Die Erkenntnis
Als er seine Augen öffnete, sah er in die erleichterten Gesichter seiner Freunde.
„Manchmal frage ich mich, ob du Gefallen hieran findest", begann Fred, halb belustigt, halb vorwurfsvoll.
Felix starrte zurück und Lee fügte hinzu:
„Oder an Madam Pomfrey. Wäre auch eine Möglichkeit."
„Alter!"
Mit ungläubiger Miene setzte er sich auf.
„Vorsicht!"
Schmerzen spürte er keine, aber er fühlte sich seltsam schlapp, weshalb er für einen kurzen Moment seine Augen schloss.
„Alles klar?", fragte George und er öffnete sie wieder.
„Natürlich. Alles bestens."
George grinste.
„Hey, etwas Gutes hatte die ganze Sache. Slytherin liegt jetzt auf dem letzten Platz."
Felix zuckte zusammen.
„Ich dachte, das hätte ich mir eingebildet", murmelte er und sie schüttelten ihre Köpfe.
„Nein. Snape hat diesem Scheißer wirklich Punkte abgezogen."
„Hat mich nur überrascht, dass..."
„...Professor Lupin so ruhig geblieben ist."
„Der Ärmste ist ja völlig fertig. Macht sich ununterbrochen Vorwürfe."
„So ein Quatsch", erwiderte Felix laut, „Er kann doch gar nichts dafür!"
„Haben wir ihm auch gesagt."
„Aber auf uns wollte er ja nicht hören."
Sie schwiegen kurz, dann sagte Lee, wie beiläufig:
„Professor Snape hat sich uns gegenüber nur sehr seltsam verhalten. Er wollte dein Lehrbuch."
Felix horchte auf.
„Wie bitte?"
Die Zwillinge nickten.
„Dein Lehrbuch für Zaubertränke. Aber keine Sorge."
„Wir haben ihm meins gezeigt."
Lee legte seinen Kopf schief.
„Und dann haben wir uns deins angeschaut und etwas sehr Interessantes gefunden."
Felix biss sich auf die Lippe.
„Das...es tut mir leid. Ich...ich hätte es euch so gerne ebenfalls gezeigt, aber...ihm wäre es aufgefallen, wenn wir alle vier plötzlich auf einem Ohnegleichen gestanden hätten. Außerdem..."
Er machte eine hilflose Geste.
„Ich habe euch geholfen, wo es ging und...und..."
Das Grinsen seiner Freunde ließ ihn innehalten.
„Was denn?"
„Ganz ruhig, wir wollten Zaubertränke doch sowieso abwählen."
„Naja, aber trotzdem..."
„Ach, ganz ruhig. Das war..."
„...genial. Ich meine, du hast Bestnoten."
„Ich benutz die Hilfestellungen kaum noch", murmelte Felix, welcher vollkommen überrumpelt war.
„Umso besser. Snape rätselt sicher schon seit Anfang des Jahres, weshalb du so gut geworden bist."
„Noch besser, meinst du", korrigierte Fred Lee, was diesen dazu brachte, die Wangen aufzublasen.
Sie lachten. Felix nickte nur abwesend. Er dachte wieder zurück an das Schloss. Das Buch und...an den Zauberer. Jetzt, da er wusste, wer es all die Zeit gewesen war, fand er seine Beklemmung ihm gegenüber einfach nur noch lächerlich.
„Geht es dir wirklich gut?"
Felix zog seine Augenbrauen nach oben und legte sich zurück.
„Ja, klar. Ich...würde mich nur noch gerne etwas ausruhen."
Die Zwillinge nickte verstehend, blieben aber neben seinem Bett treten, bis Lee sie mit einem genervten Augenrollen wegzog.
„Gute Besserung, altes Haus."
Sie grinsten, dann knallten sie die Tür der Krankenstation hinter sich zu.
Eine Weile noch wartete Felix und warf einen prüfenden Blick zu Madam Pomfreys Büro. Dann setzte er sich wieder auf, drehte sich zur Seite und stellte seine Füße auf den kalten Boden. Für einen Moment wurde ihm schwindelig, dann konnte er aber langsam aufstehen und auf den Schrank an der Wand gegenüber zuwanken.
Er zog eine Schublade heraus und nahm den darin liegenden Spiegel zur Hand.
Kurz atmete er durch. Dann drehte er seinen Kopf zur Seite und gedankenverloren betrachtete er das auftauchende Mal. Vier rote Striemen. Quer über seine Schläfe, fast bis zur Wange gezogen.
