Machtlos

Und dann stand an einem Nachmittag, es waren nur noch drei Wochen bis zu den Ferien, plötzlich McGonagall in der Tür des Gewächshauses.
Felix hielt inne und wischte sich die brennenden Hände an seinen Hosen ab. Diese Vampirmospen waren grauenvoll und saßen wirklich an jeder einzelnen Pflanze.

„Ich bin gleich fertig, Professor. Mit diesem hier", begann er, zaghaft lächelnd.
Er war etwas verwundert, da sie ihn kein einziges Mal bei einer seiner Strafarbeiten überprüft hatte. Dann sah er aber, dass sie ihn mit starren Augen bedachte, kreidebleich im Gesicht war und angestrengt nach Worten suchte.
„Professor. Ist alles in Ordnung?", fragte er vorsichtig und sah sie besorgt an.
War sie krank?
Sie drehte sich nur um.
„Folgen Sie mir bitte, Lewis", sagte sie nur zitternd und ging eilenden Schrittes voraus.

Er wusste nicht, ob es an dem Ton oder ihrem Verhalten lag, aber es war, als würde eine eisige Hand nach seinem Herz greifen und mit einem ungutem Bauchgefühl setzte er sich, nachdem er schnell seinen Zauberstab geholt hatte, in Bewegung.

„Professor. Können Sie mir sagen, was los ist?", fragte er, als er sie eingeholt hatte, aber die Hexe schüttelte ihren Kopf, den Blick starr geradeaus gerichtet.
„Ich glaube, das...sagt Ihnen der Schulleiter persönlich."
„Aber was...ist es etwas Schlimmes?"
Sie schwieg und lief nur noch schneller.

Sie führte ihn direkt zu Dumbledores Büro.
„Zitronendrops", sagte sie leise und der Wasserspeier drehte sich, um die Treppe freizugeben.
Sie folgten ihr und mit hämmerndem Herzen trat Felix in das Büro.
Hatte er etwas falsch gemacht?
War es etwas mit dem Buch?
Hatten sie herausgefunden, was darin stand, hatte Dumbledore doch das Ministerium informiert?
Oder...war es etwas noch Schlimmeres?
Er wurde nur noch verwirrter, als er Professor Snape am Fenster des Büros stehen sah. Er stand mit dem Rücken zu ihm und mit gerunzelter Stirn sah Felix zu dem Schulleiter, der sich eben hinter seinem Schreibtisch erhob.

„Professor? Sie wollten mich sprechen?"
„Ja", erwiderte Dumbledore knapp und deutete in einer schnellen Geste auf einen Stuhl neben Felix, „Willst du dich nicht setzen?"
Felix runzelte seine Stirn.
„Nein. Eher nicht. Wie kann ich Ihnen denn helfen?"
Dumbledore warf einen Blick zu McGonagall, welche mit der Hand an ihren Hals fasste, sie aber sogleich wieder fallen ließ.
„Ich...wir haben soeben eine Nachricht erhalten, Felix", sagte er schließlich.
„Eine Nachricht", wiederholte er hohl und sah zu Snape, der immer noch aus dem Fenster sah.
Was, zum Teufel, war hier los?

„Aus Devonshire. Es geht um...", fuhr Dumbledore fort, stockte aber.
Er verzog für einen Moment sein Gesicht zu einer kläglichen Grimasse.
„Setz dich bitte! Es...es geht um deine Eltern, Felix."
„Meine...Eltern."
Er versuchte, ruhig zu bleiben, aber etwas schnürte seinen Hals zu und sein Puls beschleunigte sich ins Unermessliche.

Dumbledores Augenlid zuckte als er sich gegen die Kante des Schreibtisches lehnte und sagte:
„Sie wurden in etwas...verwickelt, Felix. Vor dem Gebäude, in welchem sie sich aufhielten, hatten sich mehrere Muggel versammelt. Einige...Zauberer haben Explosionen auf der Straße ausgelöst, welche auch das Gebäude erfasst haben."
Ihm wurde schlecht und es fühlte sich an, als würde ein eisernes Band seine Brust umschließen.
„Wie meinen Sie denn das? Von wem denn? Geht es ihnen gut? Wo sind sie jetzt?"
„Wir wissen nicht genau, wer es wahr..."
„Aber sie sind jetzt im St Mungos! Kann ich...kann ich zu ihnen? Wann genau?"
Er sah zwischen den Lehrern hin und her.
„Und wann können sie denn wieder..."
„Felix!", unterbrach der Schulleiter ihn in einem Ton, der ihm einen Schauer über den Rücken jagte, „Das Gebäude ist...es ist...sie haben diese Konfrontation zwischen den Parteien nicht überlebt, Felix. Es tut mir wirklich sehr leid. Die Nachricht kam vor zwei Stunden."

