Willkommen
Sie wartete ein paar Schritte weiter hinten im Korridor. Eikesha nickte ihr aufmunternd zu und ging. Er ahnte, dass die Befragung ihre Beziehung zu dem neuen Farbmagier nicht vereinfachte und signalisierte ihr das Richtige getan zu haben. Doch hatte sie das wirklich? Sie hörte wie Jackson sich übergab und danach hustete. Schuldgefühle machten sich in ihr breit. Es wäre besser gewesen, wenn er Eikesha für die Befragung seine Gefühle hätte berühren lassen. Dass er sie gewählt hatte, zeugte von einem Vertrauensvorschuss, der gerade vor den Zellen wieder heraus gewürgt wurde.
Nach ein paar Minuten kam er um die Ecke, den Pullover um die Hüfte gebunden. Er fuhr sich mit zittrigen Fingern durchs silberne Haar. Er war noch ein bisschen blass um die Nase.
»Und? Zufrieden?«, fragte er.
Sarah hasste die Kluft, die sich zwischen ihnen weitete. Doch aktuell konnte sie nichts dagegen tun.
»Es tut mir Leid, ich wusste ja nicht...«
»Dass ich in einem emotionalen Loch versinke?«, beendete er ihren Satz. Sie wollte etwas erwidern, aber er ließ sie nicht zu Wort kommen. »Doch, ich glaube du wusstest es und du warst zu neugierig. Immerhin hast du mich schon zweimal berührt und weißt wahrscheinlich mehr über mich als über dich selbst.« Sie wollte widersprechen, doch er hob die Hand und brachte sie zum Schweigen.
»Anstatt wildfremde Leute mit ihrer eigenen Problemen zu konfrontieren, könntest du dich mal um deine eigenen kümmern.« Damit stapfte er einfach an ihr vorbei.
Er war wütend. Natürlich war er das.
Sie hatte Sorge, dass er direkt nach Hause gehen würde, wenn sie ihm den Weg nach draußen gezeigt hatte.
»Du kennst doch gar nicht den Weg hier raus?«, rief sie ihm schließlich nach. Als sie zu ihm aufgeschlossen hatte, würdigte er sie keines Blickes.
»Ich brauche deine Hilfe nicht«, gab er spöttisch zurück. Der Tunnel mündete in eine weitere Höhle, in der zwei leere Zellen nebeneinander lagen. Danach teilte sich der Weg nach draußen in drei Korridore auf. Jackson blieb stehen. Sie war so behutsam bei der Befragung vorgegangen. Er hatte sie fast von selbst mit in seine Schlucht aus Traurigkeit gerissen. Er hatte beinahe mehr gegen sich selbst gekämpft als gegen sie. Das Schwindelgefühl, die Übelkeit. Sie hatte ihm das nicht beschert. Sie war einfach nur in ihm anwesend geblieben. Doch ihm das zu erklären hatte keinen Zweck. Er würde es als Ausrede abtun und rückgängig konnte sie das Geschehene sowieso nicht machen. Er ging plötzlich einfach weiter und bog rechts ab. Es war die falsche Richtung. Zumindest kämen sie so nicht beim Hauptausgang raus.
»Jackson, jetzt warte doch mal«, sie wollte ihm eine Hand auf die Schulter legen. Doch er drehte sich geschwind um und ihr den Arm in Sekundenschnelle auf den Rücken. Es tat ein bisschen weh, doch sie ließ ihn gewähren. Verärgerung prasselte auf sie nieder. Er überflutete sie fast mit seinen Gefühlen. Doch es war nur teilweise eine Verärgerung wegen ihr. Es war vielmehr der Ärger über sich selbst. »Nicht anfassen, hatte ich gesagt«, er ließ sie wieder los. Sarah rieb sich das schmerzende Handgelenk.
»Tut mir Leid«, murmelte sie. »Ich wollte dir nur sagen, dass wir so nicht am Haupteingang raus kommen.«
»Wo kommen wir dann raus?«, fragte er.
»Im Garten«, sagte sie.
»Fein, dann bring mich in den Garten.«
Sarah nickte und ging von nun an voraus.
Jackson folgte ihr schweigend und sie spürte wie sein Blick an ihrem Rücken haftete. Sie erreichten schneller den Ausgang als sie gehofft hatte. Mit einer Handbewegung formte Sarah eine kleine Tür in der Wand ihnen gegenüber und gab den Blick auf einen kleine Lichtung im Wald frei.
