» Welcher Plan? «

Epilog

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           „Es tut mir leid. Es tut mir so leid!"

Ihre Worte hallten durch den niedrigen Gang wie ein verzweifeltes Gebet. Zitternd hob sie den Arm und der erste Schuss fiel.
Nathaniel warf sich gegen die Scheibe. Die Hände flach auf das kalte Glas gepresst rief er ihren Namen. Sie durfte das nicht tun! Sie musste fliehen! Musste mit ihm laufen.

Sie kämpfe sich wieder auf die Füße, taub gegenüber Nathaniels Trommeln, seinen blinden Versuchen zu ihr zu gelangen. Sie hatte es gewusst. Hatte es kommen sehen. Hilflose Panik griff auf ihn über. Sie mischte sich mit der feuchten Kühle der Umgebung und drang bis in seine Knochen. Ein herumliegender Stein hinterließ nicht einmal einen Kratzer auf der glatten Oberfläche, als er ihn mit aller Macht dagegen schmetterte. Ein leises Klirren war alle Antwort, die er bekam.

Noch ein Schuss schleuderte sie geradewegs auf ihn zu. Er duckte sich nicht einmal, seine eigenen Reflexe überlagert von dem überwältigenden Instinkt sie fangen zu wollen. Doch er konnte sie nicht erreichen. Sie hatte ihn fortgesperrt. Ihr Leben für seines. Ein Handel, dem er nie zugestimmt hatte. In blindem Zorn rüttelte er am Rahmen, gleichgültig ob ihn jemanden bemerken würde. Er musste dort rein! Doch außer dem leisen Zittern der Scheibe tat sich nichts.

Der dritte Schuss ließ ihn die Überreste seiner letzten Mahlzeit hochwürgen. Der bittere Gestank füllte seinen Mund und die Nase, mischte sich mit dem metallenen Geruch ihres verteilten Blutes. Er musste zu ihr.
Hilflos sank er an der Wand herunter und starrte ihren Körper an. Starrte die Männer an, die nicht einmal ein Wort der Warnung hatten verlauten lassen. Sie eilten zu der Leiche des Bürgermeisters, nahmen Puls und Vitalzeichen.
Nathaniel hätte ihnen die Antwort auch so geben können.

Sie waren alle tot. Seine Freunde, seine Familie. Stückweise hatte man ihm alles genommen, wofür er noch gekämpft hatte.
‚Lauf und sieh nicht zurück'. Er hatte nicht auf sie gehört. Wie auch, wenn jedes Wort aus ihrem Mund eine Lüge gewesen war. ‚Ich bin direkt hinter dir.'
Lügen, um ihn zu retten. Lügen für eine bessere Welt, die er mit niemandem teilen würde.
Er rezitierte ihre Namen. Leise. Atemlos. Während er wartete.

Bis andere Männer kamen und ihren Körper forttrugen. Bis die Luft in seinem Versteck schal wurde und er nichts weiter hatte, um darüber zu wachen. Er hatte sie im Stich gelassen. In seinen Gedanken ging er durch, was sie ihm alles gesagt hatte. Was sie ihm gezeigt hatte. Ohne nachzudenken, zogen seine Finger ihren kleinen Ring aus seiner Tasche. Er wusste nicht, warum er ihn behalten hatte. Doch in seinem schimmernden Anblick formte sich neue Entschlossenheit, die ihn wieder auf die Füße trieb. Er wusste nicht wie, aber wusste, dass er es beenden musste.

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Mal wieder 2712 Tage später.

          Es gab keine schönere Melodie als das rhythmische Pfeifen des Ofens, der einen wissen ließ, dass die Pizza fertig war.
In dicken Wollsocken schlitterte ich über die braunen Fliesen der kleinen Apartmentküche und hielt ich mich am Handtuchhalter fest, um eine eher unschöne Kollision mit der Theke zu vermeiden.

Mein Dutt drohte sich bereits von Neuem aufzulösen, als ich nur einige Augenblicke später ein großes Weinglas, die dazugehörige Flasche und den Teller zu meinem Sofa balancierte.

„Manchmal ist es nur ein kleiner Schritt von der Marathon-Läuferin zu einer Marathon-Serienschauerin", informierte ich Anthony, der wie immer keine Antwort gab. Was auch besser so was, bedachte man, dass er eine Zimmerpflanze war.

Ich warf meinem einzigen Mitbewohner und Freund einen vielsagenden Blick zu, dessen grüne Blätter verdächtig nach unten hingen. Ihm gefiel sein neuer Platz direkt neben den Kakteen nicht. Seufzend platzierte ich meine Bedürfnisversorgung auf dem Glastisch und schaltete schon einmal den Fernseher ein. Die hohe Stimme einer Nachrichtensprecherin begleitete meine Suche nach der Gießkanne.

„... gibt es Berichte von einem neuerlichen Zwischenfall im Verteidigungsministerium. Gegen 3 AM Central Daylight Time landete eine vollkommen funktionsfähige Zeitkapsel im Hauptverteilungshafen des TWT- Agency..."

„Welch Ironie", schnaubte ich, mein Oberkörper fast vollständig unter dem Sofa geschoben.

„... konnten den Piloten nicht fassen, weshalb die Bevölkerung aufgerufen wird, keine Fremden mit dem Auto mitzunehmen oder die Türen zu öf-..."

