In Ketten
Akihito lief unruhig in seinem Zimmer auf und ab.
Sie hatten nicht lange vor dem Eingang gestanden, denn natürlich waren sie schon erwartet worden.
Nachdem sie die Pferde zu den Ställen gebracht hatten, wurden sie in das Hauptgebäude geführt und zu ihren Zimmern geleitet.
Akihito bewohnte natürlich seine eigene kleine Wohnung. Großzügige fünf Räume nannte er sein Eigen.
Der größte Raum war das Schlafzimmer. Dieses wurde von einem gewaltigen Himmelbett, welches inmitten des Zimmers stand, dominiert. Kuschlige Kissen und Zudecken waren mit weißen und roten Seidenlaken bezogen. Auf dem Steinboden waren große weiche Teppiche in hellen Farben ausgelegt. Antike Regale und Schränkchen, auf denen ebenso Antike und extrem wertvolle Gegenstände standen, zierten die Wände. Kleine und große Zimmerpflanzen rundeten das Bild ab.
An diesen Raum war ein weiterer kleiner Raum angebunden. Sein Ankleide- und Waffenzimmer.
Das erste Zimmer in das man nach Eintreten allerdings gelangte, war das Wohnzimmer. Das zweitgrößte Zimmer. Auch hier gab es weiche helle Teppiche und schöne üppige Pflanzen. Es gab einen großen Kamin, ebenfalls aus Stein, der direkt in die Steinwand geschlagen worden war. Akihito hatte in seiner Kindheit oft darüber gestaunt, wie sein Vater es fertig gebracht hatte solch einen Wohnort mit allen Annehmlichkeiten in einen Berg zu bauen und es trotzdem vor der Außenwelt verborgen halten konnte. Ra's al Ghul hatte ab und zu versucht, ihm zu erklären, wie das ganze System funktionierte. Doch es war so komplex, dass der junge Akiro irgendwann aufgegeben hatte es verstehen zu wollen.
Vor dem Kamin gab es eine runde Sitzgelegenheit, die in den Boden eingelassen war.
Man musste vier Stufen hinablaufen, bevor es möglich war, sich zu setzen. Dieses ‚Sofa' war mit weichen Polstern auf der Sitzfläche und am Rücken verkleidet, außerdem lagen überall dicke weiche Felle. Nicht nur auf der Sitzfläche, sondern auch am Boden lagen Felle und große weiche Kissen.
Diese ganze Konstruktion war riesig und beanspruchte einen großen Teil des Raumes. Als Tisch diente ein rechteckiger glatter Steinblock, auf der Seite des Kamins, der die Sitzgelegenheiten miteinander verband.
Auch der Rest des Wohnzimmers war mit antiken Möbeln dekoriert. Außerdem gab es noch eine ‚normale bequeme Sitzecke mit Tisch neben einer kleinen Bar. Von dem Wohnzimmer gelangte Aki in sein eigenes privates Büro.
Das letzte Zimmer war das Badezimmer. Dieses war am Ende eines kleinen Flures, welcher zwischen Wohnzimmer und Schlafzimmer lag. Türen gab es nur zwei. Die des Badezimmers und die Eingangstür. Die restlichen Räume waren durch breite Öffnungen mit Säulen rechts und links begehbar.
Und durch eben diese Räume lief er nun ungeduldig.
Seine Männer hatten ihre Quartiere in dem gleichen Flügel wie ihr Herr. So wie es bei den Assassinen die in Nanda Parbat zu Gast waren, gehörte.
Akihito hatte dafür gesorgt, das Kirishima und Suoh jeweils ein Zimmer ganz in der Nähe von seinem eigenen bekamen.
Und nun hieß es warten.
Er freute sich irgendwie, wieder an dem Ort zu sein, an dem er aufgewachsen war. Doch die Ungewissheit wegen Asami machte ihm schwer zu schaffen.
Was sollte er nur tun?