Als ich an die frische Luft trat, der Himmel über den Kronen der Fichten blau wie das Meer, durchflutete mich ein befreiendes Gefühl. Ich schaute mich um. Überall waren kleine Beete mit bunten Blumen am Rande der Lichtung angeordnet. Im Zentrum stand eine selbst geschnitzte Bank. Die Sonne stand schon tief und warf ein weiches Schattenspiel durchs Blätterdach. Sarah beobachtete mich von der Seite. »Das ist euer Garten?«, fragte ich.
»Ja, manche von uns Gärtnern einfach am liebsten in ihrer Freizeit und wir können die Blumen gut als Übungsmaterial für den Unterricht nutzen.«
Mir fiel erst jetzt auf, dass vereinzelte Blüten grau waren.
»Ich kann dir alles zeigen, wenn du willst«, fuhr sie fort.
»Nein«, sagte ich bestimmt. Enttäuschung machte sich auf ihrem Gesicht breit.
»Ich will allein sein.«
»Ja, dann lass ich dich mal in Ruhe.« Sie drehte sich um und ging. Nach ein paar Schritten schaute sie aber noch einmal zu mir zurück.
»Wenn du Gesellschaft sucht, folg einfach dem Trampelpfad bis zum Fluss. Überquere ihn an dem großen Felsen und gehe flussaufwärts bis Du gefunden wirst.« Dann war sie im Dickicht verschwunden. Ich ging zum Zentrum der Lichtung und trat mit einem wütenden Schrei gegen die Bank. Sie kippte um. Genervt ließ ich mich auf eine Kante sinken und vergrub den Kopf in den Händen. Ich war eigentlich schon viel zu lange fort und sollte mal auf der Polizeistation die Lage checken. Man hatte mich sicherlich als vermisst gemeldet. Wobei, vielleicht waren auch alle froh, dass ich weg war. Selbsthass stieg in mir auf für meine Dummheit auf diese Befragung eingegangen zu sein. Ich massierte mir die Schläfen und schaute wieder auf. Ein paar Beete entfernt stand eine alte Frau mit ihrer Spitzhacke. Sie sah mich verwundert an. Ob sie gesehen hatte wie ich die Bank umgetreten hatte? Ich stand auf und richtete die Bank wieder. Die Frau schüttelte nur den Kopf und fuhr dann mit ihrer Gartenarbeit fort.
Ich verließ die Lichtung entlang des Trampelpfades. Auch wenn ich mich erst kürzlich übergeben hatte, grummelte mein Bauch vor Hunger. Ich hoffte mehr auf Essen anstatt Gesellschaft, als ich am Fluss ankam. Der große Felsen viel mir direkt ins Auge und ich schwang mich hinauf. Oben angekommen, ließ ich den Blick schweifen. Die Stadt war nicht weit entfernt, ich konnte einige Gebäude in der tief stehenden Abendsonne ausmachen. Da wurde mir bewusst, dass dieser Fluss wohl genau der selbe war, der durch die Stadt floss. Ich überlegte wie ich auf die andere Seite kommen könnte. Doch ich musste nur den abgegriffenen und abgetretenen Stellen zwischen den Felsen und Steinen folgen, die sich an den großen Felsen anschlossen. Auf der anderen Seite des Flusses angekommen, setzte ich mich erstmal ins Gras. Ich musste eine Pause machen. Die körperlichen Strapazen des Schmerztributs hatten einiges meiner Energie gekostet. Folge dem Fluss aufwärts bis du gefunden wirst, hatte sie gesagt. Doch ich musste gar nicht weiterlaufen bis mich jemand fand, denn ich hörte wie sich eine Person zwischen den Felsen abmühte. Ein junger Mann, etwa gleichen Alters wie ich, tänzelte von Stein zu Stein, um dann doch mit letztem Schritt einmal am Rande des Flussbetts die Wasseroberfläche zu streifen. Fluchend kam er zum Stehen, wrang das Ende seines linken Hosenbeins aus und ließ seinen Rucksack scheppernd zu Boden krachen. »Hi«, sagte ich. Er schrie erschrocken auf. »Himmel noch eins! Hast du mich erschreckt«, rief er. »Ja, das habe ich gesehen.« Ich grinste.
»Coole Augen«, sagte er und blickte an mir herab. Bisher war ich nicht auf die Idee gekommen meine Augen als cool zu bezeichnen. »Danke«, formulierte ich vielmehr als Frage anstatt als Dankeschön.
