Ligare Repellere

Er kam wieder zu Bewusstsein, noch bevor er überhaupt in der Lage war, seine Augen zu öffnen. Er spürte das stachelige Gras und den harten Boden, auf dem er lag. Seine Kehle war seltsam rau und irgendetwas Klebriges lief aus seinem Mundwinkel. Er verzog sein Gesicht. Er fröstelte. Zu dieser Jahreszeit eigentlich eher selten.

Eine gedämpfte Stimme drang an sein Ohr. Irgendjemand war hier bei ihm. Er hob seinen Arm an, doch sofort schoss ein so stechender Schmerz hindurch, dass er zusammenzuckte und ihn sofort wieder sinken ließ. Und dann stellten sich auch wieder in jedem anderen Teil seines Körpers die Schmerzen ein. Wie der schlimmste Muskelkater, den er je hatte. Als würde er am ganzen Körper brennen. Und mit dem Schmerz kamen die Erinnerungen. Alle.

Er riss die Augen auf.

Im ersten Moment sah er die Welt nur verschwommen und er musste blinzeln, um sie wieder klarer wahrzunehmen. Die Schemen wurden deutlicher und die Stimmen lauter.

Sein Atem beschleunigte sich unmittelbar, als er den schwarzen Magier erkannte, dem Harry gegenüber stand. Der Junge verlagerte sein Körpergewicht nur auf eines seiner Beine, sah ihm aber entschlossen entgegen. Oder war es Angst, die sein Gesicht zeichnete?
Felix konnte es nicht sagen.
Voldemort dagegen sprach höhnisch auf ihn ein.

Er musste etwas tun. Sofort!
Felix drehte seinen Kopf. Dort lag sein Zauberstab. Er war nur wenige Meter entfernt. Der Junge stützte sich auf seine Unterarme. Sofort ließ der Schmerz seine Umgebung wieder wie durch einen dichten Nebel wirken. Die Welt kippte und mit einem leisen Stöhnen sackte er wieder in sich zusammen. Für einen Moment lag er nur flach atmend da. Dann stützte er sich ein zweites Mal hoch.
Erneut fühlte es sich so an, als würden glühende Ketten seinen Brustkorb umschließen. Aber er biss seine Zähne zusammen und zog sich langsam vorwärts, in der Hoffnung, von niemandem bemerkt zu werden. Doch die Todesser hatten alle ihre Aufmerksamkeit Harry und ihrem Herrn zugewandt.

Der Schweiß rann ihm über das Gesicht, ließ seine Augen tränen und klebte Haare und Kleidung an seine Haut. Ein ganzer Bienenstock schien in seinem Kopf zu schwirren. Noch schlimmer war jedoch das Blut, welches in sein linkes Auge lief. Es brannte wie verrückt, doch anstatt, dass er gar nichts sah, nahm die Umgebung nur einen orangenen Schimmer an.
Die Nässe in seiner Hose dagegen kam sicher nicht von seinem Schweiß. Wieder erschauderte er.
Aber dann...dann bekam er das Holz seines Zauberstabes zu fassen. Augenblicklich schloss er seine Finger fest um den Griff. Endlich hatte er wieder eine Möglichkeit sich zu verteidigen.

Er winkelte seine Beine an und zog sich an einem der Grabsteine hoch. Er musste sich zusammenreißen, den Schmerz nicht lautstark zu verfluchen. Er machte ihn fast wahnsinnig. Tief atmete er durch. Sein Körper zitterte unter seiner eigenen Last und für einen Moment knickten seine Beine ein. Zum wiederholten Male tief durchatmend  richtete er sich wieder etwas auf.

„Wir spielen hier nicht Verstecken, Harry Potter", ertönte die laute, höhnische Stimme Voldemorts.
Angespannt presste Felix seine Kiefer zusammen. Voldemort war ein Zauberer. Genauso sterblich, wie jeder andere. Er durfte sich nicht von ihm einschüchtern lassen und etwas anderes glauben, wenn er heute Nacht Tode vermeiden wollte. Er schluckte. Er musste jetzt etwas tun.

Felix ließ die Spitze seines Zauberstabes auf den Erdboden niederfahren.
Terra Motus!", rief er.
Nicht sehr laut. Er wunderte sich selbst, wie entrückt seine Stimme klang. Wie aus weiter Ferne. Doch der Spruch zeigte seine Wirkung.
Die Erde fing an zu erzittern. Die Todesser inklusive Voldemort wirbelten herum und im gleichen Augenblick gab es ein donnerndes Grollen und der Boden bebte so heftig, dass die Hälfte der Männer zu Boden ging und sogar einzelne Grabsteine umstürzten. Schnell hob Felix seinen Zauberstab.

