Auf dem Weg zur Besserung
Lupins Kiefer spannten sich an.
„Das...weiß niemand. Nein, wirklich, Felix. Bitte, das..." Er suchte nach Worten. „Das ist kompliziert."
„Ach, immer noch? Was ist denn bitte daran kompliziert?", flüsterte Felix.
Er war erschöpft. Sein Atem ging unregelmäßig und seine Gelenke schmerzten von Sekunde zu Sekunde mehr. Das Schmerzmittel, welches Madam Pomfrey ihm gegeben hatte, schien mit seiner Wirkung nicht wirklich nachzukommen. Lupin fuhr sich über die Augen.
„Felix", sagte er.
Es klang, als müsste er seine ganze Kraft aufbringen, zu sprechen.
„Clarice...deine Mutter hat uns nie gesagt, wer dein Erzeuger ist. Sie sagte, sie wüsste es selbst nicht."
Felix' Augen blitzten auf.
„Ach ja? Nicht genug, dass ich meine wahre Mutter nie kennenlernen konnte, jetzt erzählen Sie mir auch noch, ich hätte keinen Vater?"
„Nein, ich..."
„Professor, wenn Sie die Wahrheit kennen, dann erzählen Sie sie mir gefälligst oder holen Sie meinetwegen Dumbledore, wenn Sie nicht wollen!"
Lupin setzte sich etwas aufrechter hin.
„Felix, im Moment spreche ich nicht als Professor zu dir, sondern als Remus Lupin. Und wenn ich dir irgendetwas erzählen könnte, würde ich es tun."
Felix lachte bitter auf, versenkte dann aber sein Gesicht in seinen Händen. Und noch ehe er es verhindern konnte, fuhr ihm ein Schluchzer über die Lippen. Das alles war zu viel. Es war einfach viel zu viel.
„Komm her."
Lupin setzte sich auf die Bettkante und schloss den bebenden Jungen in eine Umarmung.
„Keine Sorge. Wir...kriegen das schon hin."
Er schluckte.
~
Am Mittwochmittag ließ Madam Pomfrey das erste Mal die Zwillinge und Lee zu ihm.
Davor, sagte sie, hätte er die drei einfach nicht verkraftet.
„Aber nicht allzu lange!", sagte sie warnend und verschwand in ihrem Zimmer. Die Jungs sahen ihr hinterher, dann wandten sich die Zwillinge und Lee zu Felix.
„Wie geht es dir, Fe?", fragte Fred lächelnd.
Sie zogen zwei weitere Stühle ans Bett und setzten sich. Felix erwiderte es etwas unbeholfen.
„Ganz...ganz gut, denke ich. Besser - Und euch?", fügte er hinzu.
George runzelte seine Stirn.
„Ich hab die letzten Nächte auf jeden Fall nicht im Krankenflügel verbracht."
„Auch wieder wahr", seufzte Felix.
„Hey, Kopf hoch. Wir haben dir noch jemanden mitgebracht."
Lee zog grinsend ein kleines Geschöpf aus seiner Tasche und stellte es auf der Bettdecke ab.
Felix lächelte.
„Das ist ja wunderbar. Hi, Marlow", sagte er leise.
Er streckte seine Hand nach ihm aus und wartete geduldig, bis er darauf geklettert war.
„Der Kerl ist wirklich verrückt. Er hat nach dir gesucht. Meine Schublade für die Unterhose war einer der Orte, wo er dich vermutet hat. Und das war noch nicht einmal das Schlimmste."
Leise lachte Felix auf.
„Hat er auch gleich aufgeräumt, Fred? Oder sieht es noch immer so aus, als würde ein ganzes Geschwader von Wichteln darin hausen?"
„Ha ha, sehr witzig", sagte Fred und zog eine Grimasse.
Sein Bruder und Lee stießen sich feixend an. Felix lächelte. Es tat gut, dass er wieder mit ihnen sprechen konnte. Auch wenn er sich noch etwas matt fühlte. Aber er hatte sie vermisst.
