Professor Lupin

Mit der Karte in der einen Hand und meinem Zauberstab in der anderen, schlich ich leise die dunklen Gänge entlang. Wie konnte ich auch so dumm sein und meine Tasche in der Bibliothek vergessen? Dadurch, dass ich im Gryffindorturm ständig von Schülern umgeben war, sah ich mich dazu gezwungen, zwischen Muggelkunde und Astronomie in die Bibliothek zu gehen, um ungestört meine Hausaufgaben erledigen zu können. Dabei hatte ich leider völlig die Zeit vergessen, und wäre beinahe zu spät zum Unterricht erschienen. In Astronomie war mir nicht aufgefallen, dass meine Tasche überhaupt fehlte, da wir diesmal keine Bücher benötigten. So fiel mir der Verlust erst am späten Abend auf. Leider war bereits Ausgangssperre. Ich hätte sie auch morgen holen können, doch am Mittwoch trank Professor Trelawney mit Madam Pince immer Tee, weswegen die Bibliothek erst später öffnete.

Das Schloss wirkte in der Dunkelheit schon etwas unheimlich, trotzdem genoss ich es, mal ganz alleine unterwegs zu sein. Neugierig betrachtete ich die Porträts an der Wand. Sie waren mir vorher nie wirklich aufgefallen, wie auch, wenn ständig eine Traube aus Schülern um mich herum war. Zum Glück hatten mir die Weasley Zwillinge kurzeitig diese tolle Karte ausgeliehen, sodass ich nicht befürchten musste, von jemandem entdeckt zu werden. Die Gemälde faszinierten mich allerdings so sehr, dass ich immer mal wieder stehen blieb, um eines zu betrachten. Ich befand mich noch immer im siebten Stock und musste eigentlich runter in den vierten. Schnell riss ich mich von den schlafenden Porträts los und stolperte fast über Mrs Norris. Erschrocken starrte ich sie an und blieb wie angewurzelt stehen. Bei Merlins Unterhose! Heute war wirklich nicht mein Tag.

Geistesgegenwärtig tippte ich auf die Karte und sagte "Missetat begangen", und schon verschwanden die Abdrücke auf dem Pergament. Keine zwei Sekunden später sah ich auch schon ein Licht. Es war Mr Filch, der Hausmeister, der um die Ecke schlich.

>> Miss Winger? Sie habe ich ja noch nie nachts auf den Gängen gesehen. Wollten sich wohl wichtig tun, wie sie es sonst auch immer machen, hä?! << fragte Filch und sah verächtlich auf mich herab. Selbstsicher blickte ich ihn an und versuchte so, seine Aufmerksamkeit von dem Stück Pergament in meiner Hand abzulenken.

>>Verzeihen Sie Mr. Filch! Ich habe durch eine Unachtsamkeit meine Tasche in der Bibliothek vergessen und wollte sie nur schnellstmöglich wieder in meinen Besitz bringen<<, versuchte ich zu erklären.

>>Sie und etwas vergessen? Sie halten mich wohl für sehr dumm. Was haben sie da in der Hand? << Seine Augen blitzten gefährlich auf. Ich versteckte die Karte schnell hinter meinen Rücken und wich ein paar Schritte zurück. Mein erster Gedanke war wegzulaufen, doch plötzlich rempelte ich jemanden hinter mir an. Verwunderte drehte ich mich um und blickte in das Gesicht eines mir fremden Mannes.

>>Was zum...? <<, weiter kam ich nicht, denn der Fremde schnitt mir einfach das Wort ab.

>>Mr Filch, kann ich Ihnen behilflich sein? << fragte er mit beruhigender Stimme.

>>Professor Lupin, ich hab diese Gryffindor hier rumlungern gesehen. << Filch streckte demonstrative den Zeigefinder aus und zeigte stolz auf mich. Genervt rollte ich mit den Augen.

>>Sie haben Recht! Es ist reichlich spät, um nachts hier herumzuwandern. Ich werde sie mit in mein Büro nehmen und ihr eine angebrachte Strafe aufgeben<<, meinte der Professor freundlich. In Gedanken machte ich mich schon darauf gefasst, gleich Nachsitzen zu kassieren. Großartig!

>>Danke für Ihre harte Arbeit! << Mr. Filch nickte darauf nur, schenkte mir ein gehässiges Lächeln und verschwand dann mit Mrs Norris in der Dunkelheit.

>>Na dann, komm mal mit! <<, forderte mich der neue Verteidigungslehrer auf. Schweigend folgte ich ihm durch die finsteren Gänge. Innerlich hätte ich mir eine Ohrfeige verpassen können. Da renne ich zum allerersten Mal nachts durch das Schloss, mit einer Karte die mir jede Person auf den Gängen zeigte und werde trotzdem erwischt. Wie peinlich war das denn? Wenn morgen die anderen davon erfahren, na dann Halleluja! Das wird mir noch ewig nachgetragen werden. Merlin sei Dank war das mein letztes Schuljahr hier.