Eine Totenstille herrschte im Raum und Snape drehte sich langsam um.
Felix begriff am Anfang überhaupt nicht den Sinn dieser Worte und starrte Dumbledore fassungslos an.
„Sie..."
Er lachte bitter auf.
„Was meinen Sie damit? Das...das ist ein Scherz!"
Dumbledore schüttelte nur langsam seinen Kopf und jetzt traf es Felix, wie ein Schlag in die Magengrube.
„Das...ist ein Scherz!", wiederholte er mit lauter, ungewohnt hoher Stimme und genau in diesem Moment knickten seine Beine weg. Schnell ließ er sich auf den zuvor angebotenen Stuhl fallen.
Die Bedeutung der Nachricht sickerte jetzt langsam zu ihm durch und er stieß ein entsetztes Keuchen aus.

„Nein! Nein, das... das ist nicht..wahr!"
Er begann zu zittern und als Dumbledore zu ihm kam, um ihm seine Hand auf die Schulter zu legen, zuckte er zurück.
„Nein! Fassen Sie mich nicht an!"
Fast hysterisch sah er zu ihm auf.
„Fassen Sie mich...nicht an!", wiederholte er leise.
Sein Magen drehte sich um und er presste sich die Faust auf den Mund, in der Befürchtung, sich jeden Moment zu übergeben.
McGonagall trat ein paar Schritte nach vorn, stoppte dann jedoch wieder, außerstande, etwas zu sagen. Aber Felix hätte wohl sowieso nicht mehr zugehört.
Das Luftholen fiel ihm schwer und er begann, nur noch stoßweise zu atmen. Keuchend, wie in Trance starrte er auf den Boden.
Das konnte nicht wahr sein! Er vermochte kaum die Tragweite dieser Information zu fassen. Als wäre es etwas aus einem völlig anderen Leben. Sie konnten nicht...so etwas durfte nicht so plötzlich geschehen. So früh.
Seine Augen brannten und sein Kopf begann zu dröhnen.

Dumbledore drehte sich langsam zu Snape, der ein paar Schritte auf ihn zukam.
„Wissen Sie, ob sonst noch etwas in der Art geschehen könnte, Severus?", fragte er leise und er schüttelte seinen Kopf.
„Wie gesagt, Sir. Das war alles einfach nur eine Aktion, um all den angestauten Frust abzulassen und nach alle den Jahren wieder einmal Spaß zu haben. So habe ich das jedenfalls aufgefasst. Ich weiß natürlich nicht, ob...Sie wissen schon", erwiderte er ebenso leise.
Dumbledore nickte.
„Machen Sie sich keine Vorwürfe, Sie haben alles in Ihrer Macht Stehende getan."
„Ja, Professor. Aber...ehrlich gesagt mache ich mir Sorgen. Es gibt immer mehr Auffälligkeiten. Das Ganze schaukelt sich immer höher, die Nachricht dieses Vorhabens drang auch nur bis nach London, da..."
„Wie bitte?"
Sie hielten inne und sahen zu Felix.
Der hatte sich langsam erhoben und zu ihnen gedreht hatte und Snape jetzt fassungslos anstarrte.

„Was ist passiert?"
Niemand achtete auf den keuchenden Lupin, der verwirrt und mit wachsender Besorgnis zwischen den Beteiligten hin und her sah.
„Sie haben davon gewusst?", fragte Felix mit erstickter Stimme.
Seine Augen waren mittlerweile gerötet und glänzten in dem schwachen Licht der Lampen des Büros.
Die Instrumente in den Regalen fingen an, zu zittern und ein leises, tiefes Summen erfüllte den Raum. Die Stimmen der Hexen und Zauberer in den Porträts nahm er nur noch als Hintergundrauschen wahr.
Dumbledore hob beruhigend seine Hände.
„Lass es mich erklären, Felix. Wir finden eine..."
Wirklich? Sie...Sie haben es gewusst und...und nichts getan?", unterbrach Felix ihn, den Blick nur auf Snape gerichtet, der keine Antwort auf die Frage gab.
Er erwiderte den starren Blick, ohne sich auch nur zu rühren.

