Kapitel 2 - geheime Mission

Lainey

Ein Lächeln überzog Elaines Gesicht. Das war es also wirklich, wovon sie alle schwärmten? Unkoordiniertes Gezappel, immer leicht neben dem Takt der dröhenden Musik, und dazu ein unglaublicher Alkoholkonsum.

Collegepartys wichen ihrer ersten Einschätzung nach nicht allzu sehr von den Partys ihrer Mitschüler ab. Doch genauere Vergleiche konnte sie sich mangels Anwesenheit bei besagten Partys nicht erlauben.

Was sie allerdings genau wusste, war, dass es die Highschool-Elaine nicht mehr lange geben würde. Bevor sie diesen Sommer aufs College ginge, würde sie lernen, Partys zu genießen.

Und vor allem würde sie bis dahin keine Jungfrau mehr sein. Sie wollte ihr Collegeleben in vollen Zügen genießen und nicht gleich dem erstbesten Studenten auf den Leim gehen.

Die verbleibenden Wochen des Schuljahres würde sie also damit verbringen, so viele Partys wie möglich zu besuchen und einen ungefährlichen Partner für ihre ersten intimen Gehversuche auszusuchen.

Sie konnte und wollte es sich nicht leisten, dem ersten Mann in ihrem Bett zu verfallen, nur weil er sie in die Kunst des Liebemachens einführen würde. Daher galt es dringend vorab einige Erfahrungen zu sammeln.

Sie schlenderte durch das Wohnzimmer und betrachtete die tanzenden Pärchen, während sie ab und zu an ihrem Bier nippte. Auch dies war etwas, was sie zu schätzen lernen musste: diesen widerlich bitteren Geschmack.

Die Paare tanzten ausgelassen und rieben sich aneinander als gäbe es kein Morgen mehr. Sie runzelte die Stirn. Geschmackvoll sah das alles tatsächlich nicht aus. Vielleicht sollte sie Becks suchen und ihn bitten, sie jemandem vorzustellen.

Schnell verwarf sie diese Idee wieder. Beckett würde ihren plötzlichen Sinneswandel hinterfragen und sie anschließend sicherlich genauer im Auge behalten. Und genau das konnte sie wohl nicht gebrauchen, wenn sie beabsichtigte, sich in den kommenden Wochen nachts heimlich durch ihr Schlafzimmerfenster davon zu stehlen.

"Hey Sexy, du und ich in einer dunklen Ecke drüben im Flur, wie sieht's aus?", wisperte ihr eine unbekannte Stimme ins Ohr.

Während sich eine Hand um ihre Taille legte und sie rückwärts gegen einen großen Körper gezogen wurde, stieg ihr eine widerliche Fahne in die Nase. Entsetzt über den ungewollten Körperkontakt entfuhr ihr ein kleiner Aufschrei. Als hätte das nicht gereicht, glitt ihr die Flasche aus der Hand und landete mit einem dumpfen Aufschlag auf dem Boden. Wie peinlich.

"Lass mich los", grummelte sie, um keine weitere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Doch es war bereits zu spät. Unsanft riss Beckett sie aus den Armen des Betrunkenen und schob sie hinter sich.

"Fass sie noch mal an und du stirbst", hisste er feindselig, während er dem taumelden Kerl drohend von dem Gesicht herumfuchtelte.

Beruhigend legte Elaine ihre Hand auf seinen Rücken. "Lass gut sein, Becks. Ich komme allein zurecht."

Mit vor Zorn glänzenden Augen fuhr er herum. "Sah nicht so aus, Kleines. Bleib einfach in meiner Nähe, ja?"

Elaine unterdrückte ein Stöhnen. Als ob sie sich den restlichen Abend hinter Becks Rücken verstecken würde. Er sollte ruhig etwas Spaß mit seiner Freundin Mabel haben, damit sie selbst ungestört ihre eigene Mission erfüllen konnte.

Doch bereits zu Beginn des Abends als Elaine verkündet hatte, sie zu Harrys Party zu begleiten, hatte Beckett fragend eine Augenbraue hochgezogen und angespannt seufzend zugestimmt.

Als wäre sie eine Belastung für ihn. Als wäre sie auf seine Zustimmung angewiesen. Es war geradezu lächerlich wie fürsorglich Beckett sich manchmal verhielt.

Elaine konnte sehr wohl auf sich selbst aufpassen, jedoch sah sie keinen Grund es jedem Mann sofort unter sie Nase zu reiben. Doch zunächst würde sie sich die Diskussion sparen und sich in Becketts Nähe aufhalten.

Zusammen gingen sie in das angrenzende Esszimmer, das für den heutigen Abend von Möbeln befreit worden war. Elaine schnappte jemandem das Bier aus der Hand und versuchte erneut, sich an den Geschmack des Getränks zu gewöhnen.

