Privatgespräche

Dienstagnachmittag nahm ich mir mal wieder etwas Zeit für mich und zog mich, zum Missfall meiner Mitschüler, in die Bibliothek zurück. Es war jedes Mal ein Krampf die anderen davon zu überzeugen, dass ich alleine lernen wollte. Ich ging die Regalreihen ab und zog dabei wahllos Bücher heraus. Mit einem großen Stapel steuerte ich meinem Stammtisch in der hintersten Ecke an.

Beinahe hätte ich meine Sachen fallen gelassen, als ich überrascht feststellte, dass schon jemand anderes an MEINEM Tisch saß. Zielstrebig ging ich weiter und bereitet mich innerlich darauf vor, wer auch immer dort saß, sofort zu vertreiben.

>>Professor Lupin! <<, entfuhr es mir, als ich meinen Lehrer erkannte.

>>Stella, schön dich zu sehen<<, begrüßte er mich freundlich und schien überhaupt nicht verwundert über meinen entsetzten Blick.

>>Ähm..., was machen Sie hier? Normalerweise ist dieser Tisch immer frei<<, fragte ich und versuchte meinen Ärger zu überspielen.

>>Das hab ich bemerkt, und da alle anderen Tische besetzt waren, hab ich mich hier hergesetzt. Du kannst mir natürlich gerne Gesellschaft leisten<<, erwiderte er milde lächelnd und deute auf den Stuhl ihm gegenüber. Verdattert über diese ungewohnte Situation, nahm ich einfach Platz und starrte ihn an. Noch nie hat mich jemand darum gebeten, an meinem eigenen Stammtisch Platz zu nehmen. Wie schon beim letzten Mal hatte er eine Tasse Tee dabei. Vor ihm lag ein dicker Wälzer, den er offensichtlich schon zur Hälfte durchgelesen hatte.

>>Du liest wohl gerne? << Belustigt warf er einen vielsagenden Blick auf meinen Bücherstapel.

>>Naja, ich bin halt vielseitig Interessiert. << Ich wandte mich von ihm ab und griff nach dem obersten Buch „Magische Wasserpflanzen des Mittelmeeres und ihre Wirkungen". Wer sich mit Zaubertränken beschäftigte, musste auch in Kräuterkunde bewandert sein.

>>Wie geht es deiner Hand? <<, wollte er interessiert wissen und ich konnte echte Besorgnis in seinen Augen erkennen.

>>Sie schmerzt noch etwas. Madam Pomfrey meinte, dass wird wohl noch ein paar Tage andauern<<, sagte ich leichthin.

>>Da fällt mir ein, dass ich ihren Umhang noch habe, denn möchten Sie gewiss wiederhaben <<, wechselte ich das Thema und stellte beunruhigt fest, dass er keinen trug. Und dabei war es schon recht kühl in den zugigen Gängen. Hatte er denn nur diesen einen Umhang? Doch er zuckte nur unbekümmert mit den Schultern.

>>Komm einfach vorbei, wenn es dir passt! Heute bin ich allerdings nicht mehr Büro. Aber du kennst ja den Weg zu meinen Privaträumen<<, meinte er, als wäre es das selbstverständlichste der Welt. Meine Augenbrauen flogen ungewollt in die Höhe. War das sein Ernst?

>>Ich dachte Schüler dürfen nicht zu den Privaträumlichkeiten der Lehrer! <<, entfuhr es mir.

>>Das hat dich beim letzten Mal auch nicht aufgehalten<<, meinte er augenzwinkernd.

>>Das war ein Unfall<<, sagte ich leicht beschämt und merkte wie mir das Blut in die Wangen schoss. Lupin fing darauf an zu grinsen und ich warf ihm einen bösen Blick zu.

>>Vor ein paar Tagen haben Sie mir noch eine Predigt gehalten, nur weil ich spaßhaft gesagt habe, dass Sie mich angestarrt hätten und heute machen Sie sich darüber lustig, dass ich unangemeldet in ihrem Schlafzimmer stand<<, flüsterte ich eindringlich und zog skeptisch die Augenbrauen zusammen.

>>Also eine „Predigt" würde ich es nicht nennen. Eher ein freundlich gemeinter Hinweis. Und im Übrigen, dadurch das du mein Passwort kennst, kannst du rein theoretisch bei mir ständig ein und aus gehen<<, erwiderte er leichthin.

>>Haben Sie ihr Passwort denn nicht geändert? <<, fragte ich völlig perplex.

>>Wieso sollte ich? Ich wüsste nicht, was in meinen Räumlichkeiten groß von Interesse sein sollte. Ich hab nichts wirklich Wertvolles und Prüfungsunterlagen werden beim Schulleiter aufbewahrt, also...<< Wieder zuckte er nur mit Schultern und trank unbekümmert von seinem Tee.

>>Und ich gehe nicht davon aus, dass du mich nachts überfallen wirst. << Er zwinkerte mir kurz zu und widmete sich wieder seinem Buch.