>>Tee? << Verwunderte blickte ich auf. Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, dass ich mittlerweile in Professor Lupins Büro stand. Er deutete mir auf einen nahegelegenen Stuhl Platz zu nehmen. Seufzend setzte ich mich und blickte mich neugierig um. Sein Büro war gemütlich eingerichtet. Die Regale an den Wänden liefen förmlich über mit Büchern. Die meisten davon schienen schon sehr alt zu sein. Auf dem Kaminsims, rechts neben mir, standen mehrere Fotos verteilt, die feinsäuberlich abgestaubt waren. Offensichtlich bedeuteten die Personen, die auf den Bildern abgebildet waren, dem Professor sehr viel. Auch sein Schreibtisch wies kein Staubkorn auf und war geradezu penibel aufgeräumt.

>>Du bist sehr schweigsam, dafür das du so wortgewandt sein sollst<<, meinte der Professor plötzlich und riss mich erneut aus meinen Überlegungen.

>>Wer sagt das? << Unaufgefordert überreichte er mir eine Tasse Tee.

>>Die anderen Lehrer<<, antwortete er ohne zu zögern und nahm mir gegenüber Platz.

>>Sie haben mir viel über dich erzählt<<, redete er weiter. Ich zuckte darauf nur unbekümmert mit den Schultern.

>>Vielleicht sollten Sie nicht alles glauben, was sie hören! <<, sagte ich und blickte ihn herausfordern an.

>>Ich bin zumeist Gesprächsthema Nummer Eins in Hogwarts. Da wird viel erzählt, wenn der Tag lang ist. << Ich trank ein Schluck von dem heißem Tee und stellte verwundert fest, dass er überaus gut schmeckte. Eigentlich mochte ich so ein Kräuterzeug nicht, aber dieser war wirklich genießbar.

>>Da hast du sicher recht<<, erwidert er schlicht und beobachtete mich, während er von seinem eigenen Tee trank.

>>Also Professor, dürfte ich jetzt bitte wissen was meine Strafe ist, und dann schnell meine Tasche aus der Bibliothek holen? Sonst sitze ich morgen früh, ohne Bücher in ihrem Unterricht. << Ich hatte keine Lust hier die ganze Nacht zu sitzen, nur um mit ihm Tee zu trinken. Ich wollte in mein Bett, um möglichst noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen

>>Du bist ziemlich direkt. << Lächelnd blickte er auf mich hinab.

>>Ich will das Ganze nur möglich schnell hinter mich bringen. Außerdem bin ich müde und ich hab keine Lust morgen im Unterricht einzuschlafen<<, erklärte ich mich schnell, worauf er noch breiter grinste.

>>Finde Sie das etwa amüsant? << Langsam wurde ich echt sauer.

>>Ja, irgendwie schon. << Perplex blickte ich ihn an. War das wirklich sein Ernst?

>>Wie kommt das eigentlich in deinen Besitz? <<, fragte er unverhofft und deutete auf das Stück Pergament auf meinem Schoß.

>>Das ist von Fred und George Weasley. Es ist nur ein leeres Stück Pergament. Wollen Sie es sich anschauen? << Demonstrativ hielt ich ihm die leere Karte hin. Daraufhin stand er doch tatsächlich auf und ging ein paar Schritte auf mich zu.

>>Na dann, zeig mal her! << Ohne zu zögern überreichte ich sie ihm. Was sollte auch schon passieren? Für ihn war es nur ein leeres Pergament. Kurz musterte er die leeren Blätter.

>>Ich hoffe dir ist bewusst, dass das hier in den falschen Händen eine mächtige Waffe ist. Vor allem, wo Sirius Black hier noch irgendwo frei herum läuft. << Ernst schaute er mir in die Augen.

>>Woher wissen Sie, was das ist? <<, fragte ich irritiert.

Erst jetzt hatte er meine volle Aufmerksamkeit. Musternd betrachtete ich ihn. Er trug einen schäbig wirkenden Umhang, darunter einen abgewetzten braunen Anzug. Offensichtlich besaß er nicht viel Geld. Seine Haare waren braun, mit grauen Strähnen durchzogen, die nicht so recht zu seinem noch jungen Gesicht passen wollten. Aufmerksam blickten mich seine bernsteinfarbenen Augen an. Ich versuchte sein Alter zu schätzen, doch wahrschleich lag ich meilenweit daneben. Noch etwas, worin ich nicht talentiert war. Heute war wohl einer dieser Tage, wo mir meine ganzen Schwächen auf einmal vor Augen geführt wurden. Schweigend musterten wir uns eine Weile gegenseitig, bis Professor Lupin räuspernd seinen Blick abwandte.

>>Das ist eine private Angelegenheit<<, sagte er so unverhofft und abweisend, sodass es mir kurz die Sprache verschlug. Nachdenklich starrte ich auf den Boden und fühlte mich plötzlich fehl am Platz.

>>Na dann komm! Ich sollte dich zurück zum Gryffindor-Turm begleiten<<, meinte er nun wieder freundlich.

>>Und meine Tasche? <<, fragte ich schnell nach.

