Der Auftag

»Jackson?«, die Stimme waberte zäh wie Honig durch mein Bewusstsein.
»Wach auf, Jackson!«, folgte ein Befehl.
Kälte umfing mich. Irgendjemand musste gerade meinen Kopf zerquetschen, anders ließen sich diese Schmerzen nicht erklären. Ich konnte mich nicht bewegen. Traumlos glitt mein Geist über die Wellen der Bewusstlosigkeit. Nichts blieb - außer dem Gefühl, das mich niemand vermissen würde.

Eine Erschütterung durchfuhr meinen Körper: erst einmal, dann zweimal.  Ja, beim dritten Mal war ich mir sicher, dass es sich um einen Schlag in meine Magengrube handelte. Ich riss mit aller Kraft die Augen auf. Gleißend schnitt das Licht durch mein Sichtfeld und brachte meine Augen zum Tränen. Oder hatte ich vorher schon geweint?
Langsam gewöhnte ich mich an das Licht, welches sich als dämmriger erwies wie bisher angenommen. Ich befand mich in einem feuchten Keller, der komplett mit Lehm ausgebaut war. Drei Männer, verhüllt in dunklen Umhängen und Kapuzen standen um mich herum. Mein Blick wanderte meinen Körper hinab. Und ich musste schon sagen, wenn diese Gestalten mich nicht so eng an den Stuhl gefesselt hätten, würde ich sicherlich auch jetzt noch davon herunterkippen. Jede Faser meines Körpers schrie nach einem Betäubungsmittel, das diesem Wahnsinn ein Ende setzte.
Der erste Mann trat näher und ließ seine Kapuze fallen, ich hielt die Luft an: der Polizist, der mich verhört hatte.
Die anderen beiden waren zu meiner Überraschung relativ jung, vielleicht ein paar Jahre älter als ich. Doch ich kannte keinen.
»Überrascht uns zu sehen?«, fragte der Polizist, der in meinen Augen gelesen haben musste, dass ich ihn richtig einordnen konnte.
»Wir waren auch sehr überrascht dich am Tatort wiederzufinden nachdem du uns ja recht knapp erklärt hattest nichts mit der Sache zutun gehabt zu haben«, fuhr er in sarkastischem Ton fort. Ich wollte etwas erwidern, aber mir versagte die Stimme. Mein Blick huschte unruhig zu den beiden Jungs hinrüber. Wieso waren sie hier? Die Tatsache, dass die Polizei jetzt neuerdings Verdächtige in einem dreckigen Kellerloch festhielt war doch sehr beunruhigend.
»Das sind Steve und Julius, deine Ansprechpartner.«
»Ansprechpartner?«, kam es nun doch krächzend alarmiert aus mir hervor.
Doch plötzlich donnerte mit einem Windstoß die Tür, die ich zuvor gar nicht wahrgenommen hatte, auf und eine vierte Person trat in den stickigen Raum. Jetzt hielt ich erst recht die Luft an und wusste das ich wirklich in der Klemme saß. Es handelte sich um den Polizeipräsidenten höchst persönlich. Nur flüchtig erkannte ich, dass sich seine dunkelroten Schuhe in einen gräulichen Teint verwandelten während er mit einer Handbewegung eine Fackel an der Wand aufflammen ließ. Ein weiterer Farbmagier. Na toll. Ich hatte den Polizeipräsidenten nie persönlich getroffen, ihn nur auf Plakaten oder aus sicherer Entfernung gesehen. Aber die Tatsache das er ein Farbmagier war, verunsicherte mich doch mehr als ich zugeben wollte.
»Ja Jackson, nicht nur du beherrschst hier das Spiel mit den Farben.« Ein Lächeln, das ihn fast sympathisch wirken lies, zeichnete sich auf dem Gesicht des Präsidenten ab.
»Steve und Julius sind deine Ansprechpartner für alle Informationen, die im Untergrund einen gewissen Wert haben. Solltest du den Auftrag abbrechen und fliehen, werden sie dich finden. Glaub mir, Jackson, du bist nicht der einzige Meisterdieb, der gut im Fährtenlesen jeglicher Art ist.« Ich hasste es wenn andere Menschen mehr über mich wussten als ich über sie. Das war nie gut. Trotzdem konnte ich dem Präsidenten noch nicht ganz folgen. Mein fragender Blick bewegte ihn zum weiter sprechen:
»Herr Gott noch eins! Muss ich denn alles selbst erklären, Stationsleiter Louis?«, fuhr er den Polizisten an, der mich verhört hatte und lüftete dadurch das Geheimnis seines Namens. Dieser Louis räusperte sich kurz und fuhr fort: »Du wirst die Person finden, die dich so zugerichtet hat. Steve und Julius unterstützen dich und sind dein Kontakt zu uns. Wenn du bei dem Auftrag erfolgreich bist, schenken wir dir ein straffreies Konto. Wenn nicht...naja, dann wird dir die Straffreiheit wohl auch nichts mehr bringen. Das ist der Deal.«
Ich glaubte fast mich verhört zu haben. Der Polizeipräsident und sein Schoßhündchen hier beauftragten mich? Ich hatte definitv ein Problem.
»Habt ihr keine anderen Deppen mehr, die für euch ihr Leben riskieren wollen?«, fragte ich rundheraus. Steve zog scharf die Luft ein und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Nein Jackson, wir haben genug Leute. Aber keiner hatte bisher persönlichen Kontakt zu der Silhouette gehabt«, beantwortete der Präsident gelassen.
