Auf dem Weg zu Arithmantik quatschten meine Mitschüler wild durcheinander. Alle waren beeindruckt von Professors Lupins Unterrichtsgestaltung, mich mit eingeschlossen.

Nach der Mittagspause hatten wir dann unseren ersten UTZ Vorbereitungskurs. Es war wirklich anstrengend, den gesamten Unterrichtsstoff der vergangen Jahre zu wiederholen. Trotzdem konnte ich es nicht lassen, nach dem Abendessen nochmal in die Bibliothek zu gehen. Die Anderen waren zu müde, um mich zu begleiten, und so nutzte ich meine neu gewonnene Freiheit sogleich aus.

Vor mir auf dem Tisch lag die 5-bändige Buchreihe „Praktische Defensive Magie und ihr Einsatz gegen die dunklen Künste". Vorher hatte ich mich nie groß für Verteidigung gegen die dunklen Künste interessiert, doch der heutigen Unterricht bei Professor Lupin hatte mein Interesse für dieses Fach geweckt. Wie üblich saß ich an einem Tisch, der gut versteckt zwischen mehreren Regalen lag, damit ich etwas Ruhe vor meinen Mitschülern hatte.

>>Wie ich sehe interessierst du dich doch für Verteidigung. Dabei ist mir zu Ohren gekommen, dass du bis jetzt recht unmotiviert in diesem Fachgebiet warst. << Überrascht blickte ich auf und entdeckte einen breit grinsenden Professor vor meinem Tisch.

>>Es ist wirklich faszinierend was sie alles über mich in Erfahrung bringen. Wussten sie auch, dass ich eine Acromantulaphobie habe oder, dass meine Lieblingsfarbe grün ist? << Missmutig schlug ich mein Buch zu.

>>Nein, das wusste ich tatsächlich noch nicht. << Damit nahm Professor Lupin gegenüber von mir Platz. Skeptisch begutachtete ich seine Tasse, die er in der rechten Hand hielt. Nach dem Geruch zu urteilen, war es Tee.

>>Hier sind Getränke nicht erlaubt! <<, sagte ich reflexartig. Der Professor zog darauf die Augenbraun hoch.

>>Oder bilden Sie eine Ausnahme, weil Sie eine Lehrkraft sind? <<, fragte ich frech nach.

>>Nein, das nicht. Aber ich kenne Madam Pince schon sehr lange und sie drückt für mich ab und an ein Auge zu<<, grinste er augenzwinkernd.

>>Das ist ungerecht! Ich wäre froh, wenn ich nicht immer wegen einem Schluck Wasser die Bibliothek verlassen müsste. << Sehnsüchtig blickte ich zu seiner Tasse und wünschte mir jetzt auch einen Tee herbei.

>>Na wenn das so ist...hier! << Prompt schob er mir seine bereits halb leere Tasse zu. Verwirrt starrte ich erst den Tee und dann ihn an.

>>Wenn Madam Pince das sieht, bekomme ich mächtig Ärger<<, sagte ich.

>>Ach was! Zum einen sieht uns hier keiner, zum anderen ist es ja meine Tasse, wofür ich die Verantwortung trage. <<

Er schenkte mir ein schiefes Lächeln. Seufzend gab ich nach und trank die Tasse Tee zur Gänze leer. Das war wirklich nötig gewesen.

>>Danke!<<, sagte ich ehrlich und lächelte ihn nun meinerseits an.

>>Also kommen wir auf das ursprüngliche Thema zurück. Du interessierst dich für Verteidigung gegen die dunklen Künste? <<, fragte er erneut nach und nahm mir die leere Tasse ab.

>>Ich lerne immer gerne neue Sachen. Aber mein Spezialgebiet ist Zaubertränke<<, meinte ich schulterzuckend.

>>Zaubertränke? Das ist nun gar nicht mein Fachgebiet. Ich habe mit Pauken und Trompeten gerade so meine Prüfung darin geschafft<<, sagte der Professor lachend. Verwirrt blickte ich ihn an.

>>Pauken und Trompeten? <<, fragte ich nach.

>>Das ist ein Muggelsprichwort<<, winkte er ab und griff interessiert nach eines der Bücher, die auf meinem Tisch verstreut lagen.

>>Nach meinem Abschluss will ich meinen Meister in Zaubertränke machen und mich dann auf Heiltränke spezialisieren. Vielleicht geh ich auch in die Forschung, um neue Tränke zu entwickeln. Mal sehen... <<, erklärte ich nachdenklich und musterte dabei die Tischplatte.

Ich wusste nicht genau, wieso ich ihm das erzählte. Doch ich hatte irgendwie das Bedürfnis dazu.

>>Das klingt auf jeden Fall höchst interessant<<, meinte er darauf und ich war überrascht, ehrliche Anerkennung in seiner Stimme zu hören.

Ich warf einen Blick auf die nahegelegene Uhr an der Wand und stellte erschrocken fest, dass gleich die Ausgangssperre begann. Professor Lupin bemerkte meinen Blick und half mir, meine Bücher wieder in die richtigen Regale zu sortieren.

>>Danke für die Hilfe und für den Tee<<, bedankte ich mich nochmals, als wir die Bibliothek verließen.

>>Immer wieder gern<<, erwiderte er darauf nur und verabschiedetet sich dann. Fröhlich ging ich wieder zurück in den Gryffidorturm, nur um dann todmüde ins Bett zu fallen. Es war ein langer und vor allen lehrreicher Tag gewesen...

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top