>>Die wirst du morgen Vormittag nicht brauchen. Wir haben praktischen Unterricht<<, sagte er augenzwinkernd. Nun musste ich doch lächeln. Eine praktische Unterrichtsstunde? Das schien spannend zu werden.

>>Das ist das erste Mal, dass ich dich heute Abend lächeln sehe<<, verkündete er erfreut. Verwunderte starrte ich ihn an und folgte ihm dann hinaus auf den Gang. Die Karte behielt er natürlich in seinem Büro.

>>Fred und George werden mir den Kopf abreißen, wenn ich ihnen die Karte nicht wieder bringe<<, sagte ich mehr zu mir selbst, als an den Professor gerichtete.

>>Wenn sie deine Freunde sind, werden sie es verstehen<<, meinte er darauf und ließ seinen Zauberstab aufleuchten, damit wir nicht im Dunkeln laufen mussten.

>>Ich habe hier keine Freunde! <<, sagte ich ohne zu zögern und starrte stur auf den Boden.

>>Wie meinst du das? Ich sehe dich doch ständig mit anderen herumlaufen. << Offensichtlich hatte er mich eine Zeit lang beobachtete, doch ich sagte nichts dazu. Schließlich machte das jeder auf dieser Schule.

>>Das sind aber nicht meine Freunde! Die wollen nur meine Aufmerksamkeit. Besonders die Jungs<<, sagte ich und konnte es nicht verhindern, dass meine Stimme dabei verächtlich klang.

>>Deine Aufmerksamkeit? <<, fragte er verwundert. Verständnislos schaute ich zu ihm auf.

>>Wenn sie Augen im Kopf haben, dann wissen sie was ich meine<<, sagte ich bissig. Er hatte ein empfindliches Thema angeschnitten. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er den Kopf schief legte und mich interessierte musterte. Ein paar Sekunden herrschte Stille.

>> Zudem haben meine Eltern einen großen Einfluss im Ministerium und verdienen ein Haufen Geld. Mein Verließ im Gingotts ist jetzt schon am überlaufen, dabei hab ich noch nie in meinem Leben gearbeitet. << Missmutig starrte ich in die Dunkelheit.

>>Was ist mit deinen Zimmergenossen? Bella und Helga, richtig? <<, wollte er zuversichtlich wissen.

>>Die sind ganz okay. Scharwenzeln aber auch immer um mich herum, als wäre ich Merlin höchst persönlich. Bella bedient mich sogar beim Essen und informiert mich immer über den neuesten Klatsch und Tratsch. Natürlich nur um meine Meinung darüber in Erfahrung zu bringen, und um dies dann weiter zu tratschen. Helga dagegen ist meine persönliche Krankenschwester. Sie will später Heilerin werden und ich bin ihr Versuchskaninchen<<, erklärte ich.

>>Und du meinst, das sagt schon alles über ihren Charakter aus? <<, meinte er nachdenklich.

>>Glauben Sie mir! Ich kenne Bella und Helga jetzt bereits seit sieben Jahren. Ich weiß wie sie ticken. Und im Übrigen bin ich keiner dieser oberflächlichen Menschen. Ich weiß worauf ich zu achten habe. Äußerliche Facetten hat jeder, aber auf den inneren Kern kommt es an. Unter billigen Kleidern, kann das reichste Herz stecken und man sieht bekanntlich nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar... Nehmen wir Sie zum Beispiel. Ich habe mir nicht Sie, sondern ihr Büro angeschaut, um mir ein Bild von Ihnen zu machen. Es sagt viel über Ihren Charakter aus. <<, erklärte ich ehrlich.

>>Und, wie ist dein erster Eindruck? <<, wollte er interessiert wissen.

>>Nun...Sie mögen es die Kontrolle zu haben. Darum ist auch ihr Büro so penibel aufgeräumt und sauber. Ich vermute auch, dass Sie sich einsam fühlen, nach den ganzen Bildern auf ihrem Kaminsims zu urteilen. Darum auch die vielen Bücher. Sie versuchen sich abzulenken und haben darin ein Hobby gefunden. Sie haben auch den Dementor im Zug vertrieben und mir heute kann Nachsitzen aufgebrummt...Zusammengefasst...Sie sind ein intelligenter, mutiger, zugleich bescheidener, sparsamer und freundlicher Lehrer. <<, ratterte ich schnell herunter, worauf er sprachlos schien.

>> Ich würde also sagen, Sie sind ganz in Ordnung. <<, fügte ich noch hinzu und schenkte ihm ein kurzes Lächeln, was ihn ebenfalls zum Schmunzeln brachte.

>>Respekt, damit hatte ich nicht gerechnet<<, meinte er grinsend und blieb vor dem Porträt der fetten Damen stehen.

>>Na dann... bis morgen Professor<<, verabschiedete ich mich, ehe ich der fetten Dame das Passwort nannte.

>>Bis morgen, Stella. << Damit drehte er sich um und stieg wieder die Treppe hinunter. Kurz schaute ich ihm nach. Er schien meinen Blick zu spüren, denn er drehte sich nochmal um und winkte mir zu. Lächelnd stieg ich durchs Porträtloch.

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