Ein Teil der Familiengeschichte

„Wir sind wieder da, Schatz!"
„Junge, Junge. Hier sieht es ja aus, wie geleckt."
„Felix?"
„Bin schon da."
Felix brachte schnell die letzte Treppenstufe hinter sich und betrat das Wohnzimmer, wo eben seine vollgepackten Eltern aus dem Kamin traten.
„Wie war's?"
„Gut. Wir haben alles, was wir brauchen."
„Und wir haben Jones getroffen. Du erinnerst dich vielleicht an ihn. Im letzten Sommer?"
„Oh ja. Ich weiß, wen du meinst."

Er griff nach einem der Körbe, die seine Mutter trug.
„Gib mir das."
Sie zog ihn weg und drückte ihm stattdessen den anderen in seine Hand.
„Nein, das gibt es erst heute Abend, ist eine Überraschung. Aber du kannst schon mal das Gemüse schneiden!"
„Mach ich."
Schnell ging er in die Küche, bevor einer von ihnen fragen konnte, wie sein Vormittag gewesen war. Das kam noch früh genug. Er überlegte sich schon die ganze Zeit, wie er das nun anstellen sollte.

In der Küche angekommen, packte Felix als Erstes die Einkäufe aus, während sein Vater seiner Mutter mit dem schneebedeckten Umhang half. Sie folgte ihm daraufhin in die Küche, während Tavis die Kleidung noch trocknete, und half ihm beim Ausräumen. Dann nahm sie das eingewickelt Fleisch zur Hand und stellte sich an die Arbeitsfläche. Felix selbst setzte sich an den Küchentisch.

„Und wie war dein Tag?", fragte Tavis, der jetzt auch in die Küche kam und verstrubbelte im Vorbeigehen die Haare des Jungen.
„Ganz in Ordnung", antwortete Felix, den Blick auf die Tomaten gerichtet, „Erst hab ich aufgeräumt und als ich fertig war, hab ich noch etwas gelesen. Ganz langweilig."
Sein Vater nickte.
„Klingt gut."

Lächelnd schwang er seinen Zauberstab und Teller, Gläser und Besteck schwebten auf den Tisch zu. Ein paar Sekunden später war er eingedeckt. Seine Ehefrau warf ihm in diesen Momenten einfach nur einen trockenen Blick zu, während er zur Antwort einfach nur grinsend seinen Zauberstab zwischen den Fingern drehte.

„Und Marlow? Was hat der so getrieben?", fragte Tavis nach einigen Minuten, in denen er im Türrahmen lehnte.
Felix ließ die Schüssel mit dem geschnittenen Gemüse fast fallen, konnte sie aber gerade noch so halten.
„Marlow? Ach, der hat meine Socken durcheinandergebracht. Zum Kotzen."
Tavis grinste.
„Nutz doch gleich die Gelegenheit, um sie zu waschen."
„Die sind gewaschen", empörte sich Felix.
„Ja, ja", erwiderte er nur und ließ den ersten Topf auf den Tisch schweben.
Schnaubend bemerkte Justyna:
„Das brauchte noch ein paar Minuten, Schatz."
„Ups."
Entschuldigend grinsend schickte er ihn wieder zurück.

~

Kurz darauf saßen sie essend am Tisch. Felix' Eltern unterhielten sich noch immer über den Bekannten, den sie in der Winkelgasse getroffen hatten. Er selbst dachte aber immer noch nur über das Gefundene nach. Fast lustlos stocherte er in dem Essen herum.
Er verstand nicht, weshalb sein Vater das alles tat. Warum er es geheim hielt. Ob seine Mutter davon wusste?
Sie hätte doch sicher etwas gesagt. Hätte etwas sagen müssen. Sie alle beide.

„Ist alles in Ordnung, Liebling?"
„Hm?"
Er hatte gar nicht bemerkt, wie er sie angestarrt hatte.
„Schmeckt es dir nicht?"
„Oh, doch. Es ist super."
Er lächelte und deutete auf ihren Mundwinkel.
„Du hast da nur etwas Soße."
Sie erwiderte das Lächeln und griff zu ihrer Serviette, warf ihrem Mann aber einen verstohlenen Blick zu. Felix runzelte seine Stirn.
„Alles gut?"

Tavis wandte sich zu ihm.
„Wir finden nur, dass du in letzter Zeit ungewöhnlich still bist."
Fragend sah Felix ihn an.
„Und? Das ist einfach nur die Schule. Meine ZAGs stehen immerhin an."
Tavis sah zu seiner Frau, dann sagte er:
„Und ich bin mir sicher, die bestehst du auch zu deiner vollen Zufriedenheit. Wir haben nur das Gefühl, dass du etwas...du bist etwas..."
„Außergewöhnlich?"
Es war raus, bevor er darüber nachdenken konnte. Aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, sondern sah seine Eltern möglichst unbescholten an.
Er konnte nicht fassen, dass sein Vater ihn jetzt darauf ansprach. Nachdem er scheinbar alles genauestens mit Dumbledore durchgekaut hatte. Wer wusste schon, worüber sie sprachen, wenn er immer zu den Quidditchspielen nach Hogwarts kam.