»Bist du in den Fluss gefallen?«, fragte er.
»Nein, wieso?«, wollte ich verwundert wissen. Immerhin hatte er doch ein nasses Bein.
»Nun ja, du bist sehr schlammig«, stellte er fest.
Ich entschied zu verheimlichen, dass ich bis vor wenigen Stunden eingesperrt war.
»Ich habe halt mit einem Wildschwein gekämpft«, sagte ich trocken. Er fing an zu lachen. Nicht nur ein bisschen, sonder so richtig: laut und herzlich. Ich fand meinen Witz eigentlich nicht witzig.
»Ihr Magier denkt euch auch immer neue Geschichten aus«, sagte er als er sich endlich von seinem Lachen erholt hatte.
»Ihr Magier?«, fragte ich irritiert. »Bist du etwa kein Farbmagier?«
»Nein, bin ich nicht. Zumindest haben sich bisher keinerlei Anzeichen entwickelt, aber man gibt die Hoffnung ja zuletzt auf." Er zuckte mit den Schultern.
»Und was machst du dann hier?«
»Ich lebe hier«, sagte er als sei es das selbstverständlichste der Welt. Er schulterte wieder seinen Rucksack und streckte mir eine Hand aus. »Was ist? Kommst du mit?«
»Klar«, ich ergriff seine Hand und ließ mich hochziehen.
»Ich heiße Freddy.«
»Jackson.«
Wir gingen flussaufwärts.
Die Lagerfeuer erleuchteten die Gesichter der umherstreifenden Menschen in einem warmen orangegelb, doch nicht das Gesicht, dass sie sich erhoffte heute Abend noch zu sehen. Einige saßen lachend um die Feuerstellen und tranken Wein und Bier oder aßen Brot. Es waren sogar ein paar Meister unter ihnen, die sich durch ihre schwarzen Roben von der Masse abgrenzten. Sarah hatte hin und wieder die Feuerstelle gewechselt, um ihn nicht zu übersehen. Doch wie sollte sie jemanden übersehen, der einfach nicht da war? Sie fing an in die Flammen zu starren. »Ach Sarah, lass uns doch die bunten Farben«, sprach plötzlich eine Stimme neben ihr. »Wir erfreuen uns natürlich auch an deinem Antlitz, aber gönn uns doch etwas Ablenkung«, fuhr eine andere Stimme fort. Ihr war gar nicht aufgefallen, wie sie dem Feuer missmutig seine Farben entzogen hatte. »Oh entschuldigt bitte«, und sie ließ die Farben wieder ins Feuer zurückkehren. Dann stand sie auf und ging. Die Stimmen hinter ihr wurden dumpfer, das Licht streute sich. Eine Person kam auf sie zu und warf sich freudig um ihren Hals und sie fast um. »Sarah! Zum Glück bist du noch da!«, rief ein hübsches Mädchen. Es war Mirabella, ihre beste Freundin.
»Ich wollte gerade gehen«, sagte sie.
Mirabella legte ihr spielend einen Arm um die Hüfte und kehrte ihren Körper um die 180 Grad Achse: »Genau und zwar Richtung Feuer!«, rief sie fröhlich aus.
»Nein, bitte nicht«, jammerte Sarah. Doch ihre Freundin zog sie schon längst mit sich.
»Ich hatte einen echt miesen Tag«, gab sie zu bedenken.
»Ach ja? Wegen dem Neuen? Hat er dich fertig gemacht? Er soll ja große Kräfte haben. Vielleicht schlägt er sogar eines Tages Akon!«, rief sie aus. Sarah schüttelte den Kopf. »Hör auf so einen Blödsinn zu erzählen.«
Mirabella war an einem Tisch ein Stück weit abseits eines Lagerfeuers stehen geblieben, wo die Getränke aufgestellt waren. Sie schenkte sich einen großen Becher Bier ein und drückte Sarah eine ganze Flasche Wein in die Hand.
»Also wenn dein Tag so bescheiden war, dann sollten wir lieber über meinen reden und wenigstens einen schönen Abend gemeinsam verbringen«, Mirabella war immer so positiv.
»Na schön«, sie ließ sich zu einem der Feuer entführen und sie quetschen sich zwischen die Anderen. Sarah nahm einen großen Schluck Wein aus der Flasche. Vermutlich war Jackson längst zurück in der Stadt und scherte sich einen Dreck um sie und ihre Leute. Sie würde es ihm nicht verübeln können.