Seit er denken konnte, hatte er es nicht mehr gezeigt. Denn die ersten Begegnungen mit Gleichaltrigen waren immer auf Spott hinausgelaufen. Mit der Zeit gewöhnte man sich eben an das Verstecken.
Aber...wie er selbst an einen solchen Ort, wie in seinem Traum gekommen war, konnte er sich nicht erklären. Er konnte nur hoffen, dass es sich wirklich um einen Traum hielt.
~
Felix hatte sich gerade wieder hingelegt und starrte nachdenkend an die gewölbte Decke, als die Tür des Raumes aufging und Professor Lupin hereinschritt. Als er sah, dass Felix wach war, atmete er merklich auf und kam zu ihm.
„Wie geht es dir?", fragte er und ließ sich auf den Stuhl neben dem Bett nieder.
Er sah furchtbar aus. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen, die wohl erst kürzlich zurückgeschnittenen Haare, fielen strähnig an den Seiten herunter und er war noch bleicher, als sonst.
Mit besorgten Gesicht setzte Felix sich auf.
„Mir geht es gut. Aber, Professor, Sie sehen furchtbar aus."
Lupin lächelte matt.
„Naja, hätte ich diesem Duell nicht zugestimmt, wäre das wohl nicht passiert."
„Unfug!", fuhr Felix auf.
Langsam wurde er wütend.
„Das war weder Ihre Schuld, noch die eines anderen. Nur Puceys, da er einen Spruch verwendete, dessen Wirkung er vermutlich nicht einmal kannte und meine, weil ich mich einfach nicht beherrschen kann, wenn ich provoziert werde. Eine elende Angewohnheit, an der aber niemand etwas ändern kann. Also hören Sie bitte auf, sich solche Vorwürfe zu machen!"
Tief holte er Luft, um sich wieder zu beruhigen. Lupin nickte langsam und verschränkte seine Arme.
„Mit Verlaub, Professor, das sieht nicht so aus, als würden Sie mir wirklich glauben."
Er legte seine Hände wieder in den Schoß und lächelte mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Ist nur neu, dass mich ein Schüler belehrt. Nein, entschuldige dich nicht, das war gut."
Er zwinkerte.
„Wie dein Duell."
Felix kniff seine Augen zusammen.
„Naja."
„Ach, du hast dich wunderbar geschlagen. Und Se...Professor Snape hat mich auch etwas überrascht."
Grübelnd sah er Felix an, als könnte er die Antwort in seinen Augen lesen.
~
Zwei Tage später, am Montag, kurz vor dem Mittagessen, entließ Madam Pomfrey ihn wieder und er ging sofort, ohne Umschweife, in die Bibliothek. Das ganze Wochenende hatte er nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass er das Buch hier finden musste. Und er war fest entschlossen, darin zu lesen.
Zwar hatte er sich so auch eingestehen müssen, dass es sich bei seinen Träumen wohl eher um Visionen handeln musste.
Als er die Bibliothek betreten hatte, sah er sich kurz um. Kaum jemand war hier, eben weil es gleich Essen gab und sich die Schüler alles entgehen ließen, aber nicht das, was mittags von den Hauselfen zubereitet wurde. Und Madam Prince war auch nirgends zu sehen.
Er zog seinen Zauberstab und flüsterte ein leises, aber bestimmtes:
„Accio, Reióa!"
Nichts. Keine Reaktion. Er ging etwas weiter und versuchte es noch einmal. Aber selbst nach dem sechsten Versuch, schwebte ihm kein Buch entgegen.
In der hinteren Ecke der Bibliothek blieb er schließlich stehen und sah sich um. Von hier aus konnte er sogar die Bücherrücken der Verbotenen Abteilung sehen.
Ob...ob es darin lag?
Wo sonst?
Er sah sich noch einmal um. Die Abteilung jetzt zu betreten, kam gar nicht infrage. Das musste er nachts tun. Und das am Besten, ohne die Gefahr, gesehen zu werden. Vielleicht mit Harrys Tarnumhang.
Er würde ihn sicher bekommen. Und falls die Frage aufkommen sollte, was er mit ihm bezwecke, würde ihm auch etwas einfallen.
Und bis dahin...könnte Felix ja auch zum Essen gehen. Eigentlich wollte er ja am Wochenende Hagrid besuchen, um den kleinen Drachen zu verabschieden, aber der war gestern abgeholt und nach Rumänien geschickt worden.
Bedauerlich, dass er das verpasst hatte.
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