»Woher wisst ihr, dass ich welchen hatte?«
Wie auf Kommando zogen Steve und Julius einen Spiegel hervor und als ich mich darin endlich wiedererkannte, hatte ich den ersten kurzen Panikanfall meines jungen Lebens:
Ich sah aus wie ein Geist! Meine Haare waren weiß oder grau oder silber. Jedenfalls nicht mehr braun! Aber was viel schlimmer war, waren diese Augen, die mir scheintot entgegen starrten. Meine Iris war auf jeden Fall silber und leuchtete in diesem Keller wie der Vollmond.
»Du weißt es ist verboten Farben von Lebewesen zu beziehen«, ergriff Louis das Wort. »Wir hatten gehofft, das du den Menschen finden möchtest, der dir das angetan hat.« Ich konnte den Blick von meinem Spiegelbild nicht trennen. »Ihr wollt doch nur keinen eurer Männer verlieren. Was für eine Wahl habe ich?«, sagte ich leicht benommen, wobei ich sie schon erahnte.
»Wenn du nicht einwilligst, gehst du in die Zelle. Das ist deine Chance hier raus zu kommen, unser Deal bietet dir die Möglichkeit dazu«, sprach der Präsident in ruhigem Tonfall. Er sagte das gerade so als ob ich mich glücklich schätzen könnte von der Polizei gefunden worden zu sein. Naja, vielleicht konnte ich das auch. Aber aus der ganzen Sache herauszukommen klang für mich nach einem guten Ziel. Die Frage war nur wie ich jemals heil aus dieser Sache herauskommen konnte. Entweder ich wanderte direkt ins Gefängnis oder versuchte dieser Silhouette auf die Schliche zu kommen. Wenn ich sie nicht fand, würde die Polizei sicherlich nicht lange zögern mich trotzdem wegzusperren, da ich keinen Nutzen mehr für sie darstellen würde. Und selbst wenn ich sie fand: keiner konnte mir versichern, dass der Polizeipräsident sein Wort hielt und mein bisheriges Strafregister vergaß. Mal abgesehen davon dass ich diese ganze Mission erstmal überleben müsste. Was hättet ihr denn getan?
»Ich willige ein«, sagte ich. Hätte ich doch niemals nach diesem verfluchten Farbteppich gesucht! Dann wäre das alles nicht passiert.
»Gute Entscheidung«, sprach der Präsident.
Louis fügte hinzu: »Vielleicht seine erste gute Entscheidung in diesem Jahr.«
Ich konnte das »Fick dich« gerade noch rechtzeitig unterdrücken.
»Jedenfalls bist du nicht das erste Opfer«, ergriff nun Julius das Wort, während Steve sich daran machte meine Fesseln zu lösen. »Allerdings das erste, das überlebt hat«, nuschelte dieser hinter meiner Rückenlehne.
»Niemand kann wissen was mit den anderen passiert ist«, wandte der Präsident schnell ein, nur um von der Tatsache abzulenken, dass sie wahrscheinlich tot waren. »Meistens sind Kinder oder Jugendliche verschwunden. Aber auch erwachsene Menschen werden bereits vermisst.«
»Was auch immer diese Silhouette plant, es stellt eine Bedrohung für die gesamte Stadt dar«, betonte der Präsident.
»Und wenn sie dabei auch noch den Farbteppich findet sind wir alle verloren«, sagte ich nach kurzer Pause.
»Wieso den Farbteppich?«, fragte Louis.
»Weil sie oder er den haben wollte«, vermutete ich.
»Ihr habt miteinander gesprochen?«, wurde Louis' Stimme aufgebrachter.
»Ja, also nein, sie fragte nach einem Grund mich nicht zu töten und ich sagte ich wüsste wo der echte Farbteppich wäre.«
»Und weißt du es?«, schoss Steve neugierig dazwischen, wurde aber direkt mit Louis' finsterem Blick gestraft. Ich schüttelte nur stumm den Kopf und kam schwankend auf die Beine. Mir tat alles weh. Julius wirkte leicht besorgt, was mir verriet das er der Einzige im Raum war, der mich zuvor nicht geschlagen hatte.
»Fein«, sprach der Präsident. »Die Silhouette ist nicht nur mächtig genug Farben aus Lebewesen zu ziehen sondern jagt auch noch dem Farbteppich hinterher. Ich denke ihr habt Zutun, Jackson, aber bitte bevor sie vielleicht noch das Licht zähmen kann!«
»Jaja, schon klar...Chef«, betonte ich zynisch. Doch Louis schob mich direkt an die nächste Wand bevor ich noch etwas hinzufügen konnte. Mit einem Arm drückte er mir sofort die Luft ab: 
»Das ist kein Spiel Jackson!«
»Genau, ich freu mich schon darauf, wenn ihr der Welt erklären müsst, dass euer Kleinkrimineller sie leider nicht für euch retten konnte«, presste ich hervor. Louis ließ von mir ab und ich rutschte keuchend die Wand hinunter bis ich neben der Tür saß.
»Ich werde der Welt gar nichts mehr erklären, wenn es soweit ist. Denn dann wird sie nicht mehr existieren«, erwiderte der Präsident trocken und verließ den Keller gefolgt von Louis, dann Steve und Julius. Letzterer zögerte kurz, blieb stehen und warf mir eine blaue Phiole in den Schoß. »Bis dann, Mann.«

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