Nachdenklich musterte ich ihn und konnte seine Sorglosigkeit nicht nachvollziehen. Anderseits war es schmeichelhaft, dass er mir so viel Vertrauen entgegen brachte. Da mir keine Erwiderung einfiel und ich ihn beim Lesen nicht stören wollte, schlug ich mein eigenes Buch auf. Gedankenverloren starrte ich meine Buchseite an, ohne mich wirklich auf den Text zu konzentrieren. Ungewollt wanderte mein Blick immer wieder zu Professor Lupin. Gedanklich versuchte ich aus ihm schlau zu werden, doch so recht wollte es mir nicht gelingen.

>>Hier! Willst du das vielleicht noch austrinken? Ich muss los! Gleich haben wir eine Lehrerversammlung. << Damit schob er mir seine Teetasse zu. Verwundert sah ich erst die Tasse und dann ihn an. Doch er war schon dabei, seine Sachen einzusammeln.

>>Also, bis heute Abend dann<<, sagte er im Vorbeigehen und ehe ich noch etwas erwiedern konnte, was er verschwunden.

Mist... Eigentlich wollte ich ihm noch sagen, dass ich heute Abend Astronomie hatte. Missmutig schlug ich mein Buch zu und überlegte, ob ich Astronomie einfach schwänzen sollte. Doch das würde nur blöde Fragen aufwerfen. Außerdem, warum sollte ich für einen Lehrer, eine wichtige Unterrichtsstunde verpassen? So langsam zweifelte ich an meinem Verstand und fragte mich, wieso mir dieses Treffen mit Professor Lupin wichtiger als der Unterricht war. Nachdenklich trank ich seine Tasse aus und ließ sie mit einem Wink meines Zauberstabs verschwinden.

Am Abend konnte ich es trotzdem nicht lassen, seinen Umhang in meine sowieso schon übervolle Tasche zu stopfen. Vielleicht konnte ich nach Astronomie, nochmal kurz bei ihm vorbei schauen. Allerdings müsste ich mich dann unbemerkt von meinen Mitschülern entfernen. Wie sollte ich das anstellen?

Unkonzentriert saß ich vor meiner Sternenkarte. Percy, der heute mit mir zusammen arbeiten musste, stöhnte genervt auf.

>>Stella, wo bist du nur mit deinen Gedanken? Könntest du dich bitte konzentrieren? Du hast schon wieder die falsche Position eingezeichnet<<, meinte er verärgert.

>>Entschuldige, ich hab heute einfach nur schreckliche Kopfschmerzen<<, log ich spontan und fasste mir theatralisch an den Kopf. Besorgt musterte er mich und nickte verständnisvoll.

>> Professor Sinistra, Stella hat Kopfschmerzen! Wäre es nicht besser wenn sie in den Krankenflügel gehen würde<<, rief plötzlich Bella, die wohl unsere kurze Unterhaltung belauscht haben musste. Ich verkniff mir ein genervtes Augenrollen.

>>Miss Winger, geht's es Ihnen wirklich nicht gut? << Professor Sinstra kam mit einem bekümmerten Gesichtsausdruck auf mich zu.

>>Ja, ich habe schreckliche Kopfschmerzen<<, log ich erneut. So unauffällig wie möglich schaute ich auf die Uhr. Es war erst 21 Uhr. Ich hatte also noch genügend Zeit, um Professor Lupin zu besuchen.

>>Dann gehen sie jetzt besser und lassen sich von Madam Pomfrey einen Trank geben! <<, meinte sie besorgt. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Mit gespielt schmerzverzehrtem Gesicht verließ ich den Astronomieturm.

Auf dem Weg zu Professor Lupin, fragte ich mich ernsthaft, wieso ich das hier eigentlich machte. Ich hatte noch nie einen Unterricht frühzeitig verlassen, geschweige denn einen Professor angelogen. Dieses Jahr brach ich wohl alle Regeln und Prinzipien. Woran lag das nur?

Mit gemischten Gefühlen stand ich vor Lupins Räumlichkeiten und wusste nicht so recht was ich tun sollte. Sollte ich das Portrait wecken und ihm das Passwort nennen, oder einfach anklopfen? Ich war etwas ratlos. Doch plötzlich öffnete sich das Gemälde von innen und ich atmete erleichtert auf. Vielsagend grinste mich Professor Lupin an.

>>Möchtest du hier draußen übernachten? <<, fragte er amüsiert und ich zog überrascht die Augenbrauen nach oben. Woher wusste er...? Egal. Gespielt böse funkelte ich ihn an und stolzierte unaufgefordert an ihm vorbei. Ich hörte wie er hinter mir leise kicherte, doch ich schenkte ihm keinerlei Beachtung.

Neugierig blickte ich mich stattdessen in dem bereits bekannten Wohnzimmer um. Ein wärmendes Feuer knisterte im Kamin. Auf dem kleinen Sofatisch davor standen zwei Tassen, nach dem Geruch zu urteilen Kakao, und eine Schüssel mit Keksen. Offensichtlich hatte er mich erwartete.

