In der Bibliothek
„Ist hier noch Platz?"
Felix sah auf und nahm schnell seine Tasche von dem Stuhl. Die Bibliothek war heute wieder einmal brechend voll. Anscheinend befürchteten die Lehrer, dass ihr Unterricht während des Trimagischen Turniers zu kurz kommen könnte.
Liv setzte sich mit einem Stapel Bücher an den Tisch und kramte ihre Zahlentabellen für Arithmantik heraus.
„Was denn?", witzelte Felix, „Professor Vektor hat euch Hausaufgaben gegeben?"
Ein Grinsen entblößte ihre strahlend weißen Zähne.
„Ja, hat sie. Die Anderen hatten aber keine Lust, es schon heute zu erledigen. Sagen, es reicht noch, wenn sie ein bis zwei Tage vorher damit anfangen."
Lachend fuhr er sich durch die Haare.
„Und bei dir? Wo sind die Jungs?"
„Die waren schon fertig. Unterhalten sich jetzt wahrscheinlich über Alterungstränke und Süßigkeiten", erklärte Felix möglichst unbescholten.
Liv nickte jedoch wissend.
„Ich glaube nicht, dass sie es schaffen."
„Ich auch nicht. Dumbledore denkt an so etwas."
„Tja. Und du machst..."
Sie warf einen Blick auf sein Pergament.
„Zaubertränke. Snape hat mir noch ein paar Extraaufgaben gestellt."
„Und dafür nimmst du dieses Buch", stellte sie stirnrunzelnd fest und deutete auf das Lehrbuch für Zaubertränke aus dem fünften Schuljahr.
„Nur als kleine Stütze. Ist ziemlich hilfreich. Gerade bei dem Mondstein und den Kreischbeißern."
„Aber es stehen nicht nur Hinweise zum Brauen eines Zaubertrankes darin, oder?", sagte sie mit einem Blick auf die aufgeschlagene Seite.
Seine Wangen nahmen einen zartrosa Ton an.
„Äh...nein. Es stehen auch einige Zaubersprüche darin."
„Was denn für welche?", fragte sie neugierig und er räusperte sich verlegen.
„Einige Bekannte und auch der ein oder andere...den der Schüler selbst erfunden hat."
Jetzt legte die Hufflepuff ihre Stirn in Falten und sah ihn verwirrt an.
„Was für Sprüche? Und welcher Schüler?"
„Nicht sonderlich spannend. Oder wichtig", sagte Felix bestimmt und wandte sich wieder seinem Aufsatz zu.
Doch Liv legte ihre Zahlentabelle weg und beobachtete ihn von der Seite, sodass es nicht einmal ansatzweise möglich war, sich zu konzentrieren. Seufzend legte er seinen Federkiel zur Seite.
„Einer der Flüche ist der, den mir Pucey in dem Duell im letzten Jahr auf den Hals
gejagt hat."
Sie sog scharf Luft ein.
„Wie...", begann sie, besann sich aber, als sie sich an Madam Prince erinnerte.
„Wie bitte?", flüsterte sie leise und schnappte sich das Buch, bevor Felix sie daran hindern konnte.
„Wem gehörte das?"
Sie warf einen verwirrten Blick auf die krakelige Schrift auf der ersten Seite.
„Halbblutprinz? Was hat sich der Kerl denn dabei gedacht? Sonst ist er doch...ziemlich intelligent."
Jetzt war es Felix, der sie verwirrt ansah. Er setzte sich etwas aufrechter hin.
„Was meinst du?"
„Naja, die Handschrift", sagte sie und drehte das Buch, „Die ist von Professor Snape."
Felix riss seine Augen auf und griff nach dem Buch.
„Was? Nein! Das ist nicht seine Handschrift. Er schreibt viel geschwungener."
„Ja, die Handschrift eines Menschen verändert sich im Laufe der Zeit. Aber sieh dir mal das L und das P an. Das ist dasselbe. Außerdem..."
Sie sah Felix eindringlich an.