Es war sechzehn Uhr. Um siebzehn Uhr würde er seinen Vater in einer gewaltigen Halle gegenüber treten, sich vor ihm leicht verbeugen und ihm sagen wie sehr es ihn doch freute, wieder hier zu sein. Dessen Gefolge würde rechts und links folgsam in Reih und Glied stehen und jeden Schritt von Akiro genau verfolgen. Seine eigenen Leute würden sich ebenfalls zu diesen stellen und es ihnen gleichtun.
Akihito schnaubte genervt und ließ sich auf einen Stuhl im Wohnzimmer fallen.
Das ganze erste Treffen war ein sorgsam geplantes Ritual, welches immer gleich ablief. Sein Vater würde die letzten Schritte, die sie noch voneinander trennten, auf ihn zu gehen ... seine Hände auf Akis Schultern legen und ihn erst auf die rechte und anschließend auf die linke Wange küssen, um ihn zu Hause willkommen zu heißen.
Danach verneigten sich alle Assassinen vor den beiden Königen. Nichts als ein einstudierter Ablauf. Hinterher gingen Akiro und Ra's nebeneinander in einen weiteren riesigen Raum gleich nebenan und setzten sich an einen prunkvoll verzierten Tisch, der auf einem Podest am Ende des Raumes stand. Während das Gefolge sich an die langen Tafeln setzten, die den kompletten Saal füllten.
Gemeinsames Abendessen.
Wieder so ein alter Brauch.
Aber es musste sein. Er durfte seinen Vater nicht schon am ersten Tag verärgern. Er musste sich an die Regeln halten und gute Miene zum bösen Spiel machen. Es half alles nichts.
Nach dem Essen würde Aki Ra's al Guhl nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Dafür war es dann schon zu spät. Dieser würde seinem Sohn einen freien Abend gewähren, an dem er seinen Leuten die Stadt zeigen konnte.
Erst Morgen nach dem gemeinsamen Frühstück würde Akihito Gewissheit über Asamis Zustand haben.
Ra's würde ihn zu dem Gefangenen bringen und Aki erklären, was vorgefallen war.
So lange musste sich der Jüngere zusammen reißen. Auch wenn er wahrscheinlich die ganze Nacht nicht würde schlafen können.
Etwa zwanzig Minuten vor fünf schickte Akihito Nika los. Er sollte Suoh und Kirishima zu ihm bringen, damit er den beiden den Ablauf des Abends erklären konnte. Wie erwartet sahen sie ihn mürrisch an. Hatten sie doch damit gerechnet, ihren Boss zu sehen. Aber so einfach war das nicht und Akihito konnte das ganze auch nicht beschleunigen. Die Rituale waren heilig.
Da mussten die Mafiosi nun ebenso durch wie er selbst. Akiro hatte sich in dieser ganzen Zeit des Wartens nur kurz frisch gemacht und machte sich nun pünktlich auf die Minute auf den Weg in Richtung Saal, gefolgt von den Yakuza und seinen Männern.
Der restliche Abend verlief wie erwartet und ohne Zwischenfälle. Asamis Männer hielten sich an Akihito's Anordnungen und befanden sich den ganzen Abend über an Amirs Seite. Sie beobachteten alles genau und hielten sich zum Glück zurück, auch wenn es sie ziemlich viel Selbstbeherrschung kosten musste.
Eigentlich hatte er sich vorgenommen diesen Abend zu nutzen, um allen Nanda Parbat zu zeigen, die noch nie hier gewesen waren, doch er war einfach zu geschafft. Er musste die ganze Zeit an die Szenarien denken, die Morgen passieren konnten und an Asami. Außerdem hatte er tatsächlich Mühe, seine Augen offen zu halten. Also hatte er beschlossen, diese Führung zu verschieben und in sein Quartier zu gehen. Dort angekommen zog er sich aus und schmiss sich auf sein Bett. Akihito seufzte. Dies würde eine unruhige Nacht werden.
Nun war er endlich auf dem Weg zu seinem Yakuza.