Wenigstens sie kamen vorbei. Denn Albus Dumbledore hatte sich bis jetzt noch nicht einmal blicken lassen, was eine unglaubliche Wut in ihm ausgelöst hatte. Lupin hatte zwar versichert, dass er ihm gesagt hatte, dass er vorbeikommen sollte, aber nichts. Rein gar nichts. Der Schulleiter verstand es blendend, ihn zu ignorieren. Das machte er wirklich ganz fabelhaft.
„Oliver hat uns übrigens geschrieben", riss George ihn aus seinen Gedanken.
Felix sah auf.
„Ja? Was hat gibt es denn Neues?"
„Er ist bei den Puddlemere United in der Reservemannschaft", antwortete Lee begeistert.
„Ja, aber erst letzten Monat hat er sich eine Verletzung zugezogen, als er einen Klatscher abbekommen hat."
„Einen Klatscher? Und wie geht es ihm jetzt?", hakte Felix nach, während der kleine Bowtruckle zwischen seinen Fingern turnte.
„Ach, dem geht's gut. Kennst ihn doch, hat eine harte Schale."
„Und er ist auch echt begeistert. Wahrscheinlich so glücklich, wie noch nie zuvor in seinem Leben."
Felix lächelte.
„Das ist genial."
„Allerdings."
Fred grinste.
„Weißt du, was noch besser ist?"
George verstand seinen Bruder sofort und legte den gleichen grinsenden Ausdruck auf sein Gesicht. Erwartungsvoll sah Felix ihn an.
„Was denn?"
„Bill und Fleur Delacour."
„Sie haben sich ineinander verschossen. Wollen es nicht zugeben, ist aber so offensichtlich, dass es ein Blinder bemerken müsste."
Felix sah sie erst mit großen Augen an, dann lachte er leise.
„Das ist ja brillant."
Er konnte sich sehr gut vorstellen, dass sich jemand in so einen Exot, wie Bill Weasley verknallte. Der junge Mann mit den langen Haaren, dem kantigen Gesicht und dem Schlangenzahn als Ohrring war wirklich fantastisch. Einfach nur cool, wie Harry einmal sagte. Und da er außerdem als Fluchbrecher arbeitete, konnte er bei Mädchen sicher sehr gut landen, auch wenn sie ihn bisher nur wenig interessiert hatten.
Seine Freunde grinsten ebenfalls.
„Ich finde ja, sie passen perfekt zusammen", bemerkte Lee und die Zwillinge sahen ihn überlegend an.
„Nichts gegen Fleur, aber eine Französin in der Familie? Was wenn sie die Linie unserer roten Haare durchbricht?"
Felix schüttelte entschieden seinen Kopf.
„Niemals. Dieses Gen ist so entschlossen, das setzt sich durch. Definitiv."
Fred grinste.
„Na, dann haben wir ja nichts zu befürchten."
„Was...was ist eigentlich mit deinem Gesicht?"
Felix hob fast seine Hand an die mit Murtlap-Essenz behandelte Verletzung, konnte sich aber noch zurückhalten, sodass seine Hand stattdessen an den Anhänger seiner Kette zuckte. Er war unendlich dankbar, sie nicht verloren zu haben.
„Fluch", murmelte er.
Seine Freunde sahen sich an, dann sagte Lee:
„Ich bin mir sicher, das wird wieder. Wirst schon sehen."
Felix nickte, doch im nächsten Moment verzog er sein Gesicht. Der Schmerz durchzuckte ihn so plötzlich, dass er erschrocken nach Luft schnappte. Er spürte wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich.
„Hey. Kumpel. Alles in Ordnung?"
„Ja", sagte Felix knapp.
Er biss seine Zähne zusammen und legte sich zurück. Er lächelte gequält.
„Ich glaube, das Gefühl in meinem Bein ist wieder da. Ist das nicht fantastisch?Verflucht!"