Concretione Ilico!"
Der erste Todesser erstarrte. Felix biss sich auf die Unterlippe. Er musste Voldemort erwischen. Der zweite erstarrte. Dann der dritte. Der vierte Mann wollte den Fluch abwehren, was natürlich nicht möglich war. Es war Hasapis. Er hielt ebenfalls mitten in seiner Bewegung inne. Jetzt hatte er freie Bahn auf Voldemort.
Doch der hatte die Situation erfasst und trat einen schnellen Schritt zur Seite. Der Mann hinter ihm wurde getroffen und fiel lautlos nach hinten.

Er hob seine Hand und die übrigen Todesser hielten inne und senkten ihre Zauberstäbe. Er sah kurz zu Macnair. Mit einem solchen Ausdruck in den Augen, dass der Todesser ein Stückchen in sich zusammensank.
Dann musterte er Felix abschätzend.
Der Junge stand stumm da, den Zauberstab zitternd erhoben. Seit wann war er so schwer?
Noch dazu die Schmerzwellen, welche ihn in regelmäßigen Abständen ergriffen...

Voldemort lächelte.
„Beeindruckend", sagte er verächtlich, „Soviel Dummheit hätte ich dir dann doch nicht zugetraut. Du hättest es so viel einfacher haben können. Und ich... - nun, ich fürchte, ich bin etwas aus der Übung."
„Lassen Sie...Harry einfach gehen!", erwiderte Felix mit leiser, bebender Stimme.
Er unterdrückte einen aufkommenden Hustkrampf. Das Blut floss ihm über das Kinn und auf sein Trikot. Nicht, dass das jetzt noch etwas ausgemacht hätte.

Spöttisch verzog Voldemort seine Lippen.
„Was denn? Nur Harry Potter?"
Felix antwortete nicht. Seine Unterlippe zitterte. Alles, was er im Moment wollte, war Zeit und dass er und Harry am Ende dieses Abends noch lebten.
Doch da riss Voldemort seinen Arm nach oben und ein heller Lichtstrahl schoss aus der Spitze seines Stabes.
Ligare Repellere!"
Einen nonverbalen Zauber hätte Felix jetzt unter keinen Umständen zustande gebracht.
Die Flüche trafen in der Mitte aufeinander. Es gab ein gewaltiges Aufblitzen und Zischen. Erst wirkte Voldemort überrascht, aber dann verzog sich sein Gesicht zu einer hasserfüllten Fratze und er tat etwas, was weder Lee, noch die Zwillinge jemals wirklich getan hatten. Er kämpfte dagegen an.

Felix hielt den Stab mit seiner zweiten Hand fest und spannte seinen geschwächten und schmerzenden Körper voll an. Er durfte jetzt keinesfalls nachgeben. Wenn er das tat, würden sie beide, er und Harry, diese Nacht nicht überleben.

Da strich ein warmer Luftzug über sein Gesicht und durch seine Haare. Ein Kribbeln breitete sich in seinen Händen aus und fand seinen Weg über seine Arme in seinen ganzen Körper. Einen unpassenderen Moment konnte es doch nicht geben, dachte er verzweifelt. Da passierte das schon so selten und dann ausgerechnet jetzt. Er konnte es sich nicht leisten, schon wieder umzukippen, er kämpfte sowieso schon gegen die drohende Bewusstlosigkeit an.

Der Himmel wurde noch dunkler, fast schwarz, als würden sie kurz vor einem Sommergewitter stehen. Der Luftzug wurde stärker und erreichte Voldemort, dessen Umhang kurz aufwehte und für einen Augenblick flackerte ein seltsamer Ausdruck in seinen Augen auf.
Felix stutzte. War das...Angst?

Er beugte sich nach vorn, um ihn besser sehen zu können. Doch da stieß Voldemort einen hellen Schrei aus und ruckte seinen Zauberstab nach vorne. Felix' Stab wurde ihm aus der Hand gerissen und er wurde mit voller Wucht nach hinten geschleudert. Er flog und flog, dann gab es einen dumpfen Schlag in seine Seite, ein reißendes Geräusch und ein ziehender Schmerz schoss durch Felix' Bein. Er schrie auf.

Dann knallte er auf den Boden. Der Aufprall presste ihm die gesamte Luft aus den Lungen. Schwarze Flecken begannen vor seinen Augen zu tanzen. Er lag genau vor der Statue des Todes, welche ihm schon am Anfang aufgefallen war. Dunkles Blut tropfte von der steinernen Kante der Sense. Sofort presste er seine zitternde Hand auf seinen Oberschenkel.
Ihm wurde schlecht, als sie sofort von einer warmen Flüssigkeit überströmt wurde. Das konnte doch unmöglich alles sein Blut sein.

„Nein, Harry Potter, so läuft das hier nicht!", hörte er Voldemorts gedämpfte Stimme rufen, „Ich töte dich. Nicht andersherum. AVADA KEDAVRA!"
Felix wollte schreien. Er wollte aufspringen und irgendetwas tun. Doch sobald er sich auch nur ein Stück bewegte, fühlte sich sein Bein so an, als würde jemand ununterbrochen mit einem Messer darauf einstechen. Und allmählich spürte er auch die lähmende Kälte, die sich darin ausbreitete.