Nach dem Frühstück hatte Ra's ihn zu sich in sein Büro bestellt. Hatte ihm mit ruhiger beherrschter Stimme die Ereignisse geschildert und sich sogar dafür entschuldigt Akihito nicht sofort über alles in Kenntnis gesetzt zu haben. Nun waren sie auf dem Weg zu dem Gefangenen. Aki versuchte verzweifelt, sich seine Nervosität und Angst nicht anmerken zu lassen. Akihito hatte Ra's al Ghul verschwiegen, dass er den Mann kannte, welchen dieser entführen ließ. Damit wollte er verhindern, dass er im schlimmsten Fall nicht zu Asami gebracht wurde. Doch kostete es den Jüngeren unendlich viel Kraft sich nicht einfach einen Stuhl zu suchen, um darauf zusammen zu brechen.
Die einzigen von denen er begleitet werden wollte, waren Amir und die beiden Japaner. Diese liefen nun ebenso nervös hinter Aki her und sprachen kein Wort.
Nach einer gefühlten Ewigkeit waren sie endlich vor der passenden Tür angekommen. Akiros Vater trat als Erstes ein, gefolgt von den anderen vier.
Asami hatte dicke Eisenfesseln um die Handgelenke, die an jeweils einer stabilen Kette befestigt waren und von der Decke hingen. Sie waren so angebracht worden, das der Yakuza die Hände nicht direkt über dem Kopf hatte und gerade noch so mit seinen Beinen den Boden berühren konnte.
Zumindest könnte er stehen, wenn er bei Bewusstsein gewesen wäre. Doch im Moment war das nicht der Fall. Asamis Kinn lag auf seiner Brust und sein gesamtes Gewicht lastete auf seinen Handgelenken. Welche durch die Fesseln schon ganz wund und blutig waren. Sein Oberkörper war entblößt und gezeichnet von heftigen Hieben mit einer Lederpeitsche, die blutende Wunden auf seinem Rücken hinterlassen hatte.
Er musste durch die Folter das Bewusstsein verloren haben.
Aber sonst konnte Akihito, auf diese Entfernung zumindest, keine weiteren Verletzungen erkennen. Was ihn erleichtert Aufatmen ließ. Suoh und Kirishima waren ziemlich blass geworden, gaben aber weiterhin keinen Laut von sich.
„Hat er gestanden?"
Fragte Akihito an seinen Vater gewandt, nachdem er sich sicher war ruhig und gelassen sprechen zu können.
„Nein. Bedauerlicherweise hat er nichts dergleichen getan. Egal wie heftig die Hiebe auch waren, er sagt, er würde die Liga nicht kennen und hätte damit nichts zu tun. Er ist arrogant und sein Wille ungebrochen. Aber ich werde ihn schon noch zum Reden bringen mein Sohn."
Von Akihito fiel in dieser Moment eine unglaubliche Last. Asami hatte nichts gestanden. Er war unschuldig.
Aki hatte zwar nicht damit gerechnet, das der Mafiaboss der Attentäter war. War es doch so überhaupt nicht sein Stil und passte auch so gar nicht zu den Geschäften, die er sonst so abwickelte. Aber trotzdem wollte ... musste Aki es nochmal bestätigt haben, um ein reines Gewissen zu haben wegen dem, was er jetzt tun würde.
Akihito atmete erleichtert aus. Die ganze Zeit hatte er seine Augen nicht von dem bewusstlosen Mann abwenden können, doch jetzt sah er zu seinem Vater.
„Du wirst es nicht schaffen, Asami zum Reden zu bringen, Vater. Er war es nicht. Er wird nichts gestehen egal, wie sehr du ihn foltern lässt."
Ra's schien es die Sprache verschlagen zu haben. Er sah seinem Sohn nur tief in die Augen.
„Wie bitte?! Du kennst diesen Mann?"
„Ja ... ich kenne ihn.", Akihito schwieg kurz. Atmete tief ein und ließ die Luft anschließend wieder geräuschvoll entweichen. „Ich gehöre zu ihm - Und ich liebe ihn!"