Felix bemerkte, wie seine Eltern erneut einen kurzen Blick wechselten, dann erwiderte Tavis langsam:
„Nein. Ich wollte eigentlich zurückgezogen sagen. Wie kommst du denn auf...außergewöhnlich?"
„Ich dachte nur, das willst du eigentlich sagen."
„Nein. Wollte ich nicht."

Felix lächelte. Entweder setzte er jetzt alles oder sein Vater würde ihm auf die Schliche kommen. Und dann bekam er den Ärger seines Lebens.
„Dad?"
Tavis zog seine Augenbrauen nach oben.
„Ja?"
Sie wollten, dass er sich außergewöhnlich benahm?
Das konnte er.

„Du kennst dich doch mit unserer Familiengeschichte aus, oder?"
Tavis hüstelte, verwirrt über den plötzlichen Themenwechsel.
„Ja. Tue ich. Weshalb?"
Felix schob sich die Gabel in den Mund und kaute, scheinbar überlegend, auf einem Stück Fleisch. Als er es hinuntergechluckt hatte, fuhr er fort:
„Und du bist ja in Schottland aufgewachsen. Wie kommt es, dass du da Mum kennengelernt hast? Ich meine, so richtig habt ihr das noch nie erzählt und in Hogwarts konntet ihr euch ja nicht begegnen."
„Also das."
Er sah mit zuckenden Gesichtsmuskeln zu seiner Frau.
„Es stimmt schon, dass wir uns in Hogwarts nicht wirklich begegnen konnten. Aber deine Mutter war mit einer Hexe befreundet, welche mit meinem Bruder ausgegangen ist. Keine Ahnung, im fünften Jahr?"
Fragen sah er zu Justyna, die bestätigend nickte.

„Genau. Und so hat eben diese Freundin mich mit ihr bekannt gemacht. Ich glaube, das erste Mal haben wir uns alle im Tropfenden Kessel getroffen. Damals vielleicht nicht wirklich die beste Umgebung für ein...erstes Kennenlernen, aber ich glaube, das war der Moment, in dem ich mich in sie verliebt habe. Das war wahrscheinlich der beste Moment meines Lebens."
„Du Schleimer."
Lachend beugte sich Justyna zu ihm und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen.

Felix nickte.
„Wow. Echt toll. Und wer war diese Freundin? Wo ist sie jetzt? Und dein...Bruder? Ihr erzählt eigentlich nie etwas über ihn."
„Das ist schon etwas komplizierter", murmelte Tavis, „Du musst wissen, dass...weißt du, mein Bruder ist 1978 verschwunden. Später gab es Gerüchte, man hätte ihn gesehen, das war vier Jahre später, kurz nachdem Du-weißt-schon-wer besiegt wurde. Das war's dann aber auch. Und wo sie jetzt ist, weiß ich nicht."
Felix starrte auf seinen Teller. Das ging ja tiefer, als er erwartet hätte. Er hatte mit irgendwelchen langweiligen Geschichten gerechnet, aber nicht damit.

„Und wie hieß sie?"
„Viktoria."
„Rose."
Verwirrt sah er seine Eltern an, aber Tavis lachte und sagte:
„Also eigentlich Viktoria Rose Smith. Ihre Freundinnen haben sie nur immer Rose genannt, sie hat ihren Vornamen gehasst. Wir haben sie damit nur immer geärgert. Vikky war ein sehr gebräuchlicher Spitzname."
„Ihr wart unmöglich", stellte Justyna sachlich fest, „Und wenn ihr das in der Schule so getrieben habt, wie in den Momenten, in denen ich dabei war, frage ich mich heute noch, warum sie euch nicht einfach umgebracht hat."

Er grinste.
„Jetzt tu nicht so. Wenn du das schlimm gefunden hättest, wären wir nie zusammengekommen."
„Das ist ein Punkt für dich. Felix, wusstest du, dass wir jetzt schon seit fast neunzehn Jahren zusammen sind? Geheiratet haben wir kurz nach deiner Geburt."
„Wie war das gleich noch mit Kathrin und Hank?", fragte Tavis, „Sie haben doch ein gutes Jahr vor uns geheiratet, oder?"
„Ja, das kann sein. Aber wir können sie ja heute Abend fragen."
„Ja, genau. Da kommt das Essen ja wie gerufen."