Er war ganz blass geworden und sofort sprang Lee auf, um Madam Pomfrey zu holen.
Fred und George waren ebenfalls aufgestanden und sahen jetzt etwas überfordert auf ihren Freund hinab.
„Sollen...sollen wir dir..."
„...irgendetwas geben?"
„Was fiele euch denn da so ein? Ein Butterbier vielleicht?", murmelte Felix.
George sah seinen Bruder an. Doch glücklicherweise ertönten in dem Augenblick laute Schritte und Madam Pomfrey tauchte bei ihnen auf. Felix setzte sich wieder hin und stützte sich auf der Matratze ab.
„Sie haben wieder Gefühl in ihrem Bein?"
Felix nickte.
„Würde ich sagen."
Sie schlug die Bettdecke zurück.
„Nun gut. Ich werde jetzt Ihr Bein abtasten und sie werden mir sagen, bis wohin Sie es spüren können."
Felix nickte und sie legte ihre Hand auf sein Bein oberhalb seines Knies.
„Spürst du das?"
Er nickte.
„Und jetzt?"
Wieder ein Nicken.
„Was ist damit?"
„Ja, aber...nicht weiter", sagte er, als sie sich seiner Verletzung näherte.
Sie zog ihre Hände zurück. „Ich werde mir das gleich einmal anschauen."
Sie begann, den weißen Verband abzuwickeln und legte so eine gerötete Wunde frei. Sie war durch magische Fäden, die sich nach der Heilung auflösten, geschlossen worden. Blaue, geschwollene Blutergüsse umrandeten sie. Felix betrachtete sein Bein schweigend und sogar Fred hielt seine Klappe. - Für etwa fünf Sekunden.
„Wie hieß noch einmal diese Pflanze? Ach ja. Plangentinie."
George stöhnte und rammte ihm seinen Ellenbogen in die Seite.
„Au."
Er grinste etwas unbeholfen. Felix verdrehte nur seine Augen, Madam Pomfrey selbst schien aber sehr zufrieden zu sein.
„Sehr gut, es ist nicht entzündet. Ich schmiere Ihnen noch etwas Wundsalbe darauf und lege einen frischen Verband an. Sie haben wirklich Glück gehabt. Ich würde nur..." Sie räusperte sich. „Von Quidditch würde ich Ihnen aber abraten."
Mit großen Augen sah Felix ihn an.
„Wie meinen Sie denn das?"
Auch die Zwillinge und Lee sahen die Hexe an, als hätte sie den Verstand verloren.
„Nun, Sie werden es belasten können, aber wenn das etwas länger ohne Pause geht, könnte es zu Taubheit oder Starrheit führen. Aber wenn Sie es schaffen, es zu generieren, sehe ich mir das Ganze natürlich noch einmal an. Ich werde mich vorsichtshalber um einen Gehstock bemühen."
„Professor Lupin hat sicher einen zweiten."
„Klappe, Fred!"
„Das war ernst gemeint", erwiderte er entrüstet.
Felix sagte nichts. Für den Moment war er froh, wenn er sein Bein überhaupt wieder benutzen konnte.
~
„Hey! Ich habe gehört, es geht aufwärts."
Lupin hatte den Krankenflügel betreten und kam lächelnd auf Felix zu. Sein Hautton war so blass wie eh und je, aber die Schatten unter seinen Augen waren verschwunden. Im Gegensatz zu Felix. Der sah noch immer ziemlich lädiert aus.
Der Junge legte das Buch zur Seite, was er eben gelesen hatte. Lee hatte es ihm vorgeigebracht und war dann ziemlich unbeholfen neben dem Bett stehen geblieben. In dem Moment, in welchem die Zwillinge nicht da waren und er mit ihm alleine war, schien er nicht so recht gewusst zu haben, was er sagen sollte.
Felix hatte versucht, ihn mit ein paar alltäglichen Fragen aus der Verlegenheit zu retten.