>>Also, das du Astronomie schwänzt, um mich zu besuchen, ist doch etwas überraschend. Eigentlich müsste ich dir jetzt wieder eine „Predigt", wie du es nennst, halten. << Grinsend ging er an mir vorbei, um sich in einen Sessel fallen zu lassen. Auf meinen verwunderten Blick hin, deutete er auf die Karte des Rumtreibers, die aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch lag.

>>Sie haben mich schon wieder beobachtet? << Fassungslos starrte ich ihn an.

>>Nicht direkt. Eigentlich habe ich nach Sirius Black Ausschau gehalten<<, meinte er schulterzuckend und deute mir, mich zu setzten. Ich ließ mich auf das Sofa fallen und legte meine Tasche ab.

>>Wie funktioniert das mit dem Porträt? Hätte ich eine Diskussion mit dem alten Mann führen müssen, oder wäre ein Klopfen ausreichend gewesen? <<, wechselte ich das Thema.

>>Also normalerweise muss man das Porträt ansprechen und um Einlass bitten. Es sagt einem dann, ob ich anwesend bin und ob ich Besuch empfangen möchte. Einfacher geht es natürlich, wenn du das Passwort nennst<<, erklärte er und reichte mir die Schüssel mit Cookies.

>>Und dann meckert er mich wieder an, das Schüler hier nichts zu suchen haben<<, sagte ich mürrisch und erinnerte mich an das letzte Gespräch mit dem alten Mann. Nachdenklich nahm ich einen Keks.

>>Ich werde wohl nochmal mit ihm reden müssen<<, meinte Professor Lupin lächelnd und griff ebenfalls nach dem Schokoladengebäck.

>>Aber mal im Ernst, du solltest wirklich nicht den Unterricht schwänzen<< Nun kam der Lehrer wieder zum Vorschein und die entspannte Stimmung war dahin.

>>Ich habe nicht geschwänzt, ich bin wegen Kopfschmerzen eher gegangen<<, verteidigte ich mich und erntete einen besorgten Blick.

>>Das war nur eine Ausrede<<, beschwichtigte ich ihn, öffnetet meine Tasche und holte seinen Umhang heraus.

>>Offensichtlich haben Sie nur diesen Einen, und bei ihrem schlechten Immunsystem werden Sie sich früher oder später erkälten. Und ich habe ehrlich gesagt keine Lust auf eine weitere Verteidigungsstunde mit Professor Snape<<, erklärte ich mich und überreichte ihm den schon mehrfach geflickten Mantel. Dankend nahm er ihn mir ab.

>>Du bist ja wirklich um mein Wohl besorgt<<, sagte er erstaunt und stand auf, um den Umhang an einen Kleiderhaken zu hängen.

>> Sie sind nun mal der beste Lehrer den wir jemals in Verteidigung gegen die Dunklen Künste hatten... Der darf nicht krank werden! << Lächelnd betrachtete ich ihn, während er sich wieder in seinen Sessel setzte.

>>Und ich dachte, du magst mich einfach<<, sagte er darauf neckend und zwinkerte mir zu, ehe er nach seiner Kakaotasse griff.

>>Das auch<<, sagte ich ehrlich und nahm ebenfalls meine Tasse.

Schweigend starrten wir ins Feuer und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.

>>Professor, darf ich sie um etwas bitten? <<, fragte ich vorsichtig und wandte meinem Blick vom Feuer ab. Fragend zog er die Augenbrauen hoch.

>>Kann ich die Karte wiederhaben? Fred und George wollen sie Harry aushändigen. Damit er nach Hogsmead kann. << Nachdenklich musterte er mich und dann die Karte auf dem Tisch.

>>Ich halte es für sicherer wenn sie vorerst hier bleibt. Jedenfalls so lange, wie Sirius Black noch auf freiem Fuß ist. << Verstehend nickte ich und überlegte mir bereits, wie ich das den Weasley Zwillingen erklären sollte.

>>Und du entwendest sie bitte auch nicht! <<, ermahnte er mich gleich darauf, was mir ein belustigtes Lächeln auf die Lippen zauberte.

>>Versprochen! ...Aber sind wir mal ehrlich, wenn ich sie wirklich hätte haben wollen, dannhätte ich schon längst meine Verführungskünste eingesetzt und Sie hätten sie mir eigenhändig gegeben<<, zog ich ihn auf und biss belustigt von meinem Keks ab.

>>Das glaube ich kaum! <<, meinte er und schüttelte energisch den Kopf.

>>Meinen Sie? << Ich schenkte ihm einen verführerischen Blick und bemerkte mit Freude, wie er zischend die Luft einzog. Schnell wandte er sich von mir ab.

>>Lass wir es besser nicht darauf ankommen<<, sagte er räuspernd und versteckte sein Gesicht hinter der Tasse. Lachend griff ich nach einem weiteren Keks und brachte ihn damit ebenfalls zum Schmunzeln.

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