Da leuchtete ein grelles Licht auf und ohrenbetäubendes Zischen und Fauchen erfüllte die Luft. Geblendet wandte er seine tränenden Augen ab. Die Geräusche auf dem Friedhof wurden immer lauter und die Lichter immer heller. Was ging da vor sich?
Der Todesfluch galt als unabwendbar. Harry war ihm entweder ausgewichen oder aber, daran wollte er gar nicht denken, tot. Nur weshalb tobte hier dann ein solches Chaos?

Und dann legte sich für den Bruchteil einer Sekunde völlige Stille über den Platz. Für den Bruchteil einer Sekunde, in der Felix dachte, jemand hätte die Zeit angehalten.
Kurz darauf ertönte wutentbranntes, hektisches Kreischen und Harry tauchte neben ihm auf. Schweißgebadet und hektisch atmend. Felix' Augen weiteten sich.

„Ha...Harry? Was..."
Er brachte den Satz nicht zu Ende. Harry legte stattdessen die Hand auf seine Brust und rief:
Accio!"
Im selben Moment verschwand die Welt in einem Schwall aus bunten Farben.

~

„Felix! Felix, hörst du mich? Wach auf!", keuchte Harry und er öffnete seine krampfhaft geschlossenen Augen.
Sie befanden sich auf einem freien, in ein warmes Licht getauchten Platz. Hinter ihnen war der Eingang zum Labyrinth. Sie waren zurück.

„Professor!", schrie Harry, „Professor Dumbledore!"
Lautes Murmeln schwoll an und kurz darauf tauchte der Schulleiter bei ihnen auf.
„Poppy! Severus!", rief er sofort und hockte sich zu den Jungen.
Felix lag immer noch völlig benebelt da, Harry kniete neben ihm.

„Harry...geht...geht es dir..."
Dumbledore sah zu Harry, während er ein breites Tuch heraufbeschwor und auf
Felix' Bein drückte. Der Junge stöhnte auf. Das Blut drohte wieder in seinen Hals zu fließen und mit einem Husten spuckte er es aus.

„Harry, was ist passiert? Harry!"
„Er...er ist wieder da", antwortete Harry zitternd und er schluchzte auf.
Jetzt erst schien er es zu realisieren und seine Augen füllten sich mit Tränen.
„Er ist wieder da! Er ist wieder da!", sagte er immer und immer wieder und die Tränen liefen über sein Gesicht, während sich Professor Snape und Madam Pomfrey zu Felix beugten.

Dumbledore ging zur Seite. Seine Hand legte er jetzt auf Harrys Schulter und versuchte ihn zu beruhigen.
Madam Pomfrey sagte etwas zu Snape, dann machte sie sich an Felix' Bein zu schaffen. Snape tätschelte gegen seine Wange.
„Mund auf!"
„Was...", flüsterte Felix kaum hörbar.
Snape nutzte die Gelegenheit und setzte eine Phiole an seine Lippen. Eine bittere Flüssigkeit floss, vermischt mit dem Blut, seinen Hals hinab und prompt verschluckte er sich.
Anapneo!", sagte Snape schnell und schraubte das Fläschchen wieder zu.
„Harry! Harry, komm mit! Na komm, Harry! Nein, komm mit mir!"

„Was...war d...das?"
„Ein Beruhigungstrank. Sie dürfen sich jetzt nicht bewegen, Lewis!"
Er griff nach seinem Kinn, zog es stirnrunzelnd nach unten und schwang ein zweites Mal seinen Zauberstab. Der Blutstrom versiegte.
„Wo..."
Er blinzelte.
„...ist...Ha...Harry?"
Er ließ seinen Blick über den verschwommenen Platz schweifen. Dumbledore und McGonagall, die auf eine ganze Gruppe von Schülern und Erwachsenen einsprachen...waren das die Zwillinge?
Die Jungs schrien Dumbledore regelrecht an, nur Lee vermisste er. Er sah das große Zelt, die Tribüne und...seine Augen weiteten sich, als er Harry an der Seite von Moody sah, der den schockierten Jungen mit sich führte.
„Potter geht es gut", knurrte Snape und drückte ihn wieder nach unten, „Liegen bleiben!"

„Nein! M...Mo..."
Felix versuchte, den Namen zu formen und seine Finger gruben sich vor Anstrengung in die weiche Erde.
„...Mo...Moody..."
Die bleierne Müdigkeit in seinem Inneren lehnte sich immer weiter gegen ihn auf, aber er sah, wie Snape sich stirnrunzelnd umdrehte. Dann zeigte der Trank auch schon seine Wirkung.

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