Tavis lächelte.
„Was habt ihr Jungs denn überhaupt so vor? Hast du dir schon etwas überlegt?"
„Nein, noch nicht", antwortete Felix.
Jetzt war er es, der durch den Themenwechsel vollkommen überrumpelt wurde. Aber darauf würde er es definitiv nicht belassen.

„Und was ist mit deinem Bruder? Malcom? Warum und wohin ist er verschwunden?"
„Tja, Felix. Wenn ich das wüsste, wäre mir wohler. Aber ich nehme mal an...ich nehme an, er ist nicht mehr am Leben."
Justyna legte ihre Hand auf seine Schulter. Felix sah auf seinen Teller.
„Tut mir leid", murmelte er.
„Nein, alles gut. Ist doch ganz normal, dass du etwas über unsere Familie wissen willst. Wir haben dir ja auch nie wirklich etwas darüber erzählt."
Felix spannte seine Kiefer an.
„Ja, das stimmt. Warum eigentlich nicht?"

Tavis setzte sein Glas an die Lippen. An seiner Stelle antwortete Justyna:
„Naja, es gibt nicht allzu viel zu erzählen. Unser Stammbaum selbst ist ziemlich klein. Wenn wir die magische Blutlinie nehmen. Gerade meine Ur-Urgroßeltern waren beide Muggel."
„Die Magie in meiner Linie geht da schon etwas weiter zurück."
„Bis wann reicht sie denn ungefähr?"
Tavis stellte sein Glas wieder auf den Tisch und zuckte mit den Schultern.
„Fünf Generationen. Höchstens sechs."
„Also auch keine, was weiß ich, berühmten Vorfahren?"

Jetzt zeigte Tavis das erste Mal völlig frei, wie misstrauisch er durch Felix' Fragen wurde.
„Wieso hakst du denn so nach? Hat irgendjemand irgendetwas gesagt?"
Felix schüttelte seinen Kopf.
„Wer denn? Nein, ich bin einfach nur neugierig."
Und dann tat er etwas, was er vielleicht besser hätte lassen sollen.
„Weißt du, ich hab nur seit einigen Monaten immer so ein seltsames Gefühl."
Seine Eltern versteiften sich.
„Ein seltsames Gefühl", wiederholte sein Vater mechanisch.
„Ja, weißt du, ich kann es nicht wirklich beschreiben. Es ist nur manchmal..."
Seine Eltern sagten nichts, sondern starrten ihn nur angespannt an. Er merkte dass tatsächlich etwas im Busch sein musste.
„Also manchmal...manchmal habe ich so ein komisches Kribbeln. Als würde mein Körper einschlafen. Eigentlich nichts weiter, aber es fühlt sich schon echt seltsam an. Keine Ahnung. Aber..."
Er lächelte.
„Wer weiß schon, was das ist."
,,Klingt so, als wärst du in letzter Zeit ziemlich gestresst", meinte seine Mutter sanft, „Mach dir darüber keine allzugroßen Gedanken!"

Aber sein Vater schob den Stuhl zurück und stand auf.
„Entschuldigt mich, aber ich müsste, bevor wir alles vorbereiten, noch Einiges...noch Einiges erledigen. Allein der Bericht von letztem Monat. Wenn ich mit dem nicht bald fertig bin..."
Damit verließ er die Küche und nur noch seine Schritte auf der Treppe und das Zuschlagen der Tür seines Arbeitszimmers waren zu hören.
Felix war heilfroh, dass er alle Spuren, die auf ihn hinwiesen, so gut verwischt hatte, wie es ihm nur möglich war.

Es herrschte Stille am Esstisch.
Er konnte sich denken, wusste eigentlich, dass sein Vater jetzt Dumbledore schreiben würde. Und der würde ihn dann wahrscheinlich nach den Ferien sprechen wollen. Oder er würde bemerken, dass er ihn verstärkt beobachtete.
Justyna trank einen Schluck. Wahrscheinlich würde sein Vater auch erst einmal schauen, dass der Schrank immer noch fest verschlossen und dass alles immer noch an seinem Platz war.

„Mum?"
Sie sah auf.
„Hätte ich vielleicht nicht so viel fragen dürfen?"
Sie lächelte.
„Ach, nein Schatz. Es ist alles in Ordnung. Dein Vater ist nur in letzter Zeit so gestresst."
Er nickte.
„Er sollte sich mal ausruhen."
Sie lachte leise.
„Ja. Das sollte er."
Er überlegte kurz, dann fragte er:
„Und darf ich vielleicht ein Foto von Grandpa sehen? Dad meinte, ich würde ihm ähnlich sehen."
„Natürlich. Ich schau mal, ob ich bis morgen eins finde. Notfalls schicke ich es dir einfach nach."
Felix war sich nicht wirklich sicher, ob er wirklich ein Foto von ihm zu Gesicht bekommen würde.

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