Elaine ließ den Blick langsam über die Menge gleiten. Jeder einzelne der anwesenden jungen Männer wirkte selbstbewusst und überaus potent. Sie würde sich nicht an äußeren Kleinigkeiten wie der Haar- oder Augenfarbe aufhalten, schließlich war sie nicht hier um einen Ehemann zu finden.

Doch auch wenn sie denjenigen vielleicht nie wieder sehen würde, würde er sich als ihr erster Partner überhaupt unwillkürlich in ihr Gedächtnis brennen. Und diesen Platz konnte sie keinem vollkommenen Idioten überlassen. Sie müsste also jemanden finden, der leicht zu überreden, erfahren und einigermaßen gescheit war.

Anhand der unzähligen Männer vor ihr durfte das doch keine unlösbare Aufgabe sein. Ihr Blick blieb an einem blonden Hühnen hängen. Doch bevor sie sich in Bewegung setzen konnte, fiel ihr das wichtigste Kriterium ein: er musste vertrauenswürdig sein.

Wie konnte sie sich jemandem hingeben, bei dem sich nicht sicher war, dass er jederzeit aufhören würde, wenn sie ihren Plan mitten in der Umsetzung plötzlich hinterfragen und auf Eis legen wollte?

Sie betrachtete den großen blonden Mann. Sein kurzes Haar war in Form gegeelt, er trug ein einfaches Shirt und eine sehr tief sitzende Jeans, die Elaine bereits einen Blick auf mehr als nur den dem Bund seiner Boxershorts und einen durchaus attraktiven Hintern werfen ließ.

In seiner unmittelbaren Nähe bewegten sich zwei ebenfalls große Mädchen. Mit jedem dritten Tanzschritt schienen sie ihm näher zu kommen. Elaine beobachtee interessiert, wie die größere der beiden ihren Arm um seinen Nacken schlang. Er ließ sich nicht lange bitten und senkte seinen Kopf die dunkelhaarige Schönheit zu küssen.

Und es blieb nicht bei einer kurzen Berührung der Lippen. Es war als hätte der Hühne nur darauf gewartet, dass sie den ersten Schritt machte. Seine Lippen bewegten sich schnell und sicher mit denen seiner Tanzpartnerin und bald glaubte Elaine, er würde sie mit Haupt und Haar verschlingen.

Eine Gänsehaut kroch ihr über den Rücken und die wandte sich angeekelt ab. Dieser Kerl kam also aus verschiedenen Gründen nicht für ihr Vorhaben infrage. Elaine nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche, die sie immer noch verkrampft festhielt.

"Lainey, warum tanzen wir beide nicht ein bisschen?"
Überrascht drehte Elaine sich zu der Stimme um. Als sie Mabel erblickte, schenkte sie ihr ein knappes Lächeln. "Mir ist einfach nicht danach."

"Wie kann einem nicht nach tanzen sein?", fragte Mabel ungläubig.

"Ich fühle die Musik wohl einfach nicht."

"Aber du hörst sie doch!"

"Es ist einfach gerade nicht die richtige Musik für mich. Tut mir leid. Ich kann das nicht anders erklären, Mabel. Warum schnappst du dir nicht Becks und tanzt ein bisschen mit ihm?"

"Er will sich nicht ablenken lassen. Sagt, er muss ein Auge auf dich haben."

Lainey rollte mit den Augen, unsicher was sie darauf antworten sollte. Sie hatte ihn nicht zu ihrem Aufpasser erkoren.

"Er wird sich noch selbst den ganzen Spaß verderben. Dabei hat er sich doch so auf diesen Abend gefreut", setzte Mabel traurig dazu.

"Verstehe. Ich bin also Schuld daran, dass er die Party nicht genießen kann."

Mabel errötete. "Das habe ich so nicht gesagt. Ich will doch auch nicht, dass dir etwas passiert."

"Ich hab's verstanden, Mabel. Geh zu ihm herüber und lenk ihn ein wenig ab. Wenn er merkt, dass ich nicht neben euch stehe, sag ihm einfach, dass ich mal für kleine Prinzessinnen musste."

Mabel runzelte fragend die Stirn. Elaine zwang sich zu einem tiefen Atemzug, bevor sie antwortete.
"Toilette. Sag ihm, dass ich zur Toilette musste."

"Achso. Ja, aber musst du denn wirklich?"

An machen Tagen war Mabel eine ganz besondere Herausforderung. Heute war scheinbar so ein Tag, an dem ihre Naivität keine Grenzen zu kennen schien. Doch so gern sie es wollte, wusste sie doch, dass man es ihr nicht zum Vorwurf machen konnte.

