Krankenbesuch

Verteidigung gegen die dunklen Künste wurde schnell das Lieblingsfach aller Schüler, einschließlich mir. Besonders nach dem sich rumgesprochen hatte, dass ein Drittklässler namens Neville Longbottom seinem Irrwicht, der die Gestalt von Professor Snape angenommen hatte, die Sachen seiner Großmutter angezogen hatte. Nur Draco Malfoy und seine Clique von Slytherins zogen gehässig über den Professor her.

>>Schaut euch doch mal seine Umhänge an. Der zieht sich ja an, wie unser alter Hauself<<, höhnte Malfoy unüberhörbar flüsternd wann immer Professor Lupin an ihm vorbei lief. Doch niemand sonst kümmerte es, dass der Professor geflickte Kleidungsstücke trug. Trotzdem sah man ihm an, dass ihn Malfoys respektlose Kommentare nicht kalt ließen. Er schritt zwar immer erhobenes Hauptes an dem Jungen vorbei, doch da ich Menschen schon immer leicht durchschauen konnte, stellte ich fest, dass er die Kiefer stark zusammen presste, so als wollte er eine Nuss knacken.

Pflege magischer Geschöpfe mochte, seit der dramatischen ersten Stunde mit dem Drittklässlern, keiner mehr. Hagrid schien sein Selbstvertrauen verloren zu haben. Stunde um Stunde verbrachten wir damit, Flubberwürmer zu pflegen. Mittlerweile bereute ich es, dieses Fach überhaupt belegt zu haben.

An einem Donnerstagabend rief Oliver das Gryffindor-Team zusammen, um die Taktik für das kommende Spiel gegen Slytherin zu besprechen. Es war Anfang Oktober und dementsprechend kalt in der Umkleidekabine. Ich war froh, als Oliver seine Motivationsrede endlich beendet hatte und wir auf das Spielfeld durften, zum Trainieren.

Nach dem Training fragten mich Fred und George, ob wir uns noch ein paar Pässe zuspielen wollten. Natürlich stimmte ich zu. Wir warfen den Quaffel immer wieder hin und her und entfernten uns unbemerkt immer weiter vom eigentlichen Spielfeld.

>>Vorsicht Jungs, wir kommen zu nah an die Schlossmauern ran! <<, rief ich noch, doch da war es schon passiert. Fred hatte zu hoch geworfen, sodass George den Ball nicht mehr rechtszeitig fangen konnte. Krachend landete er in einer der Fensterscheiben. Geschockt sahen wir uns an.

>>Bei Merlins Bart, musste das sein? Ausgerechnet in die Räumlichkeiten der Lehrer!<<, schimpfte George seinen Bruder an.

>>War doch nicht mit Absicht! <<, verteidigte sich Fred und zog eine Schnute.

>>Ihr könnt nur hoffen, dass das nicht die Privaträume von McGonagall oder Snape sind<<, grinste ich und musste bei ihren entsetzten Gesichtern laut los lachen.

>>Haha, sehr witzig! <<, sagten beide ihm Chor und verschränkten zeitgleich die Arme vor der Brust.

>>Das wird ein Haufen Ärger geben<<, meinte George und blickte frustriert zu dem zerbrochenen Fenster.

>>Keine Sorge Jungs! Ich hole den Quaffel und ihr fliegt zurück zum Quidditchfeld! <<, schlug ich vor und erntete ein erleichtertes Lächeln.

>>Danke, Stella! Du bist die Beste! <<, sagten beide erfreut und klopften mir im Vorbeifliegen nochmal anerkennend auf die Schulter. Grinsend sah ich ihnen hinterher.

>>Na dann, auf in die Höhle des Löwen! <<, sprach ich zu mir selbst und flog zu dem kaputten Fenster.

Ich landete leise auf der Fensterbank, die mit Glasscherben übersät war. Vorsichtig kletterte ich ins Zimmerinnere. Überrascht sah ich mich um, als ich bemerkte, dass ich mich ausgerechnet in einem Schlafzimmer befand. Viel gab es nicht zu sehen. Ein großer Kleiderschrank aus massiver Eiche, ein wacklig aussehender Stuhl in der Ecke, eine alte Kommode, ein volles Bücherregal, ein unordentliches Doppelbett mit Nachtschrank und natürlich der gesuchte Quaffel.