Das Summen wurde lauter, verwandelte sich in ein Brummen und Felix' Augen blitzten auf, als er seinen Zauberstab zog, um seinem Lehrer den schärfsten Fluch auf den Hals zu jagen, der ihm in diesem Moment einfiel.
SEC..."
Ein „Expelliarmus!" machte dieses Vorhaben jedoch zunichte und stattdessen stürzte er sich nun brüllend auf den Lehrer.
Er hätte ihn sicher zu Boden gerissen, wenn ihn nicht zwei kräftige Arme gepackt und zurückgehalten hätten.

Sie haben es gewusst und nichts getan!", schrie er und versuchte verzweifelt sich aus dem Griff zu befreien.
Das Brummen verwandelte sich in ein drohendes Grollen und die ersten Papierstapel, die in diesem Büro lagen, flatterten unruhig.
Sie haben es gewusst und nichts getan!"
„Felix. Felix, bitte. Beruhige dich!", sagte eine leise Stimme neben seinem Ohr, aber er schlug nur noch heftiger um sich.
SIE HABEN ES GEWUSST UND NICHTS GETAN!"

Seine Augen füllten sich mit Tränen, bevor er unter einem schmerzerfüllten Schrei auf die Knie fiel. Im gleichen Augenblick verwandelte sich das Grollen in ein gewaltiges Brüllen. Die Papiere flogen auf, die Instrumente und Bücher fielen aus den Regalen und die Fensterscheiben zersprangen mit einem ohrenbetäubenden Knall. Die Lehrer zuckten zusammen und McGonagall riss geistesgegenwärtig ihren Zauberstab hoch, um Snape vor einem der tieffliegenden Instrumente zu bewahren. Felix schrie noch einmal verzweifelt auf, bevor er nun völlig die Kontrolle über seinem Körper verlor.

Krampfhaft hielt er sich an den Armen des Professors fest.
Schluchzend krümmte er sich zusammen und versuchte, über den Schmerz hinweg zu atmen. Es funktionierte nicht. Stattdessen baute sich in ihm ein solcher Druck auf, dass er gar nicht mehr dazu in der Lage war. Zwischen dem Schnappen nach Luft und dem Ausstoßen der bebenden Schluchzer, sank er immer weiter in sich zusammen.

„Es tut mir leid, Lewis", sagte nur die tonlose Stimme Snapes, bevor dieser mit
bestimmten Schritten das Büro verließ. Lupin dagegen hielt ihn immer noch fest und sprach auf ihn ein.
„Felix. Felix, hör mir bitte zu. Es wird alles gut, hörst du? Es wird alles..."
„Hören Sie auf...das zu sagen", wimmerte er leise und beugte sich vornüber.
Das durfte nicht wahr sein! Alles, nur nicht das! Nicht sie!
Sein Atem ging nur zittrig. Stoßweise. Ein haltloses Zittern hatte ihn ergriffen.

Lupin hielt ihn weiterhin fest.
Eine Minute? Zehn Minuten? Eine Stunde?
Felix konnte es nicht sagen. Auf dem Boden des Schulleiterbüros hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. Er hockte einfach nur da und hoffte inständig, hoffte wie nie zuvor in seinem Leben, dass dies alles eine Lüge, eine Einbildung war. Ein Traum, aus dem er jeden Moment wieder aufwachen würde. Wie jeden Morgen.

Aber er wachte nicht auf. Diesmal nicht.
Er kniete weiterhin bebend auf den kalten Steinen. Die Tränen brannten in seinen Augen, welche er so fest zusammenkniff, dass er Sterne sah. Doch die Tropfen liefen einfach über seine Wangen, bis sie auf den Ärmel von Lupins Jacke fielen.

„Komm", sagte dieser schließlich leise und zog ihn langsam auf die Beine.
Felix wehrte und sagte nichts dagegen, sondern hoffte einfach nur, zu kollabieren, irgendwie das Bewusstsein für diese Realität zu verlieren.
Was jedoch nicht geschah. Er musste diesen Schmerz ertragen.
Lupin führte ihn, mit einem letzten kurzen Blick auf den Schulleiter und die Hauslehrerin, aus dem Büro.

Wie sie es durch die Gänge geschafft hatten, ohne irgendeine Bemerkung von einem der Schüler zu hören, war Felix schleierhaft. Aber es war ihm sowieso vollkommen gleichgültig. Mochten sie doch denken, was sie wollten.
Es war ihm schlicht und einfach egal.

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