„Danke, ja. Kann mein Bein wieder benutzen", antwortete er mit einem Anflug von Lakonie.
Lupin setzte sich. Er musterte ihn kurz, dann sagte er:
„Ich habe dir etwas mitgebracht."
Felix runzelte seine Stirn.
„Professor Dumbledore? Ich sehe ihn nicht."
Lupin seufzte.
„Nein, tut mir leid. Ich hab ihm zwar alles weitergeleitet und auch gesagt, er sollte einmal vorbeischauen, aber...nein, ich habe etwas anderes."
Er zog etwas aus der Innentasche seiner Jacke. Eine Fotografie. Er betrachtete sie einen Moment lang schweigend, dann reichte er sie Felix.
„Die Dritte von rechts. Mit den dunkelbraunen Haaren."
Felix starrte ihn an, dann griff er vorsichtig danach und besah sich die Gruppe von jungen Leuten auf dem Bild.
Der erste Junge hatte wilde, lockige Haare. Seine Augen blitzten hinter einer runden Brille neckisch hervor und sahen immer wieder zu einem Mädchen mit langen, roten Haaren, welches zwei Plätze weiter stand. Zwischen ihnen stand ein blasser Junge mit braunen Haaren, welcher lächelnd in die Kamera sah und...
„Sind das Sie?", fragte Felix fassungslos und sah auf.
Lupin nickte.
„Das bin ich. Das war in unserem sechsten Schuljahr."
Felix sah wieder nach unten. Neben dem rothaarigen Mädchen stand ein junger Mann mit strubbeligen, blonden Haaren. Er hatte seinen Arm um die gelegt, die Lupin erwähnt hatte. Die seine Mutter war.
„Wow", murmelte er, „Sie...tatsächlich jemand, der mir ähnlich sieht."
Lupin nickte.
„Allerdings. Die Rothaarige ist Lily Evans, die Mutter von Harry und der Brillenträger ist James Potter. Sein Vater."
Felix sah wieder auf. Lupins Augen hatten einen seltsamen, leeren Ausdruck angenommen.
„Sie waren...mit Ihnen befreundet", sagte er vorsichtig.
Lupin nickte.
„Das da...", sagte er und deutete auf den Blondhaarigen, „...ist Mel. Also, Malcolm."
„Mein...Onkel."
„Gewissermaßen. Er ist der Bruder von Tom gewesen. Der ist aber nicht mit auf dem Bild."
Felix schwieg und betrachtete die Jugendlichen. Neben Clarice standen noch zwei weitere Jungen. Ein athletischer, gutaussehender mit lockigen Haaren und grauen, blitzenden Augen, welcher einen kurzen Blick zu Malcom und Clarice warf.
„Ist das Sirius Black?"
Lupin grinste.
„Er hat sich an diesem Tag von Jeremy Singer getrennt. Ich hatte das Gefühl, er war nie glücklicher."
Ohne den Blick von seiner Mutter abzuwenden, fragte er:
„In welchem Haus war sie?"
„Slytherin. Sie und Lily hingen etwa ab dem vierten Jahr ständig zusammen. Fast genauso schlimm, wie Sirius und James. Und wenn es dann zwischen den Parteien mal gekracht hat..."
Er blies seine Wangen auf und ein verräterisches Zucken legte sich um seine Mundwinkel.
„Sie war übrigens auch in der Hausmannschaft der Slytherins. Zwei Jahre als Jägerin und im letzten als Treiberin. Oh ja, ganz sicher. Ein kleiner, grüner Blitz."
Er stockte kurz, lachte dann aber leise.
„Und der vor Sirius?", fragte Felix und sein Lachen erstarb.
Er sah auf den pummeligen, blonden Jungen.
„Das ist Peter Pettigrew. Niemals hätte ich gedacht, dass gerade er sich so...verändern würde."
„Pettigrew", murmelte Felix.
„Ja."
Mehr sagte Lupin nicht.
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