Offensichtlich hatte mich niemand bemerkt und so beeilte ich mich, quer durch den Raum zu laufen, um den Ball wieder einzusammeln. Doch gerade als ich nach ebendiesem greifen wollte, erklang ein gequältes Stöhnen. Erschrocken fuhr ich zusammen und sah reflexartig zum Bett, von wo das Geräusch zu stammen schien. Erst konnte ich außer zerwühlten Decken nichts erkennen, doch dann sah ich ihn.

Professor Lupin sah einfach nur furchtbar aus. Er war genauso weiß wie seine Bettdecke. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen. Seine Haare klebten ihm schweißnass an der Stirn. Besorgt trat ich näher heran. Ich fühlte mich etwas unbehaglich, hier vor meinem schlafenden Lehrer zu stehen. Doch sein Zustand schien ernst zu sein und er sollte dringend zu Madam Pomfrey in den Krankenflügel. Sorgevoll streckte ich die Hand aus und befühlte seine Stirn. Er hatte eindeutig Fieber.

Leider weckte ich ihn durch meine leichte Berührung. Was sollte ich jetzt machen? Schnell abzuhauen, war wohl keine Option. Es würde viel zu lange dauern, bis ich wieder aus dem Fenster raus wäre. Bei Merlins Bart, das wird Ärger geben. Eine Schülerin in den Privatgemächern ihres Lehrers. Was hatten mir Fred und George da nur eingebrockt?

Verschlafen blinzelten mich seine bernsteinfarbenen Augen an. Mit der Hand fuhr er sich müde durch das schweißnasse Gesicht. Er setzte zum Sprechen an, doch heraus kam nur ein Krächzen. Zum Glück stand ein Wasserglas auf dem Nachtschrank. Schnell griff ich danach und überreichte es ihm vorsichtig. Allerdings zitterte seine Hand so sehr, dass ich es ihm wieder abnehmen musste. Also anders...Ich führte das Glas zu seinen spröden Lippen und half ihm dabei ein paar Schluck zu trinken. Danach räusperte er sich ein paar Mal, bevor er mich wieder verwirrt anblickte.

>>Was machst du hier? <<, brachte er mühsam heraus. Besorgt musterte ich ihn.

>>Verzeihen Sie, Professor, dass ich unerlaubt in ihre Privaträume eingedrungen bin. Meine Teamkollegen und ich haben trainiert und sind dabei zu weit vom Spielfeld abgekommen. Dabei ist ein Quaffel in ihr Fenster geflogen und ich wollte ihn nur schnell zurückholen. << Demonstrative zeigte ich auf den Ball, der noch immer vor der Tür lag. Verstehend nickte er und ich atmete erleichtert auf.

>>Ähm..., soll ich lieber Madam Pomfrey rufen? Sie sehen nämlich überhaupt nicht gut aus<<, fragte ich unsicher. Es kam selten vor, dass ich mir bei irgendwas nicht sicher war, doch das hier, war wirklich eine ungewohnte und vor allem unangenehme Situation.

>>Nicht nötig, sie weiß schon Bescheid<<, meinte er erschöpft und schloss die Augen. Unschlüssig stand ich da und startet ihn an. Er sollte besser einen Fieber-, und einen Stärkungstrank zu sich nehmen. Davon müsste ich noch welchen vorrätig haben.

>>Ich könnte Ihnen ein paar Heiltränke vorbeibringen. Dann wird es Ihnen schnell wieder besser gehen<<, sprach ich meine Gedanken laut aus. Überrascht blickte er mich wieder an, und ich konnte die Frage förmlich in seinen Augen lesen.

>>Keine Sorge, ich lasse die Tränke die ich braue, immer von Professor Snape testen, bevor ich sie jemanden verabreiche<<, erklärte ich lächelnd. Er schien kurz über meinen Vorschlag nachzudenken, doch schlussendlich bekam ich ein schwaches Nicken von ihm.

>>Okay, bin gleich wieder da! <<, sagte ich erfreut und schnappte mir den Quaffel vom Boden.

>>Ach! Ehe ich es vergesse, wie lautet das Passwort zu Ihren Räumlichkeiten, damit ich wieder rein komme? << Fragend blickte ich ihn an. Es war in meinen Ohren eine recht unkonventionelle Frage, doch was sollte ich machen? Ich konnte ja schlecht nochmal durch das kaputte Fenster „einbrechen".