»Hey!«, Mirabella rüttelte an Sarahs Arm. »Zieh nicht so ein Gesicht, sonst gehen noch alle.«
»Ach Mira, weißt du, es ist manchmal echt beschissen die Gefühle anderer wahrnehmen zu können.«
»Mir brauchst du das nicht sagen, ich kann sowas noch nicht«, antworte sie.
»Bist du so sicher, dass du es lernen willst?«, harkte Sarah nach. Sie hatten diese Diskussion schon zu oft geführt und Mirabella würde auch dieses Mal nicht verneinen. Sie wollte gerade zu ihrem Protest ansetzen, als sie aufblickte und an Sarah vorbei schielte.
»Wie du so einen schlechten Tag haben konntest, nachdem du ins Innerste eines so hübschen Mannes hast blicken dürfen, ist mir wirklich ein Rätsel«, sagte sie.
Sarah drehte sich um und da stand er.
Jackson.
Zerzaustes silbernes Haar, lauernde silberne Augen, die die Szenerie in sich aufsogen.
»Du hättest ihm längst frische Klamotten anbieten können«, warf Mirabella ein.
»Er sieht aus als hätte er mit einem Wildschwein gekämpft.«
Sarah sah zu Physakris rüber, der in ein Gespräch vertieft auf der anderen Seite des Feuers saß. Er bemerkte Jackson nicht. Zum Glück.
»Das hat er vielleicht auch«, meinte sie nachdenklich. Freddy stand neben ihm und hielt Ausschau. Er entdeckte sie direkt als Mirabella ihren Arm hob und den beiden zuwinkte. Jacksons und Sarahs Blick trafen sich und ein Schatten huschte über sein Gesicht.
Als sie bei den beiden Damen ankamen, war Mirabella längst aufgeregt aufgesprungen und zog Sarah jetzt mit sich hoch.
Sie streckte Jackson überschwänglich eine Hand zur Begrüßung hin: »Hallo, ich bin Mirabella. Du kannst mich Mira oder Bella nennen, wie du magst.«
Er ergriff ihre Hand nicht. Peinliches Schweigen setzte ein. Irgendwo begann eine fröhliche Geigenmusik zu spielen und jemand fing an dazu zu trommeln. Freddy schürzte die Lippen und ergriff das Wort: »Jackson ist bestimmt durstig, er hat heute gegen ein Wildschwein gekämpft.«
»Wie lustig, darüber haben wir eben auch schon gesprochen«, sagte Mira.
Jackson's Blick verfinsterte sich. Sarah würde am liebsten im Erdboden versinken, was sie tatsächlich auch tun konnte.
»Hast du auch Hunger?«, fragte Mira weiter.
Er nickte: »Etwas, was nicht ganz so schwer im Magen liegt wäre klasse.«
»Wir haben meistens frisch gebackenes Brot da«, sagte Freddy.
»Wein kannst du sicherlich aus Sarahs Flasche haben«, warf Mira ein.
»Wasser wäre mir eigentlich lieber«, sagte Jackson.
»Wasser und Brot, du bist doch kein Gefangener!«, lachte Mira.
Freddy stieg freundlicherweise mit ins Lachen ein, aber es war nicht lustig, nicht für Jackson oder Sarah.
Mirabella entfernte sich von dem Trüppchen und kehrte kurz darauf mit einem Krug Wasser und einem halben Laib Brot zurück. Sie setzten sich wieder ans Feuer. Sarah spürte die Blicke der anderen auf sich und auf Jackson, doch sie sagte kein Wort. Mira überschüttete Jackson mit Fragen und Freddy kramte fast den gesamten Abend nur in seinem Rucksack. Irgendwann streckte er sich, trank sein letztes Bier aus und verabschiedete sich von den dreien. Sarah erhaschte verstohlen einen Blick von Jackson. Er hörte ihrer Freundin kaum noch zu und blickte müde ins Feuer. Dunkle Ringe umschatteten seine Augen. Eine sanfte Sommerbrise stob die Funken der Feuerstelle in den klaren Sternenhimmel. Er war zu ihnen gekommen, nicht zurück in die Stadt gegangen. Zählte das nicht etwas?
Sie räusperte sich: »Ich muss morgen früh aufstehen, aber ihr könnt ruhig noch sitzen bleiben.« Dafür dass Jackson so müde war, sprang er erstaunlich schnell auf.