"Nein. Ich verschwinde nur ein paar Minuten von der Bildfläche, damit ihr mal ungestört tanzen könnt", erklärte sie geduldig, bevor sie einen Schluck Bier nahm.

Mabel quietschte leise und fiel ihr um den Hals. "Das ist wirklich lieb von dir. Es ist so schön, dich als Schwester zu haben."

Elaine verschluckte sich an ihrem Bier. Sie hoffte inbrünstig, dass sie den Tag niemals erleben würde, an dem Mabel zu ihrer Schwägerin, also quasi zu ihrer Schwester, wurde. "Ich kann den Tag kaum erwarten", presste sie mit einem aufgesetzten Lächeln hervor. "Aber nun geh schon. Und verrate Becks nichts."

"Natürlich nicht", sagte sie aufgeregt und stackste glücklich grinsend zu Beckett hinüber.

Natürlich nicht, äffte sie Mabel gedanklich nach. Wer wusste schon, ob du Mabel es tatsächlich schaffen würde, sich nicht zu verplappern. Immer noch mit einem falschen Lächeln auf den Lippen beobachtete Lainey, wie Mabel ihrem Bruder um den Hals fiel. Langsam, fast schon widerwillig, legte er seine Hände auf ihren Rücken und zog sie näher an sich heran, bevor er sie schließlich küsste.

Elaine konnte nicht verstehen, was in Beckett vor sich ging. Sicher, Mabel war nett anzusehen, aber sie war ganz sicher nicht das hellste Licht am Baum. Es gab kein einziges Szenario, in dem Elaine freiwillig Zeit mit ihr verbringen würde, wenn sie nicht Becketts Freundin wäre. Um Seinerwillen versuchte sie sich mit ihrer hohlköpfigen Art zu arrangieren und sie, hoffentlich nur vorübergehend, als Teil der Familie zu akzeptieren. Doch jetzt war keine Zeit darüber nachzugrübeln.

Flink schlich Elaine sich davon, um einen jungen Mann auszuwählen und kennenzulernen. Mit einem schnellen Blick über ihre Schulter wollte sie sich versichern, dass Beckett ihr Verschwinden noch nicht bemerkt hatte. Bevor sie sich wieder nach vorn drehen konnte, prallte sie schon gegen etwas Festes. Sie drehte den Kopf und sah in freundliche, blaue Augen.

"Hey, mach langsam", vernahm sie eine angenehme Männerstimme. "Alles in Ordnung?"
Langsam glitt ihr Blick von seinen wachen Augen über sein Gesicht und dann seinen Körper hinab.
"Was? Oh ja."

***

Als Beckett anderthalb Stunden später mit glänzenden Augen vor ihr auftauchte, war er nicht einmal sauer, weil sie ihm entwischt war. Glücklicherweise hatte Elaine ihn kommen sehen und ihren Flirt mit einer leisen Entschuldigung zur Seite gestoßen.

"Hey Lainey, Wir brechen jetzt auf. Ich bleibe heute Nacht bei Mabel. Harry weiß Bescheid. Ich habe ihn gebeten ein Auge auf dich zu haben. Such ihn, wenn jemand aufdringlich wird, okay?"

Damit hatte Elaine nicht gerechnet. Dieser Abend sich durchaus in eine zielversprechende Richtung zu entwickeln. Sie unterdrückte ein breites Grinsen.

Wenn Beckett jetzt Lunte roch, würde er die Übernachtung bei Mabel abblasen und Elaine musste auf ihren ursprünglichen und vielfach komplizierteren Plan zurück greifen.

"Alles klar. Wir sehen uns morgen."
Beckett kniff die Augen zusammen und fixierte sie mit einem ernsten Blick. "Ich meine es ernst. Bleib am besten in seiner Nähe."

Innerlich entwich ihr ein Stöhnen. "Ich gehe ihn gleich suchen. Mach dir keine Sorgen, Becks. Und nun geh schon."

Nachdem Beckett endlich aus ihrem Blickfeld verschwunden war, drehte sie sich zu ihrer Eroberung um.

"Hey, da bin in wieder. Entschuldige die unsanfte Unterbrechung, aber es musste schnell gehen."

"Was war denn los? Ist alles in Ordnung?"

"Ach, mein Bruder macht sich immer so schnell Sorgen. Ich wollte nicht, dass er dir blöd kommt. Aber jetzt geht er nach Hause, also sind wir jetzt ungestört."

"Na, wenn das so ist..." Er hielt ihr eine Hand hin und sie griff danach. Mit einem kleinen Ruck zog er sie in seine Arme und begann sich im Rhythmus der Musik zu bewegen.

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