>>Schokofrösche<<, antwortete er bereits im Halbschlaf. Grinsend blickte ich ihn an. Doch er war bereits eingeschlafen. Und ich dachte immer, nur Professor Dumbledore wählte Süßigkeiten als Passwörter aus.

In mich hinein lachend, stieg ich wieder auf meinen Besen und flog aus dem zerstörten Fenster. Mit einem gekonnten Wink von meinem Zauberstab war das Glas wie neu. Ich brachte so schnell ich konnte den Quaffel zurück zum Spielfeld. Fred und George waren schon verschwunden. Wahrscheinlich hatten sie vermutet, dass ich Ärger bekommen hatte und jetzt nachsitzen musste. Ich war ja auch einige Zeit weg gewesen.

Ich verstaute den Quaffel und meinen Besen und rannte dann zurück zum Schloss. Die Treppen zum Gryffindortum sprintete ich hoch, ebenso die Treppe zu den Mädchenschlafsälen. Viele versuchten mich auf dem Weg anzusprechen, doch ich ignorierte sie. An meinem Koffer angekommen, schaute ich meine Tränke Sammlung durch. Ich suchte die mit Prüfsiegel von Professor Snape heraus und verstaute sie in meine Tasche. Dann machte ich mich auf, zu den Lehrerräumlichkeiten. Vor einem Porträt, auf dem ein alter, schlafender Mann abgebildet war, hielt ich inne. Das musste der Eingang zu Professor Lupins Privatgemächern sein. Jedenfalls vermutete ich das.

>> Schokofrösche! <<, sagte ich leicht außer Atem. Der alte Mann schreckte aus seinem Schlaf und schaute mich erschrocken an.

>>Schülern ist es verboten, die Räumlichkeiten der Lehrkräfte zu betreten! <<, schimpfte er mich sofort aus.

>>Das weiß ich, aber ich habe die Erlaubnis von Professor Lupin. Woher sollte ich sonst das Passwort kennen? Der Professor ist krank und er hat mich deshalb darum gebeten, ihm ein paar Heiltränke vorbei zu bringen<<, erklärte ich schroff. Warum mussten diese Gemälde auch immer diskutieren? Die fette Dame war genauso. Entweder schlief sie oder war mit ihrem Operngesang beschäftigt.

>>Schokofrösche! <<, wiederholte ich, als das Porträt nicht reagierte. Misstrauisch betrachtete mich der alte Mann, öffnete mir dann aber doch die Tür. Freundlich bedankte ich mich.

Vor mir erstreckte sich ein gemütliches Wohnzimmer. Ich ließ meinen Blick nur kurz über die zwei roten Sessel, das gleichfarbige Sofa, den Eichenholztisch und den großen Kamin schweifen. Dann eilte ich weiter zu der nahegelegenen Tür, links an der Wand, wo ich das Schlafzimmer vermutete. Und ich hatte Recht.

Vorsichtig betrat ich den Raum. Professor Lupin schlief wieder tief fest. Nachdenklich blieb ich vor seinem Bett stehen. Sollte ich ihn wecken? Lieber nicht. Leise stellte ich die Tränke auf dem Nachtisch ab. Jetzt brauchte ich nur noch ein Stück Pergament, um eine Notiz zu hinterlassen. Suchend glitt mein Blick durch den Raum...doch vergeblich. Also zog ich meinen Zauberstab zur Hilfe.

>>Accio, Pergament, Feder und Tinte! <<, sagte ich leise, und schon kam das Gewünschte auf mich zugeflogen. Sogleich schrieb ich ein paar Zeilen auf, die dem Professor erklären sollten, wie er die Tränke einzunehmen hatte. Dann wünschte ich ihm noch gute Besserung und setzte schlussendlich meinen Namen darunter. Zufrieden betrachtete ich den kurzen Brief und legte ihn zu den Tränken auf den Nachttisch. Feder und Tinte platzierte ich einfach auf der Kommode, dann verließ ich seine Räumlichkeiten.

Ich wünschte dem alten Mann auf dem Gemälde noch einen schönen Tag, erntete aber nur ein unzufriedenes Gebrumme.

>>Dieses Bild würde eher vor die Privaträume von Professor Snape passen<<, dachte ich noch, ehe ich meinen Weg zum Gryffindor-Turm fortsetzte. Es war ein schönes Gefühl, mit meinen Tränken, jemandem helfen zu können. Jetzt verstand ich auf jeden Fall, wieso Helga unbedingt Heilerin werden wollte.

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