Das Klingeln der Apartmenttür schnitt der Sprecherin das Wort ab und schreckte mich hoch, was in meiner momentanen Position keine gute Idee war. Ein Schmerzlaut begleitete den Versuch, mich langsam aus meiner misslichen Lage zurückzuziehen.
Welcher Idiot hatte den Postboten ins Haus gelassen? Oder war es Marcus?

Ein weiteres Klingeln ließ Anthonys Blätter erzittern und entlockte mir ein ärgerliches Schnauben.
Jede Wette, es war Marcus.

Die Gießkanne wie ein Triumph in der Hand, marschierte ich zur Haustür und riss sie ohne zweiten Gedanken auf.

Es war nicht Marcus. Es sei denn mein Kollege versteckte sich hinter den zwei uniformierten Männern, von denen einer gerade respektvoll seinen Hut abnahm, während der andere mein Enten-Pyjama einen langen Blick zuwarf.

„Sind Sie Mrs. Emilia Queensbury?", fragte der Ältere der Beiden, tatsächlich in der Lage trotz meines Aufzugs ein erstes Gesicht zu bewahren. Kein gutes Zeichen, wenn man die Staatsdiener in Detroit kannte.

Eine viertel Stunde später folgte ich den Männern die Treppe des Apartmentkomplexes hinunter, immer wieder unruhig an meiner Bluse zupfend. Es gab überhaupt keinen Grund nervös zu sein. Ich hatte nichts mit dem jüngsten Vorfall im Verteidigungsministerium zu tun, also würden sie auch nicht in meinem Verstand herum pfuschen, meine Erinnerungen beschädigen oder was sie sonst in dieser Agentur taten. Hoffentlich. Woran merkte man eigentlich, dass einem Erinnerungen fehlten, wenn man alleine lebte?

Die Frage beschäftigte mich, bis der ältere Agent mit Schwung die gläserne Tür des Eingangs öffnete und dabei fast einen Fußgänger auf dem belebten Gehweg um mähte, der sich lediglich mit einem beherzten Satz vor ein Fahrrad retten konnte.
Ich verzog das Gesicht bei dem hohen quietschenden Geräusch, das sich wie bitterer Zitronensaft in meinem Mund entfaltete. Doch bevor ich einem der beiden Unfallopfer helfen konnte, hatte der zweite Mann mich bereits am Ellenbogen gegriffen und navigierte mich sicher auf einen super auffälligen schwarzen Regierungswagen zu, der im Halteverbot parkte. Anscheinend hatten sie keine Geduld für weitere Verzögerungen.

Man öffnete mir die Tür und schirmte mich gegen den anhaltenden Strom der Menschen ab, die sich kaum weniger um den Fahrradfahrer oder den Fußgänger kümmern konnten, so lange das blau-rote Symbol der TWTA über dem Auto wie ein Warnschild leuchtete. Es wäre beinahe ein Wunder, wenn am Montag niemand aus meinem Seminar mitbekommen hätte, dass ihre Dozentin vom Verteidigungsministerium abgeholt worden war.

Und wie aufs Stichwort rief jemand im Hintergrund meinen Namen. „Hey- Queenie!"

Ich wollte bereits den Kopf drehen, doch der Beamte neben mir gab gerade die Adresse des Hauptquartiers der Agentur durch und ich wurde kurzzeitig abgelenkt.
Ich sah nur eine unscharfe Bewegung in meinem Augenwinkel, dann wurde ich von der Seite umgerannt. Ein muskulöser Arm schützte meinen Aufprall, als wir gemeinsam auf dem Asphalt aufprallten, der fremde Kerl und ich.

Energisch versuchte ich, mich von ihm loszumachen. Was war das denn gewesen? Ein Wahnsinniger, keine Frage! Genau deshalb sollte man sein Apartment nicht verlassen! Auch die Beamten bemühten sich, einzugreifen, doch der Typ machte eine ausgesprochen gute Figur darin, ihre Hände von mir fernzuhalten.

Kurzgeschorene Haare, stechend blaue Augen und die exzentrischste Kleidung, die ich seit langem gesehen hatte. Schalk grinste mir von seinen Lippen entgegen, als er mir schließlich aufhalf, die Männer alle stöhnend außer Gefecht gesetzt.
„Wenn du jemanden aufhalten willst, wirf ihn um!", zitierte er stolz meinen Vater, ehe er mir seine Hand auffordernd hinhielt.

Flucht. Doch er sah nicht nach Gefahr aus. Nach Abenteuer und definitiv verrückt ... aber meine Neugierde ... ich hatte die Worte seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gehört.
Und seine Kleider... ich kannte diesen Stil. Ich lehrte über diesen Kleidungsstil. Konnte es sein, dass...?

Sein Grinsen vertiefte sich, bis sich in seinen Wangen kleine Grübchen bildeten. Aus der Hosentasche beförderte er ein zerknülltes Blatt Papier hervor- eine Liste mit Adressen.
„Ich weiß ein paar Leute, die du dringend kennen lernen musst."

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The End

Tadaaaaa! Fast Happy-End! 
Das verdient doch fast ein Lob, oder? xD 

Die Schreibkatze hat gesagt, ich darf nicht zuuuu böse sein. 
Dann hat er das 'h' aus meiner Tastatur gestohlen. 

( instagram.com/morgankingsman_author/ (Link ist auch auf meinem Profil, keine Angst))

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