»Nein, ein paar Stündchen Schlaf könnten mir auch nicht schaden.« Mirabella warf Sarah einen verschmitzten Blick zu. Sarah verdrehte nur die Augen. »Dann mal gute Nacht«, sagte Mira, ergriff ihr Bier und ward in der Menge verschwunden. Schweigend standen sich Sarah und Jackson gegenüber.
Ich war insgeheim froh ihre Freundin los geworden zu sein. Sie würde sich gut mit Cesca verstehen, dachte ich. Die konnte auch wie ein Wasserfall reden. Ich blickte Sarah an. Sie hatte den ganzen Abend kein Ton gesagt und war auf Abstand geblieben.
»Soll ich dir unsere Schlafplätze zeigen?«, fragte sie zögerlich.
Meine Beine waren schwer und meine Augen taten langsam vom Licht der Feuer weh. Ursprünglich war mein Plan nur kurz vorbei zu schauen, um den Weg zu kennen und dann in die Stadt zurückzukehren. Nachdem das Brot aber wohltuend meinen Magen gefüllt hatte, übermannte mich die Müdigkeit mehr und mehr.
»Ich könnte vorher noch mehr Wasser gebrauchen«, sagte ich. Der Wassermangel in der Zelle hatte mich etwas dehydriert.
»Sicher«, antworte Sarah. »Komm mit.«
Wir liefen ein paar Minuten durch den Wald. Dank meiner Nachtsicht stolperte ich nur über jede fünfte Wurzel anstatt über jede zweite. Ich war einfach zu müde. Wir bogen um eine große alte Eiche und eine Ansammlung kleiner Tipis tat sich vor uns auf. Sarah steuerte auf eins etwas abseits zu. »Das ist für Gäste«, sagte sie und hielt mir den Eingang auf.
»Vom Gefangenen zum Gast in nur einer Nacht«, sagte ich mit gespieltem Stolz.
Sarah ignorierte meinen Kommentar.
»In dem Fass hier ist Trinkwasser. Nimm so viel du magst, wir sehen uns dann morgen.«
Ich nickte als sie auf ein altes Holzfass deutete.
»Und tut mir Leid wegen Mira. Sie kann sehr...«
»Gesprächig sein?«, fragte ich.
»Ja, das auch«, gab sie zu. »Aber ich habe ihr nichts erzählt. Sie weiß nichts von«, sie hielt inne, »von dir.«
»Gut«, sagte ich einfach. Ich nahm einen Krug vom Boden und schöpfte Wasser aus dem Fass.
»Kannst du böse Träume verjagen?«
»Was?«, sie blinzelte irritiert.
»Ich habe mich gefragt, ob du nicht nur Gefühle berühren kannst, sondern sie auch steuern kannst.«
»Ähm, ich glaube nicht. Also ich habe es noch nie ausprobiert. Was hat das mit Träumen zutun?«
»Ich weiß nicht. Träume transportieren Gefühle oder?«
Sie nickte nachdenklich.
»Und ich könnte mal ruhig durchschlafen. Ich wollte dir eine Chance geben etwas wieder gut zu machen«, fuhr ich gedehnt fort. Ich wollte es mir selbst nicht wirklich eingestehen, doch ich hatte Angst heute Nacht hier einzuschlafen. Nicht weil Sarah in der Nähe war. Nicht weil ich fürchtete überfallen zu werden oder ähnliches. Sondern weil mich das letzte Mal nächtelange Alpträume heimsuchten, als ich der Trauer in mir so viel Raum gelassen hatte wie bei der Befragung.
Sie verlagerte ihr Gewicht nervös von einem Bein auf das andere. »Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, Jackson. Wir können es versuchen, aber versprechen kann ich nichts.«
Ich trank ein paar Schlucke Wasser.
»Schön, wir versuchen es. Aber gib Acht, dass ich dich morgen früh nicht noch mehr hasse«, es war keine Drohung, aber es war deutlich genug, dass ich ihr diese Chance auf Wiedergutmachung eigentlich nicht hätte geben müssen. Ich streckte mich auf der Matte auf dem Boden aus und zog eine dünne Decke über mich. Sarah setzte sich neben mich.
»Darf ich dich berühren?«, flüsterte sie leise.
Ich schloss die Augen und meine Hand legte sich wie von selbst in ihre.
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