„Snape war derjenige, der den Fluch als Einziger kannte und auch den Gegenfluch anwenden konnte. Der Rest der Lehrer war vollkommen überfordert gewesen. Lupin, McGonagall, sogar Flitwick."
Ein Räuspern ließ sie zusammenfahren und sie sahen in das zornige, kantige Gesicht der Bibliothekarin.
„Ich muss doch sehr bitten!", zischte die Hexe, „Unterhaltungen können sie in einem Pub führen. Das hier ist eine Bibliothek."
„Verzeihung", sagte Liv mit einem schuldbewusstem Gesichtsausdruck und sie beugten sich wieder über ihre Aufgaben.
Sobald sie wieder weg war, flüsterte Felix:
„Das kann nicht Snape sein! Unmöglich!"
„Wieso?", erwiderte sie, „Sag mir, wieso! Er ist ein Meister in seinem Fach, natürlich wäre er in der Lage solche Verfahren zur Zaubertrankherstellung zu entwickeln."
Nicht ohne einen Anflug von Neid betrachtete sie die Notizen auf der aufgeschlagenen Seite. Felix grübelte vor sich hin. Unmöglich konnte er ihr sagen, dass Trelawney eine Voraussage zu Snape getroffen hatte. Und seinem Erben. Wer auch immer das sein sollte.
„Hat Snape Kinder?", brach es aus Felix heraus, ehe er richtig darüber nachgedacht hatte.
Liv gluckste.
„Professor Snape? Kinder? Niemals!"
Felix nickte langsam.
„Frag ihn doch einfach."
Sein Kopf wirbelte herum.
„Ihn fragen, ob er Kinder hat? Bist du verrückt?"
Sie lachte leise.
„Natürlich nicht, das wäre lebensmüde. Aber ob ihm das Buch gehört. Ich meine...wenn es dir wichtig ist. Im Grunde genommen ist es egal. Aber ich würde es tun. Und das Buch bei dieser Gelegenheit gleich zurückgeben."
„Zurück-geben?"
Fassungslos sah er Liv an. Sie nickte.
„Du hast es lange genug gehabt. Und du hast selber gespürt, was die Folgen von diesen Zaubern sein können.
Sie hatte ja Recht. Ohne Zweifel. Aber bei dem Gedanken, Snape das Buch zurückzugeben und, bei sehr großer Dummheit, noch nach dem Halbblutprinzen zu fragen, drehte es ihm den Magen um.
Er lehnte sich zurück und sah, seine Schreibfeder in der Hand drehend, aus dem Fenster. Liv zog ihre Tabelle wieder zu sich.
„Überleg es dir einfach noch mal", murmelte sie und tauchte ihre Feder in das bauchige Tintenfass.
~
Er wusste nicht, was ihn dazu geritten hatte. Gleich nach dem Abendessen, er konnte nicht sonderlich viel essen, hatte er fest entschlossen, das Buch unter den Arm geklemmt, den Weg zu den Kerkern eingeschlagen. Mittlerweile hatte sich dieses Selbstbewusstsein auf die Größe eines Nifflerfurzes zusammengezogen.
Jetzt stand er vor der Bürotür des Hauslehrers der Slytherins und überlegte schon seit guten drei Minuten, ob er nun anklopfen sollte oder nicht.
Für einen Außenstehenden sah das sicher so aus, als wartete er auf den Moment, in dem die Tür anfing zu sprechen.
Albern, wenn man daran dachte, dass er heute Abend wohl kaum umkommen würde. Höchstwahrscheinlich.
Ärgerlich zog er seine Augenbrauen zusammen. So ein Stuss. Das war nur ein Buch und eine völlig harmlose Frage.
Er hob seine Hand, um zu klopfen.
Nur ein Buch. Im letzten Jahr hätte sonst was passieren können, weil er nur ein Buch gelesen hatte. Snape war in diesem Punkt also vielleicht nicht gerade gut auf ihn zu sprechen.
Er machte auf dem Absatz kehrt. Er würde es auch später einfach in den Schrank im Klassenzimmer schmuggeln können. Niemand erfuhr etwas und letztendlich war es ihm doch scheißegal, wer der Halbblutprinz war.
„Lewis!"
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