Durch dieses laute aussprechen seiner Gefühle spürte Akihito tief in seinem Herzen, wie wahr diese Worte doch waren und das er alles für diesen Mann tun würde.
*
Ihm tat alles weh. Seine Handgelenke brannten wie Feuer, ganz zu schweigen von seinem Rücken.
Asami hatte gespürt, wie das Blut schon nach wenigen Schlägen hinunter gelaufen war. Doch zum Glück hatte es nicht lange gedauert, bis ihm schwarz vor Augen wurde. Diese Tortur ging schon ... keine Ahnung wie lange ... musste er sich eingestehen. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon hier war und wo das ‚hier' den genau lag. Sein Entführer hatte sich ihm zwar kurz vorgestellt, doch konnte er damit nichts anfangen. Diese Kerle wollten anscheinend ein Geständnis von ihm für etwas, das er nicht getan hatte. Er hatte nicht zum ersten Mal das Bewusstsein verloren, und ihnen bis jetzt noch nicht gegeben, was sie wollten, und das würde auch nicht passieren. Die Frage war nur, wie lange es noch dauern würde, bis sie zu einer anderen Taktik greifen würden.
Langsam wurde er wieder etwas klarer im Kopf, doch reichte seine Kraft noch nicht aus, um die Augen öffnen zu können.
Halt. Diese Stimme. Das konnte nicht sein! Halluzinierte er etwa. Hatten sie ihm Drogen verabreicht, ohne das er es gemerkt hatte? Das war doch die Stimme seines Kleinen. Die Stimme von seinem Akihito.
Er wollte die Augen öffnen, um zu sehen, woher dieser wundervolle vertraute Klang kam. Doch er schaffte es nicht und entschied sich dazu, sich noch etwas zu gedulden und Kraft zu sammeln.
„Du wirst es nicht schaffen, Asami zum Reden zu bringen, Vater. Er war es nicht. Er wird nichts gestehen egal, wie sehr du ihn foltern lässt."
Warum nannte sein Kleiner diesen Mann Vater? Er war verwirrt.
„Wie bitte?! Du kennst diesen Mann?"
„Ja ... ich kenne ihn."
„Ich gehöre zu ihm. Und ich liebe ihn!"
Hatte er eben richtig gehört? Sein Kleiner liebte ihn?
„Ich möchte, dass du mir gestattest, ihn auf ein Zimmer bringen zu dürfen und ihn zu verarzten. Ich möchte zehn Tage Zeit, um den Täter suchen zu können, der meine Brüder ermordet hat. In diesen zehn Tagen möchte ich, das Asami hier zu Gast ist und sich von seinen Verletzungen erholen kann. Er wird von meinen Männern bewacht und darf sich nur mit Begleitung außerhalb seines Quartiers bewegen. Es geschieht ihm kein weiteres Leid in dieser Zeit.
Wenn ich den Täter nicht finde und hier her bringen lassen kann."
Asami hörte die Traurigkeit, die sich nun in Akihitos Stimme geschlichen hatte und wie dieser leise ausatmete.
„Werde ich Asami als Täter akzeptieren und ihn persönlich hinrichten."
Stille
„Wenn du meinen Wunsch nicht akzeptierst-. Werde ich mein Recht als Erbe des Dämon einfordern und dich auf Leben und Tod herausfordern."
Wie bitte ... hinrichten? Leben und Tod? Sein Gehirn arbeitete noch zu langsam, um das alles verarbeiten zu können. Aber das Ganze hörte sich nicht gut an.
Schon wieder diese Stille. Eine gefühlte Ewigkeit lang.
„Zehn Tage. Keinen Tag länger!"
Das war das Einzige, was sein Entführer antwortete. Und jemand anscheinend den Raum verließ.
„Kirishima, Suoh nehmt Asami vorsichtig runter."
Wie? Seine Männer waren auch hier? Und was hatte das Ganze bloß zu bedeuten.
Das war das letzte was dem Yakuza noch durch den Kopf gehen konnte bevor ihn wieder die erholsame